Die meistgelesenen Beiträge meines alten Blogs waren die, in denen ich mich mit der Herkunft, Bedeutung und internen Logik der Redewendung Sinn machen beschäftigt habe. Es vergeht keine Woche, in der nicht aus irgendeinem Forum neue Leser den Weg zu mir finden, weil jemand dort die Redewendung verwendet und damit einen Sturm sprachlichen Spottes auslöst, in dessen Verlauf jemand dem Übeltäter zur Seite springt und auf meine Beiträge verweist. In denen zeige ich ja unter anderem, dass die Redewendung zwar vermutlich durch das Englische inspiriert ist, aber im Deutschen schon sehr viel länger existiert als üblicherweise angenommen; dass sie sich problemlos in die deutsche Sprachlogik einfügt (sofern es so etwas gibt) und auch ohne Hilfe von außen hätte entstehen können; dass sie etwas anderes bedeutet als die angeblich besseren Alternativen Sinn haben und Sinn ergeben und dass große Dichter und Denker sie verwenden (ich verknüpfe hier einfach den ersten Teil der vielteiligen Serie).
Nicht, dass das die Sprachschatzmeister beeindruckt: Das sei ja alles schön und gut, schreiben die typischerweise, aber Sinn machen sei nun einmal unlogisch, überflüssig und ungebildet, daran sei auch durch unbestreitbare Tatsachen nichts zu ändern.
Vor zwei Wochen gab es wieder eine solche Sprachschlacht im Lawblog, in einer eigentlich inhaltlich viel interessanteren Diskussion um die Frage, ob ehemalige Staatssymbole als Markenzeichen angemeldet werden dürfen. In Verlauf des Gefechts verstieg sich einer der Kommentatoren zu folgender Behauptung:
„Sinn machen“ ist eindeutig nicht von unseren großen Dichtern und Denkern benutzt worden, sondern nachweislich aus dem Englischen wörtlich übersetzt. „Sinn haben“ dagegen klingt wie ein süddeutsches Idiom für „Sinn ergeben“, semantisch ist es allerdings grundverkehrt, denn „Sinn haben“ heißt nichts weiter als Verstand zu besitzen, was man schwerlich auf Objekte oder auch Pläne und Absichten anwenden kann. „Sinn ergeben/machen“ beschreibt dagegen eine logische Kausalität.
Hier wäre es vielleicht angebracht, die völlig aus der Luft gegriffene Behauptung näher zu untersuchen, Sinn haben hieße „Verstand besitzen“. Aber solange sich die nicht auf breiter Ebene durchsetzt, will ich ihr keinen Vorschub leisten, indem ich mich mit ihr beschäftige.
Stattdessen habe ich in der Diskussion auf Gotthold Ephraim Lessing verwiesen, dessen Status als Dichter und Denker unstrittig sein dürfte und in dessen Werken sich die Redewendung gleich zweimal findet:
Ein Übersetzer muß sehen, was einen Sinn macht. [Lessing, Briefe, die neueste Literatur betreffend (10. Januar 1760) zeno.org]
Nun ist es wahr, daß dieses eigentlich keinen falschen Sinn macht; aber es erschöpft doch auch den Sinn des Aristoteles hier nicht. [Lessing, Hamburgische Dramaturgie (notiert am 8. März 1768)
zeno.org]
Interessant ist im zweiten Zitat der Ausdruck falschen Sinn machen, denn für make wrong sense finden sich zwar vereinzelte Belege auch im Englischen, aber es ist keine gebräuchliche Wendung, sodass man davon ausgehen kann, dass Lessing den Ausdruck nicht einfach imitiert, sondern kreativ verwendet hat.
Nun mag die Verwendung durch einen einzigen Dichter und Denker nicht jeden überzeugen (in der verlinkten Diskussion hat niemand auf den Hinweis reagiert) und das hat mich daran erinnert, dass es neben Lessing noch einen potenziell von Max Frisch stammenden Beleg gab. In meinem Beitrag hatte ich den seinerzeit bei Google Books in einem Buch von Rolf Kieser über Max Frisch gefunden und der Schnipsel, den Google anzeigt, ließ offen, ob hier Frisch selbst oder der Autor, damals Professor für Europäische Literaturen am Queens College in New York zitiert wurde.
