Ein sehr merkwürdiges Wort geistert durch meine Bitte um eine deutsche Alternative zum Call for Papers: das Wort Beitragsersuch. Es stammt aus der Wikipedia, wo es im Eintrag zu Call for Papers als deutsche Übersetzung angegeben wird.
Anders als viele meiner Kollegen bin ich der Meinung, dass die deutschsprachige Wikipedia grundsätzlich eine zuverlässige Quelle darstellt. Fehler werden schnell korrigiert und wenn mal ein Artikel überlebt, der inhaltlich nichts taugt, erkennt man den normalerweise auf den ersten Blick an formalen Mängeln.
Aber in diesem Fall hat jemand die Wikipedia manipuliert: das Wort Beitragsersuch gibt (bzw. gab) es nicht. Jemand hat es an dem Tag erfunden, als es zum ersten Mal in der Wikipedia erschien.
Der Reihe nach. Ein erster Hinweis darauf, dass es sich hier um ein Fantasiewort handelt, liegt in dem Kopf des zusammengesetzen Substantivs. Ersuch ist bestenfalls marginal ein Wort der deutschen Sprache. Mir war es völlig unbekannt, ich wüsste noch nicht einmal, welches Genus es hat: der Ersuch oder das Ersuch? Weder der Duden noch das Bertelsmann-Wörteruch kennen es, das Grimm’sche Wörterbuch nennt einen einzigen Beleg und der ist von 1719 (aus Johann Christoph Ettners Des getreuen Eckarths medicinischer Maul-Affe). Die Grimms geben an, das Wort sei ein Maskulinum (der Ersuch). In Rechts- und Behördentexten finden sich vereinzelte Belege, aber auch dort scheint das Wort veraltet zu sein.
Ein zweiter Hinweis ergibt sich aus der Tatsache, dass es außer besagtem Wikipediaeintrag und seinen tausend Kopien so gut wie keine Google-Treffer für den Beitragsersuch gibt. Sehen wir uns den Eintrag also näher an.
Die erste Version des Eintrags stammt vom 17. Oktober 2006. Dort wird das Wort Beitragsersuch nicht erwähnt. Der Autor gibt für das Wort nur eine etwas ungeschickte Übersetzung, die klar als ungefähre Entsprechung gekennzeichnet ist:
Ein call for papers (deutsch etwa: “Aufforderung von Papieren”) ist eine Methode, mit der zur Abgabe von wissenschaftlichen Arbeiten zu einem bestimmten Thema aufgefordert wird. [Link]
Die erste Änderung an dieser Passage findet sich drei Monate später in der Artikelversion vom 18. Januar 2007:
Ein call for papers (deutsch etwa: “Ruf nach Unterlagen”) ist eine Methode, mit der zur Abgabe von wissenschaftlichen Arbeiten zu einem bestimmten Thema aufgefordert wird.[Link]
Hier versucht jemand, eine natürlicher klingende Übersetzung zu finden, aber diese ist immer noch als solche gekennzeichnet.
Die entscheidende Veränderung stammt vom 21. Mai 2007. Ein anonymer Nutzer mit der IP 85.178.31.116 überarbeitet die Passage wie folgt:
Ein Beitragsersuch (kurz Btres.) bzw. call for papers (engl., etwa Ruf nach Unterlagen, kurz CfP) ist eine Methode, mit der zur Abgabe von wissenschaftlichen Arbeiten zu einem bestimmten Thema aufgefordert wird.
Kein Wort mehr davon, dass dies eine ungefähre Übersetzung sein soll. Der Begriff wird in den Text eingebaut als handle es sich um einen gebräuchlichen deutschen Begriff.
Der dritte Hinweis: Eine ausführliche Google-Suche zeigt, dass es keine Treffer für diesen Begriff gibt, die aus der Zeit vor dem 21. Mai 2007 stammen. Dafür finden sich genau fünf Treffer, die vom selben Tag stammen.
