Gestern auf dem Spielplatz. Eine Untehaltung zwischen einem Mädchen und einem Jungen, beide etwa acht Jahre alt:
Sie: Findest du ein pinkes Fahrrad besser, oder ein rosanes?
Er: Pink ist dasselbe wie Rosa.
Sie: Äh-äh, ist es überhaupt nicht.
Er: Doch, pink ist nur das englische Wort für „Rosa“.
Sie: Ja, aber es ist trotzdem nicht dasselbe.
Er: Was ist denn der Unterschied?
Sie: Es sind zwei verschiedene Farben.
Er: Welche denn?
Sie: Pink ist so ’ne Art Neondunkelrosa. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll.
(Zeigt auf ihren Gürtel)
Hier, das hier ist Pink (zeigt eine Farbe, die ungefähr Bild 1 entspricht), und das hier ist Rosa (zeigt eine Farbe, die ungefähr Bild 2 entspricht).
Er: Hä? Das ist doch beides Rosa.
Dieses Gespräch (das ich hier etwas verkürzt dramatisiert wiedergegeben habe) war aus gleich drei Gründen interessant.
Erstens zeigt es sehr schön, was Psychologen und Linguisten schon länger wissen: Frauen können im Farbraum feinere Unterscheidungen machen und haben dementsprechend ein differenzierteres Farbvokabular. Dieser Unterschied ist so deutlich und so stabil, dass man als Mann darauf achten muss, bestimmte Farbwörter (etwa Aquamarin, Burgunder oder Eierschale) zu meiden, wenn man nicht, wie die feministische Linguistin Robin Lakoff trocken anmerkt, als ironischer Frauenimitator, als schwul oder als Innenarchitekt wahrgenommen werden möchte. Ich musste mich vor einigen Jahren von meiner damals dreijährigen Tochter erst auslachen und dann geduldig ausbilden lassen, weil ich denselben Fehler gemacht hatte, wie der Junge auf dem Spielplatz. Inzwischen kann ich Rosa und Pink in etwa 80 Prozent der Fälle korrekt zuordnen, aber leicht fällt mir diese aus meiner Sicht völlig überflüssige Unterscheidung immer noch nicht. Von mir aus könnte man alle diese Farben der Kategorie „Rot“ zuordnen.
Zweitens zeigt es, warum die Entlehnung von Wörtern keineswegs der passive, unterwürfige Prozess ist, als den die alten Männer vom VDS ihn immer darstellen: Pink ist ja, wie der Junge auf dem Spielplatz ganz richtig bemerkt hat, tatsächlich nur das englische Wort für „Rosa“ — im Englischen. Im Deutschen ist es ein dunkles, gesättigtes, leuchtendes, blaustichiges Rosa, für das die Engländer kein eigenes Wort haben. Wie so oft hat die Entlehnung eines Wortes ins Deutsche nicht zur Verdrängung vorhandener deutscher Wörter geführt, sondern zu einer Bedeutungsdifferenzierung.
Drittens zeigt es, dass Sprecher Lehnwörter völlig unbeeindruckt in die Beugungsmuster ihrer Sprache einbauen — unbeeindruckt, meine ich, von den Befürchtungen der Sprachnörgler. Der eigentlich immer recht kühl beobachtenden Dieter E. Zimmer hatte in seinem 1997 erschienenen „Deutsch und Anders“ noch die Befürchtung, dass Lehnwörter wie pink den „Tiefencode“ des Deutschen zerstören könnten, da sie nicht nach deutschem Vorbild dekliniert werden könnten. Er kam auf diese Idee, weil der deutsche Übersetzer von William Gibsons Neuromancer so merkwürdige Dinge schrieb, wie Er kratzte sich mit der pink Klaue durch das weiße Hemd den überhängenden Bauch. Warum er das tat, war mir schon damals unverständlich: Es muss natürlich heißen „…mit der pinken Klaue…“, und der Spielplatzdialog zeigt, dass das Adjektiv pink auch zwölf Jahre nach Zimmers Vorhersage den Tiefencode des Deutschen nicht auflösen konnte.
LAKOFF, Robin (1975): Language and Woman’s Place. New York: Harper & Row. [Auszug]
ZIMMER, Dieter E. (1997): Neuanglodeutsch. Über die Pidginisierung der Sprache. In: Dieter E. Zimmer, Deutsch und anders. Die Sprache im Modernisierungsfieber. Reinbek: Rowohlt, 7–104.
Frauen können im Farbraum feinere Unterscheidungen machen …
Ist das so? Ist die weibliche Perzeption feiner – oder sind diese Farbnuancierungen in der Lebenswelt von Mädchen und Frauen nicht schlicht relevanter, also innerhalb ihrer soziolektalen Varietäten ausgebildeter. Die “ironische” Erwähnung des Innenarchitekten und Damenimitators ist da ebenso irreführend wie der Verweis auf den prototypischen Homosexuellen (der sich qua Geburtsrecht für Bekleidung zu interessieren hat) – in allen diesen Fällen ist das Farbvokabular meines Erachtens geprägt durch den Rückgriff auf ein durchdifferenzertes berufliches Vokabular, dass den arbeitspraktischen Gegebenheiten der Modewelt genügt. Das also die meines Erachtens erlernte Unterscheidung feiner, und eben modisch und damit imagewertiger Farbnuancen den Frauen zugeschrieben wird, ist eine Frage der Wirksamkeit dieses Wissens als gender-spezifischem Marker, als ein Gender-Shibboleth quasi. Welcher Mann erwartet umgekehrt von seiner Frau (oder seinem schwulen Freund) feinere Kenntnisse über den strategischen Wert einer Abseitsfalle? — Deren Interesse gilt doch eher den Waden der Spieler denn deren Laufrichtung. Deswegen “können” sie zwar schon, sie wollen wahrscheinlich nur nicht an diesen Gesprächsinhalten teilnehmen.
Wie dem auch sei, ich gratuliere ausdrücklich zur Elaboration farblichen Weltwissens und rege an, demnächst die Farbwörter “Mauve” und “Purpur” der Reihe ins Blau gebrochener Rottöne hinzuzufügen.
Rock’n’Roll! http://www.youtube.com/watch?v=RLRLhV9U0kQ
Beste Grüße
Amsel
Für Farbe 1 gibt es doch das urdeutsche Wort Magenta (jedenfalls für mich halbblinden Y‑Chromosomler). Wobei ich keine Ahnung habe, wie man nun Magenta als Adjektiv gebraucht oder dekliniert. Vermutlich ist mein Tiefencode schon zerstört. Dann lieber pink.
Ich finde die Aussage, dass Frauen bessere Unterscheidungen bei Farben machen können, ziemlich irreführend. Es ist nun ja nicht so, dass die Sinnesorgane bei Frauen anders arbeiten würden als bei Männern; die funktionieren bei allen Menschen gleich. Aber nicht alle Menschen sprechen die selbe Sprache. Und Sprachen unterscheiden sich, zum Beispiel darin, wie sie das Farbspektrum mit Hilfe von Farbwörtern aufteilen. Winawer et al. (2007) haben in einem Experiment die Reaktionszeiten bei einem Farberkennungstest bei Englisch- und Russischsprechern gemessen. Dabei muss erwähnt werden, dass Russisch (im Gegensatz zu Englisch) den blauen Farbraum noch einmal aufteilt, nämlich in ein helleres blau (goluboy) und ein dunkleres blau (siniy). Bei diesem Experiment hat sich nun herausgestellt, dass die Russischsprecher zwei Farben schneller unterscheiden konnten, wenn sie in verschiedene sprachl. Farbräume fielen. Menschen unterscheiden sich also nicht in ihrer Wahrnehmung (die Englischsprecher haben die Farben genauso wie die Russischsprecher gesehen), sondern in der Verarbeitung und die ist von Sprache beeinflusst.
Lange Rede, kurzer Sinn (von der zwischensprachlichen zur zwischensoziolektalen Ebene): Der Junge im Beispiel nimmt die Farben optisch genauso wahr wie das Mädchen, aber seine sprachlich-konzeptuelle Aufteilung des Farbraumes ist anders — bei ihm fallen beide Farbtöne einfach unter “rosa”.
Winawer, J. & N. Witthoft, M.C. Frank, L. Wu, A. R. Wade, L. Boroditsky (2007): Russian blues reveal effects of language on color discrimination. PNAS, vol 104, no. 19, pp. 7780–7785.
Amsel (#1), hier müssen drei Dinge unterschieden werden:
1) Die Fähigkeit, Unterscheidungen zu treffen. Die ist im Durchschnitt bei Frauen besser ausgeprägt als bei Männern, vor allem im Bereich der Rottöne, und Evolutionspsychologen gehen davon aus, dass dieser Unterschied genetisch ist. Dass Sozialisierung hinzukommen kann, ist dadurch natürlich nicht ausgeschlossen.
2) Der Wortschatz einzelner Sprecher/innen. Man kann mit korpuslinguistischen Methoden problemlos zeigen, dass Männer im Schnitt häufiger Wörter für Primärfarben verwenden, während Frauen stärker differenzieren und mehr verschiedene Farbwörter gebrauchen. Der Wortschatz wird natürlich nicht direkt von genetischen Unterschieden bestimmt, sondern es spielen dabei neben genetischer Prädisposition auch Sozialisierung, Beruf, etc. eine Rolle. Mein Farbvokabular ist durch meine Töchter, aber auch durch mein Interesse an Fotografie und Grafik deutlich ausgeprägter als das früher der Fall war. Ich könnte zum Beispiel neben Rosa und Purpur auch Mauve und Purpur (ebenso wie Violett, Lavendel und Aubergine) zu 80% korrekt identifizieren, auch wenn ich letztere auch problemlos als „ne Art Lila“ bezeichnen könnte. Es wäre mir auch egal, für was man mich dann hielte. Naja, vielleicht nicht völlig egal: als Innenarchitekt würde ich nur sehr ungern dastehen.
3) Stereotype, die man durch die Verwendung von bestimmten Farbwörtern (und anderen Begriffen) auslöst. Um die geht es Lakoff, die damit keine Kritik an Innenarchitekten, Schwulen oder Frauenimitatoren verbindet, sondern schlicht beobachtet, was (im Kalifornien der siebziger Jahre) passiert, wenn ein Mann das Wort Mauve (ihr Beispiel) verwendet.
Kamenin (#2), magenta wird laut Google entweder überhaupt nicht dekliniert (eine magenta Tintenpatrone) oder Sprecher/innen behelfen sich mit dem Wortbildungsmuster [X‑farben] (eine magentafarbene Tüte). Mit dem Tiefencode hat das gar nicht viel zu tun: es gibt auch ohne Lehnwörter jüngeren Datums unbeugbare Adjektive (z.B. ein klasse Film, ein rosa Fahrrad). Ich könnte übrigens auch ein magentanes Fahrrad sagen.
Eben, Herr Stefanowitsch! Der alte Streit, Vererbung oder Erziehung. Ich empfinde es als vorschnell eine komplexe kulturelle Disposition zur Farbbenennung auf eine andere komplexe biologische Disposition der Farbwahrnehmung abzubilden, erstrecht wenn die Grenzen der beiden Mechanismen (und etwaige Wechselwirkungen) keineswegs geklärt sind. Eine verbesserte Farbunterscheidung im Rot-Orange-Spektrum wie sie von Genetikern für Frauen vermutet werden (http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?artid=1182016), ist doch noch keine notwendige und hinreichende Erklärung dafür, dass sie es auch tun, wenn sie es tun. Die Frage wäre, ob sie die Effekt auch dann immer noch sichtbar sind, wenn jeder Einfluss von Erziehung ausgeschlossen werden kann. Dass es genetische Boni für bestimmte sportliche Leistungsarten in verschiedenen Regionen der Welt geben mag, macht die Bewohner der einen Region noch nicht automatisch zu Sprintern, Marathonläufern oder Gewichthebern. Selbst wenn der genetische Vorteil einen physiologischen Ausdruck findet, ist noch nicht gesagt, dass dieser physiologische Unterschied auch ausgebeutet wird.
Die Fähigkeit eine Unterscheidung zu treffen ist eben auch eine Frage des enzyklopädischen und lexikalischen Wissens und die Elaboration dieser Wissensbestände ist in meiner Heuristik zunächst eine Frage an die kulturelle Sachlage, nicht an die biologische. Das kann man ja auch anders sehen, ist schon klar.
Beste Grüße
Amsel
Das Gen das für Farbensehen zuständig istliegt auf dem x‑Chromosom und davon ahben die Frauen zwei. Daher ist das Farbsehen besser ausgeprägt als bei den Männern und deswegen ist Rot-Grün-Blindheit bei Frauen auch praktsich kein Problem, während immerhin 10% der Männer darunter leiden.
Das ist Biologie und hat nichts mit Anerziehung zu tun.
kamenin #2:
“Magenta” sei ur- oder überhaupt- oder stamm- oder herrmann.arminiusisch- oder xy-deutsch?
Duden-Universal-Wörterbuch:
Ma|gen|ta [auch: madnta], das; ‑s [nach einem Ort in Italien]: Anilinrot.
Humor vacui: verba volant, scripta manent. — Vestitigia BLOGenis terrent.
@Peer
Richtig, und hat auch nichts mit meinen Ausführungen zu tun.
_|_|__|___|___|___|_|_|__ [1]
_|________|___|___|___|__ [2]
__a###____e###____o#_u#__ [3]
__a###########____o####__ [4]
Frau habe die genetisch-physiologische Ausstattung die Farbskala x‑y wie in [1] zu zerteilen, Mann habe die weniger gute Ausstattung [2].
Frau unterscheidet auf dieser Farbskala vier Farbworte (a, e, o und u) [3], Mann hingegen nur zwei (a und o)[4] — wenn ich wüßte wie ich eine nicht-proportionale Schriftart codieren könnte, die die Skalen genau gleichlang darstellt, würde jetzt folgendes vielleicht deutlich: Mann könnte e erlernen, u hingegen nicht: o und u stellen sich ihm tatsächlich und zwangsläufig gleichartig dar, a und e hingegen nicht. D.h. es gibt Farben die dieser hypothetische Mann nur aus Gewohnheit, Faulheit, mangelnder Notwendigkeit etc. etc. nicht voneinander unterscheidet und es mag ebensogut Farbnuancen geben, die ihn auf immerdar in Verwirrung stoßen, weil er denn Unterschied nicht sieht.
Kurz, da wir ‑noch- über keine Abbildung wie die obige verfügen, sollte pauschaler Biologismus (Männer sehen weniger Farben, daraus folgt: sie haben weniger Farbworte) vermieden — oder untersucht werden.
[Anm. AS: Habe die Schrift, wie implizit gewünscht, <tt>nicht-proportional</tt> gemacht.]
Aber doch nicht im Ernst. Rosa ist das, was herauskommt, wenn man rot und weiß mischt, es ist also keins von beiden (…lautet meine Rationalisierung).
Pink ist nicht blaustichig. Es ist ein bestimmter knalliger Rosaton (ja, es gehört zu Rosa). Farbe 1 oben ist helllila (dunkellila ist übrigens violett, und lila wird ausgesprochen, als würde man es *lilla schreiben; lila ohne nähere Spezifikation ist violett; magenta ist wahrscheinlich genau dasselbe wie helllila, nur ist es halt der Computer-Fachausdruck). Farbe 2 ist… ich hätte zuerst gesagt altrosa, aber sie ist doch etwas blaustichig… auf jeden Fall eine grauenhafte Farbe 🙂
Ich frage mich, wie das in subtileren Fällen funktioniert. Das frz. Wort beige bezeichnet im Deutschen und im Englischen dieselben Farbtöne, nur gelten diese im Englischen angeblich allesamt als braun, während sich im (…mir bekannten…) Deutschen “beige” und “braun” ausschließen. Sieht ein englischer Muttersprachler zuerst brown und präzisiert dann beige (so, wie wir es beide mit “blau” und “hellblau” machen), während ich mich sofort festlege? Sollte jemand untersuchen…
So funktioniert das nicht. In jeder Zelle mit mehr als einem X‑Chromosom sind n‑1 fast zur Gänze inaktiviert; die Gene darauf könnten genausogut nicht da sein.
Und außerdem gibt es 3 Gene, eines für jeden Rezeptor (blau, gelb [ = “rot”], grün). Wenn das für den Rezeptor mit dem grünen Absorptionsmaximum, das auf dem X‑Chromosom liegt, kaputt ist, resultiert bei Männern und den seltenen homozygoten Frauen Rotgrünblindheit.
Erst hier wird es interessant.
Immer vorsichtig sein mit der Evolutionspsychologie. Die könnte zwar als Wissenschaft betrieben werden, aber leider passiert das meistens nicht. Was ich bisher so gelesen habe, besteht zum Großteil aus Argumenten, die auf Unwissen statt auf Wissen aufbauen.
Vielleich kann man als Kompromiss anbieten, dass es, wenn biologisch gewisse vorteilhafte Anlagen vorliegen, soziologisch zwei Möglichkeiten gibt: 1. die Merkmalausprägung wird gefördert, um einen noch größeren Vorteil zu erlangen, oder 2. der Merkmalmangel wird beseitigt, um eine homogene Gruppe zu schaffen. Menschlich ist in vielen Bereichen beides; wir bilden einerseits Spezialisten aus (und sei es, zumindest über eine gewissen Zeitraum, ein ganzes Geschlecht) und wir versuchen andererseits ein Mindestniveau für alle zu halten.
Ich bin zwar weder ironischer Frauenimitator, schwul oder Innenarchitekt, kann aber genauso wie Herr Stefanowitsch Farben aufgrund meines Interesses an Photographie und Grafik recht gut auseinanderhalten.
Die ganze Diskussion hat mich aber an ein Gespräch erinnert, das ich neulich mit meinem Mitbewohner geführt habe, der sich mein Ladegerät ausgeliehen hatte:
Er: Woran seh’ ich denn wann’s fertig ist?
Ich: (entgeistert) Na die Lampe wird grün!
…mir war kurzzeitig entfallen, dass er eine stark ausgeprägte Rot-Grün-Schwäche hat und die Farbänderung ein und der selben LED wohl nur bei permanenter Beobachtung feststellen kann.
#9: Noch was für den Alltag: Beige ist keine Farbe, beige wird’s von allein. (Von meiner Oma)
so long…
David Marjanović (#9), als Biologe sei Ihnen Ihre wohlverdiente Verachtung für Evolutionspsychologen gegönnt, ich habe mich hier ja bewusst keiner evolutionspsychologischen Erklärung des Phänomens angeschlossen, auch wenn ich sicher bin, dass eine existieren muss. Die Tatsache an sich halte ich aber für ausreichend abgesichert.
Dass man für Rosa Rot und Weiß mischt, ist klar. Dabei kommt etwas heraus, was ich natürlich als Rosa erkennen kann, aber gerne auch Rot nenne, wenn eine genaue Differenzierung unnötig ist — ebenso wie ich eine Mischung aus Blau und Weiß „Blau“ und eine Mischung aus Gelb und Weiß „Gelb“ nenne. Mir fällt dabei auf, dass es für diese beiden Mischungen gar keine genuinen Farbwörter gibt — das deutet darauf hin, dass der Pink/Rosa-Bereich eventuell doch evolutionär wichtiger ist als andere Bereiche des Farbraums, so wie das Evolutionspsychologen behaupten (Hautfarbe und deren Veränderungen bei Krankheit/bestimmten emotionalen Zuständen, usw.).
Pink ist auf jeden Fall blaustichig, hier die RGB-Werte für die oben dargestellten Farben (als Prozent):
1: R: 89.0 G: 27.5 B: 64.7
2: R: 93.7 G: 68.2 B: 67.5
Klare Abwesenheit von Gelb bei 1, die zu einer Blaustichigkeit führt. Altrosa als Bezeichnung für 2 kommt hin, bestätigt durch meine Tochter. Helllila für 1 haben meine weiblichen Informantinnen durchweg abgelehnt (mir wäre es recht gewesen, aber Lila [li:la] ist eins der Farbwörter, deren genaue Referenz sich mir sowieso nicht richtig erschließt.
Christoph Päper (#10), ich halte Ihre Sichtweise für genau richtig.
http://de.wikipedia.org/wiki/Purpurlinie
An Anatol Stefanowitsch:
Hm, steht RGB nicht für Rot-Grün-Blau? Demnach wären in (2) ein wenig mehr Blauanteile als in (1)… oder handelt es sich doch um YMC-Kodierung? Egal…
Ich habe feministische Linguistik bisher für eine reine Pseudowissenschaft gehalten, wesshalb ich ihren Bezug auf Lakoff nicht so ganz nachvollziehen kann. Eigentlich auch Egal…
Das ist eine Aussage, die ich gerne belegt haben würde (vor allem die Kausalität, die hier impliziert wird).
Ich frage mich auch, was wohl passiert wäre, wenn beide Kinder männlich (oder weiblich) gewesen wären. Hätten Sie dann auch diesen Beitrag in der Form verfasst, wie er oben steht?
Das eigentliche Problem ist imho Folgendes: Lexeme, dazu zählen Farbwörter, sind arbiträr, also anerzogen (=nicht Teil einer wie auch immer gearteten Grammatik). Wenn ein sprachliches Umfeld (darin z.B. enthalten Mama, Papa, die Mitkinder im Kindergarten…) dem Kind mehrheitlich beibringt, dass die Farben 1 und 2 je unterschiedliche Bezeichner haben, wird das Kind das so annehmen. Tut das Umfeld das nicht, wird das Kind im E‑Fall andere Strategien anwenden, um die beiden Farben voneinander abzugrenzen („Findest du ein hell-rosanes Fahrrad besser, oder ein dunkel-rosanes?“ oder wegen mir auch „Findest du ein Fahrad besser, das lila-rosa ist, oder eins, das mehr weiß-rosa ist?“ o.Ä.). Wie auch immer, dieses kleine Sprachspiel als Evidenz für irgendwelche Farbwahrnehmungsdimorphismen zu deuten, halte ich für sehr weit her geholt. Ich denke, das Beispiel ist eher für Verhaltensforschung interessant („ich kenne mehr Farbwörter als du…“).
Ich stimme zu, daß die Einführung der Farbbezeichnung pink im Deutschen nicht ein “passiver, unterwürfiger Prozess” war. Vielmehr ist diese Bezeichnung von der Bekleidungsbranche dem Verbraucher aktiv und herrisch aufgedrängt worden (“Modefarbe des Jahres” usw.). Das kann man natürlich nicht auf andere Entlehnungen verallgemeinern.
Ich bin dagegen nicht der Meinung, daß die “Entlehnung” dieses Wortes (gewissermaßen nachträglich) zu einer Bedeutungsdifferenzierung “geführt” habe. Vielmehr hat die Bekleidungsbranche das Wort von Anfang an in seiner spezifischen Bedeutung eingeführt.
Als “passiv” und “unterwürfig” könnte man allerdings den Verbraucher bezeichnen, der sich derartiges aufdrängen läßt.
Oh je, da fallen einem jetzt ganz verschiedene Dinge ein… Also:
1. Ich habe mir schon aus Notwehr eine gute Wahrnehmungsunterscheidung antrainiert. Die Textilindustrie denkt sich immer neue Farbbezeichnungen aus, und die muss man einigermaßen kennen, um das gewünschte zu erhalten.
2. Wenn die Leute “pink” übernommen haben, mag das passiv und unterwürfig gewesen sein. Aber auch nicht passiver und unterwürfiger als die Übernahme sonstiger Moden, die man mitmacht oder eben nicht. Das ist kein auf die Sprache und ihre Verwendung reduzierbares Phänomen. Das Wort “Anorak” ist aus meinem aktiven Wortschatz verschwunden. Aber nicht, weil ich dieses Lehnwort gegen ein eher varusbezwingerhaftes getauscht hätte, sondern weil es dieses, in meiner Kindheit allgegenwärtige Kleidungsstück quasi nicht mehr gibt.
3. Ich habe schon als Kind versucht, “rosa” als Adjektiv zu benutzen, weil die Flexion auf “n-” meinem Sprachgefühl zuwider war: Ein “rosanes Hemd” ist ästhetisch wie sprachlich eine Katastrophe.
4. Ist bei Magenta nicht der Farbton selbst und das Wort als Marke für den Sponsor einer der rollenden Apotheken geschützt? (Nicht dass ich glaube, man käme ohne Mittelchen im Sprint den Mont Ventoux hinauf, wenn man vorher mehr als 200 km mit 40 km/h durch die provenzalische Sommersonne geradelt ist…)
Also wie schon angemerkt, gibt es mehrere Farbsehschwächen, diesen ist gemeinsam, dass sie überwiegend bei Männern auftreten. Ein Vergleich der Farbverarbeitung und ‑wahrnehmung bei Mann und Frau müsste die Männer mit angeborenen Farbsehrezeptordefekt ausschließen.
Auch scheint es mir eindeutig, dass der Einfluss der Erziehung und der Gene sehr schwer auseinander zuhalten ist. Es gibt einen (statistisch gesehen) großen Unterschiede in der Sozialisation zwischen Jungen und Mädchen. Schon mal für Kinder Kleidung gekauft ? Die Kleidung für Mädchen ist eindeutig farbenfroher; auch unterhalten sich Mädchen (statistisch gesehen) häufiger über ihre Kleidung als Jungen.
Einen ähnlichen Unterschied zwischen Mann und Frau soll es auch beim Geruchssinn geben. Eindeutig scheint mir zu sein, dass Frauen während des Eisprungs besser riechen und eindeutig ist wohl auch, dass mehr Männer als Frauen den Geruchssinn verloren haben, aber das erklärt nicht den Umstand, dass (statistisch gesehen) Frauen Gerüche differenzierter beschreiben können, Mann kann das auch lernen.
Einen entsprechenden Unterschied soll es auch beim mathematischen Denken geben. Was aber hier so klar und eindeutig scheint, ist in Wahrheit wohl auch komplexer. Soweit ich gelesen habe, erreichen Mädchen in einer geeigneten Lernumgebung die gleichen mathematischen Fähigkeiten.
Mithin: Ich glaube ja an einen starken genetischen Einfluss, aber bevor man das Fass des fixierten Geschlechterunterschieds aufmacht, muss man erst einmal die kulturellen Unterschiede neutralisieren.
Und die Geschichte der differenzierten Farbangabe und den Homosexuellen finde ich ausgesprochen old school und halte sie für überkommen.
Ich finde Achims Punkt 3 auch interessanter als die Frage nach Genetik und Farbwahrnehmung: “Ein rosa Fahhrad” klingt für mich viel richtiger als “ein rosanes Fahrrad”. Allerdings klingt “Findest du ein pinkes Fahrrad besser oder ein rosa” völlig falsch…
@Patrick Schulz
[quote]
Hm, steht RGB nicht für Rot-Grün-Blau? Demnach wären in (2) ein wenig mehr Blauanteile als in (1)
[/quote]
Blauanteil != blaustichig. Sonst waere ja reines weiss 255/255/255 am blaustichigsten.
Zum Thema: Sozialisierung kann genauso zu genetischen Veraenderungen beitragen wie umgekehrt. Wer schonmal angeborenes Huteverhalten von Schaeferhunden beobachtet hat, wird das bestaetigen koennen. Von daher halte ich die Frage fuer irrelevant ob es genetisch oder sozial bedingt ist.
Ich persoenlich sehe keine Notwendigkeit zwischen den beiden grauenvollen Farben zu unterscheiden 😀
Oh, ein Thema zu dem ich gleich in doppelter Eigenschaft was sagen kann!
eins] als Frau: die zweite Farbe ist hart an der Grenze zu Lachsfarben, echtes Rosa sieht unegfähr so aus: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b5/Pink_ribbon.svg/370px-Pink_ribbon.svg.png
zwei] als Biologin/ Physikerin: selbst normalsichtige Menschen (also Menschen, die drei Farbrezeptoren haben — 10% der Männer und 1% der Frauen sind rot-grün farbenblind, weniger Menschen fehlen die Rezeptoren für blaues Licht, sehr wenige sehen gar keine Farben und eine Hand voll Frauen haben einen Rezeptor zuviel (der liegt dann im UV Bereich)) unterscheiden sich leicht von einander in der Perzeption von Farben. Man kann sich das wiefolgt vorstellen: die drei unterschiedlichen Rezeptoren haben eine Wellenlänge, für die sie am empfindlichsten sind, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für ähnliche Wellenlängen nicht null, sondern fällt um die empfindlichste Wellenlänge herum gaußförmig ab. Die Sensitivitätsmaxima unterscheiden sich leicht von Mensch zu Mensch und auch die Anzahl und Verteilung der einzelnen Rezeptortypen unterscheidet sich ein bisschen.
Außerdem können wir nicht nur monoenergetisches Licht sehen, sondern nehmen bestimmte Kombinationen als eigene Farben war (braun zB kommt im Spektrum so nicht vor), das heißt es ergibt sich im Normalfall ein dreidimensionaler Farbraum, den es gilt mit Farbwörtern aufzuteilen.
Wenn man sich das genauer anguckt, stellt man fest, daß der Raum nicht in gleich Teile geteilt ist, sondern daß die Teile sich in ihrer Größe ziemlich doll unterscheiden; so liegen rot und grün physikalisch sehr nah beieinander, blau hat einen riesigen Anteil für sich gepachtet und so weiter.
Nach Berlin & Kay findet man primäre Farbwörter (das sind solche, die sich nicht überlappen und nur aus einem Wort bestehen -> Karminrot und Purpur fallen beide in den roten Teil, rot, lila und blau hingegen schließen sich gegenseitig aus) in verschiedenen Sprachen immer in den selben Kombinationen: wenn es zwei Farbwörter gibt, dann bezeichnen sie stets hell und dunkel, bei drei kommt rot dazu, danach grün oder gelb, danach das übrig gebliebene von grün und gelb, dann blau und so weiter. Warum die Wichtigkeit anscheinend in dieser Reihenfolge zunimmt ist umstritten, allerdings leuchtet es intuitiv ein, daß es wichtiger ist verbal unterscheiden zu können, ob etwas rot oder grün ist als pink oder lila.
Weiterhin sind Frauen und Männer gleich gut darin, Farbtöne von einander zu unterscheiden (bei einem Test in dem man zwei Farbplatten zeigt und fragt, ob die Farben gleich sind oder nicht; den Autor der Studie habe ich leider vergessen).
Ich glaube viel mehr, daß sich die Geschlechter im durchschnittlichen beschreibenden Vokabular unterscheiden, daß sich zB viele Männer nicht nur mit Farben, sondern auch mit Textilarten oder Geschmacksrichtungen oder Charakterzügen schwerer tun (zB habe ich den Eindruck, daß mehr Männer als Frauen nicht zwischen neidisch und eifersüchtig unterscheiden können). Ohne das mit Studien stützen zu können, stelle ich einfach mal die Annahme in den Raum, daß Frauen größeren Wert auf differenzierendes Vokabular legen und Männer auf kategorisierendes.
zu Ihrem letzten Satz:
@kika: Wie wollen Sie denn ohne gute Kategorisierung sinnvoll differenzieren?
Ist mir dann auch aufgefallen, daher “Rationalisierung”. 🙂 Tatsache ist, dass Rosa für mich einfach nicht Rot ist. Ähnlich, ja. Fließender Übergang, ja. Aber es zählt nicht dazu. Hellrot ist nicht rosa. Pastellrot… hm, das ist wahrscheinlich schon rosa… Dafür ist Pink rosa. Bin gespannt, auf wieviele solche (geographische?) Unterschiede wir noch draufkommen werden.
Ja, eben. Farbe 1 ist nicht pink. 🙂 Nahe dran zwar, aber eben zu bläulich.
Lila [lɪlˑa] könnte spezifisch österreichisch sein. Violett sagt man umgangssprachlich einfach nicht, stattdessen lila, und das erstreckt sich eben bis zum Magenta, wenn man es unbedingt braucht.
Nein, “der Verbraucher” hat dieses Wort als Bezeichnung für einen bestimmten Rosaton verstanden, so, wie Lavendel einen bestimmten Violettton bezeichnet. Fachsprache eben.
Überhaupt ist erst seit dem 19. Jhdt. die Männermode so eintönig.
Es hat mich immer gewundert, wo dieses Vorurteil herkommt. Bei uns in der Schule waren fast bis zum Schluss immer ein paar Mädchen an der Spitze; erst in den letzten 2 Jahren haben zwei von den Herren der Schöpfung (die größten Computerexperten, wenig überraschenderweise) ein Interesse an Mathematik entwickelt und dann den Rest der Klasse hinter sich gelassen.
Dann wird mein Bildschirm blaustichig sein. — Rosa-an-sich ist für mich jedenfalls die Farbe von rosanen Rosen.
Wirklich? Habe gelesen, das Absorptionsmaximum ist im orangen Bereich (also röter als beim “roten”, dessen Maximum im gelben Bereich liegt). Ein UV-Rezeptor würde sich überhaupt nicht auswirken, unsere Linsen sind nämlich nicht farblos, sondern ultra-gelb. Leute, denen man die Linsen entfernt hat, sehen (nahes) Ultraviolett; dafür reicht der “Blau“rezeptor nämlich (der einmal ein echter UV-Rezeptor war).
————–
Wenn das Nomen dabeisteht — *ein pinkes Fahrrad oder ein rosa?” ist auch für mich völlig falsch — dekliniere ich rosa und lila Im Dialekt mindestens so oft (mit ‑n-) wie nicht; in der Schriftsprache vermeide ich die Deklination eher (ich glaube, irgendein Präskriptivist hat geschrieben, man soll das nicht tun). Siehe auch wann tun wir notlanden.
Die westliche Männermode, die sich inzwischen fast global verbreitet hat, natürlich.
Ups, da habe ich in meinem Kommentar bei Zf. 3 ein “nicht” vergessen — es hätte natürlich heißen sollen:
Frank Oswalt hat mich aber offenbar so verstanden, wie ich’s gemeint hatte (die Schwaben haben für so was eine Redewendung: net wie i sag — wie i mein — ich beanspruche mit der Rechtschreibung jetzt gar nicht, dass es in etwa aussprachekonform ist).
In unserem Physik LK waren 12 Leute, davon drei Mädchen. Leistungsmäßig gingen Platz 1 und 2 an Mädchen, die dritte war irgendwo im Mittelfeld. Die rote Laterne hatte ich, aber das galt nicht für den Mathe-Grundkurs, da war ich im oberen Drittel.
Bei uns zu Hause hatten meine Schwester und ich das “Händchen” für Mathe, meine Brüder nicht so. Mein kleiner Bruder ist mal ziemlich ausgerastet, als er mit einer Hausaufgabe beim Abendbrot aufschlug, weil er nicht weiterkam und dann von uns beiden gesagt bekam “deine Lösung kann gar nicht stimmen, sieht man doch gleich, dass das da nicht rauskommen kann”. Wer einigermaßen schätzen kann, hat schon viel gewonnen 😉
Also, mein Bildschirm ist nicht blaustichig, und das hier ist Pink.
Ob es sich um shocky pink, violently pink, bubblegum pink oder einfach nur ugly pink handelt, kann ich allerdings nicht entscheiden. Naja, ich würde auf violently pink tippen… (Alle vier © Joanne Rowling. Shocky pink ist übrigens als “knallrot” übersetzt worden — die Spitze eines Eisbergs von haarsträubenden Übersetzungsfehlern.)
=======================
LK heißt Leistungskurs?
Ich kann mir bei diesem Artikel eine Bemerkung nicht verkneifen, die ich vor einiger Zeit als Signatur in einem Forum sah: “Farben haben nur eine Silbe”. Dies schließt zwar dann Farben wir rosa aus, aber dann packt man halt rosa, violett, lila ([lɪlˑa], auch im Rheinland) unter pink. 🙂
Violett unter Pink packen? Srsly?
Einmal mehr danke für dieses lustige Thema. Ich muss immer noch lachen über einige Kommentare und den Beitrag selbst. Dass man als Mann das Wissen um die Farbe Pink schon aus Selbstverteidigungsgründen kennen muss, wird definitiv in mein Standardrepertoire aufgenommen. Köstlich.
Magenta ist nicht pink. Fragt einfach mal junge Mädchen in einem Telekomladen, ob das Logo pink ist. Bitte auf Entrüstung vorbereiten!
Wer keine Kindergartentäschchen, Hello Kitty Shirts oder Plüsch-Chaps trägt muss sich nicht wirklich für die Farbe interessieren.Trotzdem steht man als Depp da, wenn man Pink falsch verwendet, genau wie der Junge auf dem Spielplatz.
Da wir armen unwissenden Rosadenker jetzt mehr wissen, bleibt folgende Frage:
Wie können Pinkliebhaberinnen und ‑liebhaber diese Farbe ertragen? Die Leuchtkraft ist essenziell bei der Farbe Pink, sie schlägt einem schon von weitem in die Fresse. Ich verstehe nicht, wie diese anstrengende Farbe Wohlgefallen auslösen kann.
Obwohl die Farbe ähnlich auf mich wirkt wie Neongrün oder ‑gelb wird diese Farbe oft erbittert verteidigt, als handele es sich dabei um das Wahre Kreuz.
Patrick Schulz (#14), die Abwesenheit von Gelb bei bei etwa gleichen Rot- und Blauwerten führt natürlich trotzdem zu einer Blaustichigkeit. Das Wort demensprechend drückt für mich keine Kausalität aus, ich habe es gewählt, weil ich es für ausreichend vage halte. Unplausibel wäre diese Kausalität aber nicht. Ich werde die entsprechende Studie heraussuchen, das kann aber ein paar Wochen dauern.
Achim (#20), ein rosanes Hemd ist auf jeden Fall eine ästhetische Katastrophe, aber das Wort rosane für mich nicht. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass mein ästhetisches Sprachgefühl großzügiger ist, als das der Menschen um mich herum. Ich finde z.B. auch nichts dabei, so etwas zu sagen wie Ich bin grad das rosane Hemd am bügeln, obwohl diese Konstruktion in meinem Dialekt angeblich nicht existiert.
Bernd (#17), dem FSM sei Dank, dass unsere genetischen Anlagen eben nur Anlagen sind. Man muss auch immer daraufhinweisen, dass es hier um Mittelwertsunterschiede in Populationen geht, nicht um individuelle Unterschiede. Die Geschichte der differenzierten Farbangabe und den Homosexuellen mag „old school“ sein, aber Robin Lakoff ging es ja gerade nicht darum, dass dies tatsächlich der Wahrheit entspreche, sondern, dass es ein gesellschaftliches Stereotyp ist.
Kika (#20), lachsfarben, das stimmt! Dieses Wort ist mir nicht so geläufig, weil meine große Tochter, die für die Ausdifferenzierung meines Farbvokabulars zuständig ist, eine Abneigung gegen von Nahrungsmitteln oder Pflanzen abgeleitete Farbwörter hat.
David Marjanović (#25), das ist ein schönes Beispiel für Pink!
Nehmen wir die Pferdedecke ohne die rosanen Ränder und Applikationen, dann stellen wir fest:
Rot variiert zwischen 89% und 100% (meistens um die 96%)
Gelb variiert zwischen 24% und 34% (meistens um die 30%)
Blau variiert zwischen 43% und 66% (meistens um die 58%)
Damit liegt das von mir gewählte (besser gesagt, von dem Mädchen auf dem Spielplatz gewählte und von mir aus der Erinnerung konstruierte Pink (R: 89.0%, G: 27.5%, B: 64.7%) klar innerhalb der Parameter, die Sie als Beispiel für Pink geben, allerdings in Bezug auf die Blaustichigkeit tatsächlich am oberen Rand (mehr Blau, weniger Rot), es geht damit im Vergleich zu Ihrem Pink klar in Richtung Lila.
Zu den verschiedenen erwähnten Studien allgemein: Jede Studie, an der Lera Boroditsky beteiligt ist, genieße ich mit etwas Vorsicht. Ihre Arbeiten sind sehr interessant und ich will ihr keinesfalls Fehlanalysen oder gar Datenfälschung vorwerfen (auch nicht implizit, in dem ich sage, dass ich sie ihr nicht vorwerfen will!), aber sie erhält mit schöner Regelmäßigkeit Effekte, die andere Forschergruppen nicht erhalten. Zu sinji und goluboj gibt es ein Dutzend oder mehr Studien von der Gruppe um Ian Davies, die nie den von Boroditsky gefundenen Effekt zeigen konnten. Berlin und Kay sind natürlich paradigmenbildend gewesen, aber inzwischen sind ihre Arbeiten doch als deutlich zu vereinfachend kritisiert worden (z.B. von John Lucy). Trotzdem stimmten ihre Angaben zur Ausdifferenzierung des Farbvokabulars in den Sprachen der Welt wohl ungefähr, zumindest auf genuine Farbwörter bezogen (also unter Nichtberücksichtigung transparent von Gegenständen abgeleiteter Begriffe). Zur Studie, die zeigt, dass Männer und Frauen gleichermaßen gut Farbtöne unterscheiden können, wüsste ich gerne mehr.
Anatol,
dass “ich bin gerade das Hemd am bügeln” in Ihrem Dialekt angeblich nicht vorkommt, sie es aber doch benutzen, ist ein weiteres interessantes Thema: Wieviele Grammatiken haben wir im Kopf? Ist die intralinguistische Variation (Dialekt / Hochsprache, verschiedene Register etc.) eine Sammlung mehrerer diskreter Repräsentationen oder eine einzige Repräsentation mit Teilsystemen?
Unser Sprachemfinden ist ja sehr anpassungsfähig. Ich bin noch nicht lange in Berlin, aber die Formulierung “ich habe zu Hause noch ein rosa Hemd zu hängen” fallen mir längst nicht mehr jedes Mal auf. Anfangs tat das richtig weh… Und so geht es mir mit vielen regionalen Phänomenen.
An A.S.
Zum Thema Blaustichigkeit: Ja nee, schon klar, obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass das G in RGB für Grün steht, nicht für Gelb…
Ich komm aber mit der Korrelation zwischen Farbvokabular und Differenzierungsvermögen immer noch nicht klar. Würde ich dann nicht schliesen müssen, dass Sprecher einer Sprache mit sagen wir drei (Grund)Farbwörtern per se über ein schlechteres Farbsehvermögen verfügen als Sprecher einer Sprache mit mehr (Grund)Farbwörtern? Oder andersrum: Wenn ein Mensch ein schlechteres Diskriminierungsvermögen hat, lernt er eine Sprache mit weniger Farbwörtern schneller/besser als eine, in der es mehr Farbwörter gibt. Klingt reichlich unplausibel, beides.
Patrick (#29), „dass das G in RGB für Grün steht“ — das stimmt. Hier hat mich verwirrt, dass Gelb beim RGB-Schema aus Rot und Grün besteht. Der Zusammenhang zwischen Farbvokabular und Differenzierungsvermögen dürfte komplexer sein — man darf dabei keinesfalls nur „Basic Color Terms“ berücksichtigen: ein Sprecher einer Sprache mit zwei Basic Color Terms kennt vermutlich genausoviele Farbwörter wie ein Sprecher einer Sprache mit elf, nur, dass die eben nicht „Basic“ sind.
Achim (#30), „eine Sammlung mehrerer diskreter Repräsentationen oder eine einzige Repräsentation mit Teilsystemen“ — Sprache ist ein Sammelsurium von Zeichen verschiedener Komplexität und Abstraktheit (aber das ist nur meine Meinung…).
Neongrün, ‑gelb und ‑orange können sehr schön sein (…im Unterschied zu Pink).
@ Patrick: Sorry, aber es scheint so, als hätten Sie keine Ahnung von RGB, daher sollten Sie mit solchen sehr “selbstbewußt” klingenden Äußerungen etwas vorsichtiger sein. Gelb wird gebildet durch Rot und Grün, und da in Beispiel 1 kaum Grün vorhanden ist, ist auch kein Gelb vorhanden, wodurch sich ein höherer Blauanteil ergibt. Beim anderen Farbton dagegen ist es so, daß Grün und Blau fast gleich stark vertreten sind, wodurch lediglich das Rot heller wird, aber keine Blau- oder Gelbfärbung eintritt.
> Frauen können im Farbraum feinere Unterscheidungen machen und haben dementsprechend ein differenzierteres Farbvokabular.
Ich halte diese Aussage so pauschal für aus der Luft gegriffen. Modellbastelnde Männer haben meist ein sehr feines Unterscheidungsvermögen und ein ausführliches RAL-Vokabular. Teilweise lässt sich das dann auch auf umgangssprachliche Farbbegriffe mappen 😉