Ein Mem geht um unter den Sprachnörglern — das Mem der linguistic submissiveness („sprachliche Unterwürfigkeit“). Mit diesem Begriff, behaupten die Anglizismenjäger und Deutschbewahrer häufig, bezeichnet die in London erscheinende Times die Entlehnung englischer Wörter ins Deutsche. Ein paar Zitate:
Denglisch versprüht nicht mehr den Duft der großen, weiten Welt. Ästethic Nails (kein Druckfehler!) heißt ein Berliner Kosmetikstudio! Die Londoner Times nennt solche Anbiederei “sprachliche Unterwerfung” (linguistic submissiveness). [Haus der Deutschen Sprache, ohne Datum]
Zudem hat diese denglische Verbalerotik zu tun mit Selbstverleugnung, zumindest mit Selbstvergessenheit. Die Londoner „Times“ nennt die Anglomanie der Deutschen „linguistic submissiveness“. Und lebte Winston Churchill noch, er würde mit Blick auf diese sprachliche Unterwürfigkeit der Deutschen seinen alten Spruch hervorkramen: „Die Deutschen — man hat sie entweder an der Gurgel oder zu Füßen.“ [Lehrerverband, 2007]
Eine für die kulturelle Zukunft des Landes geradezu gefährliche Variante wahnhafter Selbstverleugnung ist das, was Angelsachsen als “linguistic submissiveness” (so nannte es die Londoner “Times”) der Deutschen belächeln. Immer mehr deutschsprachige Fachzeitschriften und Fachkongresse verlangen von Mitarbeitern und Vortragenden Beiträge in englischer Sprache, selbst wenn das deutschsprachige Publikum überwiegt und die Themen der deutschsprachigen Kultur zugeordnet sind. [Spiegel Online, 2. Oktober 2006]
Leicht angewidert nennt die Londoner Times unsere Liebedienerei “linguistic submissiveness”, sprachliche Unterwerfung. An den Anglizismen, die unsere Sprache garnieren, wäre nichts auszusetzen, stünden sie nicht als Symptom für ein Leiden, das nicht so trivial ist, wie es zunächst erscheint. [baer-coach.de, 13. September 2006]
Häufig wird sogar behauptet, die englischsprachige Presse insgesamt verwende diesen Begriff:
Die englischen Kollegen wundern sich und lächeln über den Eifer ihrer deutschen Konzernherren, alles deutsch Anmutende mit grimmiger Konsequenz zu vermeiden. Sie haben für dieses Phänomen längst einen Begriff parat: “linguistic submissiveness”! In Bezug auf Unternehmen meint das die freiwillige Preisgabe der unternehmenskulturellen Deutungshoheit in falschem Verständnis des Gebots der kulturellen Diversität. [Handelsblatt, 24. November 2009]
Mehr als 31 000 Mitglieder setzen sich im Verband Deutsche Sprache (VDS) seit über 10 Jahren für die Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas ein. Gegen „sprachliche Unterwerfung”, wie es die englische Presse („linguistic submissiveness”) nennt, wehrt sich auch die VDS-Gruppe im Kreis Siegen-Wittgenstein, „Wortreich 57”. [Der Westen, 13. September 2008]
Wieder andere verallgemeinern gleich auf „den Engländer“, „die Engländer“, oder gar „Engländer und Amerikaner“:
Was sie vorhätten, richte sich nicht gegen die unentbehrliche Weltsprache Englisch, wohl aber gegen die deutsche Unart, sich in dem Maß, wie man sich für die eigene Sprache geniert, der fremden anzubiedern, ein Vorgang, den der Engländer linguistic submissiveness nennt und sehr bestaunt. [Süddeutsche, 6. Februar 2006]
Glaubt irgend jemand wirklich, daß ein Ausländer uns bewundert, weil wir unsere Sprache vergewaltigen? Im Gegenteil: Jeder Ausländer wird uns deswegen belächeln. Die Engländer nennen diese kriecherische Anbiederung an die englische Sprache “linguistic submissiveness” (sprachliche Unterwürfigkeit). [mahnert-online.de, ohne Datum]
Es bedeutet in den Ohren der Engländer und Amerikaner (dort vor allem) “linguistic submissiveness”, sprachliche Unterwerfung, Arschkriecherei, oder wie immer man dies ausdrücken möchte. [stoehlker.ch, 5. September 2005]
Die linguistic submissiveness scheint also ein geflügeltes Wort zu sein, mit dem die englischsprachige Welt unsere englischen Lehnwörter bestaunt, verachtet und belächelt. Dann müsste es ja jede Menge Treffer für diesen Begriff auf britischen und amerikanischen Webseiten geben. Sehen wir uns die doch einmal an.
