Unterwegs

Von Anatol Stefanowitsch

Ich komme ger­ade von ein­er Kon­ferenz aus Kiel und sitze im Zug nach Nürn­berg. Von da aus muss ich in eine kleine Uni­ver­sitätsstadt in der Nähe, wo ich einen Tag lang zu tun habe bevor ich auf die Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sprach­wis­senschaft in Berlin weit­er­fahre. Kurz danach muss ich dann schon nach Mannheim auf die Jahresta­gung des Insti­tuts für Deutsche Sprache; vorher schaue ich vielle­icht noch auf dem jährlichen Tre­f­fen der SciLog­ger vor­bei, um meine neuen Mitblogger/innen per­sön­lich kennenzulernen.

Ich erzäh­le das nicht, um auf sub­tile Weise zu demon­stri­eren, wie beschäftigt (und damit wichtig) ich bin (obwohl das ein sub­lim­i­naler Neben­ef­fekt ist, der direkt auf das Unter­be­wusst­sein der Leser/innen des Sprachlogs ein­wirkt und dem sie sich nicht entziehen kön­nen wer­den). Nein, ich erzäh­le es, um klar zu machen, dass ich mich seit Tagen und noch auf abse­hbare Zeit sehr aus­giebig in Zügen der Deutschen Bahn aufhalte. Und da die sich entsch­ieden hat, alle ihre Inter­ci­ty-Züge gle­ichzeit­ig in die Inspek­tion zu geben und die ICE-3-Züge, soweit ich das beurteilen kann, immer­noch mit nicht-funk­tion­ieren­den Brem­sen auf irgen­deinem Betrieb­shof herum­ste­hen und der Zug­man­gel durch geschick­tes Verkürzen und Zusam­men­stop­peln der weni­gen verbleiben­den Züge aus­geglichen wird, ist das viel weniger angenehm, als man denken würde. 

Die oft kri­tisierten Anglizis­men der Deutschen Bahn (Ser­vice Point, Touch­point, Call-a-Bike usw.) wären mir spätestens jet­zt, in einem über­füll­ten Zug ohne funk­tion­ieren­des Reservierungssys­tem, selb­st dann egal, wenn sie mich vorher beküm­mert hät­ten. Entsprechend inter­essiert mich auch das Ver­sprechen des DB-Vor­standsvor­sitzen­den nicht, dass die Deutsche Bahn unter sein­er Auf­sicht in Zukun­ft weniger englis­ches Lehngut ver­wen­den möchte:

Laut Grube wird die Bahn ihre Handzettel nicht mehr Fly­er nen­nen, Hot­lines sollen dem­nächst Ser­vice-Num­mern heißen. [SUEDDEUTSCHE.de/Kratzer 2010] 

Der Vere­in Deutsche Sprache feiert das in ein­er Pressemel­dung als Triumph:

In der Süd­deutschen Zeitung ver­sprach Grube, dass es Wörter wie Hot­line und Fly­er nicht mehr geben und die Dien­stleis­tung Call a bike kün­ftig „Mietrad-Ange­bot“ heißen soll. [VDS-EV.de 2010] 

Dabei ver­schweigt man bei den Sprach­nör­glern wohlweis­lich, dass Ser­vice-Num­mer nicht viel deutsch­er ist als Hot­line, und die Umbe­nen­nung des „Call-a-bike“-Angebots hat man sich rund­her­aus aus­gedacht. Denn Gru­ber sagt ganz ein­deutig, dass die DB bei ihren Marken­na­men weit­er­hin auf die englis­che Sprache set­zen will:

Etablierte Marken­na­men wie Bahn Card oder Inter­ci­ty, die jed­er ver­ste­he, will die Bahn aber weit­er­hin ver­wen­den. Die Dien­stleis­tung „Call a bike“ soll den Kun­den mit der Erläuterung „das Mietrad-Ange­bot der Deutschen Bahn“ schmack­haft gemacht wer­den. [SUEDDEUTSCHE.de/Kratzer 2010] 

Call-a-bike soll weit­er­hin Call-a-Bike heißen, für ganz langsame Zeitgenoss/innen soll nur eine deutsche Erläuterung hinzuge­fügt werden.

