wirzind urlaup

Von Kristin Kopf

pho­tokej hat ein schönes Hin­weiss­child bei einem türkischen Lebens­mit­tel­händler gefun­den, das auch aus Sch­plock-Per­spek­tive span­nend ist:

Foto von Stef­fen Michel (C‑C-Lizenz by-nc-nd)

Der deutsche Text Libe Kun­den wirzind urlaup Danke ver­rät näm­lich einiges über das türkische Schrift­sys­tem und das Türkische generell.

Türkisch wird erst seit 1928 in lateinis­chen Buch­staben geschrieben, davor benutzte man ara­bis­che Schriftze­ichen. Die waren allerd­ings ziem­lich inadäquat, weil man damit nicht alle Laute des Türkischen notieren kon­nte. Seit 1928 benutzt man nun also lateinis­che Buch­staben: <a b c ç d e f g ğ h ı i j k l m n o ö p r s ş t u ü v y z>

wir zind ≠ wir tsind

Wie die Buch­staben im Einzel­nen aus­ge­sprochen wer­den, kön­nt Ihr ganz leicht selb­st her­aus­find­en, nur auf das <z> will ich einge­hen. Wie in sehr vie­len anderen Sprachen auch1, ste­ht das <z> im Türkischen nicht für [ts], son­dern für ein stimmhaftes s.

Im Deutschen gibt es <ß> und <ss> auss­chließlich für das stimm­lose s. Der Buch­stabe <s> kann aber sowohl für die stimm­lose als auch für die stimmhafte Vari­ante ste­hen: in <Ast> ist er stimm­los, in <Sonne> stimmhaft. Bei deutschen Wörtern ist das <s> am Wor­tan­fang immer dann stimmhaft, wenn ein Vokal direkt darauf fol­gt. (See, Sau, sieben, … aber Slalom, Skript, Sniper2)

Die Schrei­bung <zind> für <sind> kommt also daher, dass im Türkischen <z> der Buch­stabe für das stimmhafte s ist.

(Darauf fol­gt natür­lich auch umgekehrt die Erken­nt­nis, dass Namen wie Özdemir nicht Ötzdemir gesprochen wer­den.)

urlaup

Urlaub wird im Deutschen ja tat­säch­lich mit einem p-Laut am Ende gesprochen. Schuld ist die “Aus­lautver­här­tung”, ein Phänomen des Deutschen, das bes­timmte Kon­so­nan­ten am Sil­be­nende stimm­los macht.

Betrof­fen sind

  • die Plo­sive [b], [d], [g]
    • Urlaub wird Urlaup gesprochen (aber: Urlaube)
    • Rad wird Rat gesprochen (aber: der)
    • Splog wird Sch­p­lock gesprochen (aber: Sch­plögge … ähm, okay, lieber Weg wird Week gesprochen, aber: Wege)
  • die Frika­tive [v] (der w-Laut) und [z] (das stimmhafte s)
    • brav wird braf gesprochen (wobei da auch viele Leute immer f sagen, auch bei brave)
    • Los /lo:z/ wird Los gesprochen (aber: Lose [lo:zə])

Die Aus­lautver­här­tung ist ein sehr altes Phänomen, schon im Mit­tel­hochdeutschen gab es sie (<c> = [k]):

… ich sach, deist sicher­lîchen wâr,
eins gebûren sun, der truoc
[trug] ein har,
daz was rei­de unde val;
ob der ahsel hin ze tal
mit lenge ez vol­le­clîchen gienc [ging]. […]

wie Troye wart besezzen,
dô Pârîs der vermezzen
dem künege ûz Kriechen nam sin p,
[Weib]
diu im was liep
[lieb] alsam sîn p [Leib], … (Meier Helm­brecht)

Zwis­chen­zeitlich hat man aber wieder aufge­hört, sie auch zu schreiben. Der Grund nen­nt sich “Mor­phemkon­stanz” was eigentlich nichts anderes heißt, als dass man am Schrift­bild klar erken­nen kön­nen soll, dass <Urlaub> und <Urlaube> For­men ein und des­sel­ben Lex­ems sind.

