Die Nürnberger Zeitung beschäftigt sich heute mit den beliebtesten Kosenamen Deutschlands und beruft sich dabei auf eine Studie aus dem Jahre 2005, über die ich auf jeden Fall berichtet hätte, wenn es das Bremer Sprachblog damals schon gegeben hätte.
Kosenamen sind ja allgemein eine merkwürdige Sache, da sie im Prinzip überflüssig sind. Namen sind weitgehend bedeutungslose Lautfolgen, die dazu dienen, Individuen sprachlich zu identifizieren, und jeder Mensch bekommt kurz nach der Geburt mindestens eine solche Lautfolge zugewiesen. Es gibt nur wenige Situationen, in denen es sinnvoll erscheint, diese Lautfolge abzuwandeln — etwa, wenn es in einem bestimmten sozialen Netzwerk (einer Gruppe von Freunden, einer Firma, usw.) zwei oder mehr Individuen gibt, die den selben Namen haben. Da nicht alle Menschen bei der Namensgebung ihrer Kinder so originell sind wie meine Eltern, passiert das recht häufig — in meiner Generation gibt es zum Beispiel deutlich zu viele Christians, Thomasse, Susannes und Sabinen. In diesen Situationen bekommt dann mindestens einer der Namenszwillinge oft einen Spitznamen — meistens den Nachnamen oder eine Kurzform des Vornamens.
In Beziehungen — zumindest in den traditionellen, aus zwei Personen bestehenden — ergibt sich dieses Problem eigentlich nicht. Egal, mit wievielen Menschen sie ihren Namen teilen, wenn Thomas und Sabine (oder Thomas und Christian, oder Sabine und Susanne) ein Paar sind, dürfte bei der gegenseitigen Anrede mit dem Namen keine Probleme geben. Es muss also einen anderen Grund haben, dass Paare sich Kosenamen geben.
Eine mögliche Motivation steckt in dem Wort Kosename selbst: der Vorname wird möglicherweise als zu unpersönlich empfunden, der/die Geliebte soll sprachlich ganz individuell liebkost werden. Die oben erwähnte Studie (PDF, Google Docs), durchgeführt von der „Namensberatung“ Nambos, relativiert diese romantische Vorstellung ein wenig: Eltern mögen bei der Benennung ihrer Kinder einfallslos sein, aber Liebende sind bei der Benennung ihrer Partner schlichtweg stumpfsinnig. Der mit Abstand beliebteste Kosename ist Schatz, und die übrigen Plätze unter den Top Ten sind ähnlich generisch.
Nur um das klarzustellen: Bis auf Papa/Papi/Papilein sind das alles schöne und akzeptable Arten, einen geliebten Menschen anzusprechen. Nur persönlich sind sie eben nicht. Vielleicht ist das auch ganz gut so, denn bei den persönlicheren Kreationen wird es ausgesprochen skurril: neben Ringelriemchen, das ich irgendwie nett finde, findet sich dort schwer Nachvollziehbares wie Kanzler und Amtmann und ausgesprochen Abturnendes wie Muschipinsel, Popolinski, Dr. Pöpper und Pupsmeister.
Anscheinend gibt es bei Kosenamen nur einen schmalen Grat zwischen Allgemeinplatz und Wahnsinn.
Fällt Mama/Mami/Mamilein unter die männlichen Äquivalente, oder neigen Männer einfach nicht so sehr dazu, ihren Frauen so zu nennen?
Und Amtmann ist jawohl der ultimative Kosename. Ich werde mal anstreben, den in meiner Beziehung zu etablieren.
Amtmann war mir bisher nichtmal als Wort bekannt. Verrückt.
Das ist ja wohl eine bekannte Tatsache, und ich kann mich der Ablehnung der 0815-Kosenamen auch nicht anschließen. Die erfüllen ihren Zweck anscheinend sehr gut, und das lässt darauf schließen, dass derselbe überhaupt nichts mit Individualität zu tun hat. Zu seinem Partner “Schatz” zu sagen, ist meiner Meinung nach genauso sehr oder wenig stumpfsinnig, wie zu einem Buch “Buch” zu sagen, anstatt sich ein originelles beschreibendes Kompositum, das regelgemäß so interpretierbar ist, dass sich nachher eine weitgehend identische Extension mit Buch ergibt, auszudenken.
Passt vielleicht ganz gut hierher: Kosenamen in Paarbeziehungen, ein kleines Forschungsprojekt des Augsburger Sprachwissenschaft-Lehrstuhls.
Ich nenne meine Frau “Süße”, wundert mich, dass das nicht unter den Top Ten ist. Bin ich wohl origineller als ich dachte, aber vielleicht ist es auch eine Generationenfrage.
@Makri:
Was ist eine bekannte Tatsache?
Wer lehtn sie denn ab?
Deshalb steht im Beitrag vermutlich auch “Die oben erwähnte Studie … relativiert diese romantische Vorstellung ein wenig”.
