Ab und zu schafft es ein Sprachnörgler, so ausführlich und uninformiert danebenzugreifen, dass ich mich bei allen guten Vorsätzen nicht daran hindern kann, ausführlich darauf zu antworten. Sprachblogleser Dierk weist in einem Kommentar auf eine Glosse des stellvertretenden Chefredakteurs des Hamburger Abendblatts, Matthias Iken, hin, für die das gilt.
Iken fängt eigentlich sehr schön an:
Es war in der Sandkiste, als ich die Hoffnung für die deutsche Sprache wiederfand. Mein Sohn baute eifrig an seiner Sandburg, eine kleine Plastikkelle in der Hand, und glättete die Zinnen. “Ich kelle”, erklärte der Dreijährige mit freudestrahlender Miene, und ich weiß nicht, was ihn glücklicher machte: seine Sand- oder seine Wortschöpfung.
Ikens Vaterstolz ist berechtigt, menschlich und nachvollziehbar. Ich kenne und teile seine Begeisterung für kindliche Sprachschöpfungen. Wir sind da auf der gleichen Wellenlänge.
Das ändert sich aber im nächsten Absatz. Ab hier sind wir nichtmal mehr im selben Frequenzband. Wir sind sogar in weit auseinanderliegenden Bereichen des elektromagnetischen Spektrums.
Leider versandet dieser kreative Umgang mit der deutschen Sprache mehr und mehr. Auch wenn das Klagelied zum heutigen Tag der deutschen Sprache altbacken klingen mag, es bleibt ein Ohrwurm.
Der kreative Umgang mit der deutschen Sprache versandet! Jetzt sind sicher alle gespannt auf die Evidenz, die Iken für seine Behauptung präsentieren wird:
Einer Allensbach-Umfrage zufolge fürchten 65 Prozent der Bundesbürger, die deutsche Sprache drohe zu verkommen. Bei den über 60-Jährigen sind sogar 73 Prozent pessimistisch.
Ja, wenn die Leute das in einer Meinungsumfrage sagen, dann muss es natürlich so sein! Wahrheiten werden ja grundsätzlich durch Mehrheitsmeinungen festgelegt. Auf die selbe Art lässt sich beweisen, dass wir eine Seele haben — aber leider auch, dass es kein Leben nach dem Tod gibt.
Aber ich schweife ab. Es gibt doch sicherlich noch mehr Belege für Ikens Behauptung? Aber natürlich:
Wer den Anglizismen und dem Denglisch dieser Tage lauscht, ahnt, dass Kulturpessimismus selten so berechtigt war. In dem babylonischen Sprachgewirr unserer Republik bleibt längst nicht nur die Kreativität und das Verständnis auf der Strecke, sondern eine gesamte kulturprägende Hochsprache — das Deutsche.
Babylonisches Sprachgewirr (da passt mein religiöser Exkurs ja doch…)! Beispiele gefällig? Bitteschön:
Wer heute beispielsweise durch das Internet surft, per Flatrate Software downloadet, seine E‑Mails checkt, in Datingclubs mit Singles chattet, Hits in die Charts votet oder clever shoppt — er tut dies muttersprachbefreit.
Wer was durch was macht? Was per was? Seine was? Wo mit wem was tut? Was was in was tut oder wie was macht? Ich verstehe gar nichts mehr…
Vor allem verstehe ich nicht, wie Iken in hoffende Verzückung geraten kann, wenn sein Sohn aus dem Substantiv Kelle das Verb kellen ableitet, aber in biblische Verzweiflung gerät, wenn die deutsche Sprachgemeinschaft englische Lehnwörter morphologisch einwandfrei in deutsche Beugungsmuster integriert. Ob man Lehnwörter nun mag oder nicht, es muss einem doch auffallen, dass die eben zitierte Passage durch und durch ein deutscher Satz ist — von der Wortstellung über die Flexionsendungen der Lehnwörter bin hin zu deren Bedeutung (die in allen Fällen enger ist, als in der Gebersprache Englisch). Ich könnte mir kein besseres Beispiel für die strukturelle Integrität der deutschen Sprache vorstellen als Ikens Satz.