Aber zurück zur türkischen Trans­ferenz: Die Per­son hat nicht nur urlaup geschrieben, weil sie nach Gehör geschrieben hat. Im Türkischen gibt es näm­lich ein Phänomen, das auch mit stimmhaften und stimm­losen Kon­so­nan­ten zu tun hat:

p, t, k oder ç am Wor­tende wer­den bei vie­len Wörtern stimmhaft, wenn eine Endung ange­fügt wird. Man kön­nte es auch als “Inlauter­we­ichung” bezeichnen:

  • [p], [t], <ç> [tʃ]  wer­den zu [b], [d], <c> [dʒ], also stimmhaft
  • [k] wird zu <ğ> [ɣ], einem stimmhaften Reibelaut (wobei der Buch­stabe auch oft nur dazu dient, eine Vokallän­gung anzuzeigen)

Im Gegen­satz zum Deutschen schreibt man das im Türkischen aber auch verschieden:

  • <kitap> ‘Buch’
  • <kitap>+<ım> → <kitabım> ‘mein Buch’

Der Ver­schrif­tung der deutschen Aus­lautver­här­tung wird also durch die türkische Rechtschrei­bung nachge­holfen – wenn man den Wech­sel von <b> und <p> schon ken­nt, kommt’s einem auch im Deutschen nicht unbe­d­ingt komisch vor.

wirzind urlaup – wo?

Mein let­zter Punkt hat mir Rechtschrei­bung nichts mehr zu tun – es geht um die fehlende Prä­po­si­tion im.

Im Türkischen gibt es keine Prä­po­si­tio­nen. Ihre Funk­tion wird in den meis­ten Fällen von Kasusendun­gen erfüllt, die ans Sub­stan­tiv ange­hängt werden:

  • im Haus braucht im Türkischen einen Loka­tiv, einen Kasus, der den Ort angibt, an dem sich etwas befind­et: evde ‘Haus+LOK’ (auch: ‘zuhause’)
  • aus dem Haus (her­aus) braucht einen Abla­tiv, der anzeigt, dass etwas vom Sub­stan­tiv ent­fer­nt wird: evden ‘Haus+ABL

Ich nehme an, dass auch bei im Urlaub im Türkischen ein Loka­tiv ste­hen müsste (?).

Die bei­den Sys­teme sind also nicht wirk­lich kom­pat­i­bel. Dazu kom­men die Gen­era des Deutschen: Um im Urlaub kor­rekt sagen zu kön­nen, muss man nicht nur die entsprechende Prä­po­si­tion ken­nen, son­dern auch noch wis­sen, dass Urlaub maskulin ist und daher im braucht, nicht in der. (Ganz abge­se­hen von der Kasusflexion …)

Die Prä­po­si­tion wegzu­lassen, ist da wahrschein­lich das ein­fach­ste. Vor allem, wenn man endlich entspan­nt Ferien machen will.

Fußnoten:

1 Z.B. im Nieder­ländis­chen (<zee> ‘See’). [z] ist auch das IPA-Zeichen für das stimmhafte s.
2 <s> vor Kon­so­nant kommt nur in Wörtern vor, die entlehnt wur­den. Das liegt daran, dass im Mit­tel­hochdeutschen alle wor­tini­tialen s-Laute vor Kon­so­nant zu sch-Laut­en wur­den: Spiel, Schlag, Schrei, Stein, Schmuck, Schiff (aus skif), …

17 Gedanken zu „wirzind urlaup

  1. memo

    Ich wage mal, zu behaupten, dass Herr Demirels Türkisch auch nicht sehr viel bess­er ist als sein Deutsch.

    Zunächst ein­mal würde ich Dir zus­tim­men, dass im Urlaub mit einem Loka­tiv über­set­zt wer­den sollte, also izindeyiz. So wie Herr Demirel das schreibt, würde ich es mit ‚wir sind beurlaubt‘ über­set­zen. Ich denke aber mal, dass er sich selb­st aus­sucht, wann er Urlaub macht.

    Außer­dem schreibt er die türkischen Diakri­ti­ka nicht kon­se­quent. Es sollte müşteriler­im­iz und unutmıyacağım heißen.

