Ich habe heute ein Onlineformular ausgefüllt. Als alles fertig war, klickte ich auf “weiter”, aber es gab da ein Problem …
Da steht: “Stimmt die Anrede mit dem Vornamen überein?”, das Formular scheint ernsthafte Zweifel an meiner Weiblichkeit zu haben. Aber warum nur? Ich nehme an, es checkt zunächst einmal, ob der Vorname in einer Datenbank enthalten ist, denn ähnlich strukturierte Namen wie Kerstin, Kirstin, Kirsten, Kristen oder Evelin, Kathrin, … erkannte es ohne Probleme. Männernamen wie Kevin, Justin, Martin hingegen schlagen Alarm.
In einem zweiten Schritt könnten, so stelle ich mir das vor, unbekannte Namen nach bestimmten Kriterien überprüft werden. Z.B. könnten alle Namen auf -n als männlich klassifiziert werden, wenn sie nicht zuvor schon durch Listenabgleich als weiblich akzeptiert wurden. Dass Kristin in keiner Namensliste steht, weiß ich, weil ich in meiner Kindheit immer sehnsüchtig all die individualisierten Tassen und Schlüsselanhänger für Touristen angeschaut habe …
Was ist mit Auslaut-n-Wörtern, die es gar nicht als Rufnamen gibt? Sie werden allesamt als männlich interpretiert: Stettin, Köchin, Afghanistan, Dagestan, Kamerun, Amtston, Abbiegen, … Das bestätigt also meinen Verdacht.
Jetzt wollte ich natürlich mehr “Regeln” rausfinden. Bestimmte Auslautvokale werden oft als weiblich wahrgenommen, daher hab ich’s mal mit Wörtern auf -a versucht, und tatsächlich: Das Formular akzeptiert sie nicht als Männer. Testwörter waren Blabla, Takatuka, Zebra, Kontra, …
Ich habe noch ein bißchen weitergespielt, pro Buchstabe drei Tests, aber nachdem sich herausgestellt hatte, dass b, c, d, e, f, g, h und i als männlich gewertet werden, habe ich aufgegeben. Das System scheint noch viel langweiliger als gedacht – wenn ein Name nicht bekannt ist, wird er als männlich gewertet, mit einer Ausnahme: dem Auslaut auf -a.
Es drängt sich natürlich die Frage “ABER WOZU???” auf. Ich nehme an, die Funktion wird weitaus mehr Menschen verärgern (“Dumme Technik, ich weiß doch wohl, dass ich eine Frau bin …”) als erfreuen (“Huch, ich bin ja ein Mann, das hatte ich ganz übersehen …” oder “Ups, versehentlich den Namen meines Sohnes eingetippt …”) – bei unbekannten Namen also keine Mutmaßung zum Geschlecht anzustellen, wäre meiner Meinung nach wesentlich schlauer.
Aber selbst bei bekannten Namen verstehe ich nicht, warum man einen Martin ermahnen muss, wenn er als Anrede “Frau” angegeben hat. Zumal es ja Namen gibt, die sowohl Männer als auch Frauen tragen können – Andrea z.B. wird hier aber nur für Frauen akzeptiert.
Wer sich dafür interessiert, wie sich (deutsche) männliche und weibliche Vornamen tatsächlich unterscheiden, dem lege ich diesen Artikel ans Herz, den ich auch schonmal verlinkt habe. Neben dem Auslaut gibt es nämlich noch viel mehr zu berücksichtigen, z.B. die Silbenzahl, Konsonantenhäufungen und die Sonoranz der Konsonanten.
Deine “Wozu”-Frage hat sich mir auch direkt aufgedrängt. Ich würde einfach mal an die Druckerei schreiben und fragen, welchen Sinn genau dieser Unsinn haben soll. Abgesehen davon, wenn du dich Herr Kristin nennen willst, oder ich mich Frau Mirko, dann geht das niemanden was an. 😀
Ich hab die Druckerei angeschrieben. Hier die Antwort:
[…] vielen Dank für Ihr Feedback. Ich habe mir das einmal angesehen – Sie haben Recht. Die Funktion ist eine Standardfunktion unseres Shopsystems, die aber mehr Verwirrung bringt als Nutzen. Wir werden die Funktion in den nächsten Tagen deaktivieren. Vielen Dank! […]
Na, was sagst du dazu? 😀
*hehe* Du hast der Menschheit einen Dienst erwiesen!
Soviel Grips sollte man Nutzern eigentlich schon zugestehen, dass sie wissen, welches Geschlecht sie haben.
Andererseits — aus meiner Zeit als Mitarbeiter einer Stromfirma, die auch die Online-Anmeldung mit Drop-Down für die Anrede zuließ, weiß ich, dass der Faktor Mensch auch immer für Fehler gut ist. Wir waren immer wieder überrascht, wie oft wir Anmeldungen mit “Herr Anna” oder “Herr Laura” erhielten (in seltenen Fällen auch mal “Frau Hans”). In solchen Fällen haben wir das natürlich stillschweigend geändert, und wo wir es übersehen haben, bekamen wir von Kunden teilweise sehr wütende Anrufe, wie wir aus ihnen “Männer” machen konnten.
Tja! 😀
auch andere viel größere seiten tun sich mit namen manchmal schwer.
facebook mag es z.b. nicht wenn der vorname mit dem nachnamen identisch ist.
siehe:
http://casiola.wordpress.com/2010/02/17/facebook/
Während meiner Ausbildung als Verlagskaufmann habe ich öfter Antworten auf Anfragen bekommen, worin ich mit “Sehr geehrte Frau B.” angeredet wurde. *kopfschüttel*
Die Geschlechtserkennungsalgorithmen sind an sich schon sinnvoll, werden aber oft – wie auch hier – falsch eingesetzt, weil die Programmierer den Anwendern ihr mechanistisches Denkmodell vorschreiben.
Eine gute Benutzerschnittstelle bietet bei der Dateneingabe dem Nutzer bspw. nur die Felder „Name“ und „Adresse“ an (oder auch nur eines), dann parst ein Serverskript diese Rohdaten, sodass sie zum Datenbankmodell passen, und schließlich wird dem Nutzer zur Kontrolle das präsentiert, was man erkannt oder geraten hat, also bspw. die Felder „Anrede“, „Vorname“, „Nachname“, „Straße“, „Hausnummer“, „Ort“, „Postleitzahl“, „Land“, wobei sie .
… dann natürlich noch korrigiert (oder auch beliebig verändert) werden können.