Überspringen wir den nächsten Absatz, in dem Iken die Schuld am Sprachverfall der Werbeindustrie und dem Jugendlichkeitswahn der Deutschen zuschiebt und machen wir noch einen Versuch, zu verstehen, was an Lehnwörtern so schrecklich ist:
Wann und wie immer ein neues Produkt auf den Markt kommt, eines hat es schon von Werk aus: einen englischen Begriff. Nach dem Wort “Fernbedienung” kam nichts mehr, was sich aus sich selbst heraus erklärt. Elektrogroßmärkte geben eigene Wörterbücher von A(ccess) bis Z(ip) heraus, um selbst noch zu verstehen, was hinter ihren neuen Produkten namens Backbone, D‑Sub oder Blu-Ray steckt.
Iken nähert sich hier fast einer Art Einsicht: Wenn eine Sprachgemeinschaft Produkte, Technologien und Praktiken von einer anderen Sprachgemeinschaft übernimmt, übernimmt sie typischerweise auch deren Wörter für diese Dinge. Das ist eine offensichtliche Lösung für ein kommunikatives Problem, es ist einfach, es kostet nichts und deshalb haben Sprachgemeinschaften das schon immer so gemacht (und wer glaubt, die Académie Française sei ein Beispiel dafür, dass es auch anders ginge, der muss sich einfach mal anhören, wie Franzosen tatsächlich reden).
Was er nicht versteht — und damit ist er unter Sprachnörglern völlig unauffällig — ist, dass es nicht zum Verständnis beiträgt, die Lehnwörter zu übersetzen, oder auch ganz neue Wörter zu schaffen. Wenn ich nicht weiß, was eine Fernbedienung ist, dann kann ich es aus dem Wort nicht ableiten. Das Wort könnte auch einen Kellner bezeichnen, der nicht am selben Ort sein muss, wie ich, um mir mein Essen zu servieren (analog zum Fernheiler), oder einen Kellner, der weit laufen muss, um mir mein Bier zu bringen (analog zum Fernfahrer). Wenn ich aber weiß, was eine Fernbedienung ist, dann ist es auch egal, ob ich sie Remote Control, télécommande, mando a distancia, uzaktan kumanda oder eben Fernbedienung nenne. Ich muss es mir in jedem Fall merken, so wie ich mir merken muss, dass ein Baum Baum, ein Hund Hund und ein VDS-ler Sprachnörgler heißt.
Als Leser denkt man sich, was als nächstes kommt. Scheinlehnwörter, oder? Richtig:
Mitunter erfinden sie gar neue Begriffe, die nur englisch anmuten müssen. Handy, Beamer, Hometrainer oder Mailbox mögen importiert klingen, sind aber Unsinn, made in Germany. Wer in den USA oder England mit diesen Begriffen hantiert, macht sich schnell lächerlich. Unübertroffen der deutsche Hersteller eines Rucksacks, der diesem weltweit verstandenen deutschen Wort den modischen Titel body bag umhängte. Blöd nur, dass body bag Leichensack bedeutet. Und auch der Dress Man sollte in Großbritannien erst einmal ein Wörterbuch benutzen, bevor er sich so vorstellt — dort bedeutet Dress Man Transvestit.
Mailbox soll eine deutsche Erfindung sein? Iken spielt hier möglicherweise auf die Tatsache an, dass Bulletin Board Systems in Deutschland manchmal als Mailbox bezeichnet werden. Aber made in Germany ist der Begriff deshalb nicht. Die elektronischen Postfächer der Nutzer in einem Bulletin-Board-System heißen im englischen Sprachraum, na, wie wohl? Richtig: mailbox. Und wieso? Richtig, weil Briefkästen und echte (physikalisch existierende) Postfächer im Englischen eben mailbox heißen. Man müsste also schon sehr spezialisierte Diskurse führen, um sich als Deutscher mit dem Wort mailbox im englischen Sprachraum lächerlich zu machen.
Und bei Hometrainer ist mir völlig schleierhaft, worauf Iken hinauswill. Eine deutsche Erfindung ist das Wort nicht.