Über die Verknüpfungen zu Online-Buchhändlern, die Google Books praktischerweise anbietet, habe ich also nach einem Exemplar gesucht und auch eines gefunden und bestellt und heute war es in der Post. Und siehe da, es ist tatsächlich Frisch selbst, der die Redewendung verwendet und zwar gleich zweimal und mit voller Absicht:
Wenn nämlich einer, Sie oder ich, sich hinstellt und nun die authentischen Sätze von Kaduk, einem KZ-Mann, spricht, so wird die Authentizität dadurch herabgesetzt, daß gespielt wird. Und das macht keinen Sinn. Denn das, was zum Beispiel das Stück Die Ermittlung mitteilt, evoziert, das hab’ ich auch in den reinen Dokumentationen, und zwar meiner Meinung nach sehr viel stärker, nämlich sehr viel genauer. Ob das nun noch Literatur ist oder nicht, weiß ich nicht, aber es macht keinen Sinn … makes no sense. [Max Frisch in einem Interview mit Rolf Kieser, 1972 (zitiert nach Kieser 1975: 78)]
Frisch entlehnt die Redewendung offensichtlich tatsächlich aus dem Englischen, wie sein englischer Einschub am Ende des Zitats zeigt. Aber das ändert ja nichts an der Tatsache, dass einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller des Zwanzigsten Jahrhunderts die Redewendung offensichtlich treffend und ganz und gar nicht unlogisch findet … anders, übrigens, als Kieser selbst, der in seiner Zusammenfassung von Frischs Zitat kommentarlos sprachnormierend tätig wird:
Mit der Bemerkung „es hat keinen Sinn“ schließt Frisch diejenigen Spielvarianten aus, die unter falschen Voraussetzungen gespielt werden … [Kieser 1974: 78]
Und die Moral von der Geschichte: Große Geister von Lessing bis Frisch machen Sinn, schon seit 1760.
KIESER, Rolf (1975), Max Frisch. Das literarische Tagebuch. Frauenfeld und Stuttgart: Huber. [Google Books]
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Aber…aber wir müssen doch das Theutsche rhein halten. Wo kommen wir denn hin, wenn wir nicht mehr über Konstrukte diskutieren, die jeder versteht, das macht doch keinen Sinn 😉
Im Ernst: Schöner Beitrag
Sehr schön!
Und überhaupt gefällt mir der ganze Blog, den ich vor dem Umzug vor einer Woche aus meiner Heimatstadt hierher nicht kannte.
Lessing und Frisch als Advokaten, das sollte wirklich ausreichen.
Ich muß zugeben, daß ich selbst bis vor wenigen Jahren glaubte, man könne nichts denken, wofür man kein Wort hat. Eine Verlernübung, die sich Ausbildung nennt (um mit Sloterdijk zu sprechen), hatte mich verdorben. Ein Professor hatte bezweifelt, daß es das Gefühl der Waldeinsamkeit gab, bevor Tieck das Wort erfunden hatte. Wenige brillante Sätze von Steven Pinker haben mich dann von diesem Irrtum befreit.
Sie scheinen auch ein paar ziemlich interessante Kommentatoren mitgebracht zu haben. Ich hatte jedenfalls bei scilogs noch diese witzige Art von Kritik gelesen, die Gareth und DrNI@AM an Ingrid Blum geäußert haben. Macht Appetit auf mehr.
Das habe ich gebraucht.
In der Tat kann man sich in der vernetzten Welt heute kaum noch bewegen ohne, dass man einen Link zu einem bestimmten Artikeln von Hernn Sick bekommt. Gesendet von einem erregten Verteidiger des guten Deutsch.
Es wäre mal interessant dieses Phänomen psychologisch zu betrachten.
Vielen Dank für dieses informative und auch sehr interessante Blog. Den Bremer Sprachblog habe ich auch schon zum Teil aufgearbeitet 😉
Argumente machen manchmal keinen Sinn
Tja, manchmal machen solche Argumente dann doch keinen Sinn. Viele Leute “wissen” einfach, dass die Redewendung falsch ist. Das ist dann so und damit hat es sich!