    Naja, eigentlich sollte es sog­ar unutmayacağım geschrieben wer­den, denn das Nega­tion­ssuf­fix fol­gt der kleinen Vokalhar­monie und kann somit die For­men me oder ma annehmen. Allerd­ings assim­i­liert der fol­gende Hia­tustil­ger y den Vokal und macht ihn zu einem i oder ı. Das ist die einzige mir bekan­nte Umge­bung, wo das türkische anders geschrieben als gesprochen wird. Vielle­icht ist es mit­tler­weile aber auch erlaubt, i oder ı zu schreiben – ich bin nicht so auf dem Laufend­en, was türkische Orthogra­phie bet­rifft – aber ich denke eher nicht.

    Außer­dem schreibt er willkür­lich Wörter mit­ten im Satz groß, näm­lich hiç, beraber­iz und amanet, welch­es übri­gens emanet heißen sollte; seine Schreib­weise ist wahrschein­lich dialek­tal bedingt.

    Ach ja, und dann sollte es auch noch Allah’a heißen, da Suf­fixe von Eigen­na­men mit Apos­troph abge­tren­nt werden.

    Hmm, ziem­lich präskrip­tiv das Ganze, was ich ger­ade geschrieben habe. Ich glaube, ich gehe mich erst mal waschen. Aber zumin­d­est der Teil über das Nega­tion­ssuf­fix ist hof­fentlich trotz­dem interessant.

    Eine Sache noch: Sehr schön finde ich auch die Zusam­men­schrei­bung von wirzind. Ob das was damit zu tun haben kön­nte, dass das türkische kein Kop­ulaverb hat, son­dern eben die Entsprechung von sind als Suf­fix am Prädikat­snomen aus­drückt. Hier ste­ht sind aber nun­mal hin­ter wir, also hän­gen wir es ein­fach mal da dran.

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  2. memo

    Oh, mir fällt doch noch was ein, was anders geschrieben als gele­sen wird. Ich habe es eigentlich auch schon erwäh­nt. Eigen­na­men wer­den in der Schrei­bung nicht verän­dert, darum auch die Abtren­nung mit Apostroph.
    Mehmet+Dativ zum Beispiel würde also wegen der „Inlauter­we­ichung“, die Du beschreib­st, [mehmede] gesprochen; geschrieben wird es aber trotzdem .

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  3. Kristin Beitragsautor

    *hehe* Ich füh­le mich grade in die Zeit­en unseres Natür­liche-Graphe­matik-Refer­ats zurückversetzt 😉

    Das mit der Zusam­men­schrei­bung von wirzind ist cool. Ich habe auch drüber nachgedacht woher sie kommt, und dachte dann ein­fach, es sei der Nicht-Beto­nung von wir geschuldet. Dein Vorschlag ist aber viel spektakulärer. 

    Was ste­ht übri­gens son­st noch so auf dem Schild? Mein min­i­males Volk­shochschultürkisch (Tau­tolo­gie) ist nur für die Per­son­al­pronom­i­na zu gebrauchen …

    Biz izin­liyız
    Sizleni Hiç unutmiyacağım
    siz­leri seniy­o­rum Allaha
    Amanet Ahmet Demirel
    32 senedir Beraberiz

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  4. memo

    Orig­i­nal
    korrigiert
    deutsch

    Sevgili müsterı­ler­im­iz
    Sevgili müşterilerimiz
    Liebe (unsere) Kunden

    Biz izin­liy­iz

    Wir sind beurlaubt

    Siz­leri Hiç unutmiyacağım
    Siz­leri hiç unutmayacağım
    Ich werde Euch/Sie nie vergessen

    Siz­leri seviyorum

    Ich mag/liebe Euch/Sie

    Alla­ha Amanet
    Allah’a emanet
    (Seid) Gott anvertraut

    32 senedir Beraberiz
    32 senedir beraberiz
    Wir sind seid 32 Jahren zusammen