Hier sind die Ergebnisse für .us-Webseiten (beeindruckende null Treffer), und hier die für .uk-Webseiten (ein ganzer Treffer, das sind immerhin unendlich mal mehr als auf den amerikanischen Seiten).
Aber dieser eine Treffer hat es dafür bestimmt in sich, oder? Wir Deutschen werden darin so gründlich bestaunt, belächelt und abschätzig abgetan, dass der Rest der englischsprachigen Welt nur noch beifällig nicken konnte und darüber vergessen hat, den Begriff selbst zu verwenden?
Nun, das ist eine Interpretationsfrage. Wenn die englischsprachige Welt die Deutschen als „Iren“ bezeichnet und Anglizismen als „soft ‘a’ in words like ‘David’ and ‘gate’“, wenn ein User aus Belfast namens „Guy Wise“ oberster Repräsentant aller englischen Muttersprachler ist, und wenn ein Kommentarbereich auf einer Seite über englische Dialekte der Ort ist, an dem Lehnwörter im Deutschen diskutiert werden, dann — ja, dann bekommen wir Deutschen dort richtig was auf die Mütze:
In Northern Ireland we use a soft ‘a’ in words like ‘David’ and ‘gate’. The same sound is heard in ‘eight’. It resembles the middle of the word ‘hear’ in standard English. We are aware that it is very distinctive, so when someone from Northern Ireland transports to England it is, probably, the first linguistic casualty in the effort to suppress the, perceived, inferiority of one’s dialect. One finds the alteration in the speech of Gloria Hunniford who has excused her speech on the weak grounds of necessary clarity. It is probably true to say that most people in Northern Ireland hate to hear this linguistic submissiveness. [Guy Wise, ohne Datum]
Wenn das alles aber nicht so ist und Guy Wise hier wirklich nur von Iren spricht, die ihre Aussprache verändern, wenn sie nach England umsiedeln, dann haben die Sprachnörgler uns ganz umsonst in Angst und Schrecken vor dem Hohn der englischsprachigen Welt versetzt.
Dann interessieren sich die Engländer und Amerikaner möglicherweise gar nicht genug für uns, um sich mit der Entwicklung unseres Wortschatzes auseinanderzusetzen.
Dann ist die ganze marktschreierische, apokalyptische, größenwahnsinnige, kulturpessimistische, sprachpuristische und deutschtümelnde Nörglerschar vermutlich wieder einmal auf ihren Obernörgler, den Vorsitzenden des Vereins Deutsche Sprache, Walter Krämer, hereingefallen.
Der verwendet diesen Begriff seit Jahren in seiner Standardglosse zum Sprachverfall, z.B. in der Forschung & Lehre 10/2000 (PDF, 6,7 MB). Vor einigen Jahren hat er eine Version dieser Glosse in einem regionalen Rundbrief der „Katholischen Männer und Frauen im Bund Neudeutschland“ veröffentlicht. Die entscheidende Passage lautet:
Es ist vor allem diese „linguistic submissiveness“ (so die Londoner Times), die die in Deutschland grassierende Anglizitis zu einer so peinlichen und würdelosen Affäre macht — man fühlt sich angeschleimt und ausländischen Gästen gegenüber oft beschämt („Bin ich hier in Chicago oder wo?“ — Kommentar eines polnischen Gastwissenschaftlers auf dem „airport“ Düsseldorf). [Walter Krämer (2005) Modern Talking auf Pseudo-Englisch — Gefährden Anglizismen die deutsche Sprache?. Rundbrief Bund Neudeutschland KMF Nordbaden 1, S. 7, online z.B. hier]
Und dieser Beitrag, der im Prinzip nur einen Ritt durch die gesammeltem Narreteien des Sprachpurismus darstellt, wird seither immer wieder gerne zitiert und weitergegeben — in diesem Jahr hat er es sogar in das Online-Material des Klett-Verlags zum Zentralabitur geschafft (PDF, 52 KB).
