Zur Aktion Lebendiges Deutsch fällt mir diesen Monat nichts ein. Statt Casting wollen die Aktioneure zukünftig „Rollenbesetzung“ sagen, statt Incentive „Anreiz“. Der erste Vorschlag greift aktionstypisch zu kurz (bei Castings geht es nicht immer um „Rollen“), der zweite ist semantisch sicher richtig (weshalb Wörterbücher ja incentive genau so übersetzen). Von der Konnotation (den mitschwingenden Assoziationen) ist Incentive natürlich enger, aber einen großen Vorteil sehe ich in keinem der Wörter (vor allem, da Incentives anscheinend wenig bringen). Im laufenden Monat wird eine Alternative für Spotlight gesucht. Ich empfehle den Aktioneuren, sich die Suche zu sparen und auch hier einfach ins Wörterbuch zu schauen.
Da es zur Aktion Lebendiges Deutsch nichts zu sagen gibt, nutze ich die Gelegenheit um auf ein Konkurrenzprojekt zu verweisen, das mir potenziell erfolgversprechender erscheint: das Wiki Wie sag’ ich’s auf Deutsch. Das Ziel dieses Wikiprojekts, das seit Februar 2006 existiert, ähnelt dem der Aktion Lebendiges Deutsch:
WieSagIchsAufDeutsch.de ist eine offene Sammlung mit Anregungen zur Vermeidung von Anglizismen und anderen störenden Ausdrücken.
“Wie sag ich’s auf Deutsch?” Diese Frage können wir uns häufig spontan nicht beantworten. Denn oftmals haben sich bestimmte Ausdrücke durch mehrfaches Hören in unserem inneren Ohr derartig festgesetzt, daß wir uns gar nicht mehr ohne weiteres von ihnen lösen können. In diesen Fällen sollen die Seiten von WieSagIchsAufDeutsch.de eine Hilfestellung sein.
Erfolgversprechender ist das Projekt aus meiner Sicht aus drei Gründen. Erstens: Es ist ein offenes Wiki, jeder kann Wörter und Neubewortungen oder altgediente Alternativen vorschlagen und niemand muss darauf warten, was für ein Unfug den vier alten Herren als Nächstes einfällt. Zweitens: Es ist ein offenes Wiki, jeder kann mitdiskutieren, wenn ihm oder ihr ein Vorschlag nicht gefällt oder unpassend erscheint. Drittens: Es ist ein offenes Wiki und viele Hände schaffen mehr als vier Starnörgler und die an der monatlichen Wörtersuche teilnehmenden Nachwuchsnörgler. Die Abdeckung des Wortschatzes ist schon jetzt deutlich größer als das, was die Aktion Lebendiges Deutsch in zehn Jahren zusammenbekommen wird.
Die „Rollenbesetzung“ als Alternative zum Casting nennt das Wiki übrigens schon seit Januar 2008, der entsprechende Eintrag nennt außerdem die Typbesetzung, das Auswahlverfahren, das Besetzungsverfahren, den Besetzungstermin und das Vorsingen.
“Denn oftmals haben sich bestimmte Ausdrücke durch mehrfaches Hören in unserem inneren Ohr derartig festgesetzt, daß wir uns gar nicht mehr ohne weiteres von ihnen lösen können.” — Hier fehlt ein “wenn wir es denn wollen”, was hier scheinbar einfach vorausgesetzt ist…
Auswahlverfahren oder Kandidatenauswahl wären meine Ersatzwörter, wenn’s denn sein müsste. Muss es aber nicht, denn:
Ein Casting ist etwas anderes als eine Rollenbesetzung. Es ist die ‘Suche nach Bewerbern, die für eine Rolle in die engere Wahl gezogen werden’.
Casting kann also 13 deutsche Wörter ersetzen, die in keine Hauptzeile passen, und wird dadurch unersetzlich.
Ich wusste gar nicht, dass Spotlight ein Lehnwort ist. Ich kenne das nur als die gleichnamige Zeitschrift und eben als englischen Begriff… Wer sagt denn Spotlight?
Naja, in beispielsweise einem mikroökonomischen Kontext würde ich durchaus von Anreizen oder Anreizmechanismen sprechen. Was spricht dagegen?
@Anne H.
