Angeregt durch den Bibliotheksartikel will ich noch ein bißchen mehr zu Schriftsystemen sagen – heute über das koreanische Alphabet.
Ich habe ja mal ein Semester Koreanisch an der Uni gelernt. Das ist alles, was ich noch kann:
Ich muss allerdings zugeben, dass ich nie besonders viel mehr konnte. Aber natürlich fand ich die Stunden aus linguistischer Sicht superspannend, nicht zuletzt die Schrift.
Das Koreanische hat eine Alphabetschrift, das heißt jedes Zeichen steht für einen bestimmten Laut. Allerdings sind diese Zeichen nicht, wie in der lateinischen Schrift, linear angeordnet. Statt dessen bilden alle Laute, die zu einer Silbe gehören, einen kleinen Block. Diese Blöcke werden dann zu Wörtern und Sätzen aneinandergereiht. Hier das koreanische Wort für ‘Bibliothek’:
Es besteht aus drei Silben: 도 do, 서 seo und 관 gwan. (Die Umschrift ähnelt der wirklichen Aussprache aber nur bedingt – wer sich’s anhören will, kann hier nach “library” suchen.)
Diese Silben bestehen wiederum aus mehreren Buchstaben:
- 도 aus ㄷ und ㅗ,
- 서 aus ㅅ undㅓ,
- 관 aus ㄱ, ㅘ und ㄴ
Die Zeichen sehen verschieden aus, je nachdem wie viel Platz sie in der entsprechenden Silbe haben bzw. an welcher Stelle sie stehen. Manchmal sind sie langgezogen, machmal eher gestaucht.
Eine geschriebene Silbe ist übrigens nicht immer auch eine gesprochene Silbe. Der letzte Konsonant einer Schreibsilbe wird nämlich gesprochen zum ersten Konsonanten der Folgesilbe, wenn die sonst mit einem Vokal anfangen würde.
Das richtig Interessante an der Schrift ist aber, dass sie nach linguistischen Kriterien konzipiert wurde. Die europäischen Alphabetschriften sind ja aus Zeichen entstanden, die ursprünglich mal Gegenstände abbildeten. Erst nach und nach begannen sie für Laute zu stehen.
Die Hangeul – so heißen die koreanischen Buchstaben – sind aber nicht einfach so “entstanden”, sie wurden bewusst entwickelt. Das geschah unter König Sejong Mitte des 15. Jahrhunderts. Bis dahin schrieb man Koreanisch ausschließlich mit chinesischen Schriftzeichen, die sich a) nicht besonders dazu eigneten und die b) sehr schwer zu erlernen waren. Es dauerte allerdings noch bis ins 20. Jahrhundert, bis sich die Hangeul wirklich durchsetzen.
Das koreanische Alphabet hat 40 Buchstaben: 21 Vokale und 19 Konsonanten.
Die Konsonanten gehen auf 5 Grundzeichen zurück:
Die Zeichen stellen dar, wie die Sprechorgane beim Sprechen geformt sind. Die ersten drei Zeichen stellen die Lage der Zunge in einem seitlichen Querschnitt durch den Mundraum dar, das vierte die Position der Lippen in der Draufsicht, das fünfte die Glottis.
Der Zungenrücken berührt den hinteren Gaumen (Velum). Das ist der Fall bei velaren Lauten: ㄱ [k], ㅋ [kʰ] |
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Der Zungenkranz (Korona) berührt den vorderen Gaumen. Das ist der Fall bei koronalen Lauten (wobei die Sibilanten ein Extrazeichen haben): ㄴ [n], ㄷ [t], ㅌ [tʰ], ㄹ [ɾ, l] (Aussprache von [ɾ] hören: hier) |
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Die Zunge schafft eine Verengung vor bzw. an den oberen Schneidezähnen. Das ist der Fall bei Sibilanten (Zischlauten): ㅅ [s], ㅈ [tɕ], ㅊ [tɕʰ] (Aussprache von [ɕ] hören: hier) |
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Die Lippen berühren sich. Das ist der Fall bei bilabialen Lauten: ㅁ [m], ㅂ [p], ㅍ [pʰ] |
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Der Laut wird an der Stimmritze (Glottis) gebildet. Das ist der Fall bei glottalen Lauten: ㅇ [ʔ, ŋ], ㅎ [h] (Aussprache von [ʔ]: hier, von [ŋ]: hier) |
Neben der Grundform beinhalten viele Zeichen auch noch weitere Striche, die ebenfalls Funktionen haben. Ein zusätzlicher Querstrich zeigt z.B. Aspiration an, das heißt der Laut wird behaucht: ㅋ [kʰ], ㅌ [tʰ], ㅊ [tɕʰ], ㅍ [pʰ], ㅎ [h].
Zu den Vokalen schreibe ich ein andermal was, da wird’s nämlich ein bißchen esoterisch 😉