Polizisten in Dallas haben in den letzten drei Jahren mindestens 38 Strafzettel für einen ungewöhnlichen Verkehrsverstoß ausgestellt: fehlende Kenntnisse der englischen Sprache.Wie die Beamten darauf kamen, mangelhafte Englischkenntnisse als Ordnungswidrigkeit mit einer Strafe von über 200 US-Dollars zu behandeln, ist unklar. Der verlinkte Fernsehbericht und eine Reihe von Zeitungsartikeln gehen davon aus, dass die Polizisten eine Verordnung fehlinterpretiert haben, die vorschreibt, dass Berufskraftfahrer das Englische in Wort und Schrift beherrschen müssen — allerdings nur, wenn sie auf Bundesautobahnen (Interstates) Waren transportieren (siehe Texas Commercial Motor Vehicle Drivers Handbook (PDF, 1,3 MB), S. vi).
Nun sind US-amerikanische Polizisten im Vergleich etwa zu ihren deutschen Pendants in der Tat sehr schlecht ausgebildet. Ich selbst musste in Texas mehrmals vors Verkehrsgericht, und jedes Mal wurden Anklagepunkte fallengelassen, weil sie schlicht falsch dokumentiert worden waren (eine rote Ampel wurde zu einem Stoppschild, Fahren ohne Führerschein wurde zu Fahren ohne TÜV, usw.). Allerdings das lag daran, dass die Polizisten sich in den Kennziffern vertan hatten, mit denen diese Verstöße auf den Strafzetteln bezeichnet werden. Die Verstöße selbst gab es aber tatsächlich (auch wenn ich sie nicht alle begangen hatte). Aber dass die Polizisten in Dallas eine Bestimmung für Berufskraftfahrer auf Bundesautobahnen versehentlich auf private Fahrer im Stadtverkehr anwenden, lässt sich mit Zahlendrehern oder Zeilenverrutschern nicht erklären.
Man muss sich vor allem vor Augen führen, und dass der Anteil spanischer Muttersprachler an der Bevölkerung von Dallas ungefähr 40 Prozent beträgt. Spanischsprecher dürften im Verkehr deshalb keine Seltenheit sein. Wenn es bei der Verkehrspolizei von Dallas also wirklich ein ernsthaftes Missverständnis bezüglich sprachlicher Verkehrsregeln gibt, stellt sich die Frage, warum nicht eine viel größere Zahl solcher Strafzettel ausgestellt wurde.
Ich vermute deshalb eher, dass die Polizisten schlicht auf der Grundlage ihrer eigenen sprachlichen Vorurteile Fahrer bestraft haben, an denen ihnen irgendetwas nicht gepasst hat — schon lange ist der inoffizielle Verkehrsverstoß des Driving While Black bekannt — das „Driving While Speaking Spanish“ passt da gut ins Bild.
Ironischerweise könnten die Polizisten in absehbarer Zeit eine gesetzliche Grundlage für ihr diskriminierendes Verhalten bekommen. So wie der Verein Deutsche Sprache seit Jahren für eine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz trommelt, so kämpfen in den USA zwei Organisationen, English First und U.S. English dafür, dass Englisch zur offiziellen Amtssprache der USA und aller ihrer Bundesstaaten wird. Anders als der VDS sind diese Organisationen sehr erfolgreich: Die Liste der Staaten, die entsprechende Gesetze erlassen, wird immer länger. Texas gehört bislang nicht zu diesen Staaten, aber entsprechende Anträge werden im Staatsparlament regelmäßig eingebracht, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es tatsächlich unmöglich wird, auch nur einen Führerschein zu erhalten, ohne die englische Sprache zu beherrschen.
Ein aktueller Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass unabhängig von Bundesgesetzen, alle Anträge und Prüfungen für staatliche Lizenzen in englischer Sprache abgefasst oder abgehalten werden müssen („HB 1035 requires that, notwithstanding any federal laws, all applications and examinations for a state-issued license must be written or administered in English“).
Da lobe ich mir die weitgehend harmlos deutschtümelnden Sprachnarren vom VDS und verbleibe mit diesem XKCD-Cartoon, auf den ich vor einiger Zeit schon einmal verwiesen habe (das Original ist hier, es steht, wie auch meine Bearbeitung, unter der CC-BY-SA‑2.5‑Lizenz):
[Hinweis: Diese Fassung des Beitrags ist gegenüber der ursprünglichen im Bremer Sprachlog leicht verändert: Ein nicht mehr vorhandenes YouTube-Video eines Nachrichtenbeitrags wurde entfernt und durch einen Link auf die dazugehörige Meldung auf der Webseite des Senders ]
Zum Comic möchte ich noch anmerken: Es gibt da in den USA eine (umstrittene) Künstlerin und Musikerin namens Yellow Thunder Woman, die wirklich so heißt. Eigentlich wollten ihre Eltern sie eben genau so in ihrer Native American-Sprache nennen (“taufen” scheint das falsche Wort). Während in Deutschland verbotene Namen wie “Hope” oder “Faith” den Amis keine Probleme machen, ist es nicht erlaubt, Kindern einen Namen aus einer Ursprache Nordamerikas zu geben.