Gru­bers Begrün­dung ist dabei ein Witz: „Marken­na­men … die jed­er ver­ste­he“ — im Gegen­satz zu gut etablierten Lehn­wörtern wie Fly­er und Hot­line, die (eben­so wie der Inter­ci­ty aber anders als die Bah­n­Card oder das Call-a-bike) sog­ar schon im Duden stehen?

Aber wie gesagt, das alles ist mir völ­lig egal. Wir haben ger­ade in Han­nover gehal­ten und ein neuer Schwung ver­wirrter Fahrgäste mit gülti­gen Reservierun­gen aber unklaren Vorstel­lun­gen darüber, in welchem Wagen sie sich befind­en, zwängt sich durch die Men­schen­menge in den Gän­gen. Von mir aus kann der Zug weit­er­hin Inter­ci­ty Express heißen und der bahn.comfort-Bere­ich kann seinen Namen auch behal­ten, egal, wie wenig kom­fort­a­bel es ist, alle zwei Minuten von jeman­dem belästigt zu wer­den, der sich in Wagen 10, 11, oder 12 wäh­nt und mir den Platz stre­it­ig machen will.

Denn eigentlich wollte ich über etwas schreiben, was die Sevice-Chefin vorhin in ein­er Durch­sage gesagt hat (das Speiseange­bot der Bahn wird ja pen­e­trant auch dann laut­stark bewor­ben, wenn die Gänge so ver­stopft sind, dass keine real­is­tis­che Möglichkeit beste­ht, den Speisewa­gen inner­halb ein­er durch­schnit­tlichen Lebenss­panne zu erreichen):

Soll­ten Sie lieber gemütlich früh­stück­en möcht­en, so empfehle ich Ihnen unser Rührei-Frühstück… 

Plöt­zlich war mir die Enge egal, und auch der Kaf­fee, den die fre­undliche Ser­vicekraft mir und eini­gen unglück­lichen Mit­fahren­den über die Jack­en und Hosen gekippt hat­te, denn für diese Augen­blicke lebt ein Sprachwissenschaftler.

Was mich an der Durch­sage so begeis­tert hat, war nicht die Aus­sicht auf ein Rührei für knapp acht Euro, son­dern der Infini­tiv möcht­en. Denn den gibt es eigentlich nicht. Das Verb möcht- ist näm­lich sprachgeschichtlich der Kon­junk­tiv II von mögen. Der Kon­junk­tiv ist aber natür­lich eine gebeugte Form des Verbs — einen Infini­tiv gibt es also nicht, denn der wäre eben mögen. Da sich die Form möcht- in Bedeu­tung und Gebrauch aber zu einem eigen­ständi­gen Verb entwick­elt hat, braucht dieses natür­lich eigentlich eine eigene Infini­tiv­form, damit man es, wie die Ser­vicechefin, in Satz­zusam­men­hän­gen ver­wen­den kann, in denen eine solche Form gram­ma­tisch gefordert ist.

Im Deutschen hat sich bis­lang eine solche Form nicht durchge­set­zt — ein erstaunlich­es Zeug­nis dafür, wie langsam sich unsere Sprache, allen Unter­gangsphan­tasien der Sprach­nör­gler zum Trotz, tat­säch­lich entwick­elt. Trotz­dem ist allen Sprecher/innen des Deutschen klar, dass, wenn es eine Infini­tiv­form gäbe, diese möcht­en wäre (das lässt sich leicht ableit­en, wenn man sich klar macht, dass der Infini­tiv immer mit dem Präsens der drit­ten Per­son Plur­al iden­tisch ist: sie essenessen, sie wollenwollen, sie möcht­en*möcht­en.

