Vor ein paar Monaten habe ich am Flughafen von Bergen diese nett gestalteten Toilettentüren gesehen:
Mit Sprache hat es nichts zu tun, aber aus semiotischer Perspektive sind die Darstellungen interessant.
Stilisierte Figuren an sich sind ja international bekannte Darstellungen für Männer- bzw. Frauentoiletten – und das, obwohl sie keinen Hinweis auf Toiletten enthalten, sondern eben nur auf Männer und Frauen. Das, was hinter den Toilettentüren vor sich geht, wird nicht dargestellt, da es in vielen Gesellschaften ein Tabu ist.
In vielen Sprachen schlägt sich dieses Tabu ja auch sprachlich nieder, z.B. im amerikanischen Englisch, wo man von Restrooms oder Bathroom spricht, wenn man Toiletten meint. Das nützt natürlich nichts — das Prinzip der unsichtbaren Hand sorgt einfach dafür, dass diese Begriffe eben jene Bedeutung annehmen, die man eigentlich ausblenden wollte (siehe z.B. hier und hier — Warnung: es geht dort um Tierexkremente).
Mit den normalen Toilettenzeichen ist im Prinzip dasselbe passiert: wir betrachten sie automatisch als Hinweise auf Toiletten, obwohl sie von ihrem ikonischen Gehalt her auch andere Räume oder Örtlichkeiten bezeichnen könnten, in denen Männer und Frauen sich getrennt aufhalten — Umkleidekabinen, Duschen, Frauenkneipen, katholische Priesterseminare, usw.
Die Entscheidung des Bergener Flughafens, wenigstens einen Hinweis darauf in die Hinweisschilder zu integrieren, könnte also eine Art semiotischer Befreiungsschlag werden, der die einfache Darstellung von stilisierten Männern und Frauen wieder für allgemeine Zwecke nutzbar macht.
Warum muss der Mensch im Rollstuhl nicht so dringend?
Im Deutschen auch, denn “Toiletten” sind ursprünglich die im Badezimmer befindlichen Schmink- und Körperpflegeutensilien. Mir fällt auf Anhieb keine Sprache ein, in der das entsprechende Wort kein Euphemismus wäre.
@Sabine: Habe ich mich auch gefragt. Denkbar wäre aus meiner Sicht eine andere Art von Tabudenken (Kein Humor mit Behinderten.) oder schlichte Einfallslosigkeit. Ich wüsste auf Anhieb auch nicht, wie man das bei diesem Rollstuhlpiktogramm darstellen sollte.
Gibt es wahrscheinlich auch nicht, aber zumindest stilistische Unterschiede. Während die amerikanische Umschreibung restroom kaum noch etwas mit dem eigentlichen Ort zu tun hat, sind die britischen Varianten loo und bog (erstere deutlich häufiger) doch schon ’näher’ am eigentlich bezeichneten Ort.
Scheißhaus.
Das ist aber ein ganz anderes Register.
“Mit den normalen Toilettenzeichen ist im Prinzip dasselbe passiert: wir betrachten sie automatisch als Hinweise auf Toiletten, obwohl sie von ihrem ikonischen Gehalt her auch andere Räume oder Örtlichkeiten bezeichnen könnten, in denen Männer und Frauen sich getrennt aufhalten — Umkleidekabinen, Duschen,…”
Genau diese beiden Räumlichkeiten werden meiner Erfahrung nach regelmäßig durch diese Symbole dargestellt. Zum Beispiel in Schwimmbädern oder Fitnessstudios. Dann meist mit Extrabezeichnung (entweder sprachlich, oder durch ein Duschzeichen). Ich meine sogar, dass in meinem Fitnessstudio die Toilettenraüme die Extrabezeichnung haben (WC) und die Umkleiden mit diesem Schild versehen sind. Vielleicht steht aber auch jeweile HERREN und DAMEN drauf. Werde ich übermorgen mal drauf achten.
PS: Wie kann ich hier diese schöne Quotefunktion einsetzen?
Lassen sich die Beiträge nicht editieren?
