Die Aktion Lebendiges Deutsch hat natürlich auch im letzten Monat wieder zwei Neubewortungsvorschläge vorgelegt. Zunächst war ein deutscher Begriff für das Spotlight gesucht, und die Aktioneure haben eine wenig überraschende Wahl getroffen:
Beim Suchwort „Spotlight“ hat sich die Jury für „Punktlicht“ entschieden — genau dasselbe in der selben Kürze.
Wenig überraschend, weil dies die deutsche Übersetzung für spotlight ist, die sich in jedem deutsch-englischen Wörterbuch findet. Auch der WAHRIG betrachtet beide Begriffe als Synonyme, wie die Einträge für Spotlight und Punktlicht zeigen:
Spot|light [spɔtlaıt] n. 9 gezielt ausgerichtete Beleuchtung, Punktlicht, Spot
Punkt|licht n. 3 gebündeltes, gezielt auf einen Gegenstand gerichtetes Licht, z. B. in Ausstellungsvitrinen, auch Spotlight
Was die wörtliche Bedeutung der Wörter angeht, mag tatsächlich eine Bedeutungsgleichheit vorliegen (obwohl ich eine Leuchte in einer Vitrine nie als Spotlight bezeichnet hätte).
Allerdings werden die Begriffe nicht bedeutungsgleich verwendet. Unter einem Spotlight verstehen Sprecher des Deutschen wörtlich fast ausschließlich einen Bühnenscheinwerfer und im übertragenen Sinne die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Unter einem Punktlicht verstehen sie — wenn sie das Wort kennen — tatsächlich ein eng fokussiertes Licht (etwa bei Taschenlampen oder Scheinwerfern für Fotografen).
Nun kann man natürlich das Wort Punktlicht auf die übertragene Bedeutung ausweiten — schließlich sprechen wir ja auch davon, dass jemand im Scheinwerferlicht/Rampenlicht steht. Nur, was gewinnen wir dabei? Auf jeden Fall verlieren wir eine Differenzierung unseres Wortschatzes, die es uns, anders als den Sprechern des Englischen, von denen wir uns das Wort Spotlight geborgt haben, zwischen einer Beleuchtungsquelle mit bestimmten Eigenschaften einerseits und einer Bühnenbeleuchtung/dem öffentlichen Interesse andererseits zu unterscheiden.
Der eigene Vorschlag der vier Sprachnörgler ist ähnlich problematisch:
Und die „Headline“ könnten wir natürlich wieder „Schlagzeile“ nennen, wie schon drei Jahrhunderte lang vor der Invasion der Anglizismen.
Auch hier brauchen wir die Aktion Lebendiges Deutsch nicht — ein Blick ins Wörterbuch hätte gereicht. Aber auch hier täuscht dieser Blick ins Wörterbuch eine größere Bedeutungsgleichheit vor, als wir sie im Sprachgebrauch tatsächlich finden.
Ich habe mir 150 zufällig ausgewählte Treffer für Schlagzeilen auf deutschen Webseiten angesehen. Diese beziehen sich ausschließlich auf die Bedeutung „sofort in die Augen fallende Überschriftzeile[n] einer Zeitung“ (Bertelsmann-Wörterbuch). Bei einer entsprechenden Stichprobe für Headlines auf deutschen Webseiten sieht das anders aus. Nur etwa die Hälfte bezieht sich auf Schlagzeilen. Ein weiteres Drittel bezieht sich auf ganz normale Überschriften und der Rest auf Werbesprüche auf Plakaten oder großflächigen Anzeigen:
Nun gibt es natürlich auch für diese Verwendungen deutsche Wörter, nämlich eben Überschrift und Werbespruch (wobei letzteres ungenau ist, da es nicht die in der Werbebranche übliche Unterscheidung zwischen Claim und Headline macht). Aber die hätte man wenigstens erwähnen müssen.
Aber auch dort, wo die Bedeutungen sich überschneiden, gibt es Unterschiede zwischen einer Schlagzeile und einer Headline. Hier ist es nämlich die Schlagzeile, die eher im übertragenen Sinne verwendet wird. Die häufigsten Verwendungszusammenhänge sind nämlich die folgenden (unter „Sonstige“ sind hier Zusammenhänge zusammengefasst, die jeweils nur einmal in der Stichprobe vorkommen):
Die feststehenden Wendungen Schlagzeilen machen, in die Schlagzeilen geraten, (mit etw.) für Schlagzeilen sorgen, für Schlagzeilen gut sein, es in die Schlagzeilen schaffen, in den Schlagzeilen (sein), in die Schlagzeilen kommen, die Schlagzeilen beherrschen können sich durchaus auf tatsächliche Schlagzeilen beziehen, aber sie beziehen sich dabei auf die Aufmerksamkeit, die mit diesen Schlagzeilen verbunden ist. Und tatsächlich kann auch jemand Schlagzeilen machen usw., ohne dass er tatsächlich in der Schlagzeile einer Zeitung erwähnt wird — es reicht, dass in den Medien ausführlich über ihn/sie berichtet wird.
Das Wort Headlines kommt dagegen in der Stichprobe in keiner einzigen der in der Grafik aufgeführten Redewendungen vor. Dies ist außerdem ein deutlicher Hinweis darauf, dass die beiden Wörter nicht in direkter Konkurrenz stehen, das Wort Schlagzeile also nicht etwa massiv verdrängt wird.