Und die Ser­vicechefin ist nicht die einzige, die das erkan­nt hat — eine schnelle Inter­net­suche fördert zahlre­iche gle­ichar­tige Beispiele zutage:

  • Soll­ten Sie Ihren Essen­ster­min bes­tim­men möcht­en, liefern wir tiefgekühlte Menüs , die Sie dann selb­st im Back­ofen oder im Menü — Kocher erwär­men kön­nen. [Link]
  • Soll­ten Sie mit Kred­itkarte zahlen möcht­en (VISA/Eurocard/Mastercard), so kön­nen Sie ein Pay­Pal-Kon­to eröff­nen (geht schnell und ist gratis) ... [ Link]
  • Soll­ten Sie Mit­glied wer­den möcht­en, find­en Sie hier ein Beitritts­for­mu­lar. [Link]

(Kurze Anmerkung zwis­chen­durch: Göt­tin­gen — ist da tat­säch­lich schon mal jemand aus­gestiegen? Ich fahre immer nur durch. Und warum sitzen in jedem über­füll­ten Zug genau zwei junge Män­ner, die sich gegen­seit­ig laut­stark gemein­same Erleb­nisse erzählen und noch laut­stärk­er — und, für Außen­ste­hende völ­lig unmo­tiviert — darüber lachen? Und warum müssen die immer, aber auch wirk­lich immer, genau hin­ter mir sitzen?)

Ich bin dann aben­teuer­lustig gewor­den und habe mich gefragt, ob die Form möcht­en auch in klar markierten Infini­tiv-Zusam­men­hän­gen gebraucht wird, also mit zu. Und tatsächlich:

  • Ohne vor­greifen zu möcht­en, kann ich vor­ab sagen, dass wir die Mas­chine nun seit über einem Jahr in Gebrauch haben… [Link]
  • Es geht nicht darum, mit ein­er hohen Run­den­zahl glänzen zu möcht­en, jedoch sollte man einen bes­timmten Zeitraum am Tag für diese Übung bere­i­thal­ten. [ Link]
  • Eine Tages­fla­trate … lohnt sich, wenn Sie … gerne ein­fach und unkom­pliziert mobil ins Inter­net gehen möcht­en ohne sich an einen langfristi­gen Ver­trag binden zu möcht­en. [Link]

Für Bas­t­ian Sick mag diese Infini­tiv­form nur ein weit­er­er Anlass sein, sich über Men­schen lustig zu machen, die weniger gebildet sind als er (Sick 2007). Für mich ist es ein Anlass für Freude: Die Sprachge­mein­schaft über­windet ein über­flüs­siges und zufäl­liges Überbleib­sel eines längst abgeschlosse­nen Sprach­wan­del­prozess­es — wer würde das nicht beobacht­en möchten? 

SICK, Bas­t­ian (2007) Wenn man kön­nte, wie man wöllte. Zwiebelfisch, 12. Dezem­ber 2007 [Link]

SUEDDEUTSCHE.de/Kratzer, Hans (2010) Bahn spricht deutsch. Süd­deutsche Zeitung, 16. Feb­ru­ar 2010. [Link]

VDS-EV.de (2010) Bahn will deutsche Sprache ein­führen. Pressemel­dung des Vere­in Deutsche Sprache e.V., 16. Feb­ru­ar 2010. [Link]

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

36 Gedanken zu „Unterwegs

  1. Simone

    Zwei junge Männer
    Ich sehe das Prob­lem nicht, ich wäre froh um der­ar­tige Begleit­er. Hin­ter mir sitzt immer IMMER eine Mut­ter mit einem schreien­den Baby, im Flugzeug, in der Bahn, im der Strassen­bahn, ein­fach über­all. Ich bin mir nicht sich­er, ob es immer die selbe Mut­ter ist, die mich ärg­ern will und ein Kind hat, das nicht wächst. Aber sie ist immer da. Ver­glichen damit sind doch zwei junge Män­ner, die lachen, ganz erträglich.