Ähnliches kann man immer wieder finden. Spontan fallen mir da folgende Worte ein, die andauernd angemäkelt werden:
— Der Schraubenzieher: Es hieße Schraubendreher, da man die Schauben ja nicht ziehen, sondern drehen würde. Der Einwand, dass es sich aber auch um ein Werkzeug handelt, mit dem man Schrauben an- bzw. festzieht gilt dann einfach nicht.
— Die Unkosten: Angeblich auch sinnlos und überflüssig. Es seien einfach Kosten. Das es sich hier um eine spezielle Art von Kosten handelt, nämlich welche, die man nicht erwartet hat, gilt auch meist eher nicht.
Mir geht diese deutsche Besserwisserei dann jedesmal auf den Keks. Letztlich geht es immer darum sich als besonders Schlau hinzustellen. Wenn jemand stichhaltige Gegenargumente bringt, dann muss die eigene Ehre um jeden Preis verteidigt werden.
Manchmal werden die Rückzugsgefechte um das eigene Weltbild dann auch schon fast komisch. Vor Jahren diskutierte ein Übersetzer im Usenet mit Holocaust-Leugnern. Und dokumentierte dies dann auf einer eigenen Webseite.
Dort wurde dann von den Leugnern z.B. die Phrase “the race of doctors” einfach in “Das rennen der Ärzte” um das Leben der Patienten umgedeutet:
http://www.h‑ref.de/tricks/rasse/rasse.php
Es ging dabei darum, dass Juden sich angeblich selbst als “Rasse” einordnen und daher nicht deutsch sein könnten. Als Beleg dafür wurden englische Texte herangezogen.
Man sieht, dass Realitätsverweigerung irgendwie nicht auszurotten ist. Ich glaube daher auch nicht, dass eingefleischte Anglizistenjäger sich mit Lessing oder Frisch überzeugen lassen. Wo kämen wir denn da hin! Wir wissen ja, dass die Deutschen von den bösen (US-)Amerikanern unterwandert werden. Da können auch Frisch und Lessing nichts daran ändern.
Andere Bedeutung bei Lessing?
Vorweg: Ich habe kein Problem mit “Sinn machen”.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Argumentation bezüglich Lessings wirklich wasserdicht ist. mE ist die Stoßrichtung doch etwas anders. Das bemängelte “Sinn machen” ist ja i.d.R. im Sinne von “Sinnvoll sein” oder “schlüssig sein”. Lessing aber spricht von Übersetzungen (philosophischer?) Texte und ihm scheint es hier tatsächlich um die “Erzeugung” eines “Sinns” also einer gewissen Aussage im Geist des Lesers zu gehen.
Bin ich der einzige der da einen gewissen Unterschied ausmacht?
@Klaus
Vielleicht hilft es, sich den Unterschied zwischen normaler Sprache und idealer Sprache vor Augen zu führen und den philosophischen Streit darüber (etwa früher Wittgenstein gegen späten Wittgenstein, s. z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_der_normalen_Sprache). Viele Sprecher scheinen intuitiv davon überzeugt zu sein, dass es sich bei der Alltagssprache um eine ideale Sprache handeln müsse.
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, was an Schulen häufig als Grammatik gelehrt wird und welchen Stellenwert die Pragmatik dabei hat.
Ich habe in letzter Zeit mal darauf geachtet, vor allem auch an der Uni. Und ob es nun Studenten oder Dozenten waren, die haben alle irgendeine Form von “Sinn machen” genutzt. Was anderes trat nicht auf. Gut die Stichprobe ist jetzt nicht sehr groß und repräsentativ, aber meinem Gefühl nach hat sich das schon gut durchgesetzt.
Aus soziologischer Sicht sagt diese Redewendung auch eher das aus, was wirklich passiert. Wie man an der Diskussion sieht und Klaus auch bemerkt, macht sich jeder seinen Sinn selbst. Nach Max Weber ist auch jede soziale Handlung eine mit subjektiven Sinn verbundene Handlung.