- Die selbe IP hat den Begriff an diesem Tag in das Wiki-Buch „Fruchtbringendes Wörterbuch“ eingetragen [Link]
- Ein „Dario“ fragt in den Kommentaren zu einer Konferenz zum Thema Mediensprache: „Ich habe Ihr Beitragsersuch (cfp) für den Termin 4.–5. April 2008 gelesen. Muss man sich dort an ein bestimmtes Format halten?“ [Link]
- In einem Gästebuch, das mit Konferenzen oder Calls-for-Papers nichts zu tun hat, schreibt ein „Anonymous“ völlig zusammenhangslos: „Wie bist Du eigentlich auf die Idee mit dem Call for Papers (Beitragsersuch) gekommen?“ [Link]
- In einem offenen Blog hinterlässt ein „Olaf“ die bezugslose Frage: „Wiki-Beitragsersuch Ist das eigentlich das einzige Btres. momentan zum Thema Wiki?“ [Link]. Hier wird auch die angebliche Abkürzung aus dem Wikipedia-Eintrag geschicht eingebaut.
- Und auf der Homepage des Fliegenden Spaghettimonsters fragt ein „Niels“: „Ich habe das Beitragsersuch (call for papers) zum Thema Spaghettimonster gelesen. Ist das wirklich ernst gemeint?“ [Link]
Fünf zusammenhangslose Postings am selben Tag, an dem das Wort in der Wikipedia auftaucht — wenn die Betreiber der entsprechenden Blogs und Foren die IP des Kommentators überprüfen würden, um was wetten wir, dass es die 85.178.31.116 ist? Zweck sollte wohl sein, skeptischen Wikipedia-Administratoren vorzugaukeln, es handle sich um ein echtes Wort. Nebenbei aber interssant, dass das Wort von dem namenswechelnden Kommentator durchgängig als Neutrum behandelt wird — ein guter Hinweis darauf, dass es sich um eine Eigenschöpfung handelt.
Irgendein selbsternannter Sprachpfleger hat hier also ein Fantasiewort geschaffen und sich überlegt, dass man es über die Wikipedia in den allgemeinen Sprachgebrauch schmuggeln kann. Und dieses Experiment beginnt Wirkung zu zeigen: insgesamt sieben Konferenzveranstalter aus dem In- und Ausland sind in den letzten Jahren auf den Wikipedia-Eintrag hereingefallen:
- Ein „internationaler Beitragsersuch“ zu „mentalen Werkzeugen in der historischen und Sozialanthropologie“ irgendwann vor September 2008 [Link]
- Das FNA-Graduiertenkolloquium (im September 2007) [Link]
- Die Sixth Biennial International Auto/Biography Association Conference in Honolulu (irgendwann vor November 2007) [Link]
- Das 6. Ölwärme-Kolloquium (im Dezember 2008) [Link]
- Die Konferez „Übersetzen in die Zukunft — Herausforderungen der Globalisierung für Dolmetscher und Übersetzer“ (im Dezember 2008) [Link]
- Der „First NLP4DL Workshop“ (am 10. März 2009) [Link]
- Die Konferenz „Sakralmusik im Habsburger Kaiserreich 1619–1740 und ihr Kontext“ an der Universität Utrecht (irgendwann vor November 2009) [Link]
Außerdem findet sich das Wort auf einer Mailingliste für Philosophen im Dezember 2007 und in der Produktbeschreibung eines Buches, das im April 2009 erscheinen soll.
Die Wikipedia-Community stellt das vor ein Problem: Die Richtlinien der Enzyklopädie verbieten es Nutzern, in Artikel eigene Forschungsergebnisse einzubauen — dazu dürften auch erfundene Wörter gehören. Nur Wissen, das sich mit bereits vorhandenen Quellen belegen lässt, soll in die Artikel einfließen. Zu dem Zeitpunkt, als das Wort zum ersten Mal in der Wikipedia erschien, war diese Bedingung nicht erfüllt. Das Wort hätte sofort gelöscht werden müssen. Da das damals nicht geschehen ist, haben andere Nutzer es bei ihrer Suche nach einer Übersetzung für Call-for-Papers gefunden, es fälschlicherweise für einen etablierten Begriff gehalten und angefangen, es selbst zu verwenden. Und so finden sich heute authentische Verwendungen, die Richtlinien der Wikipedia haben sich im Nachhinein selbst erfüllt und das Wort könnte in dem Eintrag stehen bleiben. Natürlich ist es ein extrem seltenes Wort, so das man argumentieren könnte, es sei schlicht nicht wichtig genug um in der Wikipedia zu erscheinen. Aber wenn es noch ein paar Jahre stehen bleibt, wird sich auch das geben.
