Zweimal Anglizismen

Von Anatol Stefanowitsch

Ich bin nicht sich­er, ob dieser Beitrag in der Chip Online feine Satire oder bloße Gedanken­losigkeit ist:

Klick Ger­many — Deutsche Downloads

Von Beate Kipphardt

Die Bun­desre­pub­lik feiert Jubiläum. CHIP Online besin­nt sich zu diesem Anlass auf tra­di­tionelle Werte — mit den besten deutschen Downloads.

Inzwis­chen haben wir uns schon daran gewöh­nt, dass wir von Soft­ware-Her­stellern mit ein­er Flut von Anglizis­men, Abkürzun­gen und Akro­ny­men über­schwemmt wer­den. Die Fach­sprache der IT-Branche ist nicht nur für Außen­ste­hende schw­er ver­ständlich — auch wenn viele Begriffe inzwis­chen in das Umgangs­deutsch durch­gesick­ert sind.

60 x Deutsch­land — CHIP Online zeigt Ihnen zum Geburt­stag der Bun­desre­pub­lik Soft­ware, bei denen die deutsche Mut­ter­sprache und ein paar Mausklicks genü­gen, um sie effizient ein­set­zen zu kön­nen — ganz nach dem Qual­itätssiegel “made in Germany”.

Foto­strecke: Die 60 besten deutschen Tools zum Download

Da wet­tert ein Artikel gegen die „Flut von Anglizis­men“, mit denen Com­put­er-Nutzer von Soft­ware-Her­stellern über­schwemmt wer­den und bringt es dabei selb­st auf eine Lehn­wor­tan­teil von 10% (3 x Download(s), 2 x Soft­ware, 2 (Maus)klick(s) und je 1 x Ger­many, Tools, IT und made in Ger­many). Einge davon scheinen mit Bedacht gewählt zu sein — der Titel Klick Ger­many und das in Anführungsze­ichen geset­zte made in Ger­many, der Rest wirkt zu beiläu­fig um satirische Absicht nahezulegen.

Der Sprach­nör­gler schre­it auf und schimpft darauf, dass diese Anglizis­men „über­flüs­sig“ seien, und für die meis­ten von ihnen kön­nte man wohl ein einge­borenes Wort find­en. Der Sprach­beobachter stellt fest, dass diese Wörter inzwis­chen offen­sichtlich so selb­stver­ständlich zum deutschen Wortschatz gehören, dass der Autorin die unfrei­willige Ironie ihres Artikels nicht aufge­fall­en ist (wenn es doch Absicht war, nehme ich natür­lich alles zurück).

Mit voller Absicht ver­wen­det dage­gen Thomas D. englis­che Lehn­wörter in seinen Tex­ten, wie er der Hilt­polt­stein­er Zeitung in einem Inter­view verrät:

Kennze­ichen D“ wirkt streck­en­weise wie eine Hymne an den Anglizis­mus. Muss das sein?

Thomas D: Nein, muss nicht sein. Ich habe mir das sog­ar jahre­lang ver­boten. Ich war bei den Fan­tas immer der, der gesagt hat: „Keine englis­chen Worte!“ Und dann dachte ich mir: „Hör doch mal auf mit dieser Eng­stirnigkeit!“ Man darf doch mal sagen: „Get on Board“ weil „Kom­men Sie an Bord“ oder „Komm an Bord“ – das geht ein­fach nicht. Oder auch „Ride on“: Darin steckt für mich amerikanis­ches Kino, weite Straßen, riesige Cabri­o­lets, die lei­der auch viel Sprit brauchen, aber es ist ja nur in mein­er Fan­tasie (lacht). Und ich kann nicht sagen: „Fahr weit­er!“ oder „Fahr los“. Das hat bei weit­em nicht diese Bild­sprache. Wir sind nun mal verseucht durch dieses amerikanis­che Hol­ly­wood-Szenario und ich spiele gern mit solchen Begrif­f­en, um auf der einen Seite schöne Bilder zu haben und auf der anderen Seite das Ganze ein biss­chen aufs Korn zu nehmen und zu verarschen.

