Heute will ich was über Verben erzählen. Und zwar über eine ganz bestimmte Art von Verben: Kausativa. Kausativa (von lat. causa ‘Ursache, Grund’) sind Verben, die ausdrücken, dass man jemanden (oder etwas) zu etwas bringt:
Das ist aber nicht so etwas wie überreden, wo ich jemanden dazu bringe, zu tun, was ich will: Bei Kausativa besteht immer eine Bedeutungsbeziehung zwischen dem Kausativverb und einem Basisverb, von dem es abgeleitet ist.1
Wenn ich zum Beispiel einen Baum fälle, dann “mache” ich ihn fallen. Wenn ich einen Hund tränke, dann “mache” ich ihn trinken. (Und wenn ich ihn ertränke, mache ich ihn trinken bis zum Erreichen eines bestimmten Ziels.)
Das Basisverb (fallen, trinken) drückt also die Handlung aus, zu der ich jemanden durch das Kausativum (fällen, tränken) bringe.
Dabei verändern sich die “Forderungen” des Verbs. Das Basisverb ist normalerweise intransitiv, das bedeutet, dass es nur ein Subjekt braucht, aber kein Objekt: Ich falle (vom Dach ← optional).
Kausativa sind aber transitiv, das heißt neben einem Subjekt (dem Verursacher) muss es auch ein Objekt (dem die Handlung geschieht) geben, und zwar ein direktes (Akkusativobjekt): Ich fälle den Baum. Nur Ich fälle geht in ganzen Sätzen i.d.R. nicht. (Die obige Sprechblase bitte nicht berücksichtigen ;))
Kausativa werden normalerweise gebildet, indem man – je nach Sprache – eine Vor- oder Nachsilbe an das Basisverb hängt (oder andere verrückte Sachen damit macht).
Das scheint jetzt aber bei fallen und fällen, trinken und tränken nicht der Fall zu sein – und wenn man es sich mal recht überlegt, kann man auch nicht sagen “Ich habe ihn gefällt”, wenn man dem Typen ein Bein gestellt hat. Und wenn ich Brot in Öl tränke, habe ich es dann zum Trinken gebracht? Hm … Das Verursachen steckt schon irgendwie drin, aber die Beziehung ist nicht so eindeutig.
Sind das also wirklich Kausativa?
Heute vielleicht nicht mehr – aber sie waren es mal! Zusammen mit schwimmen – schwemmen, sinken – senken, sitzen – setzen, futtern – füttern, fahren – führen, erblinden – blenden, fließen – flößen, liegen – legen, schwanken – schwenken, saugen – säugen, verschwinden – verschwenden, springen – sprengen, wachen – wecken, winden – wenden, biegen – beugen, rinnen – rennen, …
Das zweite Wort wurde immer vom ersten abgeleitet, und zwar auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Vielleicht fällt Euch auf, dass das erste Wort (das Basisverb) fast immer ein starkes Verb ist (mit Vokalwechsel in der Vergangenheit: schwamm), das zweite hingegen ein schwaches (mit der Vergangenheit auf -te: schwemmte).
Ursprünglich (im Germanischen) waren alle Basisverben stark. Von diesen starken Verben konnte man ganz leicht Kausativa bilden. Man nahm den Stamm der Vergangenheitsform und versah ihn mit einer speziellen Kausativendung. Hier für faran ‘gehen, sich fortbewegen’ (unser heutiges fahren):
Der Trick war also, an den Vergangenheitsstamm ein -jan zu hängen, et voilà. Schon im Althochdeutschen sah man aber nichts mehr vom j, die Endung lautete -an – und dann wurde sie im Mittelhochdeutschen zu -en (Grund: Nebensilbenabschwächung).
Jetzt seht Ihr aber, dass sehr viele der Kausativa noch weitere Veränderungen mitgemacht haben: senken, nicht sanken (von sinken — sank), flößen, nicht flossen (von fließen — floss), …
Das liegt am j-Laut in -jan – der hat in der deutschen Sprachgeschichte viel angerichtet:
- im Westgermanischen machte er vorhergehendes e zu i (Westgermanisch Hebung),
- im Althochdeutschen machte er a zu e (heute auch oft als ä geschrieben), u zu ü, o zu ö, uo zu üe (heute ü) und ou zu öu (heute äu) (Primär- und Sekundärumlaut).
