Beim Blättern im Archiv der Zeit habe ich einen recht schönen Artikel namens “Fehler machen Worte” gefunden. Wer den Süddeutsche-Artikel über Rudi Keller gelesen hat, wird viel Bekanntes wiederfinden, aber es sind durchaus auch einige neue Aspekte dabei.
Schön fand ich den Absatz über die Duden-Sprachberatung, aus dem hervorgeht, dass der Duden und seine Mitarbeiter eben nicht stur bestimmen, wie es richtig ist, sondern, im Gegenteil, sehr deskriptiv vorgehen – es sind vielmehr die Duden-Nutzer, die verlangen, dass alles bis ins kleinste geregelt sein soll:
“Eines, stellt Herweg fest, haben die meisten gemeinsam: Sie erwarten eindeutige Antworten. »Die Leute fragen auch dort nach Regeln, wo es keine gibt.« Oft muss sie diese Erwartung enttäuschen, »das ist nicht eindeutig geregelt«, sagt sie dann am Telefon, was aber keiner hören will. Es scheint ein Bedürfnis nach Ordnung und Stabilität zu bestehen.”
Der Absatz über die Zahl der deutschen und englischen Wörter ist allerdings etwas peinlich. Da wird behauptet:
“Seit fünf Jahren verfolgt das US-Unternehmen Global Language Monitor im Rahmen des Projekts »Million Words March« die englische Sprache und registriert alle neu entstandenen Wörter, Anfang Juni soll die Millionenmarke erreicht werden.”
Wer das Language Log liest, kennt das Märchen schon, und auch die ausführlichen Begründungen dafür, warum es völliger Quatsch ist. (Unter anderem hier, hier, hier, hier, hier und erst kürzlich hier.)
“Auch die deutsche Sprache wächst, etwas langsamer zwar, aber es entstehen weit mehr Wörter, als aussterben: Trotz der strengen Aufnahmekriterien kommen im Duden mit jeder Auflage Tausende hinzu, heute enthält Die deutsche Rechtschreibung schon mehr als 130000 Wörter.”
Dass der Duden wächst und mit jeder Auflage mehr Einträge enthält, glaube ich gerne. Dass der Duden aber mit dem deutschen Wortschatz gleichzusetzen ist … ähem. Damit wäre dann 1872 seine Geburt anzusetzen, hm? Vorher nur Deutsch ohne Wörter? Und dann von 27.000 (1880) zu 130.000 in knapp 130 Jahren? Wow.
Skurrile Idee, dass ein Nachschlagewerk zur Rechtschreibung den kompletten Wortschatz einer Sprache enthalten könnte oder aber dass die Einträge jeder Auflage dieses Nachschlagewerks immer im gleichen Verhältnis zum Gesamtwortschatz stehen könnten (etwa “Der Duden enthält immer 30% aller deutschen Wörter”). Und noch skurriler der Gedanke, dass Wörter wirklich fest definiert und somit zählbar sein könnten. (Was ist mit zusammengesetzten Wörtern? Was ist mit Phrasenkomposita wie Immer-nur-dumm-Rumsteher, was ist mit Substantivierungen zu Verben wie das Chillen, das Rappen? …)
Vielen Dank, wirklich schöner Lesetipp.
Beste Grüße.