Dann folgen ein paar Absätze, in denen er sich über Dorffeste aufregt, die Event heißen, über Nordic Walking (sowohl das Wort als auch die Aktivität), über Vanilla Latte to go und, das darf natürlich nicht fehlen, über die Deutsche Bahn. Aber auch über die Kulturschaffenden (Literaturfestival Harbourfront), die Medien (Morning-Show und Superchart) und die Finanzbranche (Twin-Win-Anleihen) ist er unglücklich.
Zum Abschluss wird er dann aber versöhnlich:
Längst gibt es so viele Anglizismen, dass diese Polemik der Zeitung auch als bibelschwerer Sonderdruck beiliegen könnte.
(Warum diese ständigen biblischen Anspielungen?)
Aber jeder Furor benötigt Einhalt — und wir wollen nicht päpstlicher werden als der Papst. Popcorn muss nicht zum Puffmais werden und auch der Sport nicht zu den Leibesübungen zurückkehren.
Das ist sehr großzügig. Nur: Warum? Was ist an Popcorn und Sport besser als an E‑Mail, Mailbox oder Harbourfront. Mit welcher Logik verschont Iken ausgerechnet diese Wörter? Man vermutet, dass da sein persönlicher Geschmack eine Rolle spielt, und der tut (genau wie meiner oder Ihrer) nichts zur Sache.
Dann wird er noch großzügiger:
Sprache lebt und verändert sich. Das geht in Ordnung.
(Irgendwo in luftiger Höhe atmet der deutsche Sprachgeist auf. Er hatte Angst, Iken würde ihm sein Tun gleich ganz verbieten).
Aber alles, was lebt, hat Respekt verdient. Etwas mehr Respekt, etwas mehr Schöpferkraft, etwas mehr Spaß an der eigenen Sprache hat das Deutsche, haben die Deutschen bitter nötig.
Aber wir haben Spaß, Herr Iken! Während Sie noch über den Body Bag sinnieren, spielen wir mit unserer Muttersprache in E‑Mails, auf Bulletin Boards, im Chat, am Handy, beim Shoppen. Wir benutzen dazu sogar Lehntechnologien und dazugehörige Lehnwörter, die Sie noch gar nicht kennen! Instant Messaging, Skype, Twitter, Wikis, Social Bookmarks, Massively Multiplayer Online Games, Google Wave, Peer-To-Peer, und manchmal reden wir sogar offline miteinander!
Gut, dass zumindest die Jugendsprache noch geistreich ist und uns mit Begriffen wie Datenzäpfchen (für USB-Stick ) oder Stockenten (für Nordic Walking) den Spiegel vorhält. Möglicherweise sind schon bald denglische Verwirrungen nicht mehr topmodern, sondern nur noch altmodisch.
Zu wünschen wäre es. Wie sagte Altbundespräsident Gustav Heinemann: „Deutsch ist eine schwierige Muttersprache. Aber es ist unsere Muttersprache.“
Nein, das hat Heinemann nie gesagt, ein Kleingeist war er nicht. Iken verwechselt das hiermit: „Es gibt schwierige Vaterländer. Eines von ihnen ist Deutschland. Aber es ist unser Vaterland.“ (Link).
Aber er hat noch etwas Tiefsinnigeres gesagt: „Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau“ (Link). So geht es mir mit der „deutschen Sprache“: Ich liebe nicht sie, sondern die Menschen, mit denen ich in ihr kommunizieren kann. Woher sie sich ihre Wörter besorgt, ist mir dabei völlig egal.
[Nachtrag: Matthias Iken hat auf diesen Beitrag sportlich reagiert und mich eingeladen, mich mit meiner Meinung den Leser/innen des Hamburger Abendblatts zu stellen. Das Ergebnis findet man auf Seite 4 der Druckausgabe vom 18. September 2009 und hier.]
Nebenbei bemerkt, Herr Iken argumentiert inkonsistent. Auf der einen Seite freut er sich über die Produktivität seines Kindes, wenn es um den kreativen Umgang mit der Sprache geht, ja, er fordert es zum Ende ja sogar — ‘mehr Schöpferkraft’. Aber zwischendurch regt er sich über die, angeblichen, rein deutschen Schöpfungen mit englischem haut gout auf.
