Fast jedes Mal, wenn ich mit dem Zug unterwegs bin, fällt mir eine kleine Eigenheit im Bahnenglisch auf:
“Ladies and Gentlemen, we arrive Berlin-Spandau …”
Die Wendung scheint fest zu sein, äußerst selten höre ich Varationen mit einer Präposition, die to arrive ja eigentlich fordert: Man kann nur at (oder in) arriven, nackt ist das Verb nicht brauchbar. Ganz abgesehen davon, dass die Verbform eine andere sein müsste (we will be arriving …).
Die Erklärung, die sich aufdrängt – und die ich somit auch nicht als erste gefunden habe – ist, dass die Sprecher to arrive nicht als englische Entsprechung von ankommen betrachten, sondern von erreichen. Letzteres braucht nämlich keine Präposition, sondern einfach nur ein Akkusativobjekt:
(1) Ich komme in Berlin-Spandau an. (engl. to arrive)
(2) Ich erreiche Berlin-Spandau. (engl. to reach)
arrive und erreichen klingen ähnlich und bezeichnen ähnliche Konzepte, der Fehler wird also sowohl lautlich als auch inhaltlich gefördert. Dass diese Gleichsetzung wirklich gemacht wird, belegt z.B. folgende Äußerung:
nein, der satz ist korrekt. Das ..we will arrive mannheim… heißt auf deutsch “werden wir mannheim erreichen”. und das ist korrekt so. (Quelle, 9. Kommentar)
Nun tun sich aber einige grundlegende Fragen zum Bahnenglisch auf:
- Gibt es standardisierte Englischkurse, die Ansagetexte lehren? (Scheint so.)
- Sind diese Kurse verpflichtend oder freiwillig? (“Mitarbeiter, die Interesse an dieser Weiterbildung haben” deutet auf letzteres hin.)
- Entstammt das präpositionslose arrive diesen Kursen?
- Falls ja, warum? Will man es den Lernenden möglichst einfach machen und lässt alles weg, was nicht dringend zum Verständnis nötig ist?
- Oder lernt das Bahnpersonal die Formulierung mit Präposition, lässt sie dann im Alltag aber weg?
Kurz und gut: Bekommt das Personal es so systematisch beigebracht oder handelt es sich um einen immer wieder neu gemachten Fehler? Ersteres kann ich nicht recht glauben, aber letzteres erschiene mir auch sehr erstaunlich.
Ich habe Anfang der Woche eine Anfrage an DB Training geschickt, aber leider keine Antwort bekommen – obwohl ich mir die größte Mühe gegeben habe, seriös zu klingen. Vielleicht haben sie Angst, dass ich die Antwort benutzen könnte, um mich über das Bahnenglisch lustig zu machen? Vielleicht antworten sie aber auch nur Leuten, die Geschäfte mit ihnen machen wollen. Falls noch was kommt, halte ich Euch auf dem Laufenden.
Wie geil, du hast das aufgenommen! Haha!
Dieser Ansagetext ist aber so weit verbreitet, dass er schon fast ikonisch für DB-Englisch ist. Mir würde vermutlich ein “korrekter” Satz hier eher auffallen, als die Standard-DB-Floskel. Aber ich fahre auch recht selten Fernverkehr, deshalb bin ich da auch nicht auf dem neusten Stand. (Ich könnte eher was zum “Luftfahrt-TH” beisteuern 🙂 )
Die inhaltliche und lautliche Nähe ist vermutlich eine sehr naheliegende Erklärung. Aber das würde man doch eher als Erklärung für relativ spontanen Sprachgebrauch heranziehen — für so feststehende Ansagen ist es doch verwunderlich, dass den Bahnmitarbeitern in ihren Seminaren das nicht “beibegracht” wird.