Aus dieser Sichtweise macht das also alles Sinn. 😉
Bedeutung bei Lessing
Ich stimme zu, dass bei Lessing die Bedeutung in etwa die von Sinn ergeben ist, während die dominante Bedeutung heute so etwas wie „gut durchdacht sein“ ist. Aber auch Lessings Bedeutung findet sich heute noch (ich habe Bedeutungsunterschiede und ‑überlappungen zwischen Sinn haben/ergeben/machen hier diskutiert. Den Zusammenhang zwischen machen und der tatsächlichen Konstruktion von Bedeutung durch das Individuum habe ich ebenfalls schon diskutiert, und zwar hier unter Bezugnahme auf Gerhard Roth. Auch Kant wäre hier, wie ich unlängst erinnert wurde, zu nennen, danke auch für den Hinweis auf Weber.
Ich merke gerade, dass ich zur weltweit führenden wissenschaftlichen Autorität für die Redewendung Sinn machen geworden bin. Hilfe!
Aber ist es nicht viel ausschlaggebender, dass eine Konstruktion existierte, und weniger, ob sie damals in der heutigen Bedeutung existierte?
Helvetismus?
Könnte es sein, dass “Sinn machen” seinen Weg ins Deutsche zumindest teilweise via die Schweiz genommen hat? Ich habe mich zwar nicht allzu intensiv mit der Thematik befasst, glaube jedoch kaum, dass in einem der mir geläufigen Dialekte des Schweizerdeutsch “Sinn haben”, “Sinn ergeben” oder sonstwas ähnliches verwendet wird, “Sinn machen” ist jedoch ein alltäglicher Ausdruck. So würde auch Max Frischs “Sinn machen” Sinn machen.
Apropos Frisch
Frisch war ja Schweizer. Im Schweizerdeutsch wird (zumindest soweit ich das als Berner überblicke) “hat Sinn” eigentlich nur in der verneinenden Form verwendet, also “das hett kei Sinn” im Sinne von “das ist nicht sinnvoll”. Positiv gemeint hingegen sagen alle “das macht Sinn”. Aber Frisch war nicht nur Schweizer, sondern hat auch Germanistik studiert, und vielleicht hat der Gebrauch von “macht Sinn” darum für ihn Sinn gemacht.
Sinn
Anatol Stefanowitsch,
Ich bin begeistert, zu dieser Redewendung hier einen neuen Blog zu finden, der auch schon eine interessante Vorgeschichte hat.
Dessen fünf Teile konnte ich nur ausschnittweise lesen. Ich bin mit Ihrer Meinung einverstanden, obwohl ich die Redewendung nicht oft benutze. Lieber versuche ich mit „ergibt S.“ oder „ist sinnvoll“, „ich sehe S. darinn“, dieses „es macht S.“ zu vermeiden, aber nur wegen dem Beigeschmack der Redewendung, der ihre Benutzer in Richtung „Klugscheißer“ einfärbt.
Dieser Beigeschmack ergibt sich wohl daraus, daß die Redewendung „es macht S.“ zum täglichen Jargon der TV-Kommentatoren und politischen Debatten gehört.
Nun ist hier ein Neubeginn gestartet, und sofort mit großer Resonanz, da bin ich gespann, was noch kommt.
Mir liegt nach dem flüchtigen Überblick eine Frage auf der Zunge, die mir noch ungeklärt erscheint: Was ist den nun Sinn, was kann ich mir unter diesem Wort vorstellen? Welchen Sinn hat das Wort „Sinn“ in den vielen Redewendungen? Wovon ist die Rede, wenn über Sinn geredet wird?
Jeder Leser verfügt ja über Sinn, er weiß genau, wovon die Rede ist, aber eine genaue Beschreibung des Begriffs stößt auf Schwierigkeiten.
Erste Hinweise zur Erhellung des Phänomens „Sinn“ erhielt ich durch die Systemtheorie von Niklas Luhmann, in der Sinn ausführlich als selbstreferentielle Konstruktion eines Systems beschrieben wird, mit dem Kommunikation (von Sinn) möglich ist. Demnach könnten die Anhänger dieser Theorie auch sagen „das konstruiert Sinn“, eine neue Formel für einen neuen Gelehrtenstreit.
Wenn ich hier 🙂 setze, möge es den Sinn des Lesers darauf einstimmen, meine Gedanken immer mit humorvoller Toleranz aufzunehmen.
In diesem (welchem?) Sinn grüße ich
nicht nur die Gleichgesinnten
S.R.