@Muriel, @Sabine: Bei den stehenden Personen ist die Pose mit Hand/Händen im Schritt UND angewinkeltem Bein mehr oder weniger klar interpretierbar. Ein Mensch im Rollstuhl, der seine Hand im Schritt hat, könnte auch anders interpretiert werden 🙂
Von Filipinos kenne ich auch das Wort “Comfort Room” (http://en.wikipedia.org/wiki/Public_toilet)
Was ist sehr schön finde, dass die vor ein paar Monaten gesehenen Tabuschilder bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag warten mussten / durften, um nun das Licht dieses Blogs zu erleben.
Da frage ich mich, ob es sich um eine weitere Enttabuisierung handelt, indem dieses Thema zu Weihnachten präsentiert wird.
Es ist ja ebenfalls ein Tabu, dass man beim Essen, sprich beim Miteinanderzusammensitzen und ‑reden irgendwann die Sprache (!) auf Themen kommt, bei denen man dann doch froh ist, gerade eben mit dem Essen fertig geworden zu sein.
Oder könnte es sein, dass es ein nicht weiter reflektiertes Motiv darin besteht, dass die Leser- (Gucker-)schaft an Weihnachten breiter ist. Oder nicht breiter ist und deshalb verbreitert werden muss?
Ich wünsche allen zu diesem Blog Beitragenden, auch denen am Bremer Flughafen, weiterhin eine wunderbare Zeit “zwischen den Jahren”, wobei es sich hier nicht um die fünfte Jahreszeit handelt, weil, die fängt am 11.11. an, verschwindet dann irgendwo im Advent, um an Neujahr mit vollem Tempo auf den Aschermittwoch loszustürmen.
Liebe Grüße,
Ulf Runge
Mit HTML: <blockquote>Wie kann ich hier diese schöne Quotefunktion einsetzen?</blockquote>
Nein. Die wenigsten Blogs haben editierbare Kommentare.
Ähnliche Icons gibt es iirc auch auf portablen Chemotoilettenhäuschen. Ein Beweisfoto liegt mir leider nicht vor.
Ich habe noch nie ein Priesterseminar besucht. Gibt es dort wirklich solche Zeichen mit “ikonischem Gehalt”?
Im übrigen besucht man Toiletten nicht nur, weil man “muß”, sondern gelegentlich weil man sich übergeben muß, auf Flughäfen häufig, um sich zu rasieren oder die Zähne zu putzen. Frauen begeben sich ständig, oft zu zweit, auf die Toilette, um sich zu schminken. In Amerika kann man (als Frau) nach der Toilette fragen, indem man sagt: “Where can I powder my nose?”
Die Sinnbilder in Bergen sind ja hübsch, sie engen die Nutzungsmöglichkeiten von Toiletten aber über Gebühr ein.
Tja, was man auf Toiletten nicht alles kann. Die primäre Funktion ist aber doch die Verrichtung der Notdurft.
Und den ikonischen Gehalt muss man auch nicht in spitzfingrige Gänsefüßchen setzen. Der heißt so.
Habe ich nie in meinem Leben gehört. Der Ausdruck könnte für mich nur entweder ziemlich veraltet oder scherzhaft sein.
@amfenster:
Basta!
Das mögen Sie halten, wie Sie wollen. Ich bemühe mich, so gut ich kann, abgedroschene Modewörter und gelehrttuende Banalitäten zu vermeiden. Ich vergaß leider, die “semiotische Perspektive” angemessen zu würdigen.
@Muriel Wie könnte denn ein Rollstuhlfahrer einfallsreich so dargestellt werden, dass es die gleiche Aussage hätte wie bei den NIcht-Rollstuhlfahrern. Mir fällt nichts ein.
@Brenda: Mit Ihren authentischen Erfahrungen werden Sie Nörgler nicht überzeugen. Der ist nämlich Experte für Alles, deshalb steht es allein ihm zu, die Wahrheit zu verkünden. Als Experte darf er sich dabei über jedes Argument hinwegsetzen und muss selbst natürlcih keine Begründungen für seine Behauptungen liefern.