  2. Jürgen Bolt

    Ein mit­te­lal­ter Mann
    Mein Prob­lem: wenn ich mit meinem Kumpel in der Bahn fahre und wir einan­der lustige Geschicht­en erzählen, dann sitzt genau vor uns immer so ein mit­te­lal­ter, leicht ver­drossen guck­ender Mann, der mit seinem iPhone im Inter­net herumsurft.
    Übri­gens störte mich sprach­lich bei der Bahn immer die Durch­sage, “dort haben sie Anschluß mit…” wegen der falschen Prä­po­si­tion. Bin ich ein Sprachnörgler?
    (Die ollen Smi­leys lasse ich mal weg, da ich Humorkom­pe­tenz unterstelle.)

  3. amfenster

    Bei mir sind es immer laut­starke Jugendliche. Die immer erst kom­men, wenn der Zug bere­its rollt und ich erle­ichtert aufatme, dass es *dies­mal* eine ruhige Zug­fahrt wer­den wird. Und die sich dann — wie unlängst geschehen — auch gerne in angetrunk­en­em Zus­tand ziel­sich­er im Ruhe­bere­ich des ICE Platz nehmen.
    Zum The­ma ‘möcht­en’: Ist mir per­sön­lich bis­lang noch nicht begeg­net (zumin­d­est nie so, dass es mir schon mal aufge­fall­en wäre), aber eine hochin­ter­es­sante Beobachtung.
    Und dieser Beitrag ist ein Muster­beispiel dafür, wie man aus solchen Phänome­nen auch noch echte Sprach­wan­del­freude beziehen kann, statt mit die üblichen Nörgeleien in die Gegend zu schäumen.

  4. Patrick Schulz

    Ich erin­nere mich daran, dass meine Oma immer sagte „Magst du noch ?“, während meine Eltern „Möcht­est du noch ?“ bevorzugten. Ich selb­st bin in Mit­teldeutsch­land aufgewach­sen, meine Eltern bei­de im hohen Nor­den… Ob das irgend­wie region­al bed­ingt ist, ob man „möcht-“ oder „mög-“ benutzt?
    Nichts desto trotz geht eine Form von „mögen“ als zweites Modalverb bzw. als zu-Infini­tiv bei mir über­haupt nicht, egal ob „mögen“ oder „möcht­en“. Ich würde stets „wollen“ bevorzu­gen wollen…

  5. Gerd Fritz

    Unter­wegs
    Wun­der­bare Belege! Die Modalverb­forsch­er-Com­mu­ni­ty dankt Ihnen. Weit­er so! Her­zlich, Gerd Fritz

  6. Robert Meldt

    Umbe­nen­nun­gen
    “…die Umbe­nen­nung des „Call-a-bike“-Angebots hat man sich rund­her­aus aus­gedacht.” Inter­es­sant, und meine Tageszeitung hat es natür­lich ungeprüft über­nom­men. Nicht, dass diese Infor­ma­tion jet­zt son­der­lich wichtig wäre, aber es wirft mal wieder kein gutes Licht auf den Journalismus.

  7. Gareth

    Habe möcht­en noch nie als Infini­tiv gehört, aber die Ver­wen­dung ist in der Tat inter­es­sant und aus sprach­his­torisch­er Sicht logisch.
    Göt­tin­gen ist dann übri­gens wie Hamm auf der ICE-Strecke von Berlin nach Köln.

  8. kreetrapper

    Ich muß zugeben, daß mir der Infini­tiv zu möcht­en gar nicht so auf­fäl­lig erscheint. Daß es ihn “eigentlich” gar nicht gibt, wird mir erst bewußt, wenn ich darüber nach­denke. Vielle­icht ist der Prozeß, der ihn in die Stan­dard­sprache eingliedert schon weit­er fort­geschrit­ten als man meint.
    Fast noch inter­es­san­ter finde ich allerd­ings, daß sich die ersten paar Kom­mentare fast auss­chließlich um Mitreisende in der Bahn drehen. Ich fahre heute zufäl­lig auch mit der Bahn eine län­gere Strecke (übri­gens zur DGfS-Tagung; vielle­icht sieht man sich ja dort) und bin jet­zt schon ein bißchen ges­pan­nt, welch­er Typ “nerviger Bah­n­reisender” hin­ter mir sitzen wird.

