Casting

Von Anatol Stefanowitsch

Zur Aktion Lebendi­ges Deutsch fällt mir diesen Monat nichts ein. Statt Cast­ing wollen die Aktioneure zukün­ftig „Rol­lenbe­set­zung“ sagen, statt Incen­tive „Anreiz“. Der erste Vorschlag greift aktion­styp­isch zu kurz (bei Cast­ings geht es nicht immer um „Rollen“), der zweite ist seman­tisch sich­er richtig (weshalb Wörter­büch­er ja incen­tive genau so über­set­zen). Von der Kon­no­ta­tion (den mitschwin­gen­den Assozi­a­tio­nen) ist Incen­tive natür­lich enger, aber einen großen Vorteil sehe ich in keinem der Wörter (vor allem, da Incen­tives anscheinend wenig brin­gen). Im laufend­en Monat wird eine Alter­na­tive für Spot­light gesucht. Ich empfehle den Aktioneuren, sich die Suche zu sparen und auch hier ein­fach ins Wörter­buch zu schauen.

Da es zur Aktion Lebendi­ges Deutsch nichts zu sagen gibt, nutze ich die Gele­gen­heit um auf ein Konkur­ren­zpro­jekt zu ver­weisen, das mir poten­ziell erfol­gver­sprechen­der erscheint: das Wiki Wie sag’ ich’s auf Deutsch. Das Ziel dieses Wikipro­jek­ts, das seit Feb­ru­ar 2006 existiert, ähnelt dem der Aktion Lebendi­ges Deutsch:

WieSagIchsAufDeutsch.de ist eine offene Samm­lung mit Anre­gun­gen zur Ver­mei­dung von Anglizis­men und anderen stören­den Ausdrücken.

Wie sag ich’s auf Deutsch?” Diese Frage kön­nen wir uns häu­fig spon­tan nicht beant­worten. Denn oft­mals haben sich bes­timmte Aus­drücke durch mehrfach­es Hören in unserem inneren Ohr der­ar­tig fest­ge­set­zt, daß wir uns gar nicht mehr ohne weit­eres von ihnen lösen kön­nen. In diesen Fällen sollen die Seit­en von WieSagIchsAufDeutsch.de eine Hil­festel­lung sein.

Erfol­gver­sprechen­der ist das Pro­jekt aus mein­er Sicht aus drei Grün­den. Erstens: Es ist ein offenes Wiki, jed­er kann Wörter und Neube­wor­tun­gen oder altge­di­ente Alter­na­tiv­en vorschla­gen und nie­mand muss darauf warten, was für ein Unfug den vier alten Her­ren als Näch­stes ein­fällt. Zweit­ens: Es ist ein offenes Wiki, jed­er kann mit­disku­tieren, wenn ihm oder ihr ein Vorschlag nicht gefällt oder unpassend erscheint. Drit­tens: Es ist ein offenes Wiki und viele Hände schaf­fen mehr als vier Starnör­gler und die an der monatlichen Wörter­suche teil­nehmenden Nach­wuch­snör­gler. Die Abdeck­ung des Wortschatzes ist schon jet­zt deut­lich größer als das, was die Aktion Lebendi­ges Deutsch in zehn Jahren zusam­men­bekom­men wird.

Die „Rol­lenbe­set­zung“ als Alter­na­tive zum Cast­ing nen­nt das Wiki übri­gens schon seit Jan­u­ar 2008, der entsprechende Ein­trag nen­nt außer­dem die Typbe­set­zung, das Auswahlver­fahren, das Beset­zungsver­fahren, den Beset­zung­ster­min und das Vorsin­gen.

16 Gedanken zu „Casting

  1. Jan

    Denn oft­mals haben sich bes­timmte Aus­drücke durch mehrfach­es Hören in unserem inneren Ohr der­ar­tig fest­ge­set­zt, daß wir uns gar nicht mehr ohne weit­eres von ihnen lösen kön­nen.” — Hier fehlt ein “wenn wir es denn wollen”, was hier schein­bar ein­fach voraus­ge­set­zt ist…

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  2. Anne H.

    Auswahlver­fahren oder Kan­di­date­nauswahl wären meine Ersatzwörter, wenn’s denn sein müsste. Muss es aber nicht, denn: 

    Ein Cast­ing ist etwas anderes als eine Rol­lenbe­set­zung. Es ist die ‘Suche nach Bewer­bern, die für eine Rolle in die engere Wahl gezo­gen werden’. 

    Cast­ing kann also 13 deutsche Wörter erset­zen, die in keine Hauptzeile passen, und wird dadurch unersetzlich.

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  3. Muriel

    Ich wusste gar nicht, dass Spot­light ein Lehn­wort ist. Ich kenne das nur als die gle­ich­namige Zeitschrift und eben als englis­chen Begriff… Wer sagt denn Spotlight?

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  4. Jens

    Naja, in beispiel­sweise einem mikroökonomis­chen Kon­text würde ich dur­chaus von Anreizen oder Anreizmech­a­nis­men sprechen. Was spricht dagegen?

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  5. moi

    @Anne H.