Das kann nicht verfassungskonform sein. Haben die Eltern Berufung eingelegt?
Ich muss irgendwie immer an Herrn Westerwelle denken, der sich bei seiner ersten Pressekonferenz nach den Bundeswahlen weigerte, einem englischen Journalisten auf Englisch zu antworten, mit der Begründung, in England spreche man Englisch, in Deutschland spreche man Deutsch, und: “Es ist Deutschland hier”.
Was Sie nicht sagen.
Beim Betrachten dieses schönen kleinen Cartoons sollte man natürlich auch an uns selbst denken und daran, dass es vielleicht in Deutschland in ein paar Jahren kein Sorbisch mehr geben wird.
Ich lebe in Florida und abgesehen davon, dass ein Strafzettel aus ‘Rassismus’ der falsche Weg ist, halte ich es fuer angebracht, dass man in einem Land, in dem man lebt, zumindest die Grundlagen soweit beherrscht, um Behoerdenkram zu erledigen. Wir haben regelmaessig (im Schuldistrikt) das Problem, dass jemand anruft etwas von uns will und nur Spanisch spricht. Oft genug ist dann eben keiner zur hand, der uns uebersetzen kann.
Nur, damit ich das verstehe: Sie leben in einem Bundesstaat mit einer bewegten Geschichte, in der dieser Staat mehrfach von spanischer in britische Herrschaft und umgekehrt überging und der erst seit 1848 zu den USA gehört; einem Staat, in dem über ein Fünftel der Bevölkerung spanischstämmig ist und 16 Prozent Spanisch als Muttersprache sprechen (Tendenz steigend); einem Staat, der erst seit 1988 und auf Druck einer fremdenfeindlichen Lobbyistengruppe überhaupt das Englische als Amtssprache hat (die USA selbst haben bis heute keine). Aber dass Sie im Schuldistrikt niemanden beschäftigen, der Spanisch spricht, das ist das das Problem der Anrufer?
@Anatol
Voellig korrekt. Der Unterricht fuer Kinder ist in englisch eben genau weil Florida trotz seiner Geschicht zu den USA gehoert. Und unabhaengig von der Vergangenheit diktiert eben der ‘Sieger’ die Bedingungen. Da gibt es in Europa genuegend Beispiele fuer.
Soll ich jetzt z.b. auch spanisch lernen, weil mich ein latein-amerikanischer Passant auf der Strasse nach dem Weg fragt? Wenn ich etwas von jemand moechte, dann bediene ich mich [b]seiner[/b] bevorzugten Art der Kommunikation. Und da spielt es keine Rolle ob das geschichtlich unfair oder rassistisch motiviert ist.
Ausserdem habe ich nie behauptet wir wuerden keine spanischen-sprechenden Mitarbeiter beschaeftigen. Im Gegenteil. Verglichen mit den meisten privaten Unternehmen ist der Schuldistrikt ziemlich multi-kulti. Aber es ist nicht immer einer als Uebersetzer verfuegbar. Und dann ist es eben genau das Problem der Anrufer wenn sie kein englisch sprechen, dann koennen ihnen bestimmte Personen (wie z.b. ich) eben nicht helfen.
Und da ist es doch eine Frage des Eigeninteresses, ob ich englisch lerne oder nicht. Es geht ja gar nicht darum spanisch zu verbieten. Vom Verwaltungsaufwand und von den Kosten her ist aber immer eine einsprachige Loesung vorzuziehen. Gerade wo bei Behoerden immer ueber die Geldverschwendung gemeckert wird. Und spanish-only ist eine [b]Minderheit[/b] auch in Florida.
Xkcd, Kinder und deren Namen? http://xkcd.com/327/
Das mit der Indianerin ist absoluter Quatsch. Sie heisst Wakinyan Zi Win, Yellow Thunder Woman ist ein Künstlername. Eltern vorzuschreiben wie ihre Kinder heissen dürfen ist in Amerika schlicht gesetzlich unmöglich.
@Fabian:
“Yellow Thunder Woman is my real name, it is the english translation of my American Indian name Wakinyan Zi Win. My parents wanted to register me by my Indian name but they were not allowed to use Indian language on my birth certificate, another nice little cultural genocide policy courtesy of the US government”
(http://www.myspace.com/yellowthunderwoman)
Mehr weiß ich auch nicht.
Fabian, DrNI@AM,
im PLAYBOY (ich lese den nur wegen der guten Artikel) klingt das etwas anders:
Es war also irgendjemand in einer Krankenhausverwaltung und nicht die US-Regierung, der hier rassistische Namenspolitik betrieben hat.
…wegen der so gut illustrierten Artikel…
Das war eine Zwangshandlung. Das hat jetzt jemand sagen müssen. :^)