  9. ralf

    Ich muss Patrick Schulz zus­tim­men. Diese Ver­wen­dung von möcht­en ist mir bish­er auch nie bewusst gewe­sen. Ich bin auch in Mit­teldeutsch­land aufgewach­sen und würde in diesen Kon­tex­ten auch “wollen” eher ver­wen­den (“möcht­en” fühlt sich komisch an).

  10. Stefan

    Das ist der erste Beitrag im Bre­mer Sprachblog/Sprachlog den ich mit Befrem­den lese. Für mich ist an “möcht­en” noch nicht ein­mal ansatzweise etwas merk­würdig. Die Behaup­tung, der Infini­tiv hätte sich bis heute nicht im Deutschen durchge­set­zt kann ich nicht nachvol­lziehen. Googelt man nach “möcht­en” find­en sich Mil­lio­nen(!) Tre­f­fer — es kommt von Buchtiteln bis zu etablierten Zeitun­gen nahezu über­all vor. Selb­st im Fremd­sprache­nun­ter­richt unter http://class.georgiasouthern.edu/…mar/gr-mag.htm oder http://www.nthuleen.com/…oechtenkoennenexpl.html Es ist also nicht nur mein Bauchge­fühl, dass ganz klar sagt, dass “möcht­en” ein vol­lkom­men nor­males, etabliert­er deutsch­er Infini­tiv ist.

  11. D.A.

    … dass der Infini­tiv immer mit dem Präsens der drit­ten Per­son Plur­al iden­tisch ist”
    Immer, außer bei “sein” 😉
    Der möcht­en-Infini­tiv kommt mir auch noch ziem­lich fremd vor, aber eine inter­es­sante Ent­deck­ung ist es natür­lich alle­mal. Und inter­es­san­ter­weise halte ich den “Ohne vor­greifen zu möcht­en, …”-Satz für deut­lich unauf­fäl­liger als alle anderen Belege.

  12. Gareth

    Selb­st im Fremd­sprache­nun­ter­richt unter http://class.georgiasouthern.edu/…mar/gr-mag.htm oder http://www.nthuleen.com/…oechtenkoennenexpl.html Es ist also nicht nur mein Bauchge­fühl, dass ganz klar sagt, dass “möcht­en” ein vol­lkom­men nor­males, etabliert­er deutsch­er Infini­tiv ist.

    Inter­es­sant ist aber doch, dass möcht­en zwar entwed­er als eigen­ständi­ges Lex­em oder aber als verselb­st­ständigter Kon­junk­tiv behan­delt wird, die Seit­en jedoch trotz­dem kein einziges Beispiel in infini­tiv­er Ver­wen­dung bringen.
    Dass der Kon­junk­tiv II von mögen mit­tler­weile eigen­ständig gebraucht wird, ist ja kein neues Phänomen. Der Gebrauch als Infini­tiv erscheint mir aber ungewöhn­lich und ich würde ihn auch mit meinem Sprachge­fühl noch als falsch bzw. zumin­d­est frag­würdig markieren.

  13. Gerhard

    Mit dem Bahnnörgeln…
    … ist es wie mit dem Sprach­nörgeln: Es bringt nix außer schlechter Laune. Warum regen Sie sich also auf?

  14. Andreas H.

    Bedeu­tung­sun­ter­scheid
    Es ist ein großer Unter­schied, ob eine Frau zu einem Mann sagt “Mögen sie mich?” oder “Möcht­en sie mich?”.
    Auch der Satz “Ich mag Vanille-Eis” ist etwas anderes als “Ich möchte Vanille-Eis”.

  15. H.L.

    schwach­es Wollen?
    Ich frage mich, was die Sprech­er motiviert, den Infinitv möcht­en zu ver­wen­den statt “wollen”. Klar, wollen ist stärk­er als möcht­en. “Ich möchte” ist zurück­hal­tender und höflich­er als “Ich will”. Aber der Infini­tiv wird ja in Bezug auf Dritte ver­wen­det. Also unter­stellt z.B. die Bahn ihren Reisenden nur einen zurück­hal­tenden Wun­sch zu früh­stück­en und nicht etwa ein entsch­iede­nen Drang danach, den Hunger zu stillen? Beruht das darauf, dass die Bahn davon aus­ge­ht, dass dieses ICE-Früh­stück eigentlich nie­mand wirk­lich wollen kann? Oder ist es eher der Wun­sch, die Bah­n­reisenden mögen (!) höflich und zurück­hal­tend sein?