Gut, er benutzt ja auch Wörter wie ‘Furor’ und hätte vermutlich wenig einzuwenden gegen meinen Missbrauch des Französischen oder weiter lateinisch anmutende Termini wie ‘kreativ’ … Dafür kennt er dann das Konzept der Fachsprache nicht, auc in Ordnung, HA’ler halt.
Das ist auch tatsächlich lächerlich. Nur, würde man sie Ereignis nennen, wäre das mindestens genauso lächerlich…
Ein Problem mag sein, dass diese Gebersprachgemeinschaften nicht (mehr) aus Völkern mit verschiedenen Muttersprachen bestehen, sondern aus transnationalen sozialen Gruppen mit einer allen gemeinen Hilfssprache (zusätzlich natürlich fachsprachliche Elemente). Diese Gruppen sind u.a. die Techniker, die Wissenschaftler, die Politiker oder die Werber – alles (gefühlte) natürliche Feinde des Journalisten und des „kleinen Mannes“ sowie des Schriftstellers und überhaupt fast jeden „Geisteswissenschaftlers“.
Naja, die Arbitrarität von zusammengesetzten oder abgeleiteten Wörtern hat schon eine andere Qualität als die von Basislexemen.
»Zu wünschen wäre es. Wie sagte Altbundespräsident Gustav Heinemann: „Deutsch ist eine schwierige Muttersprache. Aber es ist unsere Muttersprache.“«
Gibt es überhaupt schwierige Muttersprachen? Da man sie ja quasi automatisch lernt, also mit der Muttermilch aufsaugt, sind sie auch nie schwierig. Ich habe mich noch nicht ausgiebig mit Erstsprachenerwerb befasst, aber meines Wissens ist dabei die Reihenfolge der erlernten Strukturen über die meisten Sprachen hinweg gleich, das einzige was abweicht ist die Zeitdauer, in der diese erlernt werden. Wobei Abweichung hier auch eher Wochen und Monate als Jahre bedeutet.
Eine großartige Replik!
Ich mag es besonders, wie der chronischen Angst einiger Leute vor der Veränderung ihrer Sprache der viel natürlichere evolutionäre Gedanke entgegengehalten wird: Entwicklung ist nichts, vor dem man Angst haben müsste. Diesen angenehmen Grundton hört man auch in vielen anderen Beiträgen heraus. Denn, auch wenn man immer wieder über unpassend ins Englische übertragene Begriffe stolpert: für manche Ausdrücke haben wir einfach kein adäquates deutsches Pendant oder dieses ist inzwischen gar nicht mehr im Gebrauch. Und warum sollte man dann nicht den vielgescholtenen Anglizismus übernehmen?
Interessant sind auch einige Kommentare zur Online-Fassung des Iken-Beitrages beim Hamburger Abendblatt:
“Wir müssen uns damit anfreunden, dass die Sprache lebendig ist.”
“… jede Sprache bedient sich aus anderen Sprachen — sei es aus Zweckmäßigkeit, sei es, weil es gerade schick (oder besser “chic”?) ist.”
Gibt es auf dem Bremer Sprachblog irgendwo schon klärende Worte zum Verhältnis von Sprache und Sprechern (oder Sprachentwicklung und Sprecheraktivitäten) und zu den Metaphern, die dafür gebräuchlich sind?
(Ich schlendere grade erst im Archiv herum.)
E.S.
Zum Beitrag 4, es gibt zwischen Extremen auf der Skala der schweren beziehungsweise leichten Muttersprachen durchaus Abweichungen im Bereich von Jahren — wenn man den Morphologieerwerb bei Russisch und Finnisch gegenüberstellt zum Beispiel. Leider finde ich gerade nicht mehr, wo ich das gelesen habe, und kann daher nicht sagen, wieviele Jahre es waren, aber: mehrere. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da ein russisches Kind von allzu vielen Wörtern allzu viele Formen wirklich gehört haben muss, während das finnische viel gefahrloser extrapolieren kann.