@Steffen Rehm
Witzig, ich empfinde gerade die Wendung “etw. ergibt Sinn” mittlerweile oft als gestelzt — nicht als ungewöhnlich oder altmodisch, aber oft springt mich daraus geradezu das krampfhaft vermiedene “macht Sinn” an. “Da hat einer seinen Sick gelesen”, denke ich mir dann immer.
Luther, Lessing, Goethe
Selbstverständlich verschiebt sich die Bedeutung mancher Wörter und damit auch die mancher Phrasen bisweilen. Sinn machten auf die eine oder andere Weise neben dem schon erwähnten Lessing auch Luther und Goethe. Und solange das wichtigste Argument der Puristen ist, etwas Abstraktes wie Sinn ließe sich nicht machen, kann man die Feinheiten der Bedeutungsverschiebung wohl erst mal außen vor lassen. Der Sinn, den Lessing im Sinn hatte, ist schon eine ziemlich vergeistigte Angelegenheit und mit dem Sick’schen Brotteig nicht zu vergleichen. Das Gleiche gilt für den Sinn, den Goethe sich zu einigen Psalmen machen zu müssen glaubte. Als Beleg dafür, dass die Wendung seit mehreren Hundert Jahren im Sprachgebrauch ist, reicht das imho aus.
Schraubendreher?
Zu spät, šrafciger ist schon im BCSM* angelangt. Muss (über das Slowenische, nehme ich an) aus einem steirischen Dialekt kommen…
Das Wort Schraubendreher kenne ich nur geschrieben und nur aus Deutschland. Witzigerweise werden Schrauben aber in Österreich weder gedreht noch gezogen, sondern einzig und allein geschraubt. Es wird angeschraubt, eingeschraubt, zugeschraubt, aufgeschraubt, und wenn es eng wird, werden Schrauben hinein- und herausgeschraubt…
* Bosnisch/Kroatisch/Serbisch/Montenegrinisch.
Zeigt nicht eigentlich schon die Häufigkeit mit der “Sinn machen” verwendet wird, dass es in der deutschen Sprache gebraucht wird? Ich wüsste zumindest nicht, womit man es wirklich ersetzen könnte.
Sinn haben heißt “Verstand besitzen” ???
Und das soll ein süddeutsches Idiom sein?
Naja.
Ich komme nicht aus Süddeutschland und wir verwenden die Wendung “Sinn haben” eigentlich nur in der Negation, z.B. “Lass es, das hat keinen Sinn.” Damit ist gemeint: Eine bestimmte Handlung ist sinnlos, da sie nicht zum gewünschten Effekt führt.
Umgekehrt sagt man selten (zumindest habe ich es noch nie gehört) “Es hat Sinn, dieses zu versuchen.”
Sondern, “Es ist sinnvoll, das zu probieren” oder eben “Es macht Sinn, wenn Du dieses mal versuchst.”
“Sinn ergeben” kenne ich nur in Verbindung mit Puzzlestücken eines Rätsels: “Die Hinweise ergeben einfach keinen Sinn!”
Die Wendung “Sinn ergeben” im Zusammenhang mit den weiter oben genannten Bedeutungen zu verwenden, finde ich schwachsinnig, verbohrt und verdächtig ist es, die Verwendung von “Sinn haben” und “Sinn machen” zu bekritteln.
Komma
ja, ich weiß, es fehlt im letzten Satz das Komma vor dem “und”.
Kurz vorweg: Mich nervt diese ganze Sinn“mach“erei. Es soll ein Beweis sein, dass es auch im 18. Jahrhundert schon gebraucht wurde? Oder die Verbreitung soll Beweis genug sein? Wenn sagen wir 20 Millionen Leute der Meinung sind 1+1=3, dann wird’s schon stimmen? Und hier: Vor 300 Jahren hat’s auch schon einer falsch gemacht! Meist werden Dichter herangezogen. Dichter! Herrschaften, die Sprache kreativ gebrauchen, die auch Wortschöpfungen erdenken.
Seht es doch mal so: Wenn ihr sagt “Dieser Umstand macht Sinn.” Dann ist das in sich doch unlogisch, denn was ihr meint ist doch, dass der Umstand den Sinn bereits in sich trägt. Er braucht ihn nicht erst zu machen.