    Na, wenn Dein Türkisch für die Per­son­al­pronom­i­na reicht, kön­nte Dir sog­ar noch etwas inter­es­santes aufge­fall­en sein, was ich ger­ade bemerke (wer hätte gedacht, dass man so viel aus dem Ding raus­holen kann (sag Bescheid, wenn ich aufhören soll, Deine Seite zu annek­tieren, und stattdessen was an mein­er eige­nen machen soll)).
    Dieses Mal keine Bemän­gelung: Herr Demirel benutzt hier die schöne Form sizler, also ‚ihr‘+‚Plural‘, was ein wenig redun­dant ist.
    Ich per­sön­lich empfinde das als höflich­er. siz ist an sich ambig; es kann [plur­al ‑höflich], [sin­gu­lar +höflich] und [plur­al +höflich] sein. Indem man ein Plu­ral­suf­fix anhängt, nimmt man die einzige Sin­gu­lar-Bedeu­tung (also [+höflich]) und set­zt diese in den Plur­al, wom­it man ein­deutig [plur­al +höflich] erhält. Allerd­ings kann man das gle­iche auch mit biz ‚wir‘ machen, wo meine The­o­rie dann nicht mehr so viel Sinn macht.
    Frau Ersen-Rasch schreibt dazu:

    Im Türkischen kön­nen biz „wir“ und siz „ihr/Sie“ mit dem Plu­ral­suf­fix verse­hen wer­den: biz „wir“ (ich und diejeni­gen, die mit mir sind) → bizler „wir“ (wir und diejeni­gen, die mit uns sind), siz „ihr/Sie“ (du/Sie und diejeni­gen, die mit dir/Ihnen sind) → sizler „ihr/Sie“ (ihr/Sie und diejeni­gen, die mit euch/Ihnen sind). Man kann diese Plu­ral­for­men mit „wir alle“ bzw. „ihr/Sie alle“ über­set­zen: Sizler nasıl­sınız? – Bizler iyiy­iz „Wie geht es Ihnen allen? – Uns allen geht es gut“. 

    Inter­es­sant, dass sie in der let­zten Über­set­zung nur noch „Ihnen allen“ schreibt, was ja wieder nach mein­er Intu­ition klingt.
    Inter­es­sant auch, dass die zwei türkischsprachi­gen Gram­matiken, die ich zuhause habe, das Phänomen völ­lig uner­wäh­nt lassen.

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    1. memo

      Hmm, das hätte eigentlich eine Tabelle sein sollen, aber anscheinen geht das nich in Kom­mentaren. Oder ich habe falsches HTML geschrieben.

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      1. Kristin Beitragsautor

        Ja, Tabelle geht lei­der nicht. Hab ich auch schon pro­biert. Aber man kann ja auch so erken­nen, wie’s gemeint ist.

        Danke für die Über­set­zung — das ist ja ein selt­samer Text. ‘Ich werde Sie nie vergessen’ klingt zumin­d­est in der Über­set­zung viel zu endgültig für einen Urlaub. Und was haben die 32 (Ehe?-)Jahre damit zu tun? Und wann kommt Herr Demirel aus dem Urlaub zurück?

        Die Bedeu­tung, die Ersen-Rasch (Link kaputt?) für die For­men mit -ler angibt, unter­schei­det sich also von der ohne darin, dass sie mehr auf die Gruppe als solche fokussiert ist, oder?
        Sehr sub­tile Unterscheidung.
        Hast Du mal andere Mut­ter­sprach­lerIn­nen gefragt, was für sie der Bedeu­tung­sun­ter­schied ist? *neugi­er*

        Mit der Sei­t­e­nan­nex­ion bin ich übri­gens vol­lkom­men ein­ver­standen, tob Dich aus! (Was nicht heißt, dass ich nicht sehn­süchtig auf neue Inhalte auf Dein­er Seite warte.)

        Antworten
        1. memo

          Ich finde den Text genau­so selt­sam. Man kön­nte ja jet­zt böse Dinge rein­le­sen: “Ich bin seit 32 Jahren ver­heiratet und werde zum ersten Mal von mein­er Frau beurlaubt. Da komme ich so schnell nicht mehr zurück (ich werde Euch aber nicht vergessen).”
          Aber ich denke, dass er mit den 32 Jahren eher die Beziehung zur Kund­schaft meint; die ist ja in so nem Läd­chen etwas enger als im Supermarkt.
          Wann er zurück­kommt, scheint er wohl nicht für wichtig zu halten.
          In der Türkei ist es aber auch ganz nor­mal, so ein Läd­chen mal geschlossen vorzufind­en, weil der Verkäufer mal aufs Klo, zum Gebet oder sonst­wohin musste. Feste Öff­nungszeit­en haben die nicht. Ist aber auch nicht weit­er schlimm. Entwed­er man wartet kurz, weil er wahrschein­lich gle­ich wieder da ist, oder man geht in den näch­sten Laden fün­fzig Meter weit­er. Ander­er­seits kann man da aber meist noch einkaufen, wenn die Super­märk­te schon längst geschlossen haben.