Gut, aber wenigstens die Londoner Times verwendet den Begriff doch sicher sehr häufig?
Allerdings. Eine Suche im Archiv der Zeitung liefert einen ganzen Treffer (das entspricht immerhin seiner Verwendungshäufigkeit im ganzen britischen Internet)!
Aber der stammt sicher aus jüngster Zeit, ist an einer wichtigen Stelle erschienen und von einem einflussreichen britischen Denker verfasst worden?
Ja. Wenn der 16. Juni 1960 ein brandaktuelles Datum, eine Kuriositätenkolumne ein wichtiger Ort und ein namenloser Korrespondent ein wichtiger Denker sind, dann hat uns die Times vor den Augen der Welt so richtig bloßgestellt. Davon erholen wir uns erst, wenn wir alle englischen Lehnwörter aus unsere Sprache entfernt und durch die hervorragenden Vorschläge des VDS ersetzt haben.
Ich scheue für die Sprachblogleser/innen ja keine Kosten und habe den betreffenden Artikel zum Schnäppchenpreis von €5.95 erworben. Ich werde ihn hier in den nächsten Tagen rezensierern. Soviel kann ich schon jetzt versprechen: Es handelt sich um ein Meisterwerk scharfsinniger Sprachbeobachtungen, eine wahrhaft würdige Hauptquelle für die sprachmasochistischen Phantastereien des Walter Krämer.
Auch wenn ich Ihrer Argumentation im Großen und Ganzen zustimme, finde ich doch, dass Sie sich einen methodischen Fehler geleistet haben. Man darf, denke ich nicht den alleinigen Zusammenhang zwischen .us-Domains und amerikanischem Sprachgebrauch herstellen (Ich kenne zum Beispiel gar keine Seite die .us benutzt.) Für .com gibt es aber auch nur 41 Treffer, die man dann natürlich nach ihrer Herkunft untersuchen müsste.
Großartig! Danke für die Suche nach dem Ursprung der „linguistic submissiveness“.
Um die Diskussion mal etwas anzuschieben: Ist das ganze nicht paradox, dass der VDS seine Argumentation GEGEN die Verwendung von Lehnwörtern mit einem englischen Begriff untermauern muss, welche in Folge stärkere Verbreitung in den deutschen Medien gefunden hat? Vielleicht hätte man doch von sprachlicher Unterwerfung reden sollen und den englischen Begriff/das Originalzitat lieber nur beigefügt, der Vollständigkeit halber. ;))
Nungut, das Kind ist bereits im Brunnen und wir verdanken dem VDS ein neues, durchaus schönes Lehnwort. Finde ich. 😛
>Ergebnisse für .us-Webseiten (beeindruckende null Treffer)
Ahem… In den USA sind die meisten Websites unter den generischen Domains .com, .org, .net, . edu und .gov registriert, oft inhaltlich überlappend.
Guckstu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Top-Level-Domain
http://www.denic.de/hintergrund/statistiken/internationale-domainstatistik.html
Die tatsächlich in (oder besser: von Bürgern der) USA gehosteten Seiten zu filtern dürfte nicht mehr trivial sein.
Bernd (#1), für den Suchbegriff “english loanwords” findet man immerhin 282 Treffer auf .us-Webseiten. Wenn linguistic submissiveness ein gebräuchlicher Begriff wäre, dürfte man wohl wenigstens einen Treffer erwarten.
Aber gut, sehen wir uns die insgesamt 37 Treffer auf .com-Seiten genauer an. Von denen sind 22 in deutscher, 2 in türkischer und einer in baskischer Sprache verfasst, die fallen als Beleg für den Hohn der englischsprachigen Welt schon einmal aus. Von den verbleibenden 12 Treffern stammen zwei von den englischsprachigen Webseiten der deutschen Rundschau, fünf von einem deutschen Nutzer des Webdienstes „Fotopages“, vier aus englischen Texten deutscher Wissenschaftler und eine von einer Wortsammel-Seite. Mit anderen Worten: kein einziger Engländer oder Amerikaner verwendet diesen Begriff auf .com-Webseiten.
Marco (#2), hinzu kommt die Frage: wenn wir uns sprachlich nicht an der englischsprachigen Welt orientieren sollen, warum dann an deren angeblicher Meinung zu unserem Sprachgebrauch?
