Die 25. Duden-Auflage steht ins Haus – ob ich mir mal wieder einen kaufe? Mein aktuellster ist von 1996 (21. Auflage) und hat als Reform-vor-der-Reform-Werk einen gewissen historischen Wert.
In einer Pressemitteilung kann man schon mal gucken, welche Wörter es diesmal geschafft haben: hier. Einige verwundern mich etwas, die hätte ich schon längst drin vermutet: Buschfunk, Fernbeziehung, Rettungsschirm, Stockbrot und Vogelschlag.
Was ich total widerlich finde ist Campusmaut. Ich stehe Sprache sehr, sehr selten wertend gegenüber und finde alles furchtbar spannend und interessant, aber Campusmaut ist für mich der Horror. Ich weiß nicht, wer sich’s ausgedacht hat (angeblich Studierende?), für mich ist es auf jeden Fall ein typisches Spiegel-online-Wort. Ja, ich lese da. Ja, es hat masochistische Ausmaße.
Ich habe sogar mal einen Beitrag über Spiegel-online-Deutsch angefangen, bin aber über Campusmaut und bimsen (*arrrg* Der Horror!) nicht hinausgekommen. Spiegel online hat ja die Unterrubrik UniSPIEGEL. Sie kennt das Wort Studiengebühren quasi gar nicht. Wenn das mal versehentlich einer schreibt, scheint es vor Veröffentlichung des Artikels mit Suchen-Ersetzen in Campusmaut umgewandelt zu werden. Die Wortbildung war am Anfang mal originell – aber als permanentes Synonym? Die Luft ist raus und die Bezeichnung klingt einfach nur noch total verkrampft.
Eine willkürliche Auswahl:
- Studiengebühren-Umfrage: Campusmaut verhasster denn je (25.06.2009)
- Als die von ihnen beantragte Senkung der Campusmaut im Senat abgeschmettert wurde, fühlten sich die Studentenvertreter vollends veräppelt. (05.06.2009)
- Urteil zur Campusmaut: Eltern müssen Studiengebühren zahlen (29.05.2009)
- Sie forderten die komplette Abschaffung der Campusmaut — doch Studenten, die Grünen und die SPD sind mit ihrer Klage am bayerischen Verfassungsgericht gescheitert. (28.5.2009)
- …
Für den Zeitraum vom 24.01.2005 bis 09.07.2009 gibt die spiegeleigene Suche 159 Treffer aus. Der 24. Januar 2005 scheint die Erstnennung zu sein, damals noch als Campus-Maut, frühere Belege findet die Suche nicht:
Längst bereiten sich Wissenschaftsminister, Unis und Kreditgeber auf die Campus-Maut vor, derweil planen die Studenten den Protest. (24.01.2005)
So, jetzt habe ich meinem Abscheu Worte verliehen, jetzt ist wieder gut. Ich habe ja nur sehr wenig gegen das Wort an für sich, es zeigt eine Menge Kreativität und schafft es auch noch festzuhalten, dass Studiengebühren und LKW-Maut zu einem ähnlichen Zeitpunkt große Themen in den Medien waren – aber die penetrante Benutzung tut ihm einfach nicht gut.
Es tut ihm aber eigentlich nur deshalb nicht gut, weil dich das Wort ansich nervt, oder gibt es dafür eine rationalere Begründung? Ich stehe der Bezeichnung vollkommen emotionslos gegenüber, von mir aus kann das jeden Tag tausend Mal irgendwo geschrieben stehen. Vielleicht, weil ich noch umsonst studieren durfte. 😉
Nein, natürlich gibt es keine rationalere Begründung als dass ich mir jedes Mal, wenn ich das Wort höre, kleine Studenten in Autoform vorstelle, die auf dem Campus herumrollen und Geld in Automaten werfen … und einen händereibenden Spiegelredakteur, der sich einbildet, unglaublich nah an der Sprache der Studierenden dran zu sein.
Mir ist das Wort also einfach noch zu vollgestopft mit Assoziationen, die vom eigentlichen Ding ablenken. Das ist aber eine ganz persönliche Sache.
Ungeachtet dessen finde ich natürlich die Entstehung des Wortes sehr spannend — wie bereits erwähnt, fielen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Studiengebühren (26.1.2005) und die Einfühung der LKW-Maut (1.1.2005) zeitlich sehr nah zusammen.
Das gemeinsame Bedeutungselement ‘etwas, das bisher kostenlos war, muss nun bezahlt werden’ scheint die Übertragung des Wortes Maut auf Studiengebühren ermöglicht zu haben.