Und die Wikipedia zeichet nicht länger nur Wissen auf, sie erzeugt es selbst.
Ja, so funktioniert die Informationsgesellschaft: http://www.titanic-magazin.de/uploads/pics/1211a-infogesellschaft_01.gif 😉
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Komischerweise fällt niemandem auf, wie grausam hässlich dieses Wort ist. Es klingt nicht nur fürchterlich, es sieht auch schrecklich aus; außerdem ist es völlig unproduktiv, da es einer Erklärung bedarf. Wenn selbst Behörden es als ‘veraltet’ — ‘altertümelnd’ trifft es wohl besser — ablehnen, sollte sich der durchschnittlich Begabte Gedanken machen.
Danke übrigens für einen Beitrag, der zumindest andeutet, wie mit der Wikipedia umzugehen ist — und natürlioch mit jeder anderen [lexikalischen] Quelle.
Der Wortstamm ist wohl das Ersuchen und dieses wird in AT und BY durchaus noch benutzt. http://www.ostarrichi.org/wort-669-at-ersuchen.html
Und hier ist der Grund, warum ich der Wikipedia (zumindest der deutschsprachigen) trotz aller Unkenrufe im Großen und Ganzen vertraue:
Keine neun Stunden nachdem ich meinen Beitrag hier veröffentlicht habe, um 9:10 Uhr, hat in Nutzer „Bensch“ den Beitrag mit Hinweis auf das Bremer Sprachblog überarbeitet:
Im nächsten Absatz taucht das Wort Beitragsersuch a zu diesem Zeitpunkt aber noch auf:
Das hat um 10:00 Uhr ein anonymer Nutzer korrigiert:
Nutzer WolfgangS hat das um 10:57 nocheinmal rückgängig gemacht ohne aber den Begriff im ersten Absatz wieder einzuführen.
Ein Nutzer mit dem großartigen Namen mrmryrwrk’ hat dann wiederum diese Änderung rückgängig gemacht, so dass die derzeit aktuelle Version des Eintrags das erfundene Wort nicht mehr enthält.
Mir soll mal jemand eine kommerzielle Online-Enzyklopädie zeigen, in der solche relativ unwichtigen Fehler innerhalb eines Arbeitstages korrigiert werden.
Mir ist das zwar auch schon letztes Jahr aufgefallen, aber ich habe das Wort “Beitragsersuch” bei im Artikel gelassen — das Entfernen von Aussagen aus Wikipedia-Artikeln ist schwieriger, als etwas hinzuzufügen, wenn man sich nicht wirklich sicher ist.
Ich wundere mich, warum mir der Ausdruck Beitragsersuch erstens auf Anhieb gefallen hat und mir zweitens das Wort Ersuch (anscheinend fälschlicherweise) bekannt vorkam.
Ich Oute mich mal als mrmryrwrk’, warum auch nicht…
Zum Thema „Ersuch“: könnte es daran liegen, dass das Wort „ersuchen” durchaus bekannt sein könnte und das Weglassen von Flexionsendungen ein gängiges Mittel der Wortbildung im Deutschen ist (vgl. „Erlass” von „erlassen”), dass das Wort so „geläufig“ klingt? Ich bin mir aber nicht ob der Richtung sicher; vielleicht ist das Verb „ersuchen“ auch eine Derivation eines seit langem in Vergessenheit geratenen Nomens „der Ersuch“, wie man annehmen könnte, dass das Verb „erlassen” vom Nomen „Erlass” abgeleitet ist… Insofern würde ich vielleicht nicht unbedingt behaupten, dass es das Wort „Ersuch“ im Deutschen nicht gibt…
Mir soll mal jemand eine kommerzielle Online-Enzyklopädie zeigen, in der solche relativ unwichtigen Fehler innerhalb eines Arbeitstages korrigiert werden.