Wirklich nur marginal, aber wie rechnen Sie das: 0 × ∞ = 1
Es sind sogar mehr als unendlich mal so viele Treffer 😉 Aber ist ja keine “Math Faculty” hier… 🙂
Bonaventura (#5), Peer (#6), ich bin eher so an die Frage herangegangen:
Sehr interessant (und irgendwie witzig).
Ich würde gern hinzufügen, dass, selbst wenn die englischsprachige Welt diesen Begriff benützen würde, um die Existenz von Lehnwörtern englischen Ursprungs im Deutschen zu beschreiben, dies natürlich noch kein Argument dafür wäre, dass dieses Urteil stimmt.
Schließlich müssten diese Engländer/Amerikaner/etc. nicht unbedingt recht haben. Davon auszugehen, es sei richtig in diesem Fall von Unterwürfigkeit zu sprechen nur weil die Times bzw. die englische Presse bzw. die Engländer dies tun, scheint mir wiederum unkritisch und etwas blöd, wenn nicht gar unterwürfig… (submissiveness with respect to the attitude towards loanwords)
Das hat aber nix mit Multiplikation zu tun 🙂
Back on topic: Erinnert mich irgendwie an “Ich glaube keiner Statistik, die ich selbst gefälscht habe” — angeblich von Churchill. Nur: IN England unbekannt. Stellte sich heraus, dass es von Goebbels stammt und als Propoaganda genutzt wurde.
Jetzt müssen die Engländer wieder für ein falsches Propaganda-Zitat herhalten…
@ Peer: Netter Vergleich. Zumal das ganze Unterwürfigkeits-Brimborium ja allen Anscheins nach auf einen Statistikprofessor zurück geht.
Touché!
Man kann ja gegen Fremd- und Lehnwörter hervorbringen was man will, das wenigste davon dürfte einer objektiven Prüfung standhalten (sofern es behauptet, mehr zu sein als eine persönliche Geschmacksfrage). Aber gibt es etwas Komplexbeladeneres, als “Anglizismen” deswegen sch*** zu finden, weil sie von außen nach Unterwerfung aussehen könnten?
Ausgezeichnet, wie Sie dieses Scheinargument ad absurdum geführt haben.
Möglicherweise leidet Prof. Krämer am 12-Leute-Syndrom*? In seinem Brief tauchen nicht nur 330 000 (ihn angeblich bestärkende) Vereinsmitglieder, sondern auch noch seine “ausländischen Freunde” auf.
*Wer argumentativ nicht stark ist, aber Zuspruch simuliert, zieht gerne 12 imaginäre Leute heran, die alle genau seiner Meinung sind.
und noch was, die Briten haben genug Worte aus dem Französischen und neuerdings sogar dem Indischen(like Avatar), aber auch aus dem Deutschen wie Dachshund, Doppelganger(kein Druckfehler die ä Punkte fehlen) oder Kindergarden(kein Druckfehler). Sprache lebt halt und tut dies nicht allein sondern mit Nachbarn usw. Entlehnung ist doch voll normal. Und dass irgendwelche Sprachpuristen in allen Ecken ihre “Muttersprache” am liebsten einfrieren wollen, weil sie nunmal das ist, was sie am besten können, ist auch keineswegs deutsch oder englisch oder französisch oder türkisch oder isländisch sondern international. Ich hatte auch immer glatte Einsen im Diktat, dann kam die blöde Rechtschreibreform, toll, jetzt schreib ich wie ein Analphabet. Die Evolution wird sich am Ende auch in der Sprache und Schrift durchsetzen, das bessere überlebt einfach PUNKT nur braucht alles viel länger als ein läppisches Menschenleben, viel länger, oder wie der Papst sagen würde oder Zweistein, Gott hat Zeit, Gott ist Zeit.