    Uner­set­zlich ist sicher­lich kein Wort. Und wenn die Aktion Lebendi­ges Deutsche vorschla­gen würde, statt cast­ing lieber “grmpfl” zu sagen und sich dieser — meines Eracht­ens zu diesen Auswahlver­fahren her­vor­ra­gend passende — Aus­druck durch­set­zen würde, dann wäre das cast­ing eben kün­ftig ein grmpfl.

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  6. Thomas Müller

    @Muriel

    Ein­fach mal nach “im Spot­light” googeln — liefert rund 41000 Tre­f­fer. Dazu vielle­icht noch “aus dem Spot­light”, “das Spot­light” und was es an möglichen Kon­struk­tio­nen son­st noch geben mag. Kommt schon was zusammen.

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  7. Armin

    @moi

    Du willst also sagen ein neu erfun­denes Wort das in dem Fall alle ler­nen muessen (da es ja ein neues Wort ist), ist bess­er als ein Wort das schon von Mil­lio­nen von Leuten aktiv ver­wen­det wird?

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  8. flux

    Hier passt vielle­icht hin, was ich vorhin im Nach­wort zu Eichen­dorffs Tau­genichts , Recla­maus­gabe 2354, S.119, gele­sen habe:

    (…) der Tau­genichts ist after all nicht mehr und nicht weniger als eine Verkör­pe­rung des deutschen Gemüts, die liebenswürdi­ge Type nicht eines Standes bloß, son­dern ein­er ganzen Nation.(…), schreibt Theodor Fontane am 6. Jan­u­ar 1857 an Paul Heyse”

    Schön , oder ? “after all” und das deutsche Gemüt.… und das schon 1857 !!!

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  9. Nörgler

    Ein wesentlich­er Aspekt des cast­ing hat, wie mir scheint, noch nicht die ihm gebührende Aufmerk­samkeit in der deutschen Öffentlichkeit erlangt: die cast­ing couch. Polan­s­ki sei Dank wird sich das aber erfreulicher­weise in nicht allzu fern­er Zukun­ft wohl ändern. Jeden­falls wird es höch­ste Zeit, die cast­ing couch endlich ins gehörige Spot­light zu rücken.

    Die Ein­deutschung dieses “uner­set­zlichen” Begriffs der Medi­en­welt, vielle­icht eines der maßge­blichen Incen­tives der Medi­en­schaf­fend­en, wird für die Aktion Lebendi­ges Deutsch wohl eine erhe­bliche Chal­lenge darstellen. Der höchst dankenswerten Empfehlung von A. S. fol­gend, habe ich bei LEO nachgeschla­gen, bin aber lei­der nicht auf Anhieb fündig gewor­den. Auch “Wie sag ich’s auf Deutsch” scheint nicht recht weiterzuhelfen.

    Also ist die ALD wohl auf Bor­d­mit­tel angewiesen. Wie wäre es etwa mit Rol­lenbe­set­zungsso­fa oder Auswahlver­fahrenslot­ter­bett? Hmmm, klingt nicht so recht überzeu­gend. Wo bleiben bloß die safti­gen “Konnotationen/Assoziationen”, die bei cast­ing couch so anre­gend “mitschwin­gen”?

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  10. Hansi

    Für “Cast­ing” gibt es ein alt­bekan­ntes Wort, näm­lich Vor­sprechen. Der Begriff stammt ursprünglich aus der The­ater­welt und wurde später für das Film- und Fernse­hwe­sen übernommen. 

    Wenn es ums Sin­gen ging, hieß es dementsprechend Vorsin­gen.

    Das müh­same Suchen hätte man sich sparen kön­nen. Schaus­piel­er bzw. Sänger sprechen bzw. sin­gen vor, der beste Mime oder Sänger wird genom­men, fer­tig. Das ist beim “cast­ing” auch nicht anders.

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  11. Patrick Schulz

    @Hansi,

    Klar haben wir zwei Begriffe, Vorsin­gen und Vor­sprechen. Wenn man aber bei­de Konzepte in einem Wort haben möchte, wird auf ein Lehn­wort aus dem Englis­chen zurück­ge­grif­f­en, was ist daran verwerflich?

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  12. Nörgler

    @Patrick Schulz:

    Wo hat Han­si — oder son­st jemand — behauptet, das sei “ver­w­er­flich”?

    Im übri­gen sind Vorsin­gen, Vor­sprechen, Vor­spie­len, Vor­tanzen usw. nur mögliche Teile des Cast­ing oder des Beset­zungs- oder Auswahlver­fahrens. Als all­ge­meine Begriffe dafür im Deutschen bieten sich zwan­g­los Vor­führen oder Probe an.

    Wenn man dafür auf ein englis­ches Wort zurück­greifen zu müssen glaubt, dann wäre das zutr­e­f­fende Wort nicht cast­ing son­dern audi­tion.

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  13. Patrick Schulz

    @Nörgler,

    Wenn jemand sagt: „es zieht“, weiß ich, dass ich da Fen­ster zu schliessen habe. Sowas nen­nt man Imp­likatur, aber da kann A.S. bes­timmt mehr drüber sagen als ich.

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  14. Nörgler

    @Patrick Schulz:

    Sie mögen das von mir aus Imp­likatur nen­nen, ich nenne das auf gut deutsch jump­ing to con­clu­sions.

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