Ich habe mich in meinem englischsprachigen Freundeskreis häufig über die Bandansagen im Hamburger Nahverkehr unterhalten. Dort heißt es beispielsweise “Next Station: Central Station, please change here for main line trains” oder “Next Station: Landungsbrücken, please exit here for Youth Hostel and Harbour Boat Trips.” Das würde man in England oder den USA nicht sagen. Aber entscheidend ist hier wohl nicht, dass sich die Hamburger Hochbahn keinen native speaker leisten konnte, sondern, dass die Ansagen auf Englisch für ein internationales, nicht für ein angelsächsiches Besucherpublikum gemacht wurde. Und die könnten vermutlich mit der gebräuchlichen Ansage: “Please alight here for…” wenig anfangen.
Zum linguistischen Aspekt der DB-Ansage: vermutlich haben wir es hier auch mit einem Aspekt- und/oder Tempusproblem zu tun. Man kann in diesem Kontext nämlich nur “We are arriving at/in” oder “We will be arriving at” sagen (zur Not wohl noch “We have arrived in Berlin”, weil der Zug noch etwas Zeit zum Bahnhof braucht, aber sich schon auf Berliner Boden befindet) — was auch gegen eine konsequente Schulung sprechen würde. “to arrive” bezeichnet zwar normalerweise einen punktuellen Zustand “We will arrive in New York on Tuesday”, in unserem Zusammenhang, in dem ich mich aber noch im Zug befinde und der Vorgang des Ankommens beschrieben wird, bin ich mir nicht sicher, ob man ohne den Progressiv auskommt.
Aber ist schon sehr merkwürdig, das DB-Englisch. Hier würde man den Mitarbeitern ja nichts unmögliches abverlangen 🙂
“Next Station: Central Station, please change here for main line trains” [..] Das würde man in England oder den USA nicht sagen.”
Wer hat Dir das denn erzaehlt? Natuerlich sagt man das in England, denn da ist unter anderem Barking.
Ich habe den Eindruck, dass die englischen (wie auch die deutschen) Ansagen tatsächlich standardisiert sind, d.h. den Bahnmitarbeitern werden die Textbausteine vorgegeben. Was wiederum die Frage aufwirft, warum dann keine Profis rangelassen wurden, um die englischen Textbausteine zu entwerfen. Die Formulierungen sind nämlich hochgradig unidiomatisch.
Mit meiner Zweitsprach-Intuition würde ich bevorzugen: “Ladies and gentleman, in a few minutes, the next stop of this train will be Berlin Spandau.” So wie es auch bei der SNCF heißt (“Prochain arrêt: Brest”) oder bei der Regionalbahn Schleswig-Holstein (“Nächster Bahnhof: Wrist”). Die DSB hat sich bei den grenzüberschreitenden ICE offenbar angepasst, statt “næste station: Randers” heißt es dort “mine damer og herrer, om nogle minuter ankommer vi til Randers”.
Was mir daran noch auffällt:
1. Ich käme eher nicht auf die Idee, Eigennamen zu übersetzen — Hauptbahnhof bleibt Hauptbahnhof.
2. Wer des Deutschen nicht mächtig ist, steigt offenbar nicht um. Bzw. muss das alles selbst herausfinden.
Würden “Eigennamen” wie Hauptbahnhof nicht übersetzt, hätten manche aber schon ein Problem. “Gare du Nord” oder “Gare de l’Est” sind auch Eigennamen — und wenn ich als Parisunerfahrener aber leidlich gut französischsprechender Besucher nicht weiß, dass es keinen “Gare de l’Ouest” (West) gibt, dann kann das schon mal zu Verwirrung führen.
Okay, in Städten, die nur an ihren Hauptbahnhöfen von ICEs angefahren werden, ist das vielleicht überflüssig. Aber ich hab schon Ausländer in Hamburg-Altona rumirren sehen, weil die Ansagen vor und für Hamburg nicht auf Englisch gemacht wurden (und sie ihre Anschlüsse am Hbf verpasst hatten), und sie dachten, der letzte Stop müsste ja der Hauptbahnhof sein. Generell sind englische Ansagen also schon hilfreich. Ob die Umsetzung das ist, sei mal dahin gestellt.
Also, “In wenigen Minuten erreichen wir Paris-Ostbahnhof” habe ich im ICE Frankfurt-Paris noch nie gehört. Klingt vielleicht zu sehr nach 1940?