Und wenn ich Brite wär oder allgemein englscher Muttersprachler oder wenn Deutsch die Weltsprache Nummer eins wär, seien wir ehrlich, wie gern würden wir n bischen sticheln und behaupten die anderen unterwerfen sich alle uns(weil wir die besten wären, es aber nicht offen sagen wollen, weil Eigenlob stinkt, dann sagen wirs halt lieber indirekt bzw. distanzieren uns nicht davon: das entlehnen unserer Wörter ist linguistische Unterwerfung). Und seien wir nochmal ehrlich, auch in Deutschland und drumherum gibts ne Menge Dialekte, ähnliche Sprachen und solches was sich nicht entscheiden muss, will oder kann, sondern bloss lebt und seine Zeit für Entscheidungen nimmt oder sie der Zeit überlässt. Und der Kampf um gegenseitiges Verständnis ist doch schon gross genug, häten wir dann noch Millionen anderer Sprecher aus aller Herren Länder und Ex Kolonien, alle mit anderen Färbungen und Dialekten(und anderen Ressentiments), Akzenten, naja dann könnten wir auch nur hoffen, dass alle wenigstens so gut es geht versuchen den Standard einzuhalten und zu akzeptieren, sich ihm freiwillig oder fürs Gemeinschaftswohl zu unterwerfen, könnten nur hoffen, dass sich die Akzente in ihrer Verschiedenheit wieder rausmittelten und der Einfluss marginal bleibe, was sie wahrscheinlich tw. tun bis auf ein paar grössere.
Naja, am besten: abwarten und Tee trinken.
und Hervorragendes kann es nur in Vielfalt geben, also brauchen wir doch das was sich “unterwerfen oder als unterworfen betrachten” lässt
sonst hätte doch der Kommunismus funktioniert und einen Sprachkommunismus will jawohl keiner, oder?
“neuerdings”…also “Doppelganger” las ich erst neulich in einer englischen Rezension von Hoffmanns “Die Elixiere des Teufels” aus dem 19. Jahrhundert. 😀
Mir scheint ein namenloser Korrespondent der Times weit eher die Aussage zu stützen, die Times habe geschrieben, als ein einflussreicher Denker, der doch eher für sich und seinen teuren Namen stünde. Da ich nur wichtige Denker lese, war mir der Begriff bislang unbekannt — anders die Airport-Erfahrung des (durch seine populären Werke (“Wie lügt man mit Statistik”) einflussreichen) Herrn Krämer: oft höre ich von ausländischen Freunden Fragen zum Englischen im Deutschen (nur an Flughäfen nie). Freunden übrigens, die nicht unbedingt Englisch sprechen, was in China, Japan oder Russland ja vorkommt. Dass ich mich wiederum an Anglizismen nicht störe, trübt ihm eine andere Statistik.
Vorsicht, Spoiler: Na, auf die Rezension des Artikels in der Times bin ich ja gespannt. Wenn ich naemlich dieser Fundstelle bei Google Books trauen darf geht es in dem Artikel vor allem darum dass das Deutsche vor allem Lehnwoerter aus dem Franzoesischen uebernommen hat und viel weniger aus dem Englischen…
Noch was anderes: Der “Kindergarden” (oder korrekt Kindergarten) ist hier im UK relativ unbekannt, das ist eher Amerikanischer Gebrauch. Hier heisst sowas eher creche, pre-school, childcare centre oder nursery (school).
@Armin: Na, ich hab schon immer kritisiert, dass immer nur auf die Anglizismen herumgehackt wird und die ganzen nervigen Gallizismen (Wie schreibt man noch Rondevu?) immer ignoriert werden… 🙂
Und da denkt man immer, die Zeiten der Nationalstaatlerei wären längst vorbei…
Der Kulturpessimismus hört ja nicht bei Fragen der Sprache auf. Man hört so oft, dass “uns” “die Sieger” vorgeschrieben hätten, fortan immer mit einer Antideutschhaltung durch die Gegend zu laufen und dass uns die “westliche Welt” ja immer noch in Kollektivhaft näme. Da wird also auch dem gemeinen Angelsachsen wieder eine Haltung angedichtet.
Auch diesen Pessimismus haben “wir” uns selbst eigenredet. Kaum ein Amerikaner, Brite oder Australier nimmt uns heutzutage in Kollektivhaft und will uns einreden, dass wir zu buckeln haben. Wenn eine solche Einstellung durchsickert, dann hat das (eigene Erfahrung) etwas mit eigenen nationalistischen Gefühlen zu tun, etwa — obwohl das auch zu verallgemeinert dargestellt ist — am Beispiel noch tiefsitztender Ressentiments zwischen Franzosen und Deutschen.