Diesem Lob der Wikipedia schließe ich mich gerne an. Mir war in der Wikipedia mal die falsche Zuordnung “Anthrophobie: Angst vor Blumen” aufgefallen. Einen Tag nachdem ich darüber gebloggt hatte, waren die entsprechenden Begriffe korrigiert.
@Krimileser: Solche Kleinigkeiten korrigiere ich beim Lesen immer sofort selbst, auch offenkundige Schreib- oder Syntaxfehler. Geht wirklich ganz einfach, kann ich nur empfehlen. Ad maiorem Wikipedia(am?) gloriam.
Nicht nur ersuchen ist eine mögliche Quelle. Die Trefferzahl für “dem Ersuchen” bei google ist auch deutlich höher als “dem Ersuch” (48000 gegenüber 200).
Als Hypothese zur Begriffsentwicklung scheint mir als Laie folgendes passiert zu sein:
Textlich scheinen mir Belege dabei zu sein, die eine Reine Substantivierung des Verbes sein können (z.B.“Nach dem Ersuchen…”, 554 Belege). Dieses scheint durch die Übertragung auf den konkreten Vorgang (z.B.“ersuchen wurde stattgegeben”, ca. 200 Belege) zu einem Konzept geworden zu sein. “Ersuch” erscheint mir dann eine Rückbildung analog zum wesentlich häufigeren “versuchen” -> “Versuch”. Diese Rückbildung ist allerdings (noch) nicht sehr populär.
Wolfgang Hömig-Groß (#10), ich mache das bei rein sprachlichen Fehlern auch so, aber in diesem Fall fand ich dass ich die Korrektur nicht selber vornehmen sollte da (1) ich darüber gebloggt habe und (2) durchaus eine Diskussion über den Begriff hätte entstehen können, in die ich mich nicht hätte einmischen wollen.
Carsten aus Hannover (#11), das ist durchaus möglich. Allerdings gibt es ja Belege, die mehrere hundert Jahre alt sind — das Wort hatte also mehr als genug Zeit, populär zu werden. Dierk (#3) weist ja auf ein Problem des Wortes hin: es folgt keinem produktiven Wortbildungsmuster und klingt für die Sprachgemeinschaft insgesamt deshalb vielleicht etwas merkwürdig.
Mir hat die Wikipedia mittlerweile auch beruflich schon wertvolle (allein durch die Zeitersparnis durchaus geldwerte) Dienste geleistet.
Als Ausgangspunkt für Informationssuche ist sie aufgrund ihrer nie dagewesenen, organisierten Informationsfülle und ‑aktualität einzigartig. Dass sie nicht (oder nicht in dem Maße wie andere Nachschlagewerke) autorisiert bzw. autorisierbar ist, schmälert diesen Vorteil vielleicht für manche Bereiche. Aber es ist immer noch effektiver, nicht nachgewiesene Informationen kontrollieren zu müssen, als sie zur Gänze neu zusammenstellen.
Daher ist die Wikipedia für mich eines der beachtlichsten Unterfangen der Menschheit. Und wenn der Fall für eine mögliche Verbesserung so klar liegt wie hier, dann ist es für mich als Nutzer selbstverständlich, diesen kleinen Anteil beizutragen und mal eben was zu verbessern (auch wenn ich selber wiederum verbessert werden musste ;-).
Bensch
Auch schon passiert: Ein “Call for Paper” — da wird es dann unbeabsichtigt heiter, wenn mangels deutschem Begriff der englische Ausdruck falsch benutzt wird. Beim Call for Paper fühle ich mich jedenfalls an einen Toilettengang erinnert und nicht an eine Konferenz.
Mrmryrwrk’? Was soll denn das bitte heißen? 😉
Ups, sorry (jetzt erst gelesen). Dachte, das wäre Anatol. 🙂
Wer ohne Absicherung durch offizielle Quellen, Begriffe und Informationen aus Wikipedia übernimmt, ist dann doch selbst dafür verantwortlich, oder?
Wikipedia war bei meinen wissenschaftlichen Arbeiten immer ein Medium zur Orientierung, aber nie eine zuverlässige Quelle. Das bekommen doch sogar schon Schüler beigebracht und im 1. Semester an der Uni hört man dies auch von jedem Professor.