Unersetzlich ist sicherlich kein Wort. Und wenn die Aktion Lebendiges Deutsche vorschlagen würde, statt casting lieber “grmpfl” zu sagen und sich dieser — meines Erachtens zu diesen Auswahlverfahren hervorragend passende — Ausdruck durchsetzen würde, dann wäre das casting eben künftig ein grmpfl.
@Muriel
Einfach mal nach “im Spotlight” googeln — liefert rund 41000 Treffer. Dazu vielleicht noch “aus dem Spotlight”, “das Spotlight” und was es an möglichen Konstruktionen sonst noch geben mag. Kommt schon was zusammen.
@moi
Du willst also sagen ein neu erfundenes Wort das in dem Fall alle lernen muessen (da es ja ein neues Wort ist), ist besser als ein Wort das schon von Millionen von Leuten aktiv verwendet wird?
@Armin
Epic Fail. Das hat moi mit keinem Wort gesagt… 😉
Hier passt vielleicht hin, was ich vorhin im Nachwort zu Eichendorffs Taugenichts , Reclamausgabe 2354, S.119, gelesen habe:
“(…) der Taugenichts ist after all nicht mehr und nicht weniger als eine Verkörperung des deutschen Gemüts, die liebenswürdige Type nicht eines Standes bloß, sondern einer ganzen Nation.(…), schreibt Theodor Fontane am 6. Januar 1857 an Paul Heyse”
Schön , oder ? “after all” und das deutsche Gemüt.… und das schon 1857 !!!
Ein wesentlicher Aspekt des casting hat, wie mir scheint, noch nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit in der deutschen Öffentlichkeit erlangt: die casting couch. Polanski sei Dank wird sich das aber erfreulicherweise in nicht allzu ferner Zukunft wohl ändern. Jedenfalls wird es höchste Zeit, die casting couch endlich ins gehörige Spotlight zu rücken.
Die Eindeutschung dieses “unersetzlichen” Begriffs der Medienwelt, vielleicht eines der maßgeblichen Incentives der Medienschaffenden, wird für die Aktion Lebendiges Deutsch wohl eine erhebliche Challenge darstellen. Der höchst dankenswerten Empfehlung von A. S. folgend, habe ich bei LEO nachgeschlagen, bin aber leider nicht auf Anhieb fündig geworden. Auch “Wie sag ich’s auf Deutsch” scheint nicht recht weiterzuhelfen.
Also ist die ALD wohl auf Bordmittel angewiesen. Wie wäre es etwa mit Rollenbesetzungssofa oder Auswahlverfahrenslotterbett? Hmmm, klingt nicht so recht überzeugend. Wo bleiben bloß die saftigen “Konnotationen/Assoziationen”, die bei casting couch so anregend “mitschwingen”?
Für “Casting” gibt es ein altbekanntes Wort, nämlich Vorsprechen. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Theaterwelt und wurde später für das Film- und Fernsehwesen übernommen.
Wenn es ums Singen ging, hieß es dementsprechend Vorsingen.
Das mühsame Suchen hätte man sich sparen können. Schauspieler bzw. Sänger sprechen bzw. singen vor, der beste Mime oder Sänger wird genommen, fertig. Das ist beim “casting” auch nicht anders.
@Nörgler:
Google und mir ist die Besetzungscouch geläufiger als die casting couch.
@Hansi,
Klar haben wir zwei Begriffe, Vorsingen und Vorsprechen. Wenn man aber beide Konzepte in einem Wort haben möchte, wird auf ein Lehnwort aus dem Englischen zurückgegriffen, was ist daran verwerflich?
@Patrick Schulz:
Wo hat Hansi — oder sonst jemand — behauptet, das sei “verwerflich”?
Im übrigen sind Vorsingen, Vorsprechen, Vorspielen, Vortanzen usw. nur mögliche Teile des Casting oder des Besetzungs- oder Auswahlverfahrens. Als allgemeine Begriffe dafür im Deutschen bieten sich zwanglos Vorführen oder Probe an.
Wenn man dafür auf ein englisches Wort zurückgreifen zu müssen glaubt, dann wäre das zutreffende Wort nicht casting sondern audition.
@Nörgler,
Wenn jemand sagt: „es zieht“, weiß ich, dass ich da Fenster zu schliessen habe. Sowas nennt man Implikatur, aber da kann A.S. bestimmt mehr drüber sagen als ich.
@Patrick Schulz:
Sie mögen das von mir aus Implikatur nennen, ich nenne das auf gut deutsch jumping to conclusions.