  16. Stefan

    Auch der Satz “Ich mag Vanille-Eis” ist etwas anderes als “Ich möchte Vanille-Eis”. 

    Genau­so sehe ich das auch. Und ich möchte (*g*) meinem Namensvet­ter eben­falls zustimmen.
    “möchte” ist etwas anderes als mögen, soweit klar. Den­noch empfinde ich die kon­junk­tive Ver­wen­dung als falsch. “möchte” hat für mich die Kon­no­ta­tion eines konkret erfüll­bare Absicht (äquiv­a­lent zu wollen), wohinge­gen mag eher all­ge­mein ist. Eine kon­junk­tive-konkrete Absicht stelle ich mir logisch schwierig vor. Auch wollen hat ja nur the­o­retisch einen Kon­junk­tiv, bzw nur im klerikalen Kontext.

  17. Gareth

    Auch wollen hat ja nur the­o­retisch einen Kon­junk­tiv, bzw nur im klerikalen Kontext. 

    wollen hat auch prak­tisch einen Konjunktiv.

  18. Achim

    Bahn­nör­gler und Sprachnörgler
    @ Bahn: Neulich war es eine Ärztin, die offen­bar mit ein­er Kol­le­gin einen Fall durch­sprach und den Hin­weis darauf, dass sie sich in der Ruhe­zone befände, mit Erstaunen quit­tierte. Wenn’s nach mir geht, schmoren nicht nur die Leute in der tief­sten Hölle, die zunehmend auch an Bahn­streck­en Handy­mas­ten auf­stellen, son­dern auch die Erfind­er der weit­eren mobilen Hard­ware (leis­tungsstarke Ohrhör­er, Handys mit Außen­laut­sprech­er und UKW-Empfänger…).
    @ Göt­tin­gen: Ich bin da schon gele­gentlich aus­gestiegen. Aber was ist schon Göt­tin­gen gegen Bielefeld?
    @ möcht­en / mögen: Kann die Beobach­tung von Patrick Schulz unter­stre­ichen. Bin in S‑H aufgewach­sen und unter­schei­de zwis­chen möcht­en mit aktuellem Bezug (“Möcht­est du noch Kaf­fee?” = “Soll ich noch mal eingießen?”) und mögen als grund­sät­zliche Aus­sage (“Ich mag keinen Spinat.”) Zudem sind mir in südlichen Gefilden gele­gentlich Äußerun­gen begeg­net wie “Magst du mal das Fen­ster zu machen?”, was in meinen Ohren sehr selt­sam klang.

  19. Nörgler

    Auch der Satz “Ich mag Vanille-Eis” ist etwas anderes als “Ich möchte Vanille-Eis”.

    Das ist vol­lkom­men richtig. Genau­so ist der Indika­tiv etwas anderes als der Kon­junk­tiv und “Ich esse gerne Erb­sen­suppe” etwas anderes als “Ich äße gerne Erbsensuppe”

  20. Gareth

    Das ist vol­lkom­men richtig. Genau­so ist der Indika­tiv etwas anderes als der Kon­junk­tiv und “Ich esse gerne Erb­sen­suppe” etwas anderes als “Ich äße gerne Erbsensuppe”

    Der Ver­gle­ich hinkt aber. Ihren Kon­junk­tiv-Satz kann man ein­fach mit Ich würde gerne Erb­sen­suppe umschreiben, ohne dass sich die Bedeu­tung verän­dert. Ich möchte ein Eis und Ich würde ein Eis mögen sind aber zwei unter­schiedliche Dinge — woran man erken­nen kann, dass sich der Kon­junk­tiv mit möchte eben verselb­st­ständigt hat.