Wer Anglizismen als schlichtweg böse betrachtet, irrt sich natürlich (genau wie es ein Irrtum wäre, spielerisches und unideologisches Verdeutschen von Fremdwörtern zu verteufeln und mit den „Sprachnörglern” in einen Topf zu werfen). Aber nachfühlen kann man doch Manches, insbesondere wieso Herrn Iken „Popcorn” und „Sport” besser gefallen als manche anderen Anglizismen: Sie lassen sich nämlich klanglich einwandfrei in deutsche Sätze einbauen, weisen keinen dem Deutschen fremden Laut oder Rhythmus auf, jedenfalls in ihrer heute üblichen Aussprache. Für die meisten anderen aufgezählten Beispiele gilt das nicht.
Generell wird dem charakteristischen Klang von Sprachen in Diskussionen um Sprachpflege für mein Empfinden zu wenig Beachtung geschenkt. Mir persönlich ist ein Wort wie „browsen” gleich viel sympathischer, wenn ich es „brausen” aussprechen darf.
[..] Eine sehr treffende Replik auf einen Artikel im Hamburger Abendblatt [..]
Wäre es kreativer gewesen, wenn die Worte aus dem spanischen oder französsichem entlehnt gewesen wären? Vermutlich ja…
Fremdwörter, die als Fachausdrücke gebraucht werden, grenzen die umgangssprachliche Bedeutung auf einen Teilaspekt ein und erweitern es eventuell in eine andere Richtung. Alle Kritiker, die meinen, es durch eine umgangssprachliche Entsprechung ersetzen zu können, kennen schlicht die Bedeutung nicht korrekt, weil sie den entsprechenden Wissensbereich nicht verstehen. Ein Verzicht auf solche Fremdwörter würde also einen Mangel an treffenden Beschreibungen bedeuten.
Christoph Päper hat die unterschiedlichen Gruppen von Sprechern hervorgehoben und das leitet zu der Frage: Wie kann sich ein Sprachnörgler eigentlich anmaßen, die Wörter aus einem ihm fremden Wissensbereich zu beurteilen?
Peer möchte mehr Ursprungssprachen für neue Fremdwörter verwenden. Auch Dierk hat darauf hingewiesen, dass Latein und Französisch leichter akzeptiert werden. Wahrscheinlich wird die Herleitung aus anderen Sprachen als Englisch in der Zukunft sogar nötig werden, weil uns sonst in einer ständig komplexer werdenden Welt die Wörter fehlen werden.
Lieber Herr Stefanowitsch, die Integration von Lehnwörtern ist noch nicht vollständig, wenn sie nach den Regeln der aufnehmenden Sprache flektiert werden. Lehnwörter bringen in Alphabetsprachen auch neue Graphem-Phonem-Beziehungen mit, die die Orthographie-Regeln mit Ausnahmen befrachten. Richtig integriert ist der Beispielsatz mit Internet, Flatrate usw. erst, wenn er so geschrieben wird: “Wer heute beispielsweise durch das Internet sörft, per Flettreht Softwehr daunlohdet, seine I‑Mehls scheckt, in Detingclubs mit Singels schettet, Hitts in die Scharts wohtet oder klewer schoppt — er tut dies muttersprachbefreit.” So geht das Russische vor und erspart seinen Sprechern eine Menge Schreibprobleme. Herzliche Grüße WB
Die Orthographie ist nicht Teil der Sprache an sich; wenn, dann sollte man doch eher auf das Vorkommen von Fremdphonemen achten… Und das ist für viele Sprecher bei “Software” nicht mehr gegeben, obwohl es durchaus auch welche gibt, die es noch mit [w] sprechen. Bei mir zum Beispiel ist das Wort halb integriert: Ich spreche es meistens mit [w], aber das /r/ realisiere ich immer dem Deutschen gemäß.
Russisch hat auch eine andere Schrift, womit automatisch eine Neigung zur phonetischeren Schreibung gegeben ist; man kann Lateinschrift einfach nicht sinnvoll in die kyrillische transkribieren, und den Lehnwörtern ihre Lateinschrift zu lassen, geht natürlich niht.