          Keine Ahnung, was mit dem Link passiert ist. War aber eh nur auf die Pro­duk­t­seite (hier nochmal für Copy&Paste: http://www.hueber.de/huebershop/detail.html?refresh=true&action=show&isbn=978–3‑19–005185‑4&elka_id=347240&selected_elka_id=347240&theme=default&backtobasket=&backtosearch=true ).

          Da mir das vorhin erst aufge­fall­en ist, habe ich noch keine anderen Mut­ter­sprach­lerIn­nen gefragt. Ist aber auch nicht ein­fach, da nach der Intu­ition zu fra­gen. Sobald man fragt, fängt der- oder diejenige bes­timmt an, nach plau­si­blen Erk­lärun­gen zu suchen, auch wenn diese nicht unbe­d­ingt dem Sprachge­fühl entsprechen (wovon ich meine Erk­lärung nicht ausnehme).

        2. Kristin Beitragsautor

          Also iss­es eher sowas wie “Wir sind seit 32 Jahren für Sie da”?

          Ja, Sprachge­fühl­fra­gen sind schwierig, zumal jede Per­son, die man gefragt hat, danach “ver­braucht” ist. Ging mir auch bei Welli? Sel­li! so, nach ein paar Minuten fin­gen die Akzept­abil­ität­surteile mein­er Mut­ter an zu schwanken und ich musste zum näch­sten Sprech­er wechseln.

  5. Steffen

    Ich kriege das Grin­sen gar nicht mehr aus dem Gesicht, was mein Foto hier für Auswirkun­gen hat. Ich höre jet­zt auf, krampfhaft Fotokun­st erzeu­gen zu wollen und mache nur noch Gemüsehändlerreportagen. 🙂

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    1. memo

      Hehe, das wäre ja fast eine Idee für ein neues Blog: Die Sprachen der Welt, erk­lärt anhand Laden-Aushän­gen. Da kriegt man bes­timmt einiges zusam­men, wenn man ein biss­chen sucht.

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  6. memo

    Also iss­es eher sowas wie „Wir sind seit 32 Jahren für Sie da”? 

    Ja, sp würde ich das inter­pretieren, wenn ich ihm unter­stelle, dass er sich an das Koop­er­a­tionsprinzip hält. Ich habe sehr wörtlich über­set­zt. Wobei ich das aber auch nicht so wie auf dem Aushang aus­drück­en würde; das kann aber auch an mein­er man­gel­nden Sprachkom­pe­tenz liegen.

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  7. memo

    Hab mich grad mit meinen Eltern darüber unter­hal­ten – zunächst natür­lich einzeln, um Inter­feren­zen zu vermeiden.
    Mein Vater meinte zunächst auch, dass sizler höflicher/formeller sein kön­nte, weil man mit siz ja auch eine einzelne Per­son meinen könnte.
    Dann haben wir nach Kon­tex­ten gesucht, wo man nicht bei­des benutzen kann; und wir fän­den es z.B. komisch ‚unser Haus‘ als biz­lerin evi auszudrücken.
    Let­z­tendlich sind wir zu dem Schluss gekom­men, dass die For­men mit Plu­ral­suf­fix eher Grup­pen­zuge­hörigkeit aus­drück­en, also z.B. Ihr (Deutsche) und wir (Türken), während die ohne Suf­fix konkrete Men­gen von Per­so­n­en meinen. bizler würde ich dem­nach als ‚unsere­ins‘ über­set­zen. Gibt es dazu eine Entsprechung in der 2. Person?

