Wenn die Bewohner einer Südseeinsel in einem Kinderbuch aus den vierziger Jahren mit einem krassen rassistischen Ausdruck bezeichnet werden, muss man das dann hinnehmen oder darf man bei einer Neuauflage sprachlich eingreifen? Wäre es eine zeitgemäße Modernisierung, solche Wörter durch neutrale Begriffe zu ersetzen, oder wäre das übertriebene „Political Correctness“, Zensur, ein Eingriff in ein unantastbares Kunstwerk?
[Hinweis: Der folgende Text und die Kommentare enthalten Beispiele rassistischer Sprache]
An diesen Fragen hat sich in den Kommentaren zu einem unschuldigen Beitrag über Sexismus unter Legofiguren ein heftiger Streit entfacht. Ich hatte dort erwähnt, dass ich, als ich meiner Tochter die Pippi-Langstrumpf-Bücher vorgelesen habe, sprachlich (und inhaltlich) redigiert habe. In diesen Büchern verwenden die Charaktere nämlich nicht nur ausgiebig das Wort Neger, die Autorin vermittelt ganz nebenbei eine stattliche Sammlung kolonialer und rassistischer Klischees. Nehmen wir folgende Passage:
„Bedenkt mal — Negerprinzessin!“ sagte Pippi träumerisch. „Es gibt nicht viele Kinder, die das werden. Und fein werde ich sein! In allen Ohren werde ich Ringe haben und in der Nase einen noch größeren Ring.“
„Was wirst du sonst noch anhaben?“ fragte Annika.
„Nichts weiter“, sagte Pippi. „Nicht eine Spur mehr! Aber ich werde einen eigenen Neger haben, der mir jeden Morgen den ganzen Körper mit Schuhcreme putzt. Damit ich ebenso schwarz werde wie die anderen Neger. Ich stelle mich jeden Abend zum Putzen raus, gleichzeitig mit den Schuhen.“ [Pippi Langstrumpf geht an Bord, S. 173f]
Bei mir klang diese Passage ungefähr so:
„Bedenkt mal — Südseeprinzessin!“ sagte Pippi träumerisch. „Es gibt nicht viele Kinder, die das werden. Und fein werde ich sein! In allen Ohren werde ich Ringe haben und in der Nase einen noch größeren Ring.“
„Was wirst du sonst noch anhaben?“ fragte Annika.
„Nichts weiter“, sagte Pippi. „Nicht eine Spur mehr!“ [Anatol Stefanowitsch liest Pippi Langstrumpf, ca. 2004]
Ebenso wurde aus Pippis Vater, im deutschen Text als Negerkönig (und im schwedischen Original als negerkung) bezeichnet, ein „Südseekönig“ und aus den Negerkindern (Schwed. negerbarna) wurden „Inselkinder“, „Südseekinder“ oder einfach nur „Kinder“). Das Adjektiv schwarz habe ich einfach weggelassen, so dass aus „Sie … lachten, dass die weißen Zähne in ihren schwarzen Gesichtern blitzten“ einfach „… dass die weißen Zähne in ihren Gesichtern blitzten“ wurde.
Ich bin nicht der erste, der Lindgrens Sprachgebrauch problematisch findet. Die norwegische Rundfunkanstalt Norsk Rkskringkasting (NRK) beschloss 2006 eine ähnliche Sprachregelung (aus Pippis Vater wurde z.B. ein sydhavskonge, also, genau wie bei mir, ein „Südseekönig“ [Link]).
In der englischen Übersetzung wurde schon in den fünfziger Jahren das Wort negro vermieden, die oben zitierte Passage klingt dort so:
“Imagine! A Cannibal Princess!” said Pippi dreamily. “Not many children become that. I shall look grand! I shall have rings in all my ears and a slightly bigger ring in my nose.”
“What else are you going to wear?” asked Annika.
“Nothing else,” said Pippi. “Not another scrap! But I shall have a cannibal of my own to polish me all over with shoe polish every morning. All I’ll have to do will be to put myself in the passage at night together with my shoes.” [Pippi Goes Aboard, p. 104].
Hier ist interessant, dass die Übersetzerin den Absatz mit der Schuhcreme, den ich ganz gestrichen habe, beibehält, aber den Satz mit der Begründung der Schuhcremebehandlung weglässt. Dadurch klingt das Ganze einfach nach einer weiteren von Pippis merkwürdigen Ideen.
Die Übersetzungen vermeiden allerdings keineswegs die Erwähnung der Hautfarbe der Inselbewohner. So spricht Pippi von „little black cannibal children“ (Pippi Goes Aboard, S. 121) und der Satz mit den blitzenden Zähnen klingt so: „their teeth flashed white in their black faces when they laughed“ (Pippi in the South Seas, S. 66).
Hat die englische Übersetzerin seinerzeit „zensiert“, hat sie unverhältnismäßig in Astrid Lindgrens Kunstwerk eingegriffen? Meiner Meinung nach nicht. Sie hat nur ihren Job als Übersetzerin gut erledigt.
Astrid Lindgrens Sprachgebrauch wird häufig damit verteidigt, dass sie das Wort Neger neutral und ohne rassistischen Beiklang verwendet hat. Der Oettinger-Verlag, der die deutschen Übersetzungen herausgibt, hat dem Text eine eine Fußnote mit dieser Verteidiung hinzugefügt:
[I]n diesem und folgenden Kapiteln wird der Ausdruck „Neger“ verwendet. Als Astrid Lindgren Pippi Langstrumpf geschrieben hat, war das noch üblich. Heute würde man „Schwarze“ sagen [Pippi Langstrumpf geht an Bord, S. 10].
Akzeptieren wir diese Verteidigung und nehmen an, dass das schwedische Wort neger in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts neutral war. Dann musste die englische Übersetzerin in den fünfziger Jahren ein englisches Wort finden, das ebenso neutral war. Negro war offensichtlich nicht so ein Wort, und person of color, oder was auch immer in den 1950ern als Alternative zur Verfügung stand, dürfte dem Sprachniveau nicht angemessen gewesen sein.
Natürlich hat die Übersetzerin mit ihrer Entscheidung, das Wort cannibal zu verwenden, neue Probleme geschaffen, aber sie hat im Rahmen dessen gehandelt, was man von Übersetzern erwartet.
Und genau das habe ich mit meiner Umbenennung auch getan: Selbst, wenn ich annehme, dass das Wort Neger in den fünfziger Jahren eine akzeptable Bezeichnung für die dunkelhäutige Menschen war, bleibt die Tatsache, dass es das 2004 nicht mehr war. Ich habe also das Deutsch der Übersetzerin Cäcile Heinig aus den 1950ern in das Deutsch des 21. Jahrhunderts übersetzt.
Mein Herausstreichen von Adjektiven wie schwarz und das Weglassen von Passagen, die mir dadurch nicht mehr verständlich erschienen, geht über eine sprachliche Übersetzung von Deutsch1950 nach Deutsch2000 hinaus, aber ich würde behaupten, es ist im Rahmen einer inhaltlichen Übertragung zwischen Kulturen, die ein Übersetzer ja auch immer miterledigen muss.
Wenn das Zensur ist, dann ist jede Übersetzung, jede Nacherzählung und jede Adaption Zensur. Die Idee, dass literarische Texte unantastbar und unveränderlich sein müssen, ist eine Fiktion, die mit der jahrtausendealten Tradition des Geschichtenerzählens nichts zu tun hat. Eine Geschichte, die sich nicht mit der Sprachgemeinschaft wandeln kann, in der sie erzählt wird, ist irgendwann nur noch toter Text.
[1] Textnachweise: Die deutschen Texte sind aus den Einzelausgaben des Oetinger-Verlags von 1968 zitiert (Übersetzung Cäcile Heinig), die englischen Texte sind nach der Ausgabe der Oxford University Press von 2002 zitiert (Übersetzung Marianne Turner).
[2] Ich konnte leider die oben zitierte Passage nicht im schwedischen Original auftreiben. Ich habe im Netz nur folgenden Textschnipsel gefunden, der aber stark verkürzt ist: „Negerprinsessa, tänk bara! Jag ska ha en egen neger som blankar mej med skokräm över hela kroppen, så att jag blir lika svart som dom andra negerbarna.“ Falls jemand den vollständigen Absatz in schwedischer Sprache hat, würde ich mich freuen, wenn er/sie ihn mir zuschicken würde.
“Wenn das Zensur ist, dann ist jede Übersetzung, jede Nacherzählung und jede Adaption Zensur.”
Nein, eine Nacherzählung fasst den Inhalt eines Textes zusammen und lässt somit Teile weg, bei einer Übersetzung werden Teile verändert, aber man versucht das weitestgehend zu verhindern. Zensur ist es, wenn man willentlich Abschnitte auslässt oder als Übersetzer mehr entfremdet als man muss um Teile die einem selbst nicht gefallen zu entfernen.
“Die Idee, dass literarische Texte unantastbar und unveränderlich sein müssen, ist eine Fiktion, die mit der jahrtausendealten Tradition des Geschichtenerzählens nichts zu tun hat. Eine Geschichte, die sich nicht mit der Sprachgemeinschaft wandeln kann, in der sie erzählt wird, ist irgendwann nur noch toter Text.”
Das trifft dann zu wenn ein Werk so alt ist, dass es heute kaum lesbar ist (Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch). Kann man es aber lesen, und ich vermute bei Pipi Langstrumpf im Schwedischen ist das der Fall, dann sollte das Buch nicht verfälscht werden.
Überhaupt sollte die ganze Weltliteratur politisch und anderweitig korrekt umgeschrieben werden: Mephisto wird Versicherungsvertreter (da es »in Wirklichkeit« keinen Teufel gibt), Dantes »Göttliche Komödie« wird bis auf die einleitende Szene im Wald komplett gestrichen und der Rest von den Grünen angemessen überarbeitet, die »Ilias« wird gleich ganz verboten, da sie gewaltverherrlichend ist usw. usf. O brave new world, that has such people in’t!