Das alles zeigt wieder einmal eins: Die Sprecher des Deutschen sind keinesfalls so verblödet, wie die vier alten Herren von der Aktion Lebendiges Deutsch das offensichtlich glauben. Die Sprecher aller Sprachen wissen, dass strenge Synonyme (also vollständig bedeutungsgleiche Wörter) überflüssig sind. Sie entlehnen deshalb selten Wörter aus einer anderen Sprache um ein bereits vorhandenes zu ersetzen, und selbst da, wo kurzfristig eine Bedeutungsgleichheit besteht, wird diese schnell durch eine Ausdifferenzierung der Bedeutungen beseitigt.
Ich bezweifle, dass die Aktioneure das jemals begreifen werden. Wir werden das natürlich weiterhin beobachten. Allerdings nicht mehr hier im Bremer Sprachblog — aber dazu morgen mehr…
Da bin ich ja mal gespannt, was morgen dazu kommt. Ich jedenfalls kenne das Wort Punktlicht überhaupt nicht und müsste mir das — im Gegensatz zum Spotlight — erst künstlich aneignen. Und ich dachte, das passiere nur bei invasiven Anglizismen!
Allerdings nicht mehr hier im Bremer Sprachblog — aber dazu morgen mehr…
Spannend.
Ich muß zugeben, daß ich “Headline” gar nicht in meinem deutschen Wortschatz habe. Hat zufällig jemand Zugang zu einem repräsentativen Korpus und kann mal die relative Häufigkeit dieses Wortes nachschauen? Also zum Beispiel im Vergleich zu Überschrift oder Schlagzeile oder meinetwegen auch Werbespruch. Mit Google geht das ja schlecht.
Kreetrapper (#3),
ich sage mal so, es besteht kein Grund, die Sprachfeuerwehr zu rufen:
Die Google-Häufigkeiten auf deutschen Webseiten unterscheiden sich übrigens nicht stark von denen im letzten Jahrzeht des repräsentativen DWDS-Kerncorpus: 3830000 für Schlagzeilen zu 454000 für Headlines, also 8,44 zu 1 bei Google, 51 bzw. 6, also 8,5 zu 1 im DWDS (1990er). Wenn man nun noch bedenkt, dass Headlines auch auf ‑Webseiten häufig in englischen Texten auftaucht, sieht es nicht so aus, als ob gerade eine linguistische Invasion im Gange ist…
Zu headline ist mir spontan der headlinER eingefallen, also der Hauptinterpret, meist auf einem Musikfestival. Dafür (und für die grafische Darstellung auf entsprechenden Werbeplakaten) haben wir doch keine Entsprechung (äh, Hauptact? 🙂 ). Da passt “Schlagzeiler” ja nun denkbar schlecht.
Auch ich kannte das Wort Punktlicht bisher noch nicht, zum Thema “Headline” kann ich aber beitragen, dass das in jedem Fall ein Fachwort in der (Werbe)Agentursprache ist und das dickste Überschriftelement einer Seite kennzeichnet und sich somit etwa von der Subline (häufig zu findende 2. Überschriftszeile, meist in kleinerer Type) der Einleitung (fett) und dem Copytext (Fließtextblöcke) unterscheiden lässt. Die Bezeichnungen sind hier, wie vieles in der Werbung, sicher aus der englischen Fachsprache übernommen und lösen das Problem, die häufig in großer Zahl anzutreffenden (und dementsprechend zu betextenden) Gestaltungselemente einer Seite (Dachzeilen gibt’s z.B. auch noch …) einigermaßen präzise zu benennen. Außerhalb der Agentursprache ist mir dieses Wort außerordentlich selten begegnet, woran man sieht, dass den alten Herren offenbar langsam die echten Feinde ausgehen.
Anleser hab ich auch noch vergessen, die stehen meist über der Headline — was ich jetzt nur noch nachtrage, weil mir gerade das kunterbunte Deutsch/Englisch-Gemisch auffällt. Aber das war vielleicht eher Praxis des Hauses, in dem ich gearbeitet habe. Gibt’s bestimmt auch Buzzwords für …
Die “Sprachnörgler” können es nie recht machen: entweder kommen sie zu spät und versuchen “sprachliche Phänomene immer erst dann zu unterbinden, wenn sie für die Mehrheit der Sprachgemeinschaft zu einem festen Bestandteil der Sprache geworden sind”; oder sie kommen zu früh, und “es besteht kein Grund, die Sprachfeuerwehr zu rufen”.
Was denn nun? Kommen sie immer zu spät oder nicht?
@Nörgler
Sie kommen. Das ist das Problem; ein weiteres besteht in Ihrem fehlenden Leseverständnis — sie haben hier schlicht die Perspektive [und daraus folgenden Ironie] übersehen.
Zum Thema “Spotlight” wundere ich mich, dass bisher ein schönes deutsches Wort noch nicht gefallen ist, nämlich “Verfolger”. Im Gegensatz zu Spotlight bezeichnet der Verfolger eher das Gerät und nicht den Lichtstrahl. Trotzdem kann ich bestätigen, dass der Begriff (Verfolger) im Showbusiness ausgesprochen häufig verwendet wird (“kannst Du mal den Verfolger auf mich richten!”). Spotlight hingegen höre ich so gut wie nie. Außerdem kommt mir persönlich dieser Begriff ein bißchen altmodisch vor, was vielleicht daran liegen mag, dass die Satiresendung mit gleichem Namen schon lange abgesetzt ist — was sich vielleicht noch nicht überall herumgesprochen hat 😉