Aber wenn ikonisch doch nun mal einfach ein Fachbegriff ist? *Haareraufundverzweifeltschau*
Sehen Sie, dafür gibt es Wörter: damit man Dinge, Konzepte und Konstrukte nicht jedesmal umschreiben muss. Man sagt ja in der Regel auch Teller, und nicht runde Platte, auf die man ->Essen drauftut und zum Verzehr mit ->Messer und ->Gabel wieder runternimmt.
Statt den Begriff ikonisch aus dem kleinen Einmaleins der Semiotik zu verwenden, könnte man natürlich auch irgendwas von “eine Ähnlichkeitsbeziehung betreffend” schwadronieren. Was zum einen unnötig umständlich wäre und dann zum anderen von Ihnen sicherlich erst recht als aufgeblasen und prätentiös gegeißelt würde.
Ich weiß, Sie reiben sich gerne an der Verwendung von Fachterminologie. Aber stehen Sie dann doch bitte dazu, dass das Ihr Problem ist, und schieben Sie es nicht den Fachleuten zu, die ohne Arg Termini aus ihrer Disziplin verwenden.
Und wo “ikonisch” ein Modewort sein soll, hab ich jetzt noch gar nicht gefragt.
@Brenda: Well, “to go powder one’s nose” is definitely both an old-fashioned and humorously over-euphemistic saying.
But I’m pretty sure almost everyone in the US has heard it before, and everyone would instantly know what it means. Saying “the powder room” instead of “the bathroom” is still quite common.
@Brenda:
Zu powder room sagt Merriam-Webster:
Date: circa 1937
1 : a restroom for women
2 : a lavatory in the main living area of a house
Die Verendung dieses Wortes is anscheinend nicht auf Nordamerika beschränkt.
So bringt Cambridge Advanced Learner’s Dictionary folgende Definition:
a polite word for a women’s toilet in a public building, such as a restaurant, hotel, theatre, etc.
@Benjamin Fredrich
Ich stelle mir grade ein Bild vor auf dem ein stilisierter Rollstuhlfahrer mit Häufchen unter sich dargestellt ist. Aber das wird wohl der prüden Gesellschaft schon zu explizit sein…
@Nörgler: Ich bezweifle allerdings nicht, dass die Bedeutung “powder room” für Toilette im Englischen existiert, oder dass der Ausdruck sogar früher in bestimmten Kreisen gängig war.
Das heisst aber durchaus nicht, dass man, laut ihre ursprüngliche Formulierung, heute diesen Ausdruck generell in den USA benutzen könnte. Wenigstens in einigen Teilen des Landes kann man das nicht, ohne dass es ganz andere Assoziationen mit sich zieht. “Restroom” ist relativ neutral. “Powder room” wäre nicht. Verständlich ist nicht gleich angebracht.
@Brenda: Noergler treibt sich wahrscheinlich nicht in Kreisen rum wo man in Gefahr laeuft dementsprechend “missverstanden” zu werden 😉
PS: Die Redewendung “going to powder my nose” ist auch hier im UK bekannt, nach meiner Erfahrung hauptsaechlich in der urspruenglichen Bedeutung. Wird aber meistens eher ironisch benutzt, da es halt etwas altmodisch ist. An “powder room” kann ich mich allerdings nicht erinnern das je gehoert zu haben.
Im Cambridge Advanced Learner’s Dictionary gibt es sogar einen eigenen Eintrag:
“powder your nose
a polite or humorous way of saying that you are going to go to the toilet
Would you get me another drink while I go and powder my nose?”
Es war mir neu, daß dieser Ausdruck auch in England (gelegentlich, in gewissen Kreisen, ironisch, …) benutzt wird (wurde). Ich hatte geglaubt, ein solch krasser Euphemismus könne es nur in Nordamerika geben. Aber es ist immer gut, seine Vorurteile widerlegt zu sehen.