Si non è vero è ben trovato.
Selbst wenn der Ausdruck linguistic submissiveness nie von einem Engländer gebraucht worden wäre, so wäre er doch sehr treffend. Die deutsche Entsprechung sprachliche Unterwürfigkeit gefällt mir allerdings noch besser. Das klingt so schön verächtlich.
Tatsächlich hat aber ein Korrespondent der Times diesen Begriff benutzt, und das schon 1960(!). Was würde er heute wohl sagen?
Es stimmt ja, daß einige dieses eine Zitat überbetonen — als ob es ein stehender Begriff im Englischen wäre. Die meisten Fundstellen auf deutschen Internetseiten weisen allerdings durchaus auf die Times als Quelle hin.
Aber das sind doch Quisquilien. Entscheidend ist, daß sich hier ein außenstehender englischer Beobachter äußert, der kaum im Verdacht steht, der “Deutschtümelei” oder deutschem “Sprachpurismus” anzuhängen. Wenn klein Erna meinen sollte, daß alle Engländer vor Freude aus dem Häuschen wären, weil sie in Deutschland ständig mit englischen Sprachbrocken traktiert werden, dann irrt sie sich eben.
Einige der Wertungen des Times-Korrspondenten sind ja durchaus beherzigenswert: “Some of the invading vulgarities should make the most submissive scholar turn. German can, after all, be a very beautiful language, and necessary additions could be vetted by good taste if not by an academy.”
Aber ich will der angekündigten Rezension von Anatol Stefanowitsch nicht vorgreifen.
Aber wenn Nörgler meint, dass sich alle Engländer durch Anglizismen ständig traktiert fühlen, irrt er sich leider auch. Das brauche ich auch nicht empirisch nachweisen, das weiß ich aus persönlicher Erfahrung. Den meisten ist das nämlich — mit Verlaub — scheißegal.
Erstmal vielen Dank Herr Stefanowitsch für die vielen interessanten Beiträge!
Meiner Meinung nach scheint die Angst davor, sich im Ausland lächerlich zu machen, gerade in Deutschland weit verbreitet zu sein. Das Paradebeispiel schlechthin ist wohl das Thema “Waldsterben”:
http://diepresse.com/home/panorama/klimawandel/523352/index.do?parentid=757915&showMask=1
Das ist nur einer von sehr vielen Berichten, der behauptet, “die Franzosen” spötteln über “die Deutschen” indem Sie den Ausdruck “le waldsterben” verwenden.
Leider hatte ich bisher keine Zeit, dem tiefer auf den Grund zu gehen, aber einer ersten (primitiven) Google-Suche zufolge, scheint dieser Spott ausschließlich in Deutschland zu kursieren…
Bei genauerer Betrachtung des oben verlinkten Times-Archives fällt mir auf, dass die Zeitungen nur bis zum Jahrgang 1985 dort archiviert sind. Hat eigentlich jemand Zugang zum aktuellen Archiv unter http://www.newsint-archive.co.uk/pages/main.asp und kann dort suchen bzw. hat dies schon getan?
Grüße
Marco
Mir ist es, zum Beispiel auch in einem einschlägigen Rundtisch-Gespräch von FAZ und deutscher Welle, aufgefallen, dass die Ablehnung von Fremdwörtern sich mit einem Anspruch auf nationales Selbstbewusstsein mischt. Das halte ich für sehr bedenklich (wobei ich fairerweise sagen muss, das keiner der beiden Gastgeber dabei mitmachte).
Se. 🙂
Fuck him and the horse he rode in on… B-)
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag, der klar macht, wie sehr sich eine Wendung verbreiten kann, obwohl sie nur einmal in einem kaum relevanten Zeitungsartikel von vor 50 Jahren auftauchte. Der VDS propagiert das ja ad infinitum. Allerdings: Die Quelle (“Die Londoner ‘Times’ vom 16.06.1960”) findet sich schon bei: Adolf Bach. Geschichte der deutschen Sprache. Achte Auflage. Heidelberg: Quelle & Meyer, 1965. S. 420. Da hat es der Herr Krämer wohl auch her, nehme ich an. Auch Bach nennt die “Geschmack- und Würdelosigkeit, die Verhunzung der Sprache Goethes durch die Entlehnung derartiger Ausdrücke” (ebd.).