@Marc
Nein, wenn 20 Millionen Menschen sagen, 1+1=3, stimmt das nicht. Einfach, weil die Gleichung 1+1 so definiert ist, dass sie 2 ergibt. Natürliche Sprache funktioniert aber ganz anders. Sie existiert nicht unabhängig von den Menschen, sie ist nicht (und kann nicht) immergültig definiert werden. Sie wird von den Menschen gemacht, und zwar täglich neu. So lässt sich erklären, dass sich Sprache im Laufe der Zeit wandelt. Wenn Sie “Sinn machen” für falsch halten, mögen Sie das tun, es spielt aber keine Rolle. Wenn 20 Millionen Menschen so sprechen, haben Sie kein Recht, das “falsch” zu nennen, denn es gibt kein unabhängiges Kriterium, an dem man das festmachen könnte. Wir benutzen ständig eigentlich “unlogische” Ausdrücke, ohne dass sich jemand daran stören würde — weil Sprache eben nicht immer “logisch” ist und auch nicht sein muss.
@Marc
“Er braucht ihn nicht erst zu machen”
Aber: Warum ist dann (angeblich) “Ergibt Sinn” besser? Wenn ein Umstand “den Sinn in sich trägt”, udn daher keinen Sinn machen kann, wieso kann er dann welchen ergeben? Auch in dem Fall, wird der Sinn doch erst erzeugt? . Die Logik verstehe ich ehrlich nicht!
Und wenn man dabei ist:
Wieso kann etwas keinen Sinn machen, aber Spaß oder betroffen oder Laune oder Angst oder…?
@D.A. und Peer
@D.A.:
Überspitzt ausgedrückt: Dann brauchen wir uns nach deiner Erklärung überhaupt nicht mehr um sprachliche Regelungen zu scheren. Jeder redet Blödsinn wie es ihm gerade passt und wenn er verstanden wird, ist schon alles gut.
@Peer:
Sinn ist etwas nicht Greifbares, man kann ihn nicht fühlen, riechen, schmecken, hören. Deswegen kann er auch nicht gemacht, also aktiv hergestellt werden, sondern er ergibt sich von selbst. Spaß, Laune und Betroffenheit sind Dinge, die durch bestimmte Handlungen in dir erzeugt werden können. Wie aber sollte jemanden Sinn machen?
Marc, irgendwo drückt Dich der Schuh. Das kann ich sicher sagen, ohne zu wissen, ob Du überhaupt Füße hast!
@Marc
Herzlichen Glückwunsch, du hast es erfasst. Sprachen müssen nicht reguliert werden. Ich sehe ja ein, dass das einigen, besonders uns Deutschen, schwerfällt zu akzeptieren. Tausende Sprachen kommen prächtig aus, ohne dass jemand auf die Idee käme, sie zu regulieren. Wie können die sich noch verstehen, wo doch jeder nur seinen Blödsinn redet? Tja, es funktioniert. Und auch fürs Deutsche gibt es ja — von der Rechtschreibung abgesehen — keine offiziellen Regeln; nur ein paar Besserwisser, die uns weismachen wollen, dass an “gewinkt” irgendetwas besser sein soll als an “gewunken”. Aber auch die können zum Glück nicht über den allgemeinen Sprachgebrauch entscheiden.
Das Logik-Argument ist ein hilfloser Versuch, unerwünschte Wendungen für “falsch” zu erklären, wenn nix anderes mehr hilft. Dass es Quatsch ist, zeigen schon einfachste Beispiele: In der Logik ergeben zwei Negierungen eine positive Aussage. Es gibt jedoch zahlreiche Sprachen (z. B. Französisch, Spanisch), in denen eine doppelte Negation eben eine negative und keine positive Aussage ergibt. Ist dann die ganze Sprache falsch, hm?
Und auch das Deutsche ist da nicht “besser”: Wenn du an alles, was du sagst, dieselben strengen Maßstäbe anlegen würdest wie an “Sinn machen”, dürftest du wahrscheinlich nur noch schweigen. Das geht bei “Wie gehts?” (was geht?) und “Es regnet” (was regnet?) los und hört bei Metaphern, Metonymien und Sprichwörtern — David hat es bereits angedeutet — noch lange nicht auf.