  21. ron

    Lustiger Artikel
    Das hat nichts mit dem Text hier zu tun, aber ich wollte Ihnen diesen Artikel schicken:
    “Schlecht­es Englisch Goes Viral in Germany”
    http://www.huffingtonpost.com/…oes_b_473014.html
    Ich fand ihn ganz lustig und das sage ich sehr wert­frei, ich mag wed­er Sprach­nör­gler noch über­triebenes Denglisch.

  22. Michael Khan

    Call-a-bike?
    Ist “Call-a-bike” wirk­lich eine Wen­dung, die aus dem Englis­chen (oder wahrschein­lich Amerikanis­chen) über­nom­men wurde, also ein Anglizismus?
    Oder ist es nicht vielmehr ein Aus­druck, den es so im Englis­chen gar nicht gibt, oder der zumin­d­est im gegebe­nen Zusam­men­hang wenig gebräuch­lich ist, der von deutschen Mar­ket­ing­men­schen erfun­den wurde, weil … warum auch immer.
    Aus den USA ist mir eher der Begriff “Dial a …” geläu­fig. Nie­mand würde Tele­fon­sex “call a porn” nen­nen, das heißt “Dial a porn”. Ana­log “dial a cab”, “dial a flight” und eben auch “dial a bike”.
    Also set­zt man bei der Wahl der Lehn­wo­ert­er nicht wirk­lich auf die englis­che Sprache. Dazu reicht näm­lich hierzu­lande das englis­che Sprachver­moe­gen nicht. Oft kommt es zu Wort- oder Begriff­s­neuschoep­fun­gen, die zwar englisch klin­gen, aber bei Licht betra­chtet ihren Ursprung in unvol­lkomme­nen Fremd­sprachenken­nt­nis­sen haben.
    Ich halte das wirk­lich für ein inter­es­santes Phänomen, das sich übri­gens in vie­len Län­dern der Erde großer Beliebtheit erfreut, man denke an das in amerikanis­chen Restau­rants beliebte “Entree”, wom­it nicht etwa die Vor­speise, son­dern das Haupt­gericht gemeint ist, oder das japanis­che “shuukri­imu”, nicht etwa Shuhcreme, son­dern eine Ver­ball­hor­nung der fran­zoeis­chen Süßspeise “Choux à la crème”.

  23. Gareth

    Ich würde zus­tim­men, dass auch in UK die Vari­anten mit dial a… häu­figer sind (z.B. Dial a Flight oder Dial a Ride), aber es gibt z.b. in Lon­don eine größere Taxiruf­fir­ma, die Call a cab heißt. Es ist also nicht per se von deutschen Mar­ket­ing­men­schen erfun­den worden.
    Man hat sich aber ver­mut­lich für das sel­tenere call entsch­ieden, weil die meis­ten hierzu­lande nicht wis­sen, was dial heißt.

  24. Wentus

    Namensfind­ung
    Das Haupt­prob­lem, das mit Anglizis­men gelöst wird, ist die Erfind­ung eines Namens, den man nicht mit nor­malen Aus­sagen ver­wech­seln kann. Gle­ichzeit­ig soll aber klar wer­den, welche Bedeu­tung der Name hat. Deshalb wer­den dafür auch die bekan­ntesten Fremd­sprachen gewählt. Klar ist, dass man nicht einen Marken­na­men schützen lassen kann, wenn er ein gebräuch­lich­es Wort der Umgangssprache darstellt.
    Wenn man also ein Pro­dukt “Taxiruf” schützen lassen will, dann ist eben “Taxiruf ®” (reg­istri­ertes Marken­ze­ichen) im all­ge­meinen nicht sin­nvoll oder gar juris­tisch unmöglich. Also muss man es “Taxi Call ®” oder “Call a Taxi ®” oder “lla­ma un taxi ®” oder “trou­vez-le-taxi®” oder ähn­lich­es nennen.