Sie reden Ihre Bücher direkt an?
Ja, stimmt. Buch, Frau, ist doch alles das gleiche, warum sollte man sich bei der Bezeichnung von so etwas Trivialenm Mühe geben ?
Dass es gewisse 0815-Kosenamen gibt.
Der Autor dieses Blogartikels scheint ihnen nicht ganz wohlgesonnen zu sein. Als Spott über den Zeitungsartikel scheint mir das nicht interpretierbar zu sein, denn der Zeitungsartikel erwähnt die relative sprachliche Eintönigkeit auf diesem Gebiet nur peripher.
Nur weil ich manchen mit meinem Kommentar widerspreche, muss doch nicht alles ein Widerspruch sein. Insbesondere nicht das, was nicht als Widerspruch interpretierbar ist.
Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass die Sprache anscheinend gewisse standardisierte Mittel hat, um gewisse Dinge zu kommunizieren. Wenn man über ein Buch kommunizieren möchte, ist das Standard-Mittel, das Wort “Buch” zu verwenden. Wenn man affirmieren möchte, dass man sich mit jemandem in einer romantischen Beziehung befindet (Sehr simplistisch… Was weiß ich, was die Konnotation und Pragmatik von Kosenamen wirklich ist.), bezieht man sich auf ihn mit “Schatz” oder “Liebling”. Beides kann auch auf originelle, kreative Weise erledigt werden.
Ich sehe es allerdings auch so, dass “Schatz” zum Beispiel nicht unbedingt etwas Invdividuelles sein soll. Es ist in dem Sinne Ersatz für eine normale Anrede, sondern drückt lediglich die Beziehungsdefinition der beiden Menschen aus.
@Makri:
Aus dem Blogartikel:
Ich habe zwei Geliebte, die nichts voneinander wissen. Natürlich nenne ich beide Schatz, so kann es mir nicht passieren, dass ich aus Versehen die eine mit dem Namen der anderen anrede.
Mir ist das öffentliche “Schatz“en bekannter Paare unangenehm: ich habe den Eindruck, dass dort die Beziehung in der gegenseitigen Anrede immer ausdrücklich unterstrichen werden soll. Für mich ein Zeichen von immerwährendem Zweifel.
Aber die Gründe für die öffentliche Verwendung dieser “generischen” Kosenamen untersucht die Studie ja nicht.
Also für mich sind die Kosenamen von Liebenden ziemlich klar: Sie beugen einfach problematischen Namensverwechslungen mit der Ex oder der 2. Geliebten vor. Schatz passt da einfach immer.
Welch erstaunliche Wertungen aus dem Munde eines Sprachwissenschaftlers. Aus der Sicht eines großen Teils der Sprachgemeinschaft sind Kosenamen offenkundig nicht “überflüssig”. Also sind sie es auch nicht. Eine beachtliche Zahl von Menschen findet Papa/Papi/Papilein offenkundig keineswegs unschön oder inakzeptabel. Mit welchem Beruf und zu welchem Behuf sollte ein Sprachwissenschaftler darüber urteilen?
Liegt in dieser Feststellung nicht vielleicht schon die Lösung des Rätsels? Zwei einander zärtlich zugetane Menschen möchten sich ja vielleicht eben nicht mit “weitgehend bedeutungslosen Lautfolgen” anreden, sondern mit bedeutungstragenden, die ihre gegenseitige Beziehung zum Ausdruck bringen. Diese Beziehungen sind ja auch etwas allgemein Menschliches. Wozu also dabei besonders “individuell” oder “kreativ” sein? Kinder empfinden ja offenbar auch kein Bedürfnis, ihre Eltern individuell anzureden, sondern sagen, wie in Millionen anderen Familien, einfach “Mami” und “Papi”.
Und welches Bedürfnis sollte überhaupt in einer reinen Zweierbeziehung, unter vier Augen, bestehen, sich gegenseitig “sprachlich zu identifizieren”? Die Anrede dient dabei doch nicht dazu, den Partner zu “identifizieren”, sondern vielleicht nur der ständigen Bekräftigung der gegenseitigen Beziehung.
Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb manche (wie Krischan) die Verwendung solcher Kosenamen in der Öffentlichkeit als unpassend empfinden. Es wäre ja auch unzweckmäßig, in einer Menschenansammlung “Schatz!” zu rufen, da womöglich sehr viele “Hier!” schreien würden.
Ist schon erstaunlich, worüber Sprachwissenschaftler so alles rätseln können.
@ Nörgler (#12):
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Eben , doer auch “full ack”, wie es im Netz heißt ;-). Namen sind zunächst genauso bedeutungslos wie es “Bezeichner” im Saussure’schen Sinne sowieso sind — arbiträre sprachliche Zeichen. Aber durch den Gebrauch erhalten sie mehr Bedeutung, als ihren Trägern manchmal lieb sein kann, ob der Name nun in der Familie gebräuchlich ist, auf eine als vorbildhaft empfundene Person (Herrscher/in, Fußballspieler etc.) verweist oder einfach “in” ist.
Namensgebung ist daher konstitutiv für Beziehungen zwischen Menschen. Ob ich jemanden mit dem Vornamen oder dem Nachnamen anrede, einen bestimmten Freunden vorbehaltenen Spitznamen benutzen darf, einen Künstlernamen führe oder mir für Online-Foren einen schönen Nick ausdenke — alles nicht trivial. Es sei denn, man ist eher an den strukturellen Seite der Sprache interessiert und weniger an der pragmatischen. Da ist Namenskunde allerdings langweilig.
Nur einer hier hat geschnallt, was wirklich Sache ist, der Amtmann Muschipinsel. Aus der Praxis für die Praxis: Wenn ich mehrere (warum nur zwei?) Geliebte habe, dann wähle ich doch “Schatz” als Anrede, so kann ich mich nie verplappern. Und wenn mich eine von denen fragt: “Schatz, liebst du mich auch?”, dann kann ich mit gutem Gewissen antworten: “Ja, ich liebe dich auch!”. Ist doch praktisch und hat bei mir immer funktioniert.
Ich muss gestehen, ich habe wenig Erfahrung mit Kosenamen für Menschen. In der Tat spreche ich sehr gute Freunde sogar vorzugsweise mit Nachnamen (auch gerne mit “Herr” bzw. “Frau” voran gestellt) an.
Bei meinen diversen Katzen hingegen haben sich die Kosenamen alle von selbst (i.e. nicht bewusst ausgewählt) und völlig irrational entwickelt. Mein aktueller Kater ist neben einem “Schnurzelburli” ein “Stinker”, “Wursti” und “Gurkenhobel”. Wie ich auf letzteres kam, weiß Gott allein.
Kommt darauf an. Ich habe sofort ausschließlich die Vornamen verwendet, sobald ich sie erfahren habe. Kann mich nicht mehr erinnern, wie alt ich da war, vielleicht 3.
@David Marjanović:
Meinen Sie, daß Sie das spontan von sich aus so getan haben? Oder haben Ihre Eltern Ihnen das vielleicht so vorgemacht?
Meistens sprechen doch die Eltern gegenüber den Kindern von einander auch als “Mama” oder “Papa”. Wenn ich mich recht erinnere, war das in “progressiven” Kreisen aber mal verpönt, was wohl irgend etwas mit “antiautoritärer Erziehung” zu tun hatte.
Namen sind weitgehend bedeutungslose Lautfolgen
Das möchte ich so nicht unkommentiert stehenlassen. Die allermeisten (Personenvor-)Namen tragen zumindest eine Bedeutung hinsichtlich des Geschlechts ihrer Träger (Ausnahmen wie “Heike” bestätigemn diese Regel) und haben allesamt auch eine etymologische und oft auch noch eine soziologische Konnotation; man denke an Namen wie “Maria”, “Adolf” oder der vielbemühte “Kevin”.
Wer etwa seinen Sohn (oder Hund oder Teddy oder Auto) “Wotan” nennt, wird damit in den meisten Fällen durchaus eine ganz spezifische Bedeutung verbinden…
Absolut. Meine 3 jüngeren Geschwister tun das nicht, meine Eltern haben nichts dergleichen vorgemacht, und ich habe mehrere Symptome des Asperger-“Syndroms”. Und außerdem bin ich 1982 geboren, nicht in den 60ern oder 70ern. :^)
Fuer mich als ausgesprochenen Laien erscheinen mir die Erklaerungen von Krischan, Noergler und Achim durchaus plausibel: Mit dem Aussprechen eines Kosenamens uebe ich ein Privileg aus, dass meine intime Beziehung zu meinem Partner ausdrueckt. Dieses Privileg hat nur eine sehr begrenzte Gruppe von Personen. Aehnlich wie die Anrede mit dem Vornamen in der Regel nur Freunden und Verwandten vorbehalten ist, so ist der Kosename nur einem noch exklusiveren Kreis erlaubt. Man signalisiert damit nach aussen, dass man zusammengehoert und grenzt die Partnerschaft von der Umwelt ab. Gleichzeitig gibt man dem Partner zu Verstehen: “Ja, ich bekenne mich zu dir.” Und drittens kann man sich anhand der Reaktion (Akzeptanz oder Ablehnung) des so Angesprochenen der Intaktheit der Beziehung vergewissern.
Die Vorliebe fuer generische Kosenamen liesse sich damit erklaeren, dass solche Namen eine groessere Signalwirkung haben, da sie von Jedem verstanden werden und bei dem Adressaten eine groessere Chance auf Akzeptanz haben, als eventuell peinliche oder gar beleidigende Bezeichnungen.
PS: Ich nenne meine bessere Haelfte uebrigens auch Suesse, bin aber versucht, auch mal Pupsmeister zu testen.
Wertfreier Beitrag zum Thema skurille Kosenamen: “Eierbär”.