Bonaventura (#2), damit wir hier nicht ein Duplikat der Diskussion zum „Legosexismus“-Beitrag bekommen: es geht nicht um das Umschreiben von Geschichten (obwohl das eine ehrwürdige literarische Tradition hat. Oder dachten Sie, Dante, Goethe oder Homer haben sich die jeweiligen Geschichten selbst ausgedacht?).
Es geht hier darum, dass Geschichten sprachlich zeitgemäß übersetzt werden.
An Bonaventura:
Und die Fußballgeschicht auch: “Werder Bremen hat gestern entgegen anders lautender Nachrichten haushoch gewonnen”
Bedenkt man, dass Pippi Langstrumpf dem Genre des Märchens bzw. der Fantasy zuzuordnen ist, sehe ich überhaupt kein Problem mit den ‘Negern’ und deren Beschreibung. Es handelt sich hier um Phantasiefiguren einer Pahntasierasse von einer Phantasieinsel. So wie Pippi Langstrumpf ein Phantasiemädchen in einem — nostalgisch verklärten — Phantasieschweden ist. Astrid Lindgren ist wohl kaum eine rassistische Agenda anzulasten, ich hatte immer den Eindruck, sie sei getrieben von einem inneren Humanismus.
Komischerweise habe ich noch nie Klagen über die Darstellung von Nazis oder russischen Kommunisten bzw. ‘terroristischen Nazi-Kommunisten’ in Hollywoodschinken und TV Shows gehört. Ich bezweifle denn doch einmal sehr stark, dass die Nazis in der Indiana Jones Reihe irgendetwas mit den historischen Nazis zu tun haben — außer einigen Äußerlichkeiten natürlich. Das gleiche gilt für die Kommunisten [Crystal Skull], Japaner, Chinesen, Inder …
Wie geht Familie Stefanowitsch mit Jim Knopf um?
Für manchen Schriftsteller ist schon der Druck eines Buches in reformierter Rechtschreibung Zensur. Auch bei Übersetzungen (Appell 2003, Grass, Walser, Enzensberger …)!
Andere fragen nach Texten, die man nicht umschreiben kann — ob man z.B. den ‘Huckleberry Finn’ Kindern in die Hand geben darf. Eine Lehrerin verneinte das neulich entschieden. Auch ‘Onkel Toms Hütte’ sei auszusortieren. Als ich das albern fand — schob sie es auf mein Alter. ‘Moderne Pädagogen’ seien da ‘doch einig’.
Zeitgemäß übersetzen? Wer es ganz unterlässt, macht sicher nichts falsch.
Noch eine Frage. Wenn ‘wir’ die ‘Weißen’ sind und alle anderen die Farbigen (gleich welcher Farbe), ist das nicht schlimmer? Können wir (dem Auge ja präsente) Hautfarben nicht mehr benennen? ‘Insulaner’ ist eine harmlose Alternative, löst aber dieses Problem kaum. ‘Der Neger’ will und soll keiner sein — die Texte aber sagen (wie stets) weit mehr über die, die sie schrieben, als über die, die beschrieben sind. Treiben wir ihnen den Ungeist so aus, dass wir den Geist erhalten: welcher ist das dann? Was wird man morgen aus dem Heutigen streichen? Die Mensch/Tier-Moral?
Auch wenn ich Herr Stefanowitsch gut verstehen kann, was die Abneigung gegen das Wort ‘Neger’ verstehen kann – und ich finde, dass man durchaus ‘Inselbewohner’ sagen könnte, ohne Lindgrens Werk einen Abbruch zu tun, habe ich trotzdem ein Problem damit, dass die Inselkinder auf einmal nicht mehr schwarz sein sollen: Wo liegt denn das Problem, wenn man erwähnt, dass die Bewohner dieser Insel eine andere Hautfarbe haben? Bei Lindgren … oder bei uns?
Natürlich ruft die Schuhcremereferenz Assoziationen an blackface minstrelsy hervor, aber genauso ließe es sich für den Leser so verstehen, dass Pippi einfach ‘dazugehören’ will – eigentlich die natürlichste Motivation der Welt, gerade für ein Mädchen, das sowieso nirgendwo wirklich hingehört.
Es soll mir jetzt aber nicht darum gehen, ob man die Schuhcremestell auslässt oder nicht – es geht mir darum, dass es sich für mich so anhört, als spielte die Hautfarbe auf einmal keine Rolle. Das ist doch aber, wenn wir mal ehrlich sind, eben gerade nicht der Fall – warum ließen wir dieses Detail der Beschreibung sonst aus?
Diese Form der Farbenblindheit macht Abweichungen von der impliziten Norm unsichtbar. (Und diese Norm ist in unserem Kulturkreis nun einmal ‘weiß’ – schließlich würde ja niemand darauf hinweisen, dass es sich bei einem Buchcharakter explizit um ein weißes Kind handelt.) Ich finde, dass man sich und den Kindern damit eine Gelegenheit nimmt, Fragen zu stellen: Warum sind andere Menschen schwarz? Warum wird deren Verhalten anders beschrieben? Hat das etwas mit der Hautfarbe zu tun? Kann ich auch dunkel werden? Warum malt Pippi sich an? Würdest Du dich anmalen? Ist das problematisch? Wie ist man früher damit umgegangen, wie geht man heute damit um? Welche Privilegien haben wir, allein deswegen, weil wir weiß sind? Und so weiter…
Ich weiß nicht, ob ich hier Links reinstellen darf, aber ich glaube, die folgenden Quellen (Wikipedia und ein PDF-Artikel des Psychological Review) bringen es besser auf den Punkt als ich es könnte.
http://www.predictablyirrational.com/pdfs/pcgame.pdf
http://en.wikipedia.org/wiki/Race-blind#Criticism_of_Color_blindness
So, und jetzt entschuldige ich mich für den viel zu langen Kommentar und wünsche allen einen schönen Feiertag.
Guten Tag!
Ich finde ehrlich gesagt, dass die echte Geschichte gar nicht so schlimm ist: Die Vorstellung von nackten „Negern“_1950 (also Schwarzen_2009) war sicher schon damals als naiv zu durchschauen (wie PL ja immer naiv ist und sich die Welt zurechtbiegt – nur dass die Welt es mal mit sich machen lässt), aber es ist doch offensichtlich, dass sich PL in dieser Szene gerade *nicht* über die „Neger“_1950 (also Schwarzen_2009) erhebt: „Damit ich ebenso schwarz werde wie die anderen Neger.“_1950/Kindersprache Also: Man (äh, frau, äh: mädchen) passt sich einer fremden (wenn auch imaginären) Kultur respektvoll an, indem man den Kleidungsstil der Fremden und sogar deren Hautfarbe übernimmt!
(Der Hautfarbwechsel gehört sicherlich in die Kategorie der spielerischen Hygienefimmelkritik bzw. zum Topos: Kinder mögen „Dreck“ – der Aspekt ist wahrscheinlich nicht mehr politisch korrekt wiederzugeben, da wir bleichen Leute nun leider „schwarz“ werden, wenn wir uns im handelsüblichen Dreck suhlen; bis man darüber wieder ungezwungen lachen kann [und dann noch ohne gegenseitige Abwertung], dürfte einige Zeit vergehen.)
Modern übersetzt (und auf erwachsen getrimmt) wäre das doch: „Ich mache dann einen Südseesprachkurs und integrier mich ganz brav in die Gesellschaft, wie das ganz normal ist.“_2009/Erwachsenensprache Das kann man doch nicht unterschlagen!?
Es mag im Ko(n)text der Szene auch abwertende Stellen geben (ich habe PL nur televisionär konsumiert, und das ist zwanzig Jahre her) –, aber diesen Abschnitt finde ich – im Rahmen eines naiven Kinderbuches aus alter Zeit – überraschend verdaulich. Oder habe ich etwas falsch verstanden?
(Inhaltlich wäre vielleicht „rassistisch“, dass PLs Vater gleich König wird, aber das könnte man unter „Kinder vergöttern ihre Eltern“ verbuchen, was damals wohl gelegentlich noch vorgekommen sein soll, auch wenn wir’s heute hoffentlich überwunden haben, oder, wie Dierk vorschlägt: unter „Märchen“; beides ist jedenfalls nicht notwendigerweise böse.)
Diese Frage halte ich für ehrenrührig! Ich verlange, dass sie umgeschrieben wird!
Jim Knopf muss man sicher sehr differenziert bewerten, ich habe es mir seit zwanzig Jahren nicht angesehen, aber die Sprache scheint mir relativ unproblematisch. Ich habe ein bisschen herumgeblättert und nur ein Vorkommen des Wortes Neger gefunden:
Das trägt eher zur Charakterisierung von Herrn Ärmel bei, der in der Folge ja auch keine besondere Rolle mehr spielt.
Die klischeehafte Darstellung des alten China und der chinesischen Sprache nervt mich etwas, aber sie ist immerhin differnziert genug um daran Diskussionen über das echte alte China anzuknüpfen, wenn man denn will. Insgesamt bin ich kein Fan von Michael Ende, mir ist das alles ein bisschen zu clever, ich habe es als Kind auch nicht richtig verstanden, aber das ist wohl Geschmacksache.
Huckleberry Finn habe ich nun wirklich oft genug kommentiert, ebenso, wie die Frage, ob und wann man meiner Meinung nach Hautfarbe zum Thema einer Geschichte machen sollte.
Onkel Toms Hütte ist unerträglich stereotyper Sozialkitsch, interessant für Literaturwissenschaftler oder Literaturhistoriker, aber sicher nicht geeignet, um es Lesern vorzusetzen, die sich mit der Geschichte der Sklaverei in den Südstaaten nicht schon hervorragend auskennen und den Text anhand ihres Hintergrundwissens relativieren können.