Andererseits gibt es viele Worte im Deutschen, die durch Alltagssprache und Medien Eingang in die Wörterbücher und Lexika fanden. So sehe ich eher Wikipedia als eine zentrale Kontrollinstanz für Begriffsdefinitionen, solange es genug engagierte Wiki-User gibt.
Als jemand “Call for papers” erstmals in einem deutschen Text verwendet hat, wurde genauso ein deutsches Wort “erfunden”, allerdings eines, das nicht sonderlich verständlich ist, das nicht in den Sprachfluss und nicht in die Typographie passt. Da ist mir jeder Beitragsersuch lieber. So funktioniert Sprache nun einmal, ich kann daran nichts schlimmes finden, im Gegenteil.
Lieber AndreasP,
Sie verkennen möglicherweise den Adressaten des “Call for papers”. Als der Begriff im Deutschen “eingeführt” wurde, war er den meisten, die mit ihm konfrontiert wurden, schlechtweg deshalb verständlich und als feststehender Begriff geläufig, weil sie ihn vorher schon häufiger in englischsprachigen Kongressankündigungen gelesen hatten. Ich könnte mir rein grundsätzlich sogar vorstellen, dass er anfänglich mit einem ironischen Augenzwinkern verwendet wurde.
“Wer ohne Absicherung durch offizielle Quellen, Begriffe und Informationen aus Wikipedia übernimmt, ist dann doch selbst dafür verantwortlich, oder?”
Offizielle Quellen verwenden zu müssen ist wohl etwas eng, es geht, zumindest mir, eher um den Sprachgebrauch. Eben dieser Sprachgebrauch wurde durch das Säen des Begriffs in verschiedenen Websites vorgetäuscht.
“Da ist mir jeder Beitragsersuch lieber. So funktioniert Sprache nun einmal, ich kann daran nichts schlimmes finden, im Gegenteil.”
Schlimm ist das gar nicht, stimmt. Es hat ja auch jedes Wort, das wir verwenden, seine Herkunft. Aber darum geht’s ja auch nicht. Es geht darum, dass Wikipedia dafür missbraucht wird, solche Wortfindungen zu promulgieren. Das verstößt klar gegen die Richtlinien der WP, und nicht ohne Grund: Nähme solches Verhalten nämlich überhand, würde das die Wikipedia ihre — ohnehin eingeschränkte — Zuverlässigkeit untergraben. Deswegen finde ich es wichtig, dass gegen solche Strategien, ganz regelkonform, vorgegangen wird. Falls sich das Wort “Beitragsersuch” jemals durchsetzen sollte, wird es sicher wieder aufgenommen.
Bensch
Da gibts noch eine Menge mehr von Deutsch- und National-Tümeleien in der deutschsprachigen Wikipedia: Polenfeldzug, Endstufe (Band) und andere Nazi-TheorieEtablierungen. Benutzer, die dagegegne angehen, wie z.B. Brummfuss, Thomas7, GLGermann werden von der sich gegenseitig wählenden Admingruppe um Achim ‑zurücktreten- Raschka und der unsäglichen Henriette aus der deutschsprachigen Wikipedia herausgemobbt. Zensur auf Diskussionsseiten ist nicht nur üblich, sondern erreicht teilweise faschistoides Niveau.
Wie solche Mobbings in der deutschsprachigen Wikipedia ablaufen, kann man hier nachlesen:
http://tinyurl.com/c5cr7n
Wenn wir schon über Wikipedia schreiben …
Die meisten, die hier kommentieren, haben sicherlich eine universitäre Ausbildung hinter sich oder befinden sich mittendrin. Also sollten zumindest wir hier alle wissen, dass es nicht>/i> auf die Autorität des Veröffentlichenden ankommt. Es ist zwar menschlich, aber völlig indiskutabel irgendeine [einzelne] Quelle als gültig anzunehmen. Wir müssen mindestens zwei, unabhängige Quellen nutzen, die das gleiche aussagen, um den festgestellten Tatbestand als gültig anzunehmen. Das gilt nicht nur in der Wissenschaft [humanities eingeschlossen], sondern auch im Journalismus, ja, im ganzen Leben.