    Eine andere, für mich plau­si­ble, Erk­lärung ist, dass die For­men mit Suf­fix jeden einzel­nen und die ohne Suf­fix die Gruppe als Ganzes meinen. Wenn ich unser Haus sage, hat ja nicht jed­er einzelne von uns ein Haus, son­dern wir haben zusam­men ein Haus. Das würde auch Her­rn D.s Benutzung in ein besseres Licht wer­fen. Er würde dann also aus­drück­en, dass er jeden einzel­nen Kun­den ver­mis­sen wird im Gegen­satz zur ganzen Gruppe, während er nach der vorigen Erk­lärung die Kun­den wegen ihrer Zuge­hörigkeit zur Gruppe der Kun­den ver­mis­sen würde im Gegen­satz zu ein­er fest abgesteck­ten Gruppe von Kun­den, die ihm ans Herz gewach­sen sind.

    In jedem Fall aber beto­nen die For­men mit Suf­fix immer, dass es sich wirk­lich um viele han­delt, die zu ein­er größeren Gruppe gehören; was ja auch Sinn macht, da es ein Plu­ral­suf­fix ist.

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  8. David Marjanović

    Gibt es Aus­lautver­här­tung nicht im Türkischen auch (wenn auch anscheinend nicht für z)? Kitap und kebap kom­men von ara­bisch kitab und kabab; [p] gibt es im Ara­bis­chen über­haupt nicht…

    Über das Deutsche zu ver­all­ge­mein­ern, ist übri­gens immer gefährlich. In Öster­re­ich gibt es sog­ar in der Schrift­sprache keine Aus­lautver­här­tung, weil /b d g/ sowieso schon stimm­los sind. Der For­tis-Lenis-Unter­schied bleibt beste­hen*, außer für /t/, das zu /d/ wird (nicht umgekehrt!), es sei denn, es ste­ht ein Kon­so­nant davor oder es han­delt sich um gewisse gram­matikalis­che Endun­gen unter gewis­sen Umstän­den. Und während es zwar einen Län­ge­nun­ter­schied zwis­chen s und ss/ß gibt, gibt es kein [z]; das ist ein exo­tis­ch­er Laut, den ich für Englisch und Franzö­sisch erst zu artikulieren ler­nen musste.

    Worin der For­tis-Lenis-Unter­schied beste­ht, ist eine gute Frage. Es ist wed­er Aspi­ra­tion noch Länge (die Schweiz­er “Fortes” sind lange Lenes) noch irgen­deine Glot­tal­isierung oder so. Soweit ich das beurteilen kann, wer­den die Fortes lauter los­ge­lassen; es ist mehr Druck aus der Lunge dahin­ter. Und ja, die ver­härteten Aus­laute, die ich in Berlin gehört habe, sind tat­säch­lich Fortes, nicht ein­fach nur stimm­lose Lenes. Für mich reimen sich Korinth und Rind nicht.

    * Nicht in den östlichen Dialek­ten und der Wiener Umgangssprache, wo von vorn­here­in nur Lenes existieren. Und das Tirol­er /k/ ist ein ale­man­nisch-artiges [gχ]. Und die Vorarl­berg­er Dialek­te sind über­haupt alemannisch.

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    1. memo

      In ein­er Gram­matik, die ich hier habe (von Mehmet Hen­gir­men) ste­ht dazu:

      Türkçe sözcük­lerin sonun­da b, c, d, g, ses­leri bulun­maz. Yakub, muh­tac, derdö aheng gibi sözcük­ler son ses­lerinde b, c, d, g ünsü­z­leri bulun­duğu için yabancıdır. Sözcük son­ların­da bulu­nan bu sesler p, ç, t, k’ye dönüştürülerek Türkçenın ses kural­ları­na uyar. 

      Meine Über­set­zung:

      Am Ende türkisch­er Wörter find­et man keine Kon­so­nan­ten b, c, d, g. Da sich am Ende von Wörtern wie Yakub, muh­tac, derdö aheng die Kon­so­nan­ten b, c, d, g befind­en, sind diese fremd. Diese Laute passen sich im Wor­taus­laut den Regeln des Türkischen an, indem sie zu p, ç, t, k werden. 

