Ich bin nicht sicher, ob dieser Beitrag in der Chip Online feine Satire oder bloße Gedankenlosigkeit ist:
Klick Germany — Deutsche Downloads
Von Beate Kipphardt
Die Bundesrepublik feiert Jubiläum. CHIP Online besinnt sich zu diesem Anlass auf traditionelle Werte — mit den besten deutschen Downloads.
Inzwischen haben wir uns schon daran gewöhnt, dass wir von Software-Herstellern mit einer Flut von Anglizismen, Abkürzungen und Akronymen überschwemmt werden. Die Fachsprache der IT-Branche ist nicht nur für Außenstehende schwer verständlich — auch wenn viele Begriffe inzwischen in das Umgangsdeutsch durchgesickert sind.
60 x Deutschland — CHIP Online zeigt Ihnen zum Geburtstag der Bundesrepublik Software, bei denen die deutsche Muttersprache und ein paar Mausklicks genügen, um sie effizient einsetzen zu können — ganz nach dem Qualitätssiegel “made in Germany”.
Fotostrecke: Die 60 besten deutschen Tools zum Download
Da wettert ein Artikel gegen die „Flut von Anglizismen“, mit denen Computer-Nutzer von Software-Herstellern überschwemmt werden und bringt es dabei selbst auf eine Lehnwortanteil von 10% (3 x Download(s), 2 x Software, 2 (Maus)klick(s) und je 1 x Germany, Tools, IT und made in Germany). Einge davon scheinen mit Bedacht gewählt zu sein — der Titel Klick Germany und das in Anführungszeichen gesetzte made in Germany, der Rest wirkt zu beiläufig um satirische Absicht nahezulegen.
Der Sprachnörgler schreit auf und schimpft darauf, dass diese Anglizismen „überflüssig“ seien, und für die meisten von ihnen könnte man wohl ein eingeborenes Wort finden. Der Sprachbeobachter stellt fest, dass diese Wörter inzwischen offensichtlich so selbstverständlich zum deutschen Wortschatz gehören, dass der Autorin die unfreiwillige Ironie ihres Artikels nicht aufgefallen ist (wenn es doch Absicht war, nehme ich natürlich alles zurück).
Mit voller Absicht verwendet dagegen Thomas D. englische Lehnwörter in seinen Texten, wie er der Hiltpoltsteiner Zeitung in einem Interview verrät:
„Kennzeichen D“ wirkt streckenweise wie eine Hymne an den Anglizismus. Muss das sein?
Thomas D: Nein, muss nicht sein. Ich habe mir das sogar jahrelang verboten. Ich war bei den Fantas immer der, der gesagt hat: „Keine englischen Worte!“ Und dann dachte ich mir: „Hör doch mal auf mit dieser Engstirnigkeit!“ Man darf doch mal sagen: „Get on Board“ weil „Kommen Sie an Bord“ oder „Komm an Bord“ – das geht einfach nicht. Oder auch „Ride on“: Darin steckt für mich amerikanisches Kino, weite Straßen, riesige Cabriolets, die leider auch viel Sprit brauchen, aber es ist ja nur in meiner Fantasie (lacht). Und ich kann nicht sagen: „Fahr weiter!“ oder „Fahr los“. Das hat bei weitem nicht diese Bildsprache. Wir sind nun mal verseucht durch dieses amerikanische Hollywood-Szenario und ich spiele gern mit solchen Begriffen, um auf der einen Seite schöne Bilder zu haben und auf der anderen Seite das Ganze ein bisschen aufs Korn zu nehmen und zu verarschen.
Es ist schade, dass junge deutschsprachige Musiker sich offensichtlich nicht gut mit den Werken ihrer Vorgänger auskennen, sonst müsste gerade ein Hippie (und das meine ich nett) wie Thomas D. wissen, dass man „Komm an Bord“ durchaus in einem Liedtext verwenden kann.
Interessant ist hier aber für uns eher die Motivation, die er für die Verwendung englischer Wörter und Phrasen angibt: er will damit tatsächlich kulturspezifische Inhalte vermitteln. Sprachnörgler vermuten ja routinemäßig, dass dies der Wunsch hinter dem Gebrauch von Anglizismen ist, während mir das im Falle des einfachen Sprechers auf der Straße nicht einleuchtet. Denn Get on Board und Ride on mögen bei entsprechender Vorbildung gerade noch dazu geeignet sein, Bilder von amerikanischen Highways beim Hörer wachzurufen, aber mit den besten Tools zum Download dürfte das kaum gelingen.
Warum Komm an Bord weniger gut für Songtexte geeignet sein soll als Get on board, ist mir ein Rätsel. Die Silbenanzahl ist gleich und so unterschiedlich klingt es auch nicht. Wenn ich Get on board höre, denke ich auch nicht im Entferntesten an Amerika.
Ich habe das im Interview so gelesen, dass es ihm die Entscheidung für eine direkte Anrede erspart — “Sie” vs. “du”. Das ließe sich allerdings mit dem Imperativ umschiffen, der auf deutsch aber (auch?) in meinen Ohren harscher klingt als auf englisch.
Ansonsten, witziger Zufall, bin ich gerade wo ich das lese beim Digitalisieren meiner Plattensammlung bei Rio Reiser angekommen …
Schön ist auch die Beschreibung von Platz 60 auf der Chip Fotostrecke. Der Ashampoo ClipFinder HD ist angeblich nur mit Mausklicks und Deutscher Sprachkenntnis benutzbar. Die Beschreibung der Anwendung leider nicht…
Und wie hieß die Zeitschrift noch mal? “Speicherriegel im Netz”?
In dem Maße, wie die Zweisprachlichkeit in der Bevölkerung zunimmt, wird es auch zu einer Zweigleisigkeit beim Sprachgebrauch kommen. Das ist ja auch nicht weiter schlimm, so lange es nicht blöd klingt oder aber das Verständnis erschwert …
heißt das nicht eigentlich “get aboard”?
http://www.dict.cc/englisch-deutsch/aboard.html
Ich sitze (leider?) hier zwischen zwei Programmierern und bekomme regelmäßig viel heftigere Phrasen an den Kopf geworfen “Das kannst du doch on the fly übergeben.” oder “Das hab ich schon geadded” (mein heimlicher Favorit) sind da nur zwei Beispiele von vielen.
Tools und Download sind da tatsächlich schon in den Sprachgebrauch eingegangen, teils auch wegen der besseren Differenzierbarkeit:
Werkzeug = Hammer, Schraubendreher, Bohrmaschine (Werkzeug in der Bau- und Heimwerker-Welt, zum Anfassen)
Tool = Ad-Aware, Irvanview, Tweetdeck (Werkzeug in der IT-Welt, auf dem Bildschirm)
Warum nicht mal wieder einige Brocken gepflegten Lateins (als Bildungstest für Jauch-Adepten):
Homo downloadi in actu.
Oder:
In Griechisch (latinisiert wiedergegeben, damit man noch Verständlichkeit erwarten kann):
Metabasis eis allo genos et microsoft.
Und mein HUMMER wummert:
Nehmt! Mich! Wahr! — An Land!
Und final steig ich noch in LH 447 NEU um:
Orbis terrarum aperuit …
Dann haben die Anglizismen ein End’!
Dào kě dào fēi cháng dào.