Hannah Stoffer (#8), das ist ein interessanter Einwand und interessante Links. Ich habe damals beim Vorlesen nicht unterschlagen, dass die Kinder schwarz waren (das war auf den fürchterlichen Illustrationen ja auch klar zu erkennen), ich fand nur, dass man es nicht in jedem Satz extra erwähnen musste.
Bernhard (#9), Pippi sagt: „Aber ich werde einen eigenen Neger haben, der mir jeden Morgen den ganzen Körper mit Schuhcreme putzt…“ — darin sehen Sie keine Überheblichkeit?
sonnst stört es dich doch auch nicht, gläubige zu beleidigen, wieso darf man das bei frauen und negern plötzlich nicht? typisch scheinheiliges intellektuellengelaber. und tschüss. olfie
Applaus, Applaus für all das ordentliche Belegen.
Darüber hinaus würde ich Bernhard und Hannah Stoffer zustimmen.
Ein toter Text?
Ist immer jener, dessen Zeitlichkeit künstlich entzogen wird.
Stoffe können zeitlos sein, Texte nicht.
(Das haben Sie übrigens bei dem Verweis auf die Tradition des Geschichtenerzählens unterschlagen.)
Deshalb ist Pippi Langstrumpf ein ungeeignetes Beispiel, um grundsätzlich zu werden. Wir können uns nämlich bestimmt darauf einigen, dass für Kinderbücher ein paar Ausnahmen gelten können. Ich finde Ihre Veränderung des Textes legitim, da man von Kindern nicht verlangen muss, Bücher vor dem Hintergrund ihres histiorischen Kontextes zu lesen. Aber vielleicht hätten Sie die Stellen auch unverändert lassen und die Sprache Lindgrens in ein Gespräch mit Ihrer Tochter einbauen können.
Grundsätzlich kann ich Ihrer generellen Schlußfolgerung nicht zustimmen, denn sie schließt eine Bevormundung des Lesers mit ein. Im Gegenteil ist es gar nicht politisch korrekt, einen Text bewusst zu “beschönigen”, indem man durch Übersetzung einen zu kritisierenden Aspekt verschwinden lässt (auch wenn der Aspekt für den plot eines Textes nicht entscheidend sein mag).
Texte sollten nicht so aussehen müssen, als könne man sie auch heute noch problemlos so aufschreiben. Und Fachleute (und auch Politiker) könnten den Lesern ruhig etwas mehr zutrauen.
Hat jemand mal überlegt, dass die Krönung eines schwedischen Trunkenbolds zum “Negerkönig” auch als Ironie gedeutet werden könnte? Dass darüber hinaus weiße Zähne im Kontrast zu schwarzen Gesichtern besonders schön „blitzen“, ist nicht so sehr ein Klischee, sondern vielmehr ein optischer Effekt, eine (vielleicht politisch unkorrekte, aber physikalisch) korrekte Beschreibung unserer Wahrnehmung.
Ich möchte gleich provozieren und einen politisch unkorrekten Witz dazu erzählen. „Wisst ihr, wie Zebra-Streifen in Südafrika zu Zeiten des Apartheid-Regimes hergestellt wurden? Man überfuhr lächelnde Neger mit der Walze.“ Klar, der Witz IST rassistisch, aber lachen kann man trotzdem, nur eben über den groben, manifesten Rassismus, den man somit auf die Schippe nimmt.
Ich finde literarische Produkte auch nicht unantastbar, die Methode des Zurechtstutzens, um dem heutigen Sprachgebrauch zurecht zu werden, hingegen für etwas fragwürdig. Man könnte den Kindern doch erklären, dass man heutzutage das Wort „Neger“ nicht mehr ohne Bedenken und in jeder Situation verwenden darf. (Beigedanke: im Wienerischen verwendet man das Adverb „neger“ als ein Synonym für „pleite“. Sogn´s amoi dem Weaner, er derfet des nimmer.).
In anderen Sprachen ist zumindest in der Umgangssprache der Versuch, die Sprache nach Prinzipien der politischen Korrektheit zu reformieren, kläglich gescheitert. Nach dem französischen und dadurch etymologisch kongruenten Modell (das sich wiederum am Vorbild des American English orientierte), noir, négresse durch gens de couleur zu ersetzen (was dort auch nicht ganz gegriffen habe, wie man hört), versucht man nun auch im Rumänischen, die Wörter negru, negresă durch om/femeie de culoare zu ersetzen. Das Ergebnis? Das Wort colorat (= Farbiger) wird nun fast ausschließlich als eine ironische bis rassistische Bezeichnung der Roma verwendet.
Übrigens empfand ich die Diskussion zum Thema „Legosexismus“ (oder zumindest zu dem, was A.S. darunter versteht) gar nicht als Streit, vielmehr waren die abstrusen Züge bedenklich, die so manche Argumentationen annahmen.
Ein in den USA aufgewachsener Kumpel, dem ich von dieser Diskussion erzählt habe, meinte kopfschüttelnd: „Die da in Deutschland spinnen ja noch mehr als die Amies“. Später, als der erwachsene Mann mit langen blonden Haaren und blasser Haut in einem Schwarzenghetto als Lehrer arbeitete, verpassten ihm seine Schülerkids (überwiegend Afroamerikaner und Hispanics) den „liebevollen“ Spitznamen „The Spectre“. Der Mann hat auf jeden Fall Humor und lacht heute noch drüber.
Das sollte uns zumindest zum Nachdenken anregen, warum wir „Bleichgesichter“ nur dann von Rassismus sprechen, wenn Weiße bestimmte Wörter für Andersrassige verwenden, umgekehrt soll’s aber salonfähig sein. Wenn man Spike Lee glauben darf, werden schwarze Frauen mit heller Haut „sugar babes“ genannt und sollen unter schwarzen Männer besonders begehrt sein. Was man wiederum und immer wieder als Spätfolge des weißen Rassismus interpretiert.
Fazit – und sorry für den langen Kommentar: Ich glaube manchmal auch, dass es euch in Deutschland zu gut geht, wenn ihr soviel Zeit für solche Diskussionen habt. Zwar finde ich sie z.T. auch albern, aber im Unterschied zu dem Bielefelder Fußballfan halte ich die Diskussion bei weitem nicht für die dümmste. Es gab ja 2001 den entgeisternden Disput um die sogenannte Hundeverordnung in NRW.
Die Anpassung mündlich überlieferter Texte, auch oraler “Literatur”, an aktuelle Begebenheiten ist das Normalste der (vor- und frühschriftlichen) Welt. Den materialisierten Körper literaler Literatur anzutasten, gilt hingegen als Frevel, da damit das Gesamtkunstwerk und die Autorität des Autors angegriffen wird. Einzig die (bevorzugt synchrone) Übersetzung genießt gewisse Freiheiten — und die Adaption durch andere Künstler (zB Aufführung).
Nun kann man aber darüber streiten, wie weit das Kindern Vorlesen konzeptionell schriftlich oder mündlich ist. Von der Antwort hängt der akzeptable Interpretationsspielraum ab.
Übrigens sind solche individuell-pädagogischen Eingriffe bei komplexeren Medienformen, insbesondere audio-visuellen oder programmatisch-interaktiven, schwieriger bis unmöglich, aber mglw. behördlich zu leisten (=> FSK etc.), aber inwiefern man das will, ist ebenfalls eine potentiell endlose Diskussion.
Aus dem Hauptkonflikt hier halte ich mich raus,
aber aus dem ehrenwerten Versuch hier kleine Kinder vor einer möglichen rassistischen Verdummung zu schützen werden sie hier offenbar (unabsichtlich) anderweitig verdummt.
„Neger“ leben in Afrika. In der „Südsee“ leben Polynesier, mit [auffallend heller Haut gegenüber anderen Bewohnern Ozeaniens.] (Wikipedia)
So oder so liegt die Südsee im Pazifik.
Mit zig Tausenden Inseln a la Robinson Crusoe oder Taka-Tuka.
http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdsee#Geografie
Afrika hingegen liegt zwischen dem Atlantik und dem Indischen Ozean, als kompakte Landmasse mit nur sehr wenigen vorgelagerten Inseln. (Madagaskar, Sansibar, Kap Verden)
Man könnte Afrika vielleicht selbst aus europäischer Sicht als eine Art Insel bezeichnen. Meiner Meinung wird das auch vielfach von Europäern getan, dank den Nachrichtensendungen und den Weltkarten in “Mercator-Projektion”.
Aber es ist eine große „Insel“ eine sehr, sehr große:
http://strangemaps.wordpress.com/2006/11/20/35-the-size-of-africa/
„Neger“ und „Südseeinsel“ sollten sich jedenfalls in diesem Jahrtausend in Kinderbüchern ausschließen.
MfG
Die Notwendigkeit des Austauschens von Wörtern aus Gründen der Political Correctness ergibt sich nur aus einem speziellen sprachlichen Phänomen: Alte Wörter verlieren ihre hohe oder neutrale Wertung mit der Zeit ihrer Benutzung und enden mit einer negativen Bedeutung.
Das gilt nicht nur für die Reihe: Neger -> Schwarzer -> Farbiger -> Afroamerikaner. Das gilt beispielsweise auch für: Weib -> Frau -> Dame. Ursprünglich bedeutete “Weib” nur einfach einen Menschen weiblichen Geschlechtes. Die “Frouwe” war adligen Persönlichkeiten vorbehalten. Als diese beiden Wörter mit negativen Bedeutungen behaftet waren, musste man auf Fremdsprachen zurückgreifen und “Dame” einführen.
Ich stimme dem allgemeinen Tenor zu : Neger war mal neutral, ist es aber nicht mehr. Entsprechend ist eine Neuübersetung sinnvoll (anders als wenn man die Standesbeschreibung “Master” nicht mehr mit “Herr” sondern mit Chef” übersetzen würde, wie wohl bei Herr der Ringe geschehen).
Die Hautfarbe zu unterschlagen halte ich aber für verfehlt, gerade weil sie ja nun einmal Realität ist — Der Rassismus wurzelt zwar im “andere seind anders” aber die Untrerschiede zu ignorieren würde dem imho eher Vorschub leisten. Menschen sind unterschiedlich und das ist auch gut so!