Nur weil ein von mir hoch geschätzter Kollege etwas sagt oder schreibt, ist das was er sagt noch nicht richtig — auch dann nicht, wenn er in der Vergangenheit immer recht behalten hat. Steht in der Wikipedia ‘x’, dann muss ich sehen, woher die ‘x’ haben. Dann überprüfe ich anhand anderer Quellen, unabhängiger Quellen, ob die auch ‘x’ stehen haben. Wenn nicht, muss ich tiefer graben, versuchen herauszufinden, weshalb die Quellen sich unterscheiden.
Witzigerweise können wir für also eine Quelle, die immer wieder daneben lag, durchaus davon ausgehen, dass sie nichts wert ist, während das Gegenteil nicht gilt. Das hat aber weniger damit zu tun, dass die immer wieder falsche Quelle immer falsch liegt, als mit Faulheit — vornehmer: der Anwendung von Occam’s Razor auf das eigene Forschungsverhalten.
Lassen wir die fragwürdigen Vergleiche, die Nature vor einiger Zeit in die Schlagzeilen brachten einmal außen vor, werden wir doch kaum ernsthaft sagen wollen, dass die EB per se besser sei als die Wikipedia. Schließlich können sich auch ausgefuchste Experten und Redakteure irren. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass es sich in beiden Fällen um — wenn auch oft sehr umfangreiche — Lexika handelt. Das wäre dann oft nicht einmal mehr eine Sekundär- oder Tertiärquelle.
@ Anatol Stefanowitsch:
Eine Frage an den Wissenschaftler habe ich da. Wenn ich Sprachwandel als Prozess verstehe, dann heißt das ja nicht notwendigerweise, dass es sich um einen erfolgreichen Prozess handelt. Es müsste doch beim Sprachwandel, ähnlich der Evolution, Neubildungen (Mutationen) geben, die sich nicht durchsetzen. Das meinte ich mit meinem Beitrag mit “(noch) nicht”. Verstehe ich dies richtig?
Das scheint mir übrigens ähnlich auch bei einigen Anglizismen vorzuliegen, über die sich aufgeregt wird, die aber außerhalb eines bestimmten Kontextes ohnehin nicht verwendet werden.
“Ersuch” hätte ich sächlich gemacht, in Analogie zu “Gesuch”.
Klingen tut es furchtbar. Erinnert mich an… “Was ist eine Datenverarbeitungsanlage? – Eine Datenverarbeitungsanlage, auch DVA oder Computer genannt, […]” <headdesk>
@ David
Mir scheint die Analogie zu “Gesuch” wegen des Klangs gegeben. Betrachtet man die verschiedenen Möglichkeiten der Ableitungen, könnte auch “besuchen / der Besuch” als Vorbild gedient haben.
So oder so finde ich es jedoch viel Interessanter, dass das Wort jedem Muttersprachler nicht unverständlich ist – sofern man bereit ist auch (noch) nicht (mehr) existente Wörter verstehen zu wollen. Das ändert nichts daran, dass es natürlich andere Wörter gibt, die keiner Ersetzung oder Alternative bedürfen; in diesem Falle also “das Ersuchen”.
Naja, wenn ich nicht schon gewusst hätte, was ein call for papers ist, wäre es für mich schwierig gewesen.
Also, schwierig gewesen, herauszukriegen, was ein “Beitragsersuch” sein soll.
Außerdem klingt dieses Wort so amtlich! Ein call for papers könnte kaum informeller sein!
“Beitragsersuche” ergibt 231 Google-Treffer und “Beitragsersuche” 117. Zu behaupten, dass es das Wort nicht gibt ist also erwiesenerweise nicht richtig. Und wenn englische oder pseudoenglische Neologismen im (Neu)deutschen legitim sind, warum nicht deutsche? Siehe
Deutsch ist übrigens nicht meine Muttersprache.