  25. Brenda

    Call-a-bike
    Ich bin in Col­orado aufgewach­sen. “Call-a-bike” ist der mir ver­traute Begriff.
    In eini­gen US-Städten gibt es auch “Call-a-Ride” (Großraum Den­ver: “Call-n-Ride”) für Orte, wo es keine gute Busverbindung gibt.

  26. Hans Jürgen Lietz

    Mein Kom­men­tar zu “Unter­wegs”
    Wer Stafanow­itsch heißt, dem ist doch der Zus­tand der deutschen Sprache völ­lige egal. Dafür gibt der Herr Ste­fanow­itsch hier ein gutes Beispiel.
    Doswidania

  27. amfenster

    Eigentlich sollte man ein Diskus­sion­sniveau, auf dem der Name des Gegenüber (oder vielmehr dessen mut­maßliche Herkun­ft) zum The­ma gemacht wird, ja nicht dadurch würdi­gen, dass man darauf ein­steigt. Aber vielle­icht wäre es doch ganz inter­es­sant darauf hinzuweisen, dass sich hier ein VDS-Vertreter so geäußert hat (geset­zt natür­lich den Fall, der Kom­men­ta­tor ist “echt”).
    Woran lietz nur, dass man den Klub ein­fach nicht ern­st­nehmen kann?

  28. David

    Ich gehe zunächst natür­lich davon aus, daß es nicht Herr Lietz war. Ich habe ihm gle­ich eine E‑mail geschrieben und ihn auf diesen Kom­men­tar hingewiesen. Ich erwarte, daß er sich dem­nächst dazu äußern wird.

  29. amfenster

    In diesem Fall bitte ich selb­stver­ständlich darum, meinen vorheri­gen Kom­men­tar als gegen­stand­s­los zu betrachten.

  30. Anatol Stefanowitsch

    Wenn es nicht Herr Lietz war…
    … dann ist es eine sehr sorgfältige Fälschung (IP-Adressen lassen sich ja mit­tels Geolo­ca­tion bis auf einzelne Stadt­teile verorten). Warum sollte jemand einen großen Aufwand betreiben, um einen rel­a­tiv obskuren Region­alleit­er des VDS zu imi­tieren? Da bleibe ich doch lieber bei der ein­facheren The­o­rie, dass er es selb­st war. Es ist übri­gens auch nicht das erste Mal, dass mich Mit­glieder des VDS in Blogkom­mentaren oder per E‑Mail in dieser Weise belästigt haben. Wenn er sich meldet und es bestre­it­et, gibt es ja immer die Möglichkeit, gerichtlich klären zu lassen, ob die betr­e­f­fende IP-Adresse zum Zeit­punkt des Kom­men­tars seinem Inter­ne­tan­schluss zuge­ord­net war oder nicht. Anson­sten hat er von mir Nichts zu befürcht­en, da ich ein sehr absoluter Ver­fechter freier Mei­n­ungsäußerung bin — schon allein deshalb, weil sie dumpfen Gemütern die Gele­gen­heit gibt, sich selb­st zu entlarven.

  31. Michael Blume

    Was für ein schöner…
    …Blo­gein­trag! Da macht das Lesen ja richtig Freude! Vie­len Dank dafür! Wer würde sich da nicht informieren und unter­hal­ten möchten?

  32. Hannah

    Göt­tin­gen
    Kein Wun­der, dass ich diesen Ein­trag erst jet­zt finde, denn ich steige nicht nur in Göt­tin­gen aus, ich wohne seit einem Jahr dort. Und nicht nur das, ab und an muss ich auch noch nach Hamm! (Bei­des will, mag und möchte man übri­gens eigentlich nicht.)

  33. A. Nonym

    … wenn man sich klar macht, dass der Infini­tiv immer mit dem Präsens der drit­ten Per­son Plur­al iden­tisch ist: sie essen — essen, sie wollen — wollen, sie möcht­en — *möcht­en.“
    Sie sind — sind.

  34. JPS

    Göt­tin­gen
    Hey, ich wohne da. Das ist eine sehr schöne Stadt. Aussteigen lohnt sich!

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