Die Bahn hat noch mindestens zwei andere Standardformulierungen für die Ankunftsansage, und zwar:
-Ladies and Gentlemen, in a few minutes we shall reach X.
und
-Next stop: X.
Ich muss sagen, dass mir die minimalistische Version am besten gefällt.
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Ich habe heute eine Servicekraft am Bahnsteig angesprochen und sie meinte, die Ansagen seinen tatsächlich standardisiert und das Servicepersonal würde geschult, allerdings natürlich nicht so supergründlich. Über at oder nicht-at hat sie aber nichts gesagt.
Nächstes Ziel: So einen Zettel mit Formulierungen in die Finger kriegen.
Wirklich interessant. Ich fahre so selten Bahn, daß mir das bisher nicht aufgefallen ist, bzw. ich dachte immer ich überhöre das at/in nur. Den Punkt von suz finde ich allerdings sehr richtig. Die Bahn macht ihre englischen Ansagen eher für Leute mit Zweitsprache Englisch als für Muttersprachler. Und da macht es schon Sinn, die Konstruktion so simpel wie möglich zu halten.
Ich könnte mir auch vorstellen, daß die strukturelle Ähnlichkeit zwischen “Wir erreichen Berlin” und “We arrive Berlin” für viele Zugführer einfach zu verführerisch ist und dies zu einem massiven Verschlucken der Präposition führt.
Hoffentlich antwortet die Deutsche Bahn noch. Das ist vermutlich der einzige Weg die Wahrheit herauszufinden.
@Achim: Eigennamen werden doch auch nicht übersetzt. Hauptbahnhof ist aber nun wirklich kein Eigenname und sollte schon übersetzt werden.
Es wird natürlich ständig massiv verschluckt in diesen Durchsagen — dennoch bin ich sicher, dass die Formulierung ohne “at” oder “in” ein DB-Standard ist, denn ich habe es tatsächlich noch nie anders gehört und mich schon oft darüber gewundert.
@ kreetrapper:
Ich fände es als der deutschen Sprache nicht mächtiger Reisender hilfreich, wenn Bahnhöfe in Ansagen so benannt werden, wie sie auf den Schildern und in anderen Medien (Aushänge, Fahrplanhefte etc.) auch bezeichnet werden. Damit ich sie auch wiederfinde. Genau aus diesem Grund bleiben wir auf Deutsch ja auch bei “Gare de l’Est”.
Da scheint es wohl keine Rückmeldung seitens Bahn gegeben zu haben, wenn man mal so auf das Datum des Beitrags schaut, dennoch muss ich sagen: Nein, das wird nicht so beigebracht (Quelle: ich war selbst bei der Bahn angestellt) ich habe in Vorbereitung auf diese Stelle einen Englisch Kurs an einer Privatschule belegt und habe während meiner Einarbeitung (war Quereinsteiger) auch nochmal einige Wochen mit Englisch-Unterricht zugebracht, dort wurde es korrekt gelehrt.
Viele meiner damaligen Kollegen haben es aber einfach im Alltag immer wieder falsch gemacht, bzw. sich im Laufe der Zeit schlicht falsch angewöhnt. Also nein, es wird nicht falsch gelehrt nur falsch wiederholt 🙂 Und darüber hinaus hatte ich auch genug Kollegen, die es, ebenso wie ich, korrekt verwendet haben 😉
Grüße R
@Rolf: Wahrscheinlich machen die Bahnmitarbeiter*nnen, die genug Englisch können, auch korrekte Ansagen. Weil man aber to arrive in der Bahn sehr oft ohne Präposition hört, kann es eigentlich nur an einer entsprechenden Vorlage für die Ansagen liegen.
Neulich allerdings wurde ich auf der Rheinstrecke von Ansagen überrascht, die eindeutig von einem englischen Muttersprachler kamen. Obwohl Nicht-Muttersprachlerin, hatte ich keine Verständnisprobleme, weder mit Wortschatz noch Akzent. Die Idee, dass die Bahn Unrichtigkeiten extra einbaut, um es Nicht-Muttersprachler*nnen bequemer zu machen, scheint mir absurd, wenn auch nicht unmöglich.