Ich habe versucht ein Weblink hinzuzufügen. But for some reason it didn’t appear. Ah well…
Paul Frank (#29), dann sehen Sie sich die Treffer mal genauer an (so, wie ich das in meinem Beitrag getan habe). Wenn Sie die Treffer abziehen, die auf die Wikipedia und die Dutzenden von Wikipedia-Klonen zurückzuführen sind, bleiben im Prinzip genau die Treffer übrig, die ich diskutiert habe. Unter diesen Treffern ist kein einziger, der von vor dem Datum stammt, in dem der Begriff erstmalig in die Wikipedia eingetragen wurde und der „Call for Papers“ bedeuten soll. Tatsächlich stammen die einzigen Treffer für das Wort, die überhaupt von vor dem Stichtag stammen, aus Zusammenhängen in denen offensichtlich jemand „Beitrittsersuch“ sagen wollte und sich vertippt hat. Dass deutsche Neologismen legitim sind, hat niemand bestritten.
Okay, aber ist Beitragsersuch nicht ein Neologismus und folglich legitim? Als Sprachwissenschaftler sollten Sie eigentlich nix gegen sprachliche Erfindungsgabe haben. Obwohl Ersuch meinetwegen ein seltenes Wort ist, ise Beitragsersuch sofort verständlich, trefflich und gelungen. Obwohl Deutsch nicht meine Sprache ist, stimme ich dafür. “Call for papers” ist okay, aber erlich gesagt umständlicher, prosaischer und langweiliger als “Beitragsersuch”. In wenigen Jahren wird man sowieso 论文征集启事 anstatt “call for papers” sagen, auch in Deutschland 🙂 Übrigens ist 论文征集启事 warscheinlich eine direkte Lehnübersetzung (wie sagt man qualque im Deutschen?) von “call for papers”, aber kein Chinese der sein Geld wert ist, würde jeh “call for papers” in einem chinesischem Text schreiben. Und das ist gut so, denn die chinesische Sprache ist flexibel genug Kuntsworte zu erfiden, wie auch die deutsche (oder die deutschen). Aber was weiss ich schon. Ich bin kein Sprachwissenschaftler. Was ich weiss, ist dass Deskriptivisten genauso fundamentalistisch wie Preskriptivisten sein können.
“Was ich weiss, ist dass Deskriptivisten genauso fundamentalistisch wie Preskriptivisten sein können.”
Das ist grober Unfug. Wenn Deskriptivisten fundamentalistisch sind, dann sind sie per definitionem keine Deskriptivisten.
Den Beitragsersuch kann man als (jetzt wahrscheinlich) gescheiterten Versuch eines Anglizismenjägers ablehnen. Das richtet sich weniger gegen den Begriff selbst. Wenn Herr Stefanowitsch nicht darüber gestolpert wäre, hätte sich Beitragsersuch womöglich wirklich durchgesetzt und vielleicht wäre die Bildung mit -ersuch sogar produktiv geworden. Es hätte dann keinen Grund gegeben, diese Neubildung(en) wieder rückgängig machen zu wollen.
Die Wikipedia ist aber eine Enzyklopädie und ein erfundenes Wort als Standardübersetzung für einen englischen Begriff anzugeben passt da nicht wirklich ins Konzept.
Was? Ein Ausdruck mit sechs Silben? Das werden die Chinesen nicht mehr lange durchhalten.
Stimmt.
An Thomas Müller (#33)
Was hindert die Sprechergemeinschaft denn daran, den Begriff trotzdem durchzusetzen und produktiv zu verwenden? Oder anders: Wäre denn der Begriff jetzt noch in aller Sprachblogleser-Munde, wenn A.S. den Beitrag nicht gebloggt hätte?
Paul Frank hat geschrieben: “Was ich weiss, ist dass Deskriptivisten genauso fundamentalistisch wie Preskriptivisten sein können.”
Thomas Müller hat geschrieben: “Das ist grober Unfug. Wenn Deskriptivisten fundamentalistisch sind, dann sind sie per definitionem keine Deskriptivisten.”