Es ist schade, dass junge deutschsprachige Musik­er sich offen­sichtlich nicht gut mit den Werken ihrer Vorgänger ausken­nen, son­st müsste ger­ade ein Hip­pie (und das meine ich nett) wie Thomas D. wis­sen, dass man „Komm an Bord“ dur­chaus in einem Lied­text ver­wen­den kann.

Inter­es­sant ist hier aber für uns eher die Moti­va­tion, die er für die Ver­wen­dung englis­ch­er Wörter und Phrasen angibt: er will damit tat­säch­lich kul­tur­spez­i­fis­che Inhalte ver­mit­teln. Sprach­nör­gler ver­muten ja rou­tinemäßig, dass dies der Wun­sch hin­ter dem Gebrauch von Anglizis­men ist, während mir das im Falle des ein­fachen Sprech­ers auf der Straße nicht ein­leuchtet. Denn Get on Board und Ride on mögen bei entsprechen­der Vor­bil­dung ger­ade noch dazu geeignet sein, Bilder von amerikanis­chen High­ways beim Hör­er wachzu­rufen, aber mit den besten Tools zum Down­load dürfte das kaum gelingen.

9 Gedanken zu „Zweimal Anglizismen

  1. Gareth

    Warum Komm an Bord weniger gut für Song­texte geeignet sein soll als Get on board, ist mir ein Rät­sel. Die Sil­be­nan­zahl ist gle­ich und so unter­schiedlich klingt es auch nicht. Wenn ich Get on board höre, denke ich auch nicht im Ent­fer­n­testen an Amerika.

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  2. Wolfgang Hömig-Groß

    Ich habe das im Inter­view so gele­sen, dass es ihm die Entschei­dung für eine direk­te Anrede erspart — “Sie” vs. “du”. Das ließe sich allerd­ings mit dem Imper­a­tiv umschif­f­en, der auf deutsch aber (auch?) in meinen Ohren harsch­er klingt als auf englisch.

    Anson­sten, witziger Zufall, bin ich ger­ade wo ich das lese beim Dig­i­tal­isieren mein­er Plat­ten­samm­lung bei Rio Reis­er angekommen …

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  3. Tobias

    Schön ist auch die Beschrei­bung von Platz 60 auf der Chip Foto­strecke. Der Asham­poo ClipFind­er HD ist ange­blich nur mit Mausklicks und Deutsch­er Sprachken­nt­nis benutzbar. Die Beschrei­bung der Anwen­dung lei­der nicht…

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  4. Klaus Jarchow

    In dem Maße, wie die Zweis­prach­lichkeit in der Bevölkerung zunimmt, wird es auch zu ein­er Zwei­gleisigkeit beim Sprachge­brauch kom­men. Das ist ja auch nicht weit­er schlimm, so lange es nicht blöd klingt oder aber das Ver­ständ­nis erschwert …

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  5. AndreasK

    Ich sitze (lei­der?) hier zwis­chen zwei Pro­gram­mier­ern und bekomme regelmäßig viel heftigere Phrasen an den Kopf gewor­fen “Das kannst du doch on the fly übergeben.” oder “Das hab ich schon geadded” (mein heim­lich­er Favorit) sind da nur zwei Beispiele von vielen.

    Tools und Down­load sind da tat­säch­lich schon in den Sprachge­brauch einge­gan­gen, teils auch wegen der besseren Differenzierbarkeit: 

    Werkzeug = Ham­mer, Schrauben­dreher, Bohrmas­chine (Werkzeug in der Bau- und Heimw­erk­er-Welt, zum Anfassen)

    Tool = Ad-Aware, Irvan­view, Tweet­deck (Werkzeug in der IT-Welt, auf dem Bildschirm)

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  6. Adele Bongartz

    Warum nicht mal wieder einige Brock­en gepflegten Lateins (als Bil­dung­stest für Jauch-Adepten):

    Homo down­loa­di in actu.

    Oder:

    In Griechisch (latin­isiert wiedergegeben, damit man noch Ver­ständlichkeit erwarten kann):

    Metaba­sis eis allo genos et microsoft.

    Und mein HUMMER wummert: 

    Nehmt! Mich! Wahr! — An Land!

    Und final steig ich noch in LH 447 NEU um:

    Orbis ter­rarum aperuit …

    Dann haben die Anglizis­men ein End’!

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