Ich bin kein Spezialist also muss ich Herrn Börner mal fragen: “Rendevous” ist also noch nicht vollständig integriert? Und “Beige”? Und Hämorrhiden? Und gilt die hochdeutsche Sprache oder bemühen sich Schwaben immer noch um die Integration deutscher Worte in ihre Sprache?
Die Tatsache, dass Peer zwei von drei eigenen Beispielen (Hämorrhoiden und Rendezvous) „falsch“ schreibt, sollte Indiz genug sein, dass viele altbekannte Lehnwörter noch nicht vollständig in die deutsche Sprache integriert sind.
Als Kind – ich glaube Ende der Grundschulzeit – wusste ich nicht, was /baigə/ sein soll, die Farbe schrieb ich 〈besch〉. Lehnwörter, deren Schriftbild ins Deutsche passt, aber anders gelesen werden wollen, sind problematischer als solche, die man gleich anhand ihrer ungewohnten Gestalt erkennt (zB.〈*bêge〉). Oder andersrum: deutsch aussprechbare Wörter wie /be:ʃ/ sind ein Problem, wenn sie ungewohnt verschriftet werden.
Ich hatte befürchtet, das keiner wüsste was ich meinte, wenn ich “besch” geschrieben hätte 😉
Aber Christoph hat recht: Diese Wörter sind noch nicht vollständig an die deutsche Schriftsprache angepasst. Ist das schlimm? Gut? Jedenfalls liest man erstaunlich wenig über Rendezvous und viel über Events…
Dabei fallen mir französische Wörter viel schwieriger, weil das englische irgendwie bekannter ist udn sich mir die korrekte Schreibweise schneller erschließt (Wie schreibt man noch Schikoree? 😉 )
Das ist mir nun aber gar nicht einsichtig.
Makri: Ganz einfach: “Rendezvous” ist ja nun auch kein deutsches Wort — und laut Herrn Börner ist ein Wort erst intigriert, wenn es sich auch an die deutsche Rechtschreibung angepasst hat. Das tritt nun aber für viele französischstämmige Wörter nicht zu — eigentlich noch weniger als für deutsche.
Wenn die Aussage tatsächlich auf dieser Annahme beruhte, dann ist es kein Wunder, dass ich sie nicht verstanden habe, da ich besagte Annahme für unangebracht halte.;)
Aber eigentich wäre doch nicht einmal dann die Fehlschreibung eein Indiz für Nicht-Integration, sondern wenigstens eines für Halbintegration: Was nicht geschrieben wurde, waren ja Buchstaben, die keinem Laut in der deutschen Aussprache entsprechen!
Vielleicht haben Sie diese Frage schon oft beantwortet, Herr Stefanowitsch, aber in diesem Falle ist mir Ihre Antwort entgangen, wofür ich um Verzeihung bitte.
Zu den Argumenten gegen Anglizismen gehört auch, daß diese häufig zum Vorspiegeln von Kompetenz oder zum Aufpeppen von Banalitäten verwendet wird. Wer (wie ich) in der Wirtschaft tätig ist, ist täglich mit Manager-Kauderwelsch konfrontiert, der aus meiner Sicht eine ähnliche Funktion hat wie Balzrituale bei Tieren. Häufig wird der Mangel an Inhalt mit einem Hagel von dynamisch klingenden Phrasen verdeckt, von denen nicht alle, aber sehr viele Anglizismen sind. Finden Sie das nicht kritikwürdig? Indem man sich über solche Dummschwätzer lustig macht, entlarvt man doch ihr Blendwerk, im Sinne von “Der Kaiser ist ja nackt”. Oder sehen Sie das anders?
Ich bin zwar nicht Anatol Stefanowitsch, aber weiß auch eine Antwort:
Über dummes Geschwätz sollte man sich lustig machen, weil es dummes Geschwätz ist, nicht weil es sich möglicherweise aus Anglizismen zusammensetzt.
Gockel-Anglizismen sind nämlich nur einer von ungefähr drölfzighundertundeinviertel Möglichkeiten, dummzuschwätzen.