Aus dem zitierten Wörterbucheintrag würde ich allerdings nicht schließen, das diese Ausdrucksweise überall in Großbritannien (oder Nordamerika) und in allen Kreisen “generell” üblich ist. Ich habe ja auch nur gesagt, daß man diesen Ausdruck verwenden kann. Ich habe diese Wendung auch nur als Beispiel dafür genannt, daß Toiletten auch anderen Zwecken als bloß der Verrichtung der Notdurft (auch so ein veralteter Ausdruck, der aber von den meisten durchaus verstanden wird) dienen. Ich hätte stattdessen auch den Ausdruck “Where can I wash my hands?” verwenden können.
Dagegen empfinde ich restroom nicht nur als “relativ neutral”, sondern geradezu als irreführend und als besonders krassen Euphemismus. Besucht man die Toilette, um dort rest zu suchen? Das Cambridge Dictionary bemerkt bei diesem Wort “mainly US”. Lag ich mit meinen Vorurteil also vielleicht doch nicht ganz falsch?
Natuerlich kennen wir hier im UK sehr viele Amerikanische Redewendungen, schon durch den Einfluss von Film, Funk und Fernsehen (vom Internet mal ganz zu schweigen). Ist ja nicht so dass das nur in anderen Laendern passiert.
Mal davon abgesehen sind die Unterschiede zwischen den USA und dem UK meines Erachtens gar nicht so furchtbar gross wenn es darum geht etwas “anzuegliches” zu umschreiben um es nicht direkt beim Namen nennen zu muessen (oder um schmutzige Witze machen zu koennen ohne dass diese schmutzig sind, informiere Dich mal ueber die hohe Kunst des Innuendo…). Vielleicht in der Wortwahl, aber nicht im generellen Bemuehen.
Besucht man ein Örtchen, weil es still ist?
Hinter restroom steckt doch die gleiche Idee wie hinter dem stillen Örtchen. Natürlich wird letzteres im Deutschen anders verwendet als ersteres im (US-)Englischen. Das ist aber eine Frage des Registers: restroom ist im (US-)Englischen eine formell durchaus gängige Varainte, während das stille Örtchen im Deutschen mehr im informell-humorvollen Register angesiedelt ist. Wo es wegen des albernen Diminutivs und wahrscheinlich auch wegen seiner Zweigliedrigkeit (die es z.B. für Hinweisschilder gegenüber Toilette oder WC einfach unpraktisch macht) auch sicher bleiben wird.
Aber prinzipiell: ein Ruheraum ist ein stiller Ort.
@amfenster:
Eine große öffentlichen Toilette, eine “öffentliche Bedürfnisanstalt”, als “stilles Örtchen” zu bezeichnen, das wäre eine hübsche Stilblüte.
Am “stillen Örtchen” geht es außerdem nicht immer still zu.
“Still” hat im Deutschen auch die Bedeutung “versteckt, geheim” (“stille Reserven”). Ich vermute, daß das “stille Örtchen” eher daher kommt.
In England, aber nicht in den USA, gibt es noch die Bezeichnung “cloakroom” — was mir noch abstruser als “restroom” vorkommt. Wieder einmal ist mein Vorurteil widerlegt.
Mit “cloakroom” duerftest Du aber nicht sehr weit kommen. Das duerfte den weitaus meisten nur in seiner urspruenglichen Bedeutung als Garderobe (oder vielleicht noch Gepaeckaufbewahrung) bekannt sein.
@Arnim:
Das mag sehr wohl sein. Ich habe nicht das Gegenteil behauptet.
Mein absoluter Favorit:
“Houses of Parliament”.
Vor Jahren gefunden als Beleg im Survey of English Dialects für irgendein kleines Dörfchen in Südwestengland.
Martin Luther soll ja seine besten Ideen auf dem Clo (um einmal einen unfeineren Ausdruck zu verwenden) gehabt haben…und ehrlich gesagt ging es mir hin und wieder auch schon so.
Vielleicht, weil es in manchen Lebenssituationen das einzige (stille) Örtchen ist, wo man mal seine Ruhe (rest) hat.
Den Ausdruck “going to powder my nose” kenne ich nur aus dem Film “Pulp Fiction”.