Schraubenzieher
Heißt es nun Schraubenzieher oder Schraubendreher? 😉 Mir ist es egal, hauptsache das gute Werkzeug erfüllt seinen Zweck. Oder wie heißt es bei Binford so schön? Wir brauchen mehr Power 🙂
Verwirrende Sprachwissenschaft
Es heißt: Drei Juristen, fünf Meinungen. Mir scheint es aber inzwischen, als ließe sich das bedenkenlos auf die Sprachwissenschaft übertragen.
Ich habe nun schon so manche Diskussion mit Redakteuren und Lektoren hinter mir; ich habe mir schon vor langer Zeit den Duden “Richtiges und gutes Deutsch” gekauft; ich habe zumindest ein paar von Bastian Sicks Büchern gelesen und nehme inzwischen zur Kenntnis, dass man ihm besser nicht so viel glauben sollte; ich habe mir Wustmanns “Sprachdummheiten” (Ausgabe von 1949) angeschafft; ich schaue mir gerne die Tutorials auf Belles Lettres an (dazu hier ein Beitrag darüber, warum “Sinn machen” im Deutschen nicht gehe); und jetzt lese ich auch noch ab und zu im Sprachlog.
Mein Fazit: Selbst Experten sind sich nicht darüber einig, was nun “richtiges und gutes Deutsch” ist.
Mir ging es aber vor allem darum, deinen Verweis auf deinen damaligen Kollegen Gerhard Roth aus dem dritten Teil der Serie zu kritisieren; und das durfte ich auf der alten Seite nicht mehr.
Jedenfalls ist Roths Gehirnkonstruktivismus 1.) sicher nicht die Meinung aller Neuro- und Kognitionswissenschaftler, ist es 2.) ein noch ungelöstes Rätsel, wie Bedeutung überhaupt im Gehirn realisiert ist und 3.) entsteht diese sicher nicht im Gehirn allein, sondern nur durch den lebendigen Austausch mit einer Lebenswelt und anderen Wesen in ihr, die einem die Bedeutung (beispielsweise auch an Schulen und Hochschulen) beibringen (vgl. dazu auch meinen jüngsten Beitrag, Legt das Gehirn alles fest?).
Sinn haben Sinn machen
Einen Sinn kann man nicht machen, den hat man von Geburt an- nämlich deren 5! Es macht ja auch keinen Zweck, sondern es hat keinen Zweck. Dieser Murks kommt bestimmt aus der Schweiz. Ein einziger deutscher Journalist kann eine ganze Republik verdummen! Unglaublich!
moep
Ich betrachte mich nicht als Hüter der Wahrheit und bin dem “Sinn machen” zugetan, ich finde es ansprechend.
Mich stört es allerdings, wenn mir jemand Vorschriften machen will, wie bei diesem Ausdruck. Vorweg, ich bin kein Sprachwissenschaftler.
Ich zitiere aus Luthers Schriften: “Wenn der Herr nicht einen anderen Sinn macht als wir ihn haben, ist alles Lüge.”
In dem zugehörigen Abschnitt spricht Luther über den Sinn als Geist, der Herr mache also einen “reinen” und rechten Geist, es nimmt auf keinen Fall Bezug auf die fünf Sinne. @ Vorredner
Allerdings hat es hier eine andere Bedeutung als z.B. bei Frisch, oder doch nicht? Bei Lessing sieht man deutlich die Nähe Geist-Sinn (Sinn des Aristoteles), man denke auch z.b. an die Redewendungen “im übertragenen Sinn” und “im Geiste übertragen”.
Natürlich hat es bei Luther einen transzendentalen Kontext, was für den Einzelnen Sinn macht, liegt jedoch ebensowenig in dessen Macht.
Ich denke, es wäre lohnenswert, in der römischen Bedeutung von Sinn/Geist bzw. der griechischen von pneuma und nous zu suchen und sehe dort mehr Verwandtschaft als im Französischen oder gar Englischen.
Wenig stichhaltig.
Gotthold Ephraim Lessing ist in dem Falle ein ungeschicktes Beispiel, da Herr Lessing ein großer Fan des englischen Schauspiels und dort besonders von Shakespeare war. Wir können also davon ausgehen, dass Herrn Lessings Sprachgefühl stark vom Englischen beeinflusst war.