Das BILDblog hat heute einen Beitrag veröffentlicht, in dem es um fehlerhafte Wortersetzungen in der Bild geht. Einer der Artikel handelt von einem Japaner namens Hasebe, der bei Wolfsburg Fußball spielt. Bild schreibt zu seiner deutschen Aussprache:
Mittelfeldmann Makoto Hasebe (25) kann das “ch” nicht aussprechen, z.B. also Champions League. Sein Dolmetscher Yunpei Yamamori: “Diesen Laut gibt es im Japanischen nicht.” Stattdessen kommt bei ihm immer ein “F”.
Seltsam, denkt man sich – das <ch> in Champions League wird doch als tsch (IPA: [tʃ]) ausgesprochen, und mit diesem Laut sollten JapanerInnen eigentlich kein großes Problem haben, besitzen sie doch einen, der ausreichend ähnlich klingt, das [ʨ]. Urteilt selbst – wer keine Sprache mit diesem Laut spricht, wird ihn ziemlich sicher für ein [tʃ] halten: お茶 ocha ‘Tee’ (auf das dritte Wort von oben klicken).
Lesen wir mal weiter …
Das Sprachproblem amüsierte die Mannschaft beim Frühstück. Hasebe bestellt “Grape-FruFFt” statt “Grape-FruCHt”.
Der Verdacht bestätigt sich: Es ist gar nicht der [tʃ]-Laut gemeint, sondern der [χ]-Laut. Also das, was in deutschen Wörtern als <ch> geschrieben wird, nicht das, was in englischen Wörtern als <ch> geschrieben wird. Oder sprechen die Bildredakteure etwa Champion wie Chemie aus?
Den [χ]-Laut, wie er in Grapefrucht (was ich eh nur als Grapefruit oder Pampelmuse kenne) vorkommt, existiert im Japanischen tatsächlich nicht.1
Wie kommt es jetzt aber zum [f]?
Im Japanischen gibt es fünf Vokale, die (fast) immer auf einen Konsonanten folgen. So entstehen z.B. die Silben ha, hi, ho, he, hu. Das u ist aber kein [u] wie im Deutschen, der Laut klingt etwas anders. Man notiert ihn in IPA als [ɯ] und er klingt wie ein [u] wenn man dabei die Lippen nicht rundet. Wenn [h] vor diesem Laut steht, wird es zu einer Art [f] – ganz genau zu einem [ɸ]. Nah genug an [f] dran, um ihn dafür zu verwenden (wie auch schon mit [ʨ] und [tʃ]).
[ɸ] kommt also eigentlich nur vor [ɯ] vor. Trotzdem kann Herr Hasebe es auch anderswo im Wort aussprechen, z.B. bei Grapefruɸt, wo er das [χ], das seine Sprache nicht hat, durch das [ɸ] ersetzt, weil es einigermaßen ähnlich klingt.
Wie kam es also zur Champions League? Ich vermute2, dass Bild das Wort nur deshalb gewählt hat, weil es aus dem Bereich Fußball kommt und es vielleicht lustig klingt, dass ein Fußballer ein so wichtiges Wort nicht aussprechen kann. Man ging also einfach nach dem vermeintlichen Prinzip “Was gleich geschrieben wird, wird auch gleich ausgesprochen” und ersetzte den wirklichen Aussprachefehler bei Grapefrucht durch den eingebildeten bei Champions League.
Dass Hasebe weder das [tʃ] noch das [χ] aussprechen können soll, erscheint mir extrem unwahrscheinlich. Oder sagt er nicht nur Grapefruft, sondern auch Fambions League?
Fußnoten:
1Der [ç]-Laut hingegen sollte JapanerInnen kein so großes Problem bereiten, den haben sie nämlich, wenn auch als Allophon, d.h. als stellungsbedingte Aussprachevariante von [h]. Im Japanischen folgt ja i.d.R. (ich vereinfache etwas) auf jeden Konsonanten ein Vokal. Wenn [h] sich mit [a], [e] oder [o] verbindet, klingt es ganz normal, ha, he, ho – bei hi aber wird das [h] zu [ç], also [çi] (deutsch geschrieben <chi>).
Aber auch wenn dieses [ç] eigentlich nur vor [i] steht, sollte Makoto Hasebe den Laut auch auf andere Stellen im Wort übertragen können – bei [f] kann er es nämlich offensichtlich (s.o.). Wahrscheinlich spricht er also auch Wörter wie ich, echt, … richtig aus, es spricht nichts dagegen, dass er das [ç] nicht auch dorthin übertragen kann. Nur das [χ] bleibt ein Problem. Aber kein unlösbares, nehme ich doch mal schwer an.
2Leider konnte ich online kein Interview mit Hasebe finden und bin ein fernsehloser Mensch. Sollte jemand Zugang zu einer Aufnahme haben, auf der Hasebe Deutsch spricht, wäre ich sehr interessiert!
Nachdem ich eine Weile in Japan gelebt habe, und die Sprache ein wenig spreche, muss ich auch sagen, dass das, was die Bildzeitung schreibt, mir Spanisch vorkommt.
Tatsächlich sind im Japanischen die Grenzen zwischen /f/ und /h/ fließend. Ein /f/ vor einem /i/ zum Beispiel wird immer wie /h/ ausgesprochen, statt dem englischen Wort “coffee” sagen sie also “ko-hi”.
Ein /tsch/ können sie aber sehr wohl sprechen, egal vor welchem Vokal! Ein beliebtes japanisches Gericht ist zum Beispiel Goya Champuru, das zweite Wort wird /tschampuru/ gesprochen, also in etwa so wie Champions League 🙂
Ich lese mich mal wieder durch die Archive meiner Lieblingsblogs, und jetzt muss ich so ca 3 Jahre später kurz was anmerken:
Einerseits wegen der Übertragung von Allophonen… das kann, finde ich, durchaus ein größeres Problem darstellen. Für mich ist es zum Beispiel unheimlich schwierig, die Verkoppelung von Betonung/Quantität/Qualität zu entwirren. Das bereitet natürlich gerade bei Sprachen wie dem Finnischen, wo unbetonte Vokale lang sein können, durchaus Probleme.
Und bei der Trennung von unaspirierten und aspirierten Konsonaten haperts auch, gerade wenn ich schnell zu sprechen versuche (gut, nicht beim Finnischen, aber wenn ich mich an einem Sanskrit- oder Hinditext versuche 😉 )
Und zweitens noch re: Vermischung von /f/ und /x/, das scheint mir ja auch sporadisch innerhalb der diversen germanischen Sprachen zu passieren, allerdings nicht systematisch — zum Beispiel ‘laugh’ vs ‘lachen’, ’sanft’ und ’sacht’, ‘after’ vs ‘achter’ vs ‘After’.
Also einmal E /f/ — D /x/, dann Hochdeutsch /f/ — Niederdeutsch /x/ und E /f/ — NL /x/ — D /f/.