Die Textstelle mit der Schuhcreme hätte ich folgendermaßen übersetzt:
” Nichts weiter“, sagte Pippi. „Nicht eine Spur mehr! Aber ich werde einen eigenen Untertanen haben, der mir jeden Morgen den ganzen Körper mit Schuhcreme putzt. Damit ich ebenso schwarz werde wie die anderen Inselbewohner. Ich stelle mich jeden Abend zum Putzen raus, gleichzeitig mit den Schuhen.“
Immerhin will sie ja eine Prinzessin werden, da hat sie nun mal eine besondere Stellung. Ich denke auch nicht, dass da Kolonialismus mitschwingt — Welches Kind möchte nicht mal König oder Königin sein? (oder zumindest ein Zauberer… aber das ist eine andere Geschichte)
Es ist dann manchmal doch verblüffend, dass man auch in interessanten Blogs wie dem Sprachblog auf Menschen trifft, die man da eigentlich nicht erwartet hat. Nein, es ist nicht verblüffend, es ist einfach traurig. Aber eine gute Nachricht habe ich für alle, die sich den “Neger” nicht verbieten lassen wollen: Es verbietet ihnen doch keiner! Sie können den Begriff doch so oft benutzen wie sie wollen, ohne dass ein Ordnungs- oder Strafverfahren gegen Sie eingeleitet wird. Man weiß dann einfach, mit wem man es zu tun hat. (Jaja, ich weiß: Rassisten sind immer die anderen)
Meiner Ansicht nach halte ich für Kinder Rassismus in Büchern, genauso wie die andere Variante der “Literaturverstümmelung” für irrelevant.
Als ich (junges) Kind war, hab ich Bücher vor allem als eins verstanden: Geschichten.
Übertragung in die wirkliche Welt gabs nicht, dazu fehlte einfach das umfassende Verständnis und viel Hintergrundwissen.
Erst so ab ca. zwölf änderte sich das dann langsam. (Diese absolute Aussage bezieht sich genaugenommen nur auf Erfahrungen mit meiner Kindheit)
Sobald man eher in der Lage ist, solche Texte und Geschichten mit der Realität abzugleichen, finde ich aber eine möglichst nahe Übersetzung, die gerade noch verständlich ist — im Beispiel von einem Wort wie Neger muss man z.B. klarstellen inwieweit es in diesem Kontext abwertend war — die bessere Lösung.
Allerdings nur vorausgesetzt, jemand achtet auch darauf dass gewisse Sachen kritisch betrachtet werden, normalerweise ein Elternteil oder ein Lehrer.
Solche Texte erzählen auch sehr viel über gesellschaftliche Entwicklungen und regen zum Nachdenken über die Gründe für diese Entwicklungen an, helfen so, diese besser zu verstehen und auch zu unterstützen und zu akzeptieren.
Eine Filterung wegen politischer Korrektheit halte ich da eher für problematisch, und hilft meiner Ansicht nach nur Kindern von Eltern, die sich so oder so nicht um ihren Nachwuchs kümmern.
@Wentus
‘Afroamerikaner’? Meines Wissens sind die meisten “Neger” durchaus keine Amerikaner. Mir fehlt da übrigens noch die deutsche Entsprechung, falls jemand einen guten Vorschlag hat.
@corax
Vollkommen d’accord was die Fakten angeht. Das ist einer der Gründe, weswegen ich auf die Märchenwelt der Langstrumpf-Abenteuer hinwies [gerade auch im Vergleich zu Bullerbü und Saltkrokan]. ‘Südsee’ scheint mir hier doch eher ganz allgemein für exotisch, warm, Piraten etc. zu stehen, könnte also auch auf die Karibik oder Madagaskar gemünzt sein.
@Anatol
Ich bin auch kein großer Fan von Herrn Ende, dachte auch mehr an die Puppenkisten-Version und die viel spätere Zeichentricksache.
Wahrscheinlich führt es zu weit, jedem Märchen Political Correctness verleihen zu wollen. Dürfen wir dann noch von “Hexen” erzählen? Oder müssten wir sie gegen “Keltische Schamaninnen” austauschen? Müssen wir jedesmal hinzufügen, dass der Vorwurf der Kinderfresserei nur eine Rufmord-Kampagne war? Müssen wir den Kindern erklären, dass sich das Krokodil im Kasperle-Theater völlig artfremd verhält?
Andererseits wäre es wahrscheinlich wirklich besser, unseren Kindern keine Unwahrheiten aufzutischen und auf Nonsens-Geschichten wie den Weihnachtsmann zu verzichten.
@Wentus: Wahrscheinlich? Natürlich! Darum geht es hier ja um erster Linie um die Verwendung des Wortes “Neger”…
Und apropos Märchen: “Der Jude im Dorn” findet man nicht mehr in Märchensammlungen, obwohgl es doch ein Grimm-Märchen ist. Übertriebende Politcal Correctness? Oder noch nur ein Anpassen an heutige Werte und Normen?
Lieber O.Jeh,
in der Tat ! Es empfiehlt sich Texte, selbst wenn es sich nur um Kommentare in Blogs handelt, richtig zu lesen. Ihr Kommentar ist ehrverletzend, da sie hier ernsthaften Diskutanten etwas unterstellen. Ich zumindest habe den Kommentaren nicht die Sehnsucht nach der Verwendung des Begriffs “Neger” entnommen.
Lieber Herr Stefanovic,
ich habe im Privaten sogar eine gewisse Sympathie für ihr Vorgehen, gesellschaftlich finde ich die Anpassung von literarischen Texten an den Werten der pc sehr bedenklich.
Der Link zu einem Artikel aus der Kritischen Ausgabe zeigt, dass Huxley immer realer wird und hier die Gefahr der Zensur lauert. Wer weiß denn, was die Leute zukünftig anstößig finden werden und deshalb verbannt/angepasst sehen wollen ?
Der Kommentator aus dem Legobeitrag hat leider Recht, in den Kindergärten und Grundschulen gibt es mittlerweile zum Teil ein Glücksterror, der den Buben ein “korrektes” Verhalten aufoktroyiert; wenn die Menschen, die so einen Unfug durchsetzen, auch noch Zugang zu den Büchern bekommen, muss man sich ernsthaft Sorgen machen.
Vielleicht gestaltet es die Diskussion uebersichtlicher wenn wir feststellen dass es hier um zwei verschiedene Fragen geht:
1.) Darf man alte UEBERSETZUNGEN verbessern, wenn sich Sprachbedeutungen verschoben haben? Oder gehoehrt die Uebersetzung zum Kulturgut dazu? Diese Frage betrifft die “Neger”-Frage. aber auch z.B. ob es erlaubt waere die Shakespear-Uebersetzungen bei denen “News” mit “Zeitung” uebersettzt wurde, zu verbessern.
2.) Wie geht man mit inhaltlichen Passagen in Kinderbuechern um, die heutzutage aus paedagogischenethischen Gruenden bedenklich sind? Wie eben z.B. die Frage um den “Juden im Dorn” oder der Handlungen von Pipi als Prinzessin der dunkelhaeutugien Suedseebewohner.
Worauf bezieht sich der Krimileser?
Es geht hier darum, Geschichten zu erzählen. Ich frage: wem erzählt man sie?
Liest man einem Kind ein Buch vor, so kann von einem Alter ausgegangen werden, in dem Sinn für Ironie und geschichtliche Zusammenhänge nicht vorausgesetzt werden können. –> Anpassung an korrekten, modernen Sprachgebrauch ist aus didaktischen Gründen angezeigt.
Kauft sich aber ein Mensch ein Buch selber, so können eben diese Eigenschaften eingefordert werden, entsprechend darf in Mozarts Zauberflöte ein Moor vorkommen und auch so genannt werden etc.
Grundsätzlich denke ich, dass die Amerikaner nie aufhören werden, ihren Minderheiten jedes Jahr einen neuen politically correcten Namen zu geben, solange sie nicht anfangen, diese auch menschenwürdig zu behandeln. Vielleicht sollte man mehr an der Realität des Zusammenlebens und weniger am Sprachgebrauch rum basteln.
Sprachwandel ist etwas, das nach Rudi Keller von einer “unsichtbaren Hand” geleitet wird. Anpassungen wie beim Neger sind aber ganz bewusst provoziert mit politischem Kalkül. Das sollte nicht verwechselt werden.
Simone, meiner Erfahrung nach sind Kinder uns Erwachsenen weit voraus, wenn es um Verständnis geht. Nicht zuletzt, weil sie weitgehend frei von unseren geistigen Korsetten sind; es dauert bis in die Pubertät, dass diese aufgebaut werden. Endgültig durch ist das dann irgendwann Mitte 20.
Kinder sind erheblich robuster als Eltern gerne meinen. Meine Güte, die meisten kommen gesund durch Steiner-Schulen!
PS: Wie heißen denn nun Menschen afrikanischer Herkunft [abgesehen von den Nach-Evanern in Asien und Europa] in D?
“Afrodeutsche” lautet eine gängige Antwort auf diese Frage.
http://de.wikipedia.org/wiki/Afrodeutsche
http://www.afro-deutsch.de/afrodeutsch.html
“PS: Wie heißen denn nun Menschen afrikanischer Herkunft in D?”
Afrikaner? ^^
Ramses101 hat einen guten Ansatz, klingt natürlich, trifft den ökologischen Zusammenhang [“Rasse”] und geht weg von politischen Kategorien. Und damit zeigt sich auch schon das Problem von Newspeak, es ist politisch motiviert, arbeitet also auch mit politischen Kategorien.