Glaub ich nicht. Weil Preskriptivisten in der realen Welt Zeitungsartikel und Bücher schreiben, korrekturlesen und editieren, haben siee einen realen Einfluss auf die reale (Sprach)welt und sind also eine Sprachrealität die man sich vergebens wegwünscht. Ein Beispiel. In der amerikanischen Qualitätspresse (z.B. New York Times und Washington Post) wird der preskriptive unterschied zwischen „that“ (in Restriktivesätzen oder einschränkende Relativesätze) und „which“ (in Nicht-Restriktivesätzen) religiös eingehalten, obwohl deskriptive Sprachwissenschafter steif und fest behaupten, dass der unterschied nicht existiert oder künstlich ist. (In der britischen Qualitätspresse, hingegen, wird dieser Unterschied weniger eingehalten: „The French union which was most aggressive in calling for the strike decided to go back to work“ ist akzeptabel im Guardian oder Independent.) Das gewisse deskriptive Regeln die in gewissen Sprachebenen oder Register eingehalten werden ist eine Tatsache der Sprache und des Sprachgebrauchs, die viele so genannte Deskriptivisten nicht einsehen wollen. Preskriptivisten die sich bemühen, neue deutsche Wörter mit alten deutschen Wortstämmen zu erfinden um Anglizismen zu vermeiden, tun etwas was auch ein legitimer Teil des Sprachlebens ist, genauso wie Junge Leute oder Werbeleute die begeistert Anglizismen benutzen und erfinden (denn viele Anglizismen sind nicht aus dem Englischen übertragen sondern neu im Deutschen erfunden).
Was ich sagen will, ist dass es genauso sinnlos ist, gegen Anglizismen zu schimpfen wie herablassend über Deskriptivisten zu Spotten die „die Sprache nicht verstehen“. Beide kämpfen gegen Windmühlen, während in der wirklichen Sprachwelt Regeln, auch künstliche Regeln, in manchen Sprachebenen eingehalten und in anderen missachtet werden. Beides ist legitim. Übrigens, googlen Sie bitte den Artikel „ Englisch wird in Chefetagen seltener“. Das ist auch Sprachrealität, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. Ich bin weder Preskriptivist noch Deskriptivist (oder vielleicht ein Deskriptivist, der einsieht das Regeln, auch „künstliche“ Regeln wie der unterschied zwischen „that“ and „which“ oder wie die Bemühung Anglizismen zu vermeiden, auch ein legitimer Teil der Sprachrealität sind).
Oops. Ich meinte “Was ich sagen will, ist dass es genauso sinnlos ist, gegen Anglizismen zu schimpfen wie herablassend über PREskriptivisten zu Spotten die „die Sprache nicht verstehen“.
Hallo David (Marjanović),
Die chinesische Sprache ist voller Wörter mit 7 oder mehr Silben. Ich bin Chinesisch-Übersetzer und kann es bestätigen.
Paul
Die Chinesen haben aber doch für call for papers deshalb einen eigenen Begriff erfunden, um in ihrem Schriftsystem bleiben zu können, nicht weil ihnen der englischsprachige Ausdruck so missfallen hat.
Gareth: “Die Chinesen haben aber doch für call for papers deshalb einen eigenen Begriff erfunden, um in ihrem Schriftsystem bleiben zu können, nicht weil ihnen der englischsprachige Ausdruck so missfallen hat.”
Ich denke nicht. Es hat weniger mit dem chinesischem Schriftsystem zu tun und mehr mit vier Tatsachen: (1) Die chinesische Sprache ist arm an Phonemen und englische Wörter lassen sich nicht einfach in einem chinesischem Satz eingliedern; (2) es gibt eine lange und bis heute gut gepflegte chinesische Tradition, eigene Ausdrücke zu erfinden; (3) mit eigenen Stammwörtern aufgebaute Wörter klingen besser als englische in der chinesischen Sprache; (4) die meisten Chinesen glauben, dass ihre Sprache die reichste Sprache der Welt ist (nicht weil ihre Wörterbucher so gross wie das 20-bändige Oxford English Dictionary sind, sondern weil sie bis zum 17. Jahrhundert einen philosophisch-literarisch-historischen Korpus geschaffen haben, der grösser war als der europäische und auch mehr Bücher veröffentlicht haben als die Europäer, und dieser Korpus ist immer noch jeden gebildeten Chinesisch in der Originalