Keine Eltern wollen …

Von Kristin Kopf

Heute nur mal ein Schnipsel aus dem Online­spiegel und ein paar unge­filterte Gedanken dazu:

Keine Eltern wollen einen Anruf bekom­men, dass ihr Kind nicht mehr zwei gut sehende Augen hat, weil es eine Raufer­ei gab und jemand ein Mess­er gezückt hat”, sagte George Evants [sic!], Präsi­dent der Schul­be­hörde, der New York Times. (Spiegel online)

Ich habe nach dem Orig­i­nal gesucht, mit dem Ver­dacht, dass es ursprünglich “no par­ent” (in der Ein­zahl) hieß, und wurde fündig:

There is no par­ent who wants to get a phone call where they hear that their child no longer has two good see­ing eyes because there was a scuf­fle and some­one pulled out a knife,” said George Evans, the pres­i­dent of the Christi­na district’s school board. (New York Times)

Ich habe ver­sucht, draufzukom­men, warum “keine Eltern” nicht geht. Ich denke es hängt mit der Mehrzahl zusam­men (Kein Men­sch will …” ist kein Prob­lem). Irgend­wie scheint mir wichtig zu sein, dass die Wörter in solchen Kon­struk­tio­nen gener­isch sind, also eine einzige Nen­nung stel­lvertre­tend für alle ihrer Art ste­ht: “Keine Frau will X” – in der Menge aller Frauen (um die es grade geht) gibt es nicht eine einzige, die das will. Alle wollen das­selbe, näm­lich nicht X. “Das würde man keinem Hund antun” – keinem einzi­gen Hund auf der Welt. Alle Hunde auf der Welt bleiben also verschont.

Aber geht “Das würde man keinen Eltern antun”? Ich glaube genau­sowenig wie “Keine Eltern wollen”. Mit “Kein Elternteil/Elternpaar/Mutter/Vater will …” klänge die ursprüngliche Kon­struk­tion jedoch wieder völ­lig nor­mal. Ich kön­nte mir vorstellen, dass die Mehrzahl hier störend wirkt, weil die For­mulierung eigentlich eine extreme Aus­sage macht. Nicht ein einziger. Das klappt aber nicht mehr, wenn von Eltern die Rede ist, genau­sowenig wie “keine Men­schen wollen …” funk­tion­ieren würde.

Kann das jemand von Euch bestäti­gen oder will wider­sprechen? Oder hat son­st gute Ideen dazu? Mit­tler­weile bin ich näm­lich in dem Sta­di­um angekom­men, in dem ich denke, dass es so schlecht ja nicht klingt. Und da sollte man ganz schnell aufhören mit der Introspektion.

(P.S.: Auch der dass-Satz klingt selt­sam, hier kommt mir aber auch die Vor­lage etwas umständlich vor.)

10 Gedanken zu „Keine Eltern wollen …

  1. Achim

    Ich finde die Erk­lärung schlüs­sig — neg­a­tive Allquan­toren gibt es nicht im Plur­al. Jeden­falls im Deutschen und, soweit meine L2-Intu­itio­nen reichen, auch nicht im Englis­chen und Franzö­sis­chen. Kann das mal jemand für eine Sprache ohne Numeruskon­gruenz am Verb prüfen? 

    Im englis­chen Orig­i­nal wird ein Verb benutzt, dass keine overte Numerus­markierung trägt, aber das englis­che Verbflex­ion­ssys­tem im All­ge­meinen unter­schei­det Sg. und Pl., so dass no par­ents want zumin­d­est von mir auch ein * bekommt. Wie wäre es z.B. mit Schwedisch? Ich fände inga föräl­drar vill … nur halb falsch, will sagen ich weiß es nicht.

    Die Über­set­zung ist ins­ge­samt nicht ele­gant, aber immer noch bess­er als die von Google, wie ich eben aus­pro­biert habe…

    Gruß,
    Achim

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    1. Kristin Beitragsautor

      Danke für das Stich­wort — mit Quan­toren habe ich mich noch nie einge­hen­der beschäftigt. (Ich habe mal einen Frage­bo­gen von Memo aus­ge­füllt, der deshalb Experte sein sollte — bist Du da?)

      Im englis­chen Orig­i­nal wird ein Verb benutzt, dass keine overte Numerus­markierung trägt

      Das ver­ste­he ich nicht ganz — wants ist doch als Sin­gu­lar­form markiert? Zugegeben, -s markiert Per­son und Numerus gle­ichzeit­ig, aber dennoch?

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  2. nnier

    Stillschweigend hat der Spiegel die unrunde For­mulierung geglät­tet, wie ich beim Nach­le­sen fest­stelle — inzwis­chen heißt es: “Eltern wollen doch keinen Anruf der Schule bekom­men, mit dem ihnen mit­geteilt wird …” (während Herr Evans sich damit trösten mag, dass Deutsche seinen Nach­na­men nun mal gerne so aussprechen, wie sie ihn hier geschrieben haben).
    Mich erin­nert dieser Blog­beitrag daran, dass ich mich oft fragte, wann eigentlich die For­mulierung “Ich als Eltern” (statt: Ich als Vater bzw. Mut­ter) aufgekom­men ist, oder auch: “Was will man da als Eltern machen!?”, und außer­dem daran, dass im online-Spiegel wirk­lich viele kleine und große sprach­liche Fehler steck­en, die den Lese­fluss stören, zulet­zt war’s bloß ein Kom­ma, das den ganzen Sinn entstellte.

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    1. Kristin Beitragsautor

      Oh, stimmt — da muss ich wohl in Zukun­ft Screen­shots machen. Da der Evants geblieben ist, war’s wohl nicht mein Verdienst 😉

      Die Ich-als-Eltern-For­mulierun­gen finde ich sehr komisch, aber die Not ob der nichtvorhan­de­nen Sin­gu­lar­form scheint enorm groß zu sein. Ich als Mutter/Vater legt wahrschein­lich eine zu starke Beto­nung auf das Geschlecht.

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  3. Mirko

    Eltern wollen keinen …” scheint mir auch wesentlich geläu­figer und vor allem flüs­siger zu lesen zu sein, wenn ich mich hier mal aus der nicht wis­senschaftlichen Ecke melden darf. “Keine Eltern wollen …” würde man hier doch nie schreiben. Das ist halt der Nachteil an unserem Wort für Eltern, dass es eben keine Ein­zahl dafür gibt, außer Eltern­teil, und dann klingt es schon wieder so sehr getren­nt, dass es am ursprünglichen Sinn des Satzes zuviel verändert.

    Aber ich kann nnier nur zus­tim­men, grad als SPON-Leser muss man echt ein dick­es Sprach­fell haben, son­st weint man den hal­ben Tag.

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    1. Kristin Beitragsautor

      Aber ich kann nnier nur zus­tim­men, grad als SPON-Leser muss man echt ein dick­es Sprach­fell haben, son­st weint man den hal­ben Tag.

      Allein wegen dieses Satzes bekommst Du die Lizenz zum Immer­was­sagen, egal wie unwissenschaftlich! 😉

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  4. Monika

    Also ich kenne “par­ent” im englis­chen als Ein­zahl, da sagt man ohne Weit­eres “I am a sin­gle par­ent”. Da ist sas also OK.

    Die Ein­zahl gibt es ja nicht im deutschen, “kein Elter” klingt komisch. Vielle­icht sollte man’s ein­führen, bess­er als viele sprach­lich kor­rek­te Verknurzelun­gen. Kein Elter wäre dann in meinen Augen korrekt 😉

    Was ich eher schlimm finde, sind die “pro­fes­sionellen” Über­set­zun­gen in öffentlichen Medi­en, die wörtlich über­set­zen und auch die Idiome und anderen Dinge wortwörtlich übernehmen. 

    Mir als täglich-haupt­säch­lich-Englisch-Sprecherin passiert sowas manch­mal. Ich kanns also irgend­wie ver­ste­hen, aber die das über­set­zt haben, wäh­nen sich doch als Sprach-Profis, dennk ich mal.

    Her­zliche Grüße,
    Monika

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  5. nnier

    Beispiele dafür gab’s zuhauf im Bild­blog (das ich nicht mehr regelmäßig lese), und man ver­liert da auch ein paar Illu­sio­nen darüber, wie Jour­nal­is­mus funk­tion­iert. Näm­lich oft so, dass aus ein­er englis­chsprachi­gen Quelle, die nicht genan­nt wird, stumpf abgeschrieben wird. Und dabei gehen die Über­set­zun­gen dann gerne mal in die Hose. Eine schöne Geschichte war z.B. mal die von der ganz speziellen Dusche, die irgen­dein neuge­borenes Promi­nen­tenkind ange­blich geschenkt bekom­men habe, eine Baby­dusche näm­lich. (Ich meine nun nicht, dass jed­er den Begriff Baby Show­er ken­nen müsse, aber es ist dann doch schön, die ganz dreis­ten Abschreiber so zu ertappen).

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    1. Kristin Beitragsautor

      Ja, ich hab ja auch mal einen Bild­blog­a­r­tikel hier ver­linkt, es ging um einen dress code.
      Das Babyshower­beispiel kan­nte ich noch nicht, sehr cool. Aber auch nicht so ver­wun­der­lich, das Konzept ist ein­fach in Deutsch­land völ­lig unbekan­nt. Ich wurde mal beim Schüler­aus­tausch von mein­er Gast­fam­i­lie (bzw. nur den Frauen der Gast­fam­i­lie) zu einem mitgenom­men, das war sehr kurios.

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