Fronleichnam als (katholischen) Feiertag gibt es seit 1246 immer am zweiten Donnerstag nach Pfingsten. Das Fest ist auf keinen konkreten biblischen Anlass zurückzuführen – gefeiert wird die körperliche Gegenwart Jesu in Hostie und Messwein bei der Wandlung. (Stichwort Transsubstantiation)
Es handelt sich mal wieder um einen Feiertag, dessen Etymologie im Religionsunterricht alljährlich durchgekaut wurde – aber den fern vom katholischen Glauben Aufgewachsenen unter Euch kann ich vielleicht noch was Neues erzählen. Dazu werde ich das Wort Fronleichnam einmal auseinandernehmen …
Fronleichnam und Frondienst
Das Erstglied Fron gibt es als eigenständiges Wort kaum noch. Wie das gleichbedeutende Frondienst ‘zwangsweise Dienstleistungen in Form von körperlichen Arbeiten für unterschiedliche Herrschaftsträger’ steht es zwar im Wörterbuch, wird aber viel seltener benutzt als letzteres. Bei Google habe ich für Fron quasi keine modernen Verwendungen gefunden. Für Frondienst schon:
“Der Samstag sollte im Bedarfsfall wieder Werktag ohne Zuschläge sein. Die Leute gehen doch eigentlich gern zur Arbeit, das ist doch kein Frondienst”, sagte von Pierer der “Bild”-Zeitung. (Manager Magazin)
Private Altersvorsorge im Frondienst für die öffentliche Hand (Yahoo Nachrichten)
In der Schweiz wird Frondienst ganz neutral benutzt, für ‘freiwilliger Arbeitseinsatz’:
Jeder geleistete Frondienst-Halbtag wird auf unserem Frondienst-Ausweis vermerkt. Für zehn Frondienst-Halbtage gibt es eine Gratis-Übernachtung in einer unserer Clubhütten für zwei Personen. (Schweizerischer Alpinclub Sektion Blümlisalp)
Frondienst durch Vereinsmitglieder und weitere Interessierte ist einer der Stützpfeiler des Typoramas. (Typorama)
Was war aber die ursprüngliche, wörtliche Bedeutung?
Die Basis bildet das althochdeutsche frō ‘Herr’1, beziehungsweise dessen Genitiv Plural, frōno ‘der Herren/der Götter’. Diese Genitivform konnte auch als Adjektiv gebraucht werden und hieß dann ‘rechtlich, gerichtlich, öffentlich’ (bezogen auf den weltlichen Herren und seinen Machtbereich) oder ‘göttlich’.
Die weltliche Bedeutung führte zu Wörtern wie Fronbote ‘Gerichtsbote’ und Frondienst ‘Herrendienst’ (daraus verkürzt dann Fron). Auch das deutsche Wort frönen ist mit Fron eng verwandt (es hieß ursprünglich ‘dienen, unterworfen sein’).
Die religiöse Bedeutung bescherte uns Fronleichnam.
Herzlichen Fronleichnam!
Also heißt Fronleichnam ‘göttlicher Leichnam/Leichnam des Herren’? Nein, das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Das Zweitglied hatte früher einmal eine andere Bedeutung: Im Alt- und Mittelhochdeutschen gab es das Wort līch ‘Körper, Fleisch, Leiche’, und von ihm abgeleitet die Form līch-hinamo ‘Körper’. Das hinamo kommt vom westgermanischen hamōn ‘Hülle, Kleidung, Leib’. Die Verbindung der beiden Wörter war wahrscheinlich ursprünglich poetisch und hieß so etwas wie ‘Hülle des Fleisches’ oder ‘Gefäß des Lebens’ und somit letztlich ‘Körper’.
Das Wort Körper gibt es erst seit dem Mittelhochdeutschen (denn es hat ja ein p!). Es war eine Entlehnung des lateinischen corpus und verdrängte das bis dahin übliche līch. Erhalten hat es sich dann nur in der früheren Nebenbedeutung ‘toter Körper, Leiche’.
Fronleichnam heißt somit ‘Körper/Leib des Herren’ und ist eine Teilübersetzung der lateinischen Festbezeichnung corpus christi ‘Körper/Leib Christi’. Der Bezug zum Gefeierten wird sofort klar: Es geht ja um die körperliche Präsenz in der Eucharistie.
Ende gut, alles gut? Ja, aber eines muss ich doch noch schnell loswerden: Das alte Wort līch ‘Körper, Fleisch, Leiche’ hat noch eine andere Entwicklung mitgemacht. Es konnte an ein anderes Wort (x) angehängt werden, das dann die Bedeutung ‘einer, dessen Körper/Gestalt x ist’ bekam. Nach und nach wurde -līch dann zu einer reinen Adjektivendung, ‘etwas, das in der Art von x ist’: fröh-lich, freund-lich, herz-lich, … Dabei verlor es auch sein langes ī und ist heute nur noch ein kurzes -lich. Durch das i in der Endung gab es, wo möglich, Umlaut: gründ-lich, höf-lich, schwärz-lich.
Fußnote:
1Das Wort ist eng verwandt mit dem von ihm abgeleiteten Frau, althochdeutsch frouwa.
vermutlich bedeutungslos, aber doch auffällig ist, dass das arabische wort für fleisch لَحْم (lachm) heisst. wenn man dann noch bedenkt, dass die konsonanten in den semitischen sprachen — mehr als bei uns — als bedeutungsträger fungieren …
lg w.d.
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Das ist ja alles schön und gut, aber woher kommt das althochdeutsche fro?
Möglicherweise (, das schlägt Pfeifer vor,) wurde es von indogermanisch *prō̌ ‘vorwärts, vorn, voran’ abgeleitet, was semantisch zum höheren Rang passt.