      Eine andere Gram­matik (von Hay­dar Ediskun) führt die Laute einzeln auf. Bei b, c, d schreibt er, dass Schrei­bun­gen mit diesen Kon­so­nan­ten am Ende lediglich orthographisch sind und wie p, ç, t aus­ge­sprochen wer­den, z.B. seien ad und at im mod­er­nen Türkischen homophon. Zu g schreibt er nicht, ob es einen Unter­schied in der Lau­tung gibt, son­dern nur, dass Wörte wie arke­olog und monolog fremd sind.

      Ich denke, von der türkischen Aus­lautver­här­tung hört man nie, weil man sie nicht als Regel braucht, um Türkisch zu kön­nen. Man lernt die Wörter, wie sie geschrieben wer­den und das war’s; die Ver­här­tung ist ja schon bei der Entlehnung passiert. Im Deutschen hinge­gen muss man ler­nen, dass Tag mit [k] gesprochen wird, obwohl man g schreibt. Und im Türkischen muss man ler­nen, dass das p in kitap zu b wird, wenn ein Vokal im Suf­fix fol­gt. Und als Mut­ter­sprach­ler macht man die Aus­lautver­här­tung eh automa­tisch, sowohl im Deutschen als auch im Türkischen, da braucht man keine Regel für.

      Antworten
    2. Kristin Beitragsautor

      Vie­len Dank für die vie­len Anmerkungen!

      Zum Türkischen ist Mehmet kom­pe­ten­ter als ich — ich hat­te die Regel bish­er so ver­standen, dass es dur­chaus Wörter mit stimmhaftem Aus­laut gebe, aber dass alle mit stimm­losem Aus­laut eben im Inlaut erwe­icht wür­den. Wenn es im Aus­laut über­haupt keine stimmhaften Laute gibt und das lediglich orthographisch ist, ist es aber wirk­lich sin­nvoller, von Aus­lautver­här­tung zu sprechen.

      Zum Deutschen: Ja, ich bin mir der Tat­sache bewusst, dass im Süd­deutschen eigentlich eher von ein­er Unter­schei­dung Fortes/Lenes statt von stimmlos/stimmhaft gesprochen wird. Ich habe auch schon von Leuten gehört, die stimmhafte Plo­sive im kom­plet­ten Deutschen verneinen.
      Mit dem Öster­re­ichis­chen kenne ich mich lei­der gar nicht aus, aber dass es sich in dieser Hin­sicht ähn­lich wie das Süd­deutsche ver­hält, passt ja gut rein.

      Mit “Schrift­sprache” in Öster­re­ich meinst Du nicht die geschriebene Sprache, son­dern die Stan­dard­sprache, oder? In geschrieben­em Neuhochdeutsch kann man diese Allo­phone ja nicht feststellen.
      Dass die Unter­schei­dung Fortes/Lenes im Aus­laut aufrechter­hal­ten wird, finde ich span­nend — wusste ich nicht.

      Das [z], ja — ich musste es auch erst ler­nen und mach’s im Hochdeutschen bis heute nicht kon­se­quent. Beim Ver­fassen habe ich mich natür­lich auf die Hochsprache und ihre aussprachewörter­buchssank­tion­ierte Lau­tung bezogen.

      Bei dem Schweiz­er Laut­en, die als “p”, “b”, “g” geschrieben wer­den, ist man sich ja meines Wis­sens gar nicht so sich­er, ob man über­haupt von Fortes sprechen soll. Ich habe mal eine Hausar­beit über Notk­ers Anlaut­ge­setz geschrieben und habe dazu einen Auf­satz von Lahiri/Krähenmann benutzt (hm, Under­state­ment des Jahres — der Auf­satz war die Hauptlit­er­atur der Hausar­beit), die, wenn ich mich recht entsinne, von Gem­i­nate vs. Sim­plex sprachen. (Das meinst Du wahrschein­lich auch, wenn Du sagst “die Schweiz­er „Fortes“ sind lange Lenes”.) 

      Fortes nach der Def­i­n­i­tion, die ich kenne, sind Laute, für die (im Gegen­satz zu den entsprechen­den Lenes) eine höhere Artiku­la­tion­sen­ergie einge­set­zt wird. Gem­i­nat­en würde ich da nur sehr zöger­lich dazurech­nen — die brauchen zwar auch mehr Energie, aber eher als Begleit­er­schei­n­ung der Länge.

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