So wird also aus dem uo in fuorjan wegen des j-Lauts ein üe und später dann ein ü. Diese Vokalveränderungen sind nur eine Zufallserscheinung. Wäre die Ableitungssilbe für Kausativa eine andere gewesen, sähen sie heute aus wie die normalen Vergangenheitsformen der Basisverben.
Durch diese zufällige Veränderung kann man sie aber auch heute noch, wo die Endungen längst gleich lauten, prima unterscheiden.
Die Bildung von Kausativa mit -jan ist schon lange, lange nicht mehr möglich, und seither haben die abgeleiteten Wörter ein Eigenleben entwickelt: Sie haben sich in ihrer Bedeutung verändert, manche nur leicht, andere extrem. Daher kann man heute nicht mehr so recht von einer Kausativbeziehung zwischen den Wortpaaren sprechen. Historisch bestand sie aber.
Fußnote:
1Ich spreche hier von morphologischer Kausativität. Natürlich stehen auch sterben und töten in einer kausalen Relation zueinander, oder schneiden und schneiden lassen.
Gehört dazu eigentlich auch so etwas wie “hängen” / “(hin)-hängen”? Ich erinnere mich, dass ich als Kind dereinst Frank Elstner lauschte, der in einer Fernsehsendung davon sprach, seine Mitarbeiter hätte irgendwelche Bilder dorthin “gehangen”. In mir sträubte sich etwas — “gehängt!”, “gehängt!”, rief es in mir. Und falls ja, wie ist es hier einzuordnen?
Im Mittelhochdeutschen waren die beiden Verben noch getrennt:
hangen, hing, gehangen — unser intransitives “hängen” und
hängen, hängte, gehängt — transitiv, also etwas aufhängen.
Zu allem Überfluss hat auch noch ein drittes Verb bei Form und Bedeutung mitgemischt, nämlich henken.
hangen geht auf germ. *xanga‑, hängen auf *xangja-.
Eine kleine Anmerkung noch: in den altgermanischen Sprachen unterscheiden sich bei starken Verben Prät. Sg. und Prät. Pl. noch im Ablaut (-a- im Sg., Tiefstufe im Pl.), daher muss man korrekterweise sagen: Anfügung von -jan- an den Stamm des Sg., wie du schon schriebst, flektiert das immer schwach.
(Übrigens, diese *CaC-jan-Kausativbildung geht auf eine idg. *CoC-eye-Bildung zurück, und findet sich unter anderem auch im Latein (monēre zu men-) und modernen idg. Sprachen wie Litauisch (Verben auf -yti zu )und Russisch (Verben auf -it.)
Ja, ich habe durch die Auswahl von fahren (das ja in Prät. Sg. und Pl. denselben Vokal hat, weil neuere Reihe) geschickt unterschlagen, dass es (bis ins Mittelhochdeutsche) vier Ablautstufen gab — wollte es in der Komplexität etwas beschränken.
Danke für die hängen-Erklärung — das wollte ich eigentlich nachschauen, aber dann kam so viel dazwischen.
Mir begegnet “Das hat mich (total) gefällt” besonders im Zusammenhang/in der Bedeutung von ‘Das hat mich (total) umgehauen” doch relativ häufig. Mag rein regional sein (oder Gruppensprech :)) oder auf dem Vormarsch. Ich find den Ausdruck aber sehr hübsch.
P.S.: und damit wollte ich noch sagen, dass ich davon ausgehend “Ich habe ihn gefällt” auch schon in der (bildlichen und/oder wörtlichen) Bedeutung von ‘dem Typen ein Bein stellen’ gehört habe.
Die Illustration ist super, ich bin schier aus den Latschen gekippt! Den Text werde ich gleich mal meinem Tandempartner ausdrucken, der hatte mich nämlich just danach gefragt 🙂