Das Schlimme an political correctness und der bisher m.W. unbenannten rechten New Def — Neudefinition — ist, dass die Themen, Phenomene, Dinge etc. verwässert werden. Die rechten Ideologen wollen üblicherweise nicht ihr eigenes Gewissen betrügen [zumindest nicht zuvörderst], sondern ganz klar Propaganda betreiben. Sie belügen bewusst Menschen, um ihre eigene Weltsicht durch- und umzusetzen. Linke Ideologen, oft auch als “Gutmenschen” bezeichnet, denken, dass die Welt besser wird, wenn man die Begrifflichkeit ändert.*
Folter bleibt Folter auch wenn wir von enhanced interrogation sprechen, ebenso bleibt ein Behinderter behindert egal wie wir ihn nennen. Wie sieht es nun aus mit ‘Neger’? Es ist einfach die eingedeutschte Version des lateinischen Wortes für Schwarz, somit also in jeder Hinsicht bedeutungsgleich mit ‘Schwarzer’. Und trotzdem …
In den USA wurde das gleiche Wort, ’negro’, von rassisitischen Gruppen verballhornt zu ’nigger’ und dann klar beleidigend eingesetzt, nicht gegen einzelne, sondern gegen die gesamte Gruppe. Wichtig: Die gruppenspezifische Bezeichnung war hier von Anfang an abwertend gemeint. Ich bezweifle, dass dies in D genauso war. Selbstverständlich gab es die grundsätzliche Einstellung, die verschiedenen menschlichen Rassen seien hierarchisch gegliedert und je weniger ein Mensch kaukasisch aussah desto mehr war er ein Tier. Das hat aber erst einmal gar nichts mit der Gruppenbezeichnung zu tun.
Möglicherweise wurde ‘Neger’ von den Nazis negativ benutzt, obwohl Menschen mit direkter afrikanischer Herkunft wohl kaum deren Hauptziele waren. Hinzu kommt, das Nazis gegen alle etwas hatten. Die abwertende Konnotation zu ‘Neger’ dürfte sich in Mitteleuropa erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt habe. Ich wage mal die These, es war eine Übernahme aus den USA in den 1970ern.
Ich plädiere hier nicht dafür unreflektiert beleidigende Worte zu benutzen. Ich sehe allerdings ein große Gefahr darin, die Welt schönreden zu wollen. Das funktioniert nicht, Probleme gehen nicht weg, indem man sie neu benennt.
Warum nicht Astrid Lindgren so vorlesen, wie sie es geschrieben hat und später mit den Kindern drüber reden? Wenn man den erhobenen Zeigefinger weg lässt, so meine Erfahrung, interessieren sich die Kids sehr wohl auch für komplexere Phänomene. Ich sehe nicht, weshalb man nicht mit seinen Kindern versucht, Pippi Langstrumps Südsee zu untersuchen, sie mit der Realität zu vergleichen. Gerade das Piratenwesen eignet sich dafür hervorragend.
*Ich halte beide Arten von Newspeak für gleich gefährlich, allerdings ist seltsamerweise die political correctness linker Prägung näher an Orwells Erfindung.
erinnert mich irgendwie an Pinkers Euphemismus-Tretmühle
@Dierk: Sie können ihrem Kind natürlich Astrid Lindgren “im Original” vorlesen. Vorteil: Sie müssen ihrem Kind später nicht erklären, wie rassistische Stereotype und Vorurteile in die Welt kommen. Sie können auch Astrid Lindgren “im Original” vorlesen und mit ihrem 8 — 10 Jahren alten Kind danach noch eine Diskursanalyse durchführen: Vorteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kind später Soziologe oder Literaturwissenschtler(-in) wird, ist groß. Nachteil: Es wird wahrscheinlich nicht ihre Vorstellung teilen, dass ihre “wertneutralen” Begriffe so wertneutral sind, wie sie behaupten (“ein Behinderter bleibt] behindert egal wie wir ihn nennen”, bzw. “Wie sieht es nun aus mit ‘Neger’? Es ist einfach die eingedeutschte Version des lateinischen Wortes für Schwarz, somit also in jeder Hinsicht bedeutungsgleich mit ‘Schwarzer’”). Fragen Sie sich doch mal, warum es nicht mehr “Aktion Sorgenkind” heißt, sondern “Aktion Mensch”? Die Umbenennung mag ja nichts an der Behinderung der Betroffenen geändert haben, aber an ihrer Würde schon. Setzen Sie sich doch mal ernsthaft mit Diskurstheorie auseinander, vielleicht reproduzieren Sie danach nicht einfach die Polemiken rechts-konservativer Journalisten.
PS: Folter als “enhanced interrogation” zu bezeichnen hat aber auch gar nichts mit “politischer Korrektheit” zu tun, sondern ist einfach ein Euphemismus für eine widerwärtige Praxis. Merke: Nicht jeder Euphemismus ist “p.c.”
Ich habe noch nie verstanden, was an dem Wort “Neger” so schrecklich sein soll. Oder an “Indianer”.
@Achim: Vielleicht liegt das ja daran, dass sie weder das eine noch das andere sind.
Da liest ein Vater seinem Kind ganz privat eine Geschichte in leicht veränderter Form vor.
Und das ist das Echo: Massenhaft akademisch klingen wollendes, heftiges Kopfschütteln. Dann will ich den Duktus mal aufnehmen:
Laut Seneca ist der Wissenschaft nichts verhasster als zuviel Scharfsinn. Und wenn ich die Kommentare hier durchlese, ahne ich wie das gemeint ist: Dieser Eifer entlarvt seine Autoren!
Und meine Meinung ist: Der Mann hat privat gelesen. Fürs Kind. Das kann er doch halten wie er will?! Und im Übrigen hätte ich es wohl ähnlich gemacht. Wer noch immer nicht verstanden hat, warum Herr Stefanowitsch das Wort “Neger” vielleicht vermeiden mag, dem sei ein Besuch der Website http://www.derbraunemob.de ans Herz gelegt.
O. Jeh, eigentlich weiß ich gar nicht, was ich von Ihrem Blah halten soll. Nun, zumindest haben Sie meinen Sermon bestenfalss oberflächlich gelesen, sonst wäre Ihnen aufgefallen, dass ich wohl kaum rechts-konservative Journalisten nachplappere. Patrick Schulz hat richtig erkannt, dass ich die Analyse Steven Pinkers teile [obwohl ich erst nach seinem Hinweis noch einmal nachgelesen habe].
Interessanterweise haben Sie etwas gegen das, was ich New Def nennen — also die Benutzung unverfänglicher Begriffe, um sich möglichst vielen anzubiedern -, meinen aber offenbar, OC sei irgendwie hehrer. Sein wir doch einmal ehrlich, PC dient dazu einen meist unschönen Tatbestand schön zu reden, damit wir uns wohler fühlen können. Es ist die billigste Art, sich sein Gewissen gut zu kaufen*.
Die Aktion Sorgenkind hat sich aus Marketing-Gründen umbenannt. Was mir in Ihrem Posting fehlte, war der schöne Satz ‘Der Behinderte ist nicht behindert, die Gesellschaft behindert ihn.’ Ein gefundes Fressen für Linguisten …
Ich bin mir nicht sicher, wie viel Kontakt zu [kleinen] Kindern Sie haben, aber Tatsache ist, dass Kinder neugierig sind, zuhören können, auch Komplexeres ganz gut verstehen können. Selbst die armen Blagen, die von Eltern überhätschelt und entweder zu Nervensägen oder zu Tode behütet werden. Wirklich, Kinder sind sehr intelligent und sehr robust.
@AndreasK, Anatol S. hat seinem Kind privat vorgelesen, dann aber öffentlich darüber geschrieben und gefragt. Wie jeder geistig gesunde Mensch hat er also Selbstzweifel gehabt. Da wird man doch wohl antworten dürfen.
*Ich bevorzuge, armen Schluckern zu helfen, z.B. Bettlern, deren Job es ist, mir ein gutes Gewissen für ein oder zwei EURO zu geben.
@AndreasK: Der Hinweis auf http://www.derbraunemob.de ist wohl das, was man ein klassisches Eigentor nennt (Ich sag nur: Resolution gegen rassistische Getränkebezeichnungen in Bayern). Und leider bleibt es bei der Tatsche, dass ihre Argumente genau aus der Ecke kommen, von der sich zu distanzieren versuchen, auch wenn ihnen das nicht gefällt.
@Dierk: Ich weiß nicht, ob ihr ‘Der Behinderte ist nicht behindert, die Gesellschaft behindert ihn.’ zynisch, sarkastisch, ironisch oder am Ende gar ernst gemeint ist. Aber Tatsache ist, dass (fast) genau dies Diskurstheorie beschreibt.
Aber es gibt ja auch noch eine ganz andere Sichtweise: A. Lindgren hat Pipi Langstrumpf in den 40ern des letzten Jahrhundert geschrieben. Meinen sie nicht, dass es möglich wäre, dass Frau Lindgren die Südseebewohner zu einem späteren Zeitpunkt ganz anders geschildert hätte? Und als Merkmal der Differenz nicht die Hautfarbe, sondern die kulturelle oder soziale Praxis genommen hätte? Denn dies unterscheidet doch sie und mich von diesen Menschen und nicht die Hautfarbe. Sonst müssten sie auch behaupten, dass Patrick Owomoyela ein “anderer” Deutscher als sie und ich ist. Wenn sie aber der Meinung sind, dass die Hautfarbe die Differenz ausmacht…
O. Jeh, ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Frau Lindgren Einiges später anders geschrieben hätte. Ob ausgerechnet die Passage, in der ihre Heldin ein sehr simples Weltbild zeigt, ein kindlich-unbelastetes Weltbild? Vermutlich nicht, denn sie hätte ohne Schwierigkeiten, so wie es z.B. der politisch nicht ganz so reine Georges Remi tat, Änderungen vornehmen können. Aber das steht hier natürlich gar nicht zur Debatte, ebensoweing wie Ihre oder meine politische Einstellung.
Ich habe bereits weiter oben darauf hingewiesen, dass Pippis Südsee eine Märchenwelt ist [genau wie das Schweden in den Pippi-Büchern]. Nun, wie immer diese Welt aussieht liegt beim Autor. In Pippis Südseeromantik finden sich Neger — handelt es sich um einen wenig differenzierenden Ausdruck, der jeden bezeichnet, der dunkler als der durchschnittle Schwede ist? Oder versetzt Frau Lindgren bewusst Menschen schwarzafrikanischer Herkunft in den Pazifik? Gibt es hier vielleicht sogar ein wenig [subtiler] Kritik an Pippis Lebensweise?
Darf ich als [Vor]Leser den für mich einfachen Weg gehen und einfach ein wenig Bowdlern? Im privaten Rahmen muss das jeder für sich entscheiden; öffentlich darf das auf keinen Fall geschehen.
Sofern Sie den Satz noch nie gehört haben, er stammt nicht von mir, er war eine Zeit lang die sehr schwache Polemik einiger, um den Begriff ‘Behinderter’ los zu werden. Und wieder einmal hätte es geholfen, meinen Text zu lesen, dann wäre Ihnen aufgefallen, dass ich diesen satz für lächerlich halte.
Übrigens, wenn Sie schon andauernd das Wort ‘Diskurstheorie’ um sich werfen … beziehen Sie sich da auf M. Foucault, Lyotard und diese ganzen mäßig begabten? Dann kann ich nur darauf hinweisen, dass wir uns auf Diskursebenen befinden, die sich an keiner Stelle berühren, kein Schnittpunkt, keine Tangente [bei nicht-Euklidischer Geometrie], nichts. Aber auch dies habe ich schon weiter oben ziemlich deutlich gemacht.
Woher kommt Ihre Vermutung, ich mache Unterschiede in der Wertigkeit von Menschen auf Grundlage nicht-individueller Merkmale? Im Gegenteil, ich sehe zuerst den Menschen, Homo sapiens, eine Art deren halbwegs homogen definierten Varietäten weniger Unterscheide aufweisen als je zwei zufällig ausgewählte Individuen innerhalb einer Gruppe. Die Unterschiede zwischen Ihnen un mir sind größer als die Unterschiede zwischen dem durchschnittlichen Kaukasier und dem durchschnittlichen Asiaten [oder Afrikaner etc.].
Das Patrick Owomoyela ein anderer Deutscher ist als ich oder Sie, ist eigentlich klar. Angefangen damit, dass er Fußball spielen kann und ich nicht. Er hat auch eine andere Frisur als ich, ein anderes Geburtsdatum, ein anderes Alter, ja, er hat auch eine andere Hautfarbe. Und ich hätte keinerlei Probleme irgendeines dieser Merkmale zu benutzen, um ihn aus eine Gruppe von Menschen herauszupicken. Je nachdem, welches Attribut am besten geeignet ist, schnell und klar zu kommunizieren.
Aber alles das war überhaupt nicht Thema der Veranstaltung.
@Dierk: “(…) er war eine Zeit lang die sehr schwache Polemik einiger, um den Begriff ‘Behinderter’ los zu werden. Und wieder einmal hätte es geholfen, meinen Text zu lesen, dann wäre Ihnen aufgefallen, dass ich diesen satz für lächerlich halte.” Hm, Empathie ist ihre Sache anscheinend nicht. Ist ihnen noch nie der Gedanke gekommen, dass es die die “Behinderten” selbst sind, die sich gar nicht “behindert” fühlen. Und das der Respekt vor dem Anderen es gebietet, dies anzuerkennen? Stattdessen gibt es bei ihnen nur “Ich, ich, ich”: “Ich bestimme wann, ich bestimme bei welchem Begriff, ich bestimme wer sich diskrimiert fühlen darf.”
Aber sie haben ja recht, dass “wir uns auf Diskursebenen befinden, die sich an keiner Stelle berühren, kein Schnittpunkt, keine Tangente [bei nicht-Euklidischer Geometrie], nichts.” Wenn sie mir jetzt noch diese “Tangente [bei nicht-Euklidischer Geometrie]” erklären (nicht die nichteuklidische Geometrie!), dann hätte ich wenigsten einen zweiten Erkenntnisgewinn aus dieser “Dikussion” gewonnen.
Welche Wörter sollte man nicht mehr benutzen?
Hier ein paaar Änderungsvorschläge für politisch nicht mehr korrekte Begriffe. Mehr fallen mir auf die Schnelle nicht ein. Bitte ergänzen!
(Zigeuner-) Boschas-Baron
(Zigeuner-) Sinti-Schnitzel?
(Zigeuner-) Roma-Jazz?
(Zwerg-) Kleinmensch-Nase?
(Altenheim) Ü65(Last)Home?
(Altweibersommer) SeniorInnensommer?
(Altherrenmannschaft) Ü30-Team?
(Vaterland) Elternland?
(Muttersprache) Erstsprache?
(Fremdsprache) Zweitsprache?
(Heimatgefühle) Ursprungslandgefühle?
(Ausländer) Mensch mit anderer Staatsbürgerschaft
Und hier ein paar bereits erfolgreich umgewandelte Begriffe:
(Behindertenwerkstatt) Werkstatt für angepasste Arbeit
(Hilfsschule) Sonderschule
(KindergärtnerIn) ErzieherIn
(FürsorgerIn) Sozialpädagog(e)In
(Wohlfahrtsamt) Sozialamt
(Mohrenkopf/Negerkuss) Schokokuss
(Engel) Jahresendzeitfigur
(Aktion Sorgenkind) Aktion Mensch
(Gott) Jenes Wesen, das wir verehren.
(Stadtstreicher) Wohnungsloser
(Hilfsarbeiter) Helfer
(Lehrling) Auszubildende®
(StudentIn) Studierende®
(taub) gehörlos
(Eskimo) Inuit
(Trottel) Gutmensch
(Asylant) Asylbewerber
(Selbstmord) Freitod
(Abtreibung) Schwangerschaftsabbruch
Ist sie das wirklich? Ist sie nicht eher ein Werk über die Faszination und Sinnlosigkeit des Krieges?
Wenn man nachher die Odyssee liest, kommt das mit der Sinnlosigkeit noch deutlicher heraus.
Sagt kaum jemand mehr.
“Einem” Wiener, nicht “dem”; den “der Feind”-Singular gibt es in den österreichischen Dialekten generell nicht. Und der Konjunktiv I wird nie durch den Konjunktiv II, sondern immer durch den Indikativ ersetzt. Und über “-et”, besonders den Vokal (der nämlich ein [ɐ] ist, obwohl kein etymologisches /r/ vorliegt), können wir auch streiten. 🙂
Ich wohne im Moment im sehr bunten Paris und habe gar nicht gewusst, dass das je versucht worden ist. Was man gelegentlich findet, ist, man staune, black (mit [a]).
“Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert”
– Die österreichischen Grünen.
Linker Prägung? Handelt es sich nicht um ein rechtes Konzept — um die Idee, nur Mitglieder einer Gruppe könnten wahre Aussagen über diese Gruppe machen?
Seltsam? Orwells Ingsoc, English Socialism, hat zumindest dem Namen nach links sein sollen.
Es ist auf deutsch ein Nomen und verleitet daher zum Glauben, es sei eine Bezeichnung für eine eigene Art, als ob im Unterschied zu Mensch. Daher bei jeder Gelegenheit Negerkönige und Negerprinzessinnen und Negerkinder. Mit einem Adjektiv wäre das nicht passiert.
(Historisch gesehen allerdings ist die Idee, es sei abwertend, sicher aus den USA importiert… wo allerdings dasselbe zutrifft: negro ist ein Nomen.)
Was ist da als “Wissenschaft” fehlübersetzt worden? Sowas hat es damals doch noch gar nicht gegeben, außer man ist mit der Philosophie sehr großzügig.
Interessanterweise nur in Deutschland.
Nicht nur diese Diskussion erweckt Passagen aus dem Buch “Das unbeschriebene Blatt” von Steven Pinker zum leben.
Vorschlag: Wann wird endlich Tom Sharpe politisch korrekt übersetzt und bei Roald Dahl steht auch noch einiges zur Bereinigung an.
Bei den hier stattfindenden Diskussionen fühle ich mich an George Orwell und sein Neusprech erinnert. Wird Zeit das wir endlich eine Gedankenpolizei einführen. Andererseits Fahrenheit 451 wäre auch keine schlechte Lösung. Philip K. Dick hat sich nicht nur in seinem “Minderheiten-Bericht” auch so seine Gedanken gemacht.
Was bin ich froh, das ich in meiner Kindheit und Jugend so ungefähr jedes Buch, was mir in die Hände fiel, lesen dufte. Heute wäre das wohl nur noch nach eingehender Prüfung und Zensur durch selbsternannte Moralapostel und Sittenwächter möglich.
Wie gesagt, wo fängt es an, wo hört es auf, rein zensurtechnisch gesehen?
Man sollte dann auch gleich bei den Wawuschels dafür sorgen, dass der Vater jammert, der Onkel Marmelade kocht, die Mutter nicht lesen lernen kann, die Großmutter Pfeife raucht, Wuschel ein ängstlicher Junge ist und Wischel ein tapferes aufgewecktes Mädchen. Alice lassen wir “bewusstseinserweiterende Substanzen, welche unter das Betäubungsmittelgesetz fallen” konsumieren, das kleine Gespenst steht nicht tapfer gegen einen bösen Schweden und das schwedische Heer, sondern gegen einen “Geschäftsführer eines Großkonzerns, welcher seinen Kundenkreis erweitern möchte”, Ronja Räubertochter verliebt sich nicht in Birk Borkasohn, sondern in einen ‘jungen Mann, afrikanischer Herkunft’, denn ohne Quotenne… ähm ohne eine Repräsentation mindestens einer, im Herkunftsland der Autorin ethnischen Minderheit, Figur, ist das Buch nicht vertretbar, im Parzival überschreiben wir Belakanes Tugendhaftigkeit nach christlich-höfischen Modell durch ‘moralisch gefestigtes Denken und Handeln’ und zwar nicht trotz, sondern wegen oder ungeachtet ihrer Hautfarbe und Feirefiz ist natürlich nicht gefleckt wie eine Kuh, sondern — wie sagt man ‘Milchkaffeekind’ in pc?
Bitte nennen Sie ‘Neger’ weiterhin ‘Neger’, das ist weniger verwirrend, als sie ‘Schwarze’ zu nennen, ich habe als Kind schnell verstanden, dass ‘Neger’ Menschen mit dunkler Hautfarbe beschreibt, aber ich wusste nie, warum die auch ‘Schwarze’ genannt werden, das waren für mein Verständnis eher Schornsteinfeger in ihren schwarzen Anzügen. Ich wusste auch nie, warum ich ‘weiß’ sein sollte, ich bin, je nach Temperatur und Sonnenaussetzung eher blassviolett bis krebsrot. Sprich: Worte, die in der Sprache des Sprechers eigentlich nur für Farben gebraucht werden, bzw. diese Farbworte dann wieder andere Übertragungen haben, an die anscheinend kein p.c.-Vertreter denkt (“ich sehe schwarz”, “weiß wie ein Lamm” — Schwarze=Hoffnungslose, Weiße=Unschuldige? oder was will uns ‘Schwarzer’ und ‘Weißer’ sagen?), sind bedeutend unglücklicher als Worte, die einer anderen Sprache entlehnt wurden, um eine Differenzierung nach Phänotyp zu ermöglichen und dann über Jahre hinweg auch so verwendet wurden. Und nebenbei bemerkt sollten wir dann auch hautfarbene Strumpfhosen umbenennen, denn diesen gruseligen Beigeton hat keine Haut der Welt.
Also kurz und knapp: keine Updates literarischer Werke, gleich ob mündlich tradiert oder schriftlich fixiert, an kurzzeitige Sprachphänomene ideologischer Minderheiten ^^
Dafür dass Sie Neger so schnell verstanden haben, waren Sie dann aber zu erstaunlich wenig Abstraktion fähig.
@O. Jeh: Die Resolution wehrt sich gegen die Verwendung des Begriffes “Neger”, genau wie Herr Stefanotwitsch. Warum ist das ein Eigentor?
Und zum Thema Distanzieren: Ich hab doch extra geschrieben, dass ich den akademischen Duktus aufnehme ;o)
#44
Und wie hoch mussten Sie klettern um nach unten zu sehen?
Es ist doch erstaunlich, dass Ihnen offenbar kein Kommentar jenseits dieser von Abstraktionsvermögen und Subtilität nur so strotzenden Äußerung einfiel.
Mir fällt in der Tat nicht mehr allzu viel ein, wenn Sie den zweifelsohne negativ konnotierten Begriff Neger propagieren, weil Sie bei dem Wort Schwarze immer an Schornsteinfeger denken (mussten).
Hier kann man weitermachen, wenn man unbedingt weiter darauf „rumreiten“ will:
http://www.spreeblick.com/2009/05/28/das-n-wort/
MfG
Auch auf Spreeblick sieht man, dass diese Diskussionen prinzipiell sinnlos sind. Es ist einfach eine Frage der Intelligenz und Empathiefähigkeit, wem es daran mangelt, der läuft halt weiter als rassistisches A.…loch durch die Gegend. Und bevor jetzt alle aufschreien: “rassistisches A.…loch” ist da, wo ich herkomme eine absolut wertneutrale Bezeichnung für egozentrische Menschen mit verminderter Geisteskapazität. In diesem Sinne, auf Wiedersehen.
#47
Gosh, wo kommen wir hin, wenn wir alle ’negativ konnotierten Begriffe’ aus dem Sprachgebrauch streichen? Wie lange wurde ‘Jude’ abwertend benutzt? “Kommunismus”, “Kapitalismus” und “Angst” können wir dann auch gleich streichen, ist alles schon mal negativ konnotiert worden oder wird es noch und ich könnte mich mit Ihnen jetzt auch an einen Duden setzen, ich bin mir recht sicher, dass wir fast alles jenseits der Partikel mit ‘wurde schon mal negativ konnotiert’ kennzeichnen können.
Und hätten Sie meinen Beitrag aufmerksam gelesen, hätten Sie eventuell bemerkt, dass mein Kindheitsgedanke nicht maßgeblich für die Verwendung des Wortes war, sondern sich auf die Zensur beim Vorlesen bezog.
Weiß ich nicht, ist mir auch egal, schließlich habe ich das überhaupt nicht vorgeschlagen. Dass Sie Kapitalismus als weiteres Beispiel anführen, zeigt nur, dass Sie nicht verstanden haben worum es geht.
Neger wird nunmal allgemein als pejorativer Ausdruck empfunden, Ihre persönliche Meinung ändert an dieser Tatsache reichlich wenig. Und wenn dieser Ausdruck eine Gruppe von Menschen bezeichnet, die dadurch diskriminiert wird, sollte man den Ausdruck ersetzen. Das ist nicht PC, sondern gesunder Menschenverstand.
Und ich will sicherlich nicht alle möglichen Begriffe ersetzen, die mir irgendwie nicht passen, es geht konkret um pejorative Ausdrücke, Schwuchtel für Homosexuelle oder Mongo für am Down-Syndrom Erkrankte wären weitere Beispiele. Aber die Begriffe finden Sie sicher auch völlig in Ordnung.
#51
GMV ist aber mitnichten wissenschaftlich relevanter als meine Meinung. Dass Sie sich nicht ausdrücken und keine Lesekompetenz vorweisen können stützt Ihr Geschwafel auch nicht gerade.
Ich schrieb nicht ‘Sagen sie also getrost im Alltag schwules Mongo-Negerschwein’ sondern
Also kurz und knapp: keine Updates literarischer Werke, gleich ob mündlich tradiert oder schriftlich fixiert, an kurzzeitige Sprachphänomene ideologischer Minderheiten ^^
Ich für meinen Teil rede mit ‘Negern’ oder über ‘Neger’ mit ihrem Namen, wenn dieser mir bekannt ist, sage ‘Afrikaner’ wenn ich Bewohner Afrikas meine, ‘Ägypter/Tunesier/…’ wenn ich ein spezielles Land meine, ‘Amerikaner’ wenn ich Bewohner der USA meine etcblabla.
Wozu brauchen Sie eigentlich so unbedingt ein Wort für eine Gruppe von Menschen, die zufällig Hautfarben in Variationen von Braun haben?
Ich kann es einfach nur nicht ausstehen, wenn Literatur manipuliert wird um irgendwem irgendetwas vorzugaukeln, was der Text nicht beinhaltet. Erst recht nicht, wenn es dabei um Wörter geht, die nur dann ’schlimm, böse und diskriminierend’ sind, wenn sie so verwendet werden. Generell sind Übersetzungen fragwürdig genug, da muss man dann nicht auch noch mit dem ‘Ich bin so tolerant, ich toleriere nur noch meine Weltsicht, ich bin gut und wahr und schön’-Stift drüber gehen.
Lieber Herr Stefanowitsch,
also ich fande Ihren Lego-Beitrag sehr gut. Vielen Dank erst einmal für den Blick auf einen Teil dieser unreflektierten geschlechtsspezifischen Sozialisationsfaktoren.
Zum aktuellen Beitrag: Ich verfolge Ihren Block noch nicht sehr lange und bin sehr überrascht darüber, dass Sie die Position vertreten, dass Literatur der heutigen Zeit angepasst werden sollte. Tatsache ist doch, dass Astrid Lindgren “Neger” schrieb und auch “Neger”, so wie sie dieses Wort auch immer auffasste, meinte. Eine Anpassung des Textes verschweigt nicht nur diese Tatsache; wird diese Zensur universell betrieben, unterschlägt sie doch auch den Beweis dafür, dass es die Rassenlehre gab und wie sehr diese in der Bevölkerung anerkannt war und als selbstverständlich aufgefasst wurde. Da es sich hierbei um ein Kinderbuch handelt, würde ich einer mündlichen Änderung oder einer speziellen Kinderausgabe des Buches zustimmen, da ich es für unnötig halte, Kinder mit rassistischen Begriffen VERTRAUT zu machen. Dennoch möchte ich anmerken, dass Kinder, wohl bemerkt meiner Meinung nach, keine rassistischen EINSTELLUNGEN durch diese Textpassage übermittelt bekommen. Kinder sind Kinder, ich finde, dass kommt bei dieser Diskussion etwas zu kurz. Und zu der Passage, dass Pippi einen “Neger” quasi als Diener haben möchte: Pippi möchte die ganze Welt als Untertan haben. Sie hat einen Koffer voll Gold und macht sich die Welt, so wie sie ihr gefällt. In ihrer egozentristischen Welt nimmt der Wunsch nach einem Diener nun wirklich keine Sonderstellung ein. Und ich habe als Kind bei der Lektüre nicht wahrgenommen, dass Menschen dunklerer Hautfarbe als Diener irgendwie besonders geeignet sein sollten. Um auf diese Idee zu kommen, fehlte mir dann vielleicht doch das nötige historische Wissen oder auch der aktuelle Kontext. Beides benötigte ich zu dem Zeitpunkt aber beim besten Willen nicht.
Ich bitte um Verzeihung für den langen Kommentar, aber ich habe ein wirklich ehrliches Interesse Ihren Standpunkt in dieser Hinsicht besser zu verstehen.
Habe ich auch nicht behauptet. Ich habe diese Beispiele angeführt, um zu illustrieren, dass ich nicht einfach x‑beliebige negativ konnotierte Begriffe meinte, sondern ganz konkret pejorative und somit diskriminierende Wörter.
Stattdessen schrieben Sie jedoch folgendes:
Nun mag das daran liegen, dass ich keine Lesekompetenz vorweisen kann, aber für mich klang das sehr generalisierend. Aus dem Satz geht nicht hervor, ob Sie sich ausschließlich auf Astrid Lindgrens hier zitiertes Buch beziehen oder aber ihre Aussage für den allgemeinen Sprachgebrauch gelten sollte. Als wissenschaftlich relevant betrachte ich unseren Meinungsaustausch übrigens sowieso nicht.
Den Spieß umdrehen und mir jetzt indirekt Rassismus vorwerfen zu wollen, weil ich angeblich ein Wort ein Wort einforderte, das Menschen nach ihren Hautfarben klassifiziert, ist albern. Es gibt den belasteten Begriff Neger und gleichzeitig “konkurriende” Begriffe, die unproblematisch sind. Nur darum ging’s.
Das Problem ist, dass alle Menschen rassistisch sind. Sie wissen es nur nicht oder verleugnen es. Sie wollen es ja auch oft gar nicht sein.
Auf der folgenden Seite findet man u.A. einen Assoziationstest zu Rassismus (schwarz/weiß):
https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/
Selbst einem Anatol Stefanowitsch, welcher seiner Tochter die Geschichten zurechtbiegt, wird vermutlich feststellen, dass er schwarze Menschen mehr mit negativen und weiße eher mit positiven Begriffen assoziert.
All das haben wir schon in der Kindheit als selbstverständlich aufgenommen und kommen nun nicht mehr davon los. Da helfen alle intellektuellen Überlegungen nicht mehr weiter. Da kann man noch so sehr davon überzeugt sein, dass man jeglichen Rassismus verabscheut.
Daher kann ich schon verstehen, dass er versucht die schädlichen Klischees von einer Tochter fernzuhalten. Ob das wirklich fruchtbar ist, bleibt dahingestellt. Seine Tochter lebt ja hoffentlich nicht in einem goldenen Käfig und wird daher leider noch von anderen Seiten mit den Klischees überhäuft.
@aventurische Hauptstadt
Nun ich bezog mich auf den Beitrag des Blogbetreibers, wie bei einem Kommentar zu erwarten ^^
Aber sei’s drum: wenn ich einen Menschen ob seiner Hautfarbe diskriminieren will, dann kann ich das mit jedem Wort tun, da ist’s egal, wie p.c. das Wort ist, die Handlung die ich mit dem Wort vollziehe kann trotzdem eine Beleidigung sein.
@Klaus
Ich habe einmal den Test zu Hautfarbe und einmal den Test zu Rassismus gemacht. Bei Hautfarbe kam heraus, ich hätte eine starke Präferenz Weißhäutigen gegenüber, bei dem Rassismustest dagegen würde ich Schwarze sehr stark bevorzugen. Dazu muss ich sagen, dass beim ersten Test weiße Haut anfangs mit gut auf einer Seite stand, wogegen beim zweiten Test weiße Menschen mit schlecht auf einer Seite standen. Ich denke, das Ergebnis wird eher davon beeinflusst in welcher Kombination schwarz/weiß und gut/böse zu Anfang des Tests dastehen.
Lieber Herr Stefanowitsch,
ich nenne das nicht nur eine übertriebene politische Korrekheit, sondern sogar einen groben Unfug. Man werkelt nicht an literarischen Vorlagen herum. Sie sind so wie sie sind, und damit sind sie gut, selbst wenn sie misslungen sein sollten. Und selbstverständlich ist es auch eine Zensur. Oder, wenn man so will, so etwas wie Urkundenfälschung. Vor allem aber ist es Ausdruck von Naivität und — noch schlimmer ‑von wenig Zutrauen in das Urteilsvermögen der (eigenen) Kinder.
Dem Namen nach schließe ich bei Ihnen auf einen Migrationshintergrund, und der hat Sie vielleicht dazu verführt, so weit über das Ziel hinauszuschießen.
Herr Stefanowitsch möchte sich mit seinen Blog-Einträgen “Playmobil” und “Südseeprinzessin” in erster Linie als extrem bemühter und guter Vater kommunizieren 😉
Die Diskussion um Herrn Stefanowitsch politische Über-Korrektheit trifft m.E. nicht den kommunikativen Kern der Beiträge.
Seltsam, seltsam, diese Aversion, die dieser Herr St. gegen ein Wort (ein Wort!) hat. Oder komisch?
Provokante Frage:
Ist es rassistisch, wenn ich behaupte, dass Kinder beim Lesen noch nicht zu einer dermassen intellektuell geprägten Reflexion in der Lage sind, wie Erwachsene?
Kinder leben (glücklicherweise!) noch viel mehr in einer Bilder- und Phantasiewelt: Stühle werden zu Pferden etc.
In unserer Gesellschaft wird alles intellektualisiert und von Phantasie befreit: Alles muss möglichst real sein, siehe Barbie-Puppen und Egoshooter.
Was passiert, wenn Kids auf diese Art intellektuell überfordert werden? Aus psychologischewr Sicht setzen dann Kompensationsstrategien ein: Über- oder Unterreaktionen, die “wir Erwachsene” dann wieder nicht verstehen, weil doch alles so richtig gemacht wurde.
Zurück zu PL: Wenn Astrid Lindgren in der ihr typischen sehr phantasievollen Art schreibt und auf diese Art ein Kunstwerk erschafft, dass so wie es ist von einem Kind natürlicherweise bestimmt nicht als rassistisch beurteilt würde, dann darf man das auch so stehen lassen. Da wir aber nicht mehr natürlich mit solchen Texten umgehen und schon seit Jahrzehnten auch unseren Kinder nicht diese Unnatürlichkeit vorenthalten, gibt es nur zwei Lösungswege:
1. Veränderung und Zensur, bis wir am Ende massive inhaltliche Veränderungen in Kauf nehmen und ggf. nicht mal mehr bemerken.
2. Anfangen, diesen ganzen Diskussionen die Ernsthaftigkeit zu nehmen, so dass sich irgendwann mal vielleicht einfach niemand mehr beleidigt fühlt.
Letzte Anmerkung/ Anekdote: Vor Jahren habe ich in Helsinki eine Abiturklasse bei ihrer (dort so üblichen) Parade (ich habe einen Moment lang über Alternativen zu diesem militärisch geprägten Begriff gesucht…) durch die Stadt beobachtet. Die Abiturienten haben ein Plakat vor sich hergetragen, auf dem “Arbeit macht frei” stand. Ich habe nachgefragt: Sie waren sich des Ursprungs dieses Satzes bewusst. Sie verstanden diesen Satz in ihrem Kontext als satirische Anspielung auf die sie erwartende Zukunft: Das Berufsleben und die damit verbundenen Zwänge.
Es waren Abiturienten. Und ihr Vorgehen hatte einen intellektuellen Ursprung. Deswegen habe ich mich mit ihnen intensiv über dieses Thema unterhalten.
Aber bitte verschont Kinder- und Phantasiewelten von zuviel Intellekt!
“Neger” ist ein veralteter Begriff und hat daher mit Recht seinen Platz in alter Literatur. In der Gegenwartsliteratur wird er zum Stilmittel (Archaismus) oder zur Provokation — beides bei objektiver (!) Betrachtung absolut okay.
Es wäre schade, wenn wir unsere sehr komplexen Sprachen totdiskutieren.
Ich verabscheue Zensur jeder Art. Darstellungen in welchen Lebewesen real gegen deren Willen zu Schaden kommen sind abzulehnen. Zum Beispiel Kinderpornos oder (rituelle) Schlachtungen von Tieren im Namen der Kunst. Altersfreigaben finde ich sinnvoll. Dabei sollten aber Werke, die für Erwachsene gedacht sind unbeschnitten für diese zugänglich sein. Den Begriff “Neger” empfinden schwarze Mitmenschen als verletzend und er sollte im heutigen Sprachgebrauch vermieden werden. (Allerdings — Darf ein rassistischer Charakter in einem Werk nicht mehr Neger sagen?! — wie soll ihn der Autor sonst dem Puplikum näher bringen?) Bei älteren Werken sollte meiner Meinung nach überhaupt nicht eingegriffen werden. Es ist doch schön zu sehen, dass sich die Menschheit weiterentwickelt. Spätere Generationen haben das Recht über die vergangene Zeit unverfälscht bescheid zu wissen. Dazu ist es jedoch notwendig, sich mit seinen Kindern zu befassen. Durch die einseitige flexible neue Arbeitswelt und der technischen Reizüberflutung, die uns zunehmend begegnet, scheint uns dies allerdings immer schwerer zu gelingen.
Zu Nr. 41 (Johannes):
Es geht noch weiter: Die “Hilfsschule” heißt mittlerweile schon nicht mehr “Sonderschule” (war wohl auch diskriminierend…), sondern “Förderschule”.
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Meine Güte! Wäre es in einem anderen westeuropäischen Land außer Deutschland noch möglich, dass irgendjemand tatsächlich die Verwendung des Wortes “Neger” in einem Text für Kinder für angemessen hält und diese Ausdrucksweise verteidigt und versucht zu rechtfertigen?!
Wie kann es sein, dass es zu meinem alltäglichen Leben dazugehört, eindeutigen Rassismus/Sexismus/usw. meinen (wohlgemerkt in Deutschland aufgewachsenen) Freundinnen erklären zu müssen?
Einige Beispiele alleine aus der letzten Woche. Ich musste erklären:
1) eben diese Pippi Langstrumpf-Geschichte.
2) wieso der Name “MäcGeiz” für ein Billiggeschäft rassistisch ist.
3) wieso es sexistisch ist, das generische Maskulinum zu verwenden.
4) wieso es rassistisch ist zu sagen: “Schwarze können gut tanzen, die haben es ja einfach im Blut.” Es sei doch ein Kompliment, das könne doch niemals rassistisch sein.
5) Wieso es rassistisch ist jemanden mit nichtweißer Hautfarbe in Deutschland zu fragen, wo sie herkommt — nach der Antwort “aus Berlin” dann nochmal zu fragen “Nein, wo kommst du ursprünglich her?” oder noch schlimmer “Nein, wo kommst du wirklich her?” o.ä.
usw.