Viele Jahre lang bin ich fast täglich mit dem Auto von Hamburg nach Bremen und zurück gefahren, so dass ich irgendwann jeden Lastwagen kannte, der auf dieser Strecke verkehrt. Dabei haben es mir besonders die Fahrzeuge des niederländischen Spediteurs Dalessi Internationaal Transport BV angetan. Nicht, weil die Fahrer häufig versuchen, mit 80,5 km/h ihren 80 km/h fahrenden Vordermann zu überholen, sondern, weil Dalessi mit einem merkwürdigen Slogan wirbt: „ferry-very-good“.
Ich habe mich lange gefragt, was das heißen soll. Zunächst einmal, weil die Firma zwar eine Flotte unterhält, diese aber nicht aus Fährschiffen sondern aus Lastwagen (bzw. Aufliegern) besteht (aus 240, wie man ihrem Netzauftritt entnehmen kann). Das lässt sich allerdings relativ leicht erklären: die Kernbedeutung des Substantivs und des Verbs ferry bezieht sich zwar auf Schiffe, aber beide können auch auf andere Transportmittel übertragen werden (das Apple-Wörterbuch, das einzige, auf das ich gerade Zugriff habe, bietet mir hier den Beispielsatz Helicopters ferried 4,000 men into the desert, etwa „Hubschrauber verschifften 4000 Männer in die Wüste“). Fährdienste haben die hervorstechende Eigenschaft, dass sie regelmäßig zwischen zwei (oder mehr) Punkten hin- und herfahren, und dort, wo andere Fahrzeuge eine ähnliche Hin- und Herfahrerei betreiben — z.B. Hubschrauber, die mehrere Male in die Wüste und zurück fliegen –, kann metaphorisch das Wort ferry verwendet werden.
Aber das, was mich an dem Slogan eigentlich verwirrt hat, ist seine Struktur. Soll ferry hier ein Substantiv sein, und der Slogan eine Kurzform für etwas wie This ferry is very good („Diese Fähre ist sehr gut“)? Das wäre ein schwer durchschaubarer Telegrammstil und auch die Aussage scheint wenig werbewirksam. Oder soll ferry ein Verb sein, im Sinne von We ferry (your cargo) very good („Wir verschiffen (Ihre Güter) sehr gut“)? Das wäre zwar inhaltlich nachvollziehbar, aber das ganze wäre ungrammatisch. Statt good müsste hier die adverbiale Form stehen (We ferry (your cargo) very well) — und auch das wäre ein sehr holpriger Slogan.
Nun ist es nicht gerade außergewöhnlich, dass ein Werbeslogan grammatische oder semantische Beschränkungen verletzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen — gelungene Beispiele für diese Strategie sind z.B. Deutschlands meiste Kreditkarte (Eurocard), das aktuelle Der totalst-probierigste Mittelscharfe der Welt (Löwensenf), oder Das König der Biere (König Pilsener). Aber damit ein Slogan den gewünschten Effekt erzielt, muss diese Verletzung ihrerseits semantisch motiviert sein, so dass der Leser/Hörer für den höheren Verarbeitungsaufwand, den die ungrammatische Struktur erzeugt, mit einer reichhaltigen Bedeutung belohnt wird. Das ist bei den beiden eben erwähnten spekulativen Strukturanalysen nicht der Fall.
Die sinnvollste Interpretation des Slogans scheint mir stattdessen folgende zu sein: We are (oder: Dalessi is) very, very good („Wir sind (oder: Dalessi ist) sehr, sehr gut“). Dass das erste very durch ferry ersetzt wird, ist dann ein Wortspiel (etwa: „Wir sind fähr’, sehr gut“).
Das ist ein sehr mäßiges Wortspiel, nicht viel besser als meine deutsche Übersetzung. Warum? Weil diese Art von Wortspiel dann am besten funktioniert, wenn die vertauschten Wörter gleich (oder extrem ähnlich) klingen, so dass eine Art Spannungsverhältnis zwischen der geschriebenen und der gesprochenen Form entsteht. Im vorliegenden Fall aber nur bedingt der Fall: very beginnt mit einem stimmhaften labiodentalen Reibelaut — [vɛri] –, während ferry mit einem stimmlosen labiodentalen Reibelaut beginnt — [fɛri]. Der Unterschied in der Stimmhaftigkeit ist im englischen Lautsystem extrem wichtig, da er viele Wörter unterscheidbar macht (ferry und very natürlich, aber auch sip („Schluck“) und zip („Reißverschluss“), dilution [dɪˈluʃən] („Verdünnung“) und delusion [dɪˈluʒən] („Wahnvorstellung“) usw.). Die Schriftform und die lautliche Form des Dalessi-Slogans unterscheiden sich also beide auf eine parallele Weise, was vermutlich dazu geführt hat, dass der Slogan mich so lange so sehr verwirrt hat.
Aber warum denkt sich eine Firma ein schlechtes Wortspiel aus und druckt es auf 240 Auflieger? Ich vermute, dass der Firma hier die Muttersprache der Mitarbeiter zum Verhängnis geworden ist: die Firma hat ihre Zentrale in IJhorst (Overijssel) im Norden der Niederlande, und in den nördlichen Dialekten des Niederländischen ist die Unterscheidung zwischen stimmhaften und stimmlosen Reibelauten am Anfang von Wörtern verschwunden — sie werden alle stimmlos ausgesprochen. (Ganz allgemein ist der Unterschied in der Stimmhaftigkeit von Reibelauten im Niederländischen geringer als beispielsweise im Englischen oder Deutschen, weshalb deutsch- oder englischsprachige Lerner des Niederländischen auch stimmhafte Reibelaute häufig als stimmlos wahrnehmen). Ein Mitarbeiter der Dalessi Internationaal würde die Wörter ferry und very also gleich (oder fast gleich) aussprechen: [fɛri fɛri gʊd]. Mit dieser Aussprache funktioniert das Wortspiel natürlich genau so, wie es soll.
Nun könnten die Sprachnörgler kommen und sagen: „Siehste! Immer dieser Englisch-Wahn! Hätten die mal lieber gleich einen niederländischen Slogan gewählt!“ Aber den würde natürlich auch niemand verstehen, und ich hätte mich im Stau auf der A1 noch mehr gelangweilt.
Vielleicht ist auch gerade eine selbstironische Anspielung auf den eigenen Akzent?
Ich als Hochdeutsch Sprechender hätte zum Slogan “ferry — very — carry” tendiert. Auch Gaga, aber ganz bei der Sache …
Erinnert mich an den Vortrag, den Paul Boersma zur StuTS in Amsterdam gehalten hat. Er hatte darin die nicht-Unterscheidung bzw. phonetische Vermischung der Aussprache von [s] und [ʃ] im niederländischen Englisch mit den Worten kommentiert:
Die Speditionsfirma findet den Spruch anscheinend alles andere als mittelmäßig, so oft wie der auf ihrer Website auftaucht. Anscheinend haben sie sich bewusst einen englischsprachigen Spruch ausgesucht, fahren sie doch laut Homepage regelmäßig nach Großbritannien.
Ein niederländischer Blog, der sich mit Wörtern und Slogans beschäftigt, fand den Spruch wohl auch weniger gelungen und kommentiert mit: “Oké, ook nog even een paar minder goede slogans dan.
Tja, als Branchentätige würde ich diesen Claim einfach nur einer grottenschlechten Marketingabteilung anlasten. Da finde ich persönlich ferry — very — good ernsthaft sprachlich deutlich kreativer (immerhin denkt man drüber nach oder verfasst längere Blogeinträge darüber) als das, was es an einigen Stellen in Bremen zu lesen gibt: Ein Jalousiehersteller verteilt in der Stadt seine Aufsteller und parkenden Lieferwagen, allesamt versehen mit einem Kinderbild und dem Spruch “Lieber zu Rieper!”. Das tut phonetisch NOCH weher.
Zumindest geht der Slogan locker-flockig von der Zunge und schmeichelt dem Ohr, finde ich. Ich denke wie naddy, dass der nordniederländische Akzent nicht das Verhängnis des Slogans ist, sondern dass auf den gerade angespielt wird (sowas gab’s in der Werbung ja schon häufiger). Dafür spricht auch der folgende Satz von der Website: “With our well maintained fleet of 240 trailers and our valued network of reliable hauliers we take ‘ferry good’ care of your cargo.” Warum dann beim zweiten Mal “very”? Vielleicht sprechen sie diesen Reibelaut stimmhafter aus, wenn er zwischen zwei Vokalen steht.
naddy (#1) und ke (#6), das wäre aber eine ziemlich subtile Anspielung — ich kann mir nicht vorstellen, dass Dalessis Werbeagentur davon ausgeht, dass die phonologischen Feinheiten nordniederländischer Dialekte international bekannt sind.
Das reduzierte Wortspiel in we take ‘ferry good’ care of your cargo funktioniert übrigens auch ohne solche Kenntnisse, da hier ein direkter Kontrast zwischen der ferry/fɛri einerseits und very/vɛri andererseits ausgeschöpft wird. Dieses Wortspiel findet sich dementsprechend recht häufig, auch im englischsprachigen Raum (1600 Googletreffer auf <uk>-Webseiten).
Das erinnert mich an die Sprachkurs-Werbung von Berlitz mit der “Dschörmen Koost Gard”: http://www.youtube.com/watch?v=VSdxqIBfEAw
Was mich mehr verwundert ist die Schreibung mit Bindestrich. Darauf kann ich mir irgendwie keinen Reim machen. Ok, einen: Vielleicht soll das Ganze auch Ferry “Very Good” heißen, also als Name, die Fähre “Sehr Gut”, und dazu dann noch nach Wortspiel mit ferry und very (das ich so schlecht übrigens nicht finde). Das Wortspiel allein erklärt die Bindestriche nicht.
Vielleicht denkt ihr alle ein bisschen zu viel nach. Irgendjemand bei der Spedition oder bei der Werbeagentur ist über dieses Minimalpaar gestolpert, fand es lustig und dann ist man dabei geblieben. Und die Bindestriche sind halt einfach so dazugekommen.
Toll! Super spannend, ein echter Linguistenkrimi!
O.k. — ist ja fleißig…! Aber:
“Veel geschreeuw en weinig wol, zei de duivel [of drommel], en hij schoor zijn varken.”
Nein, das will ich nicht übersetzen. die niederländische Sprache kann sich ja als verbale Aufgbe verbreiten — ganz wie der Slogan.
Aber, ich geb’ einen Hinweis auf die Erklärung dieser Redensart:
http://www.onzetaal.nl/advies/gespin.php
Adele Bongartz (#12), ich würde mich ja auf ein verbales Gefecht mit Ihnen einlassen, aber Лежачего не бьют. Ich könnte auch versuchen, Ihnen zu erklären, warum Ihre Kommentare mich langweilen, aber ce n’est pas aux vieux singes qu’on apprend à faire des grimaces, und so würde das vermutlich nicht viel nützen.
E i n Kommentar — der wird zum Plural gemacht!
Finis: “Boontje komt om zijn loontje.”
De slogan Ferry — very — good betekent: good is cargo goederen en wij zijn erg goed op de ferry boot en met uw goederen, de verbinding tussen deutschland en engeland. ik ben de bedenker van de slogan en ben me bewust van het feit dat mensen erg moeten nadenken voordat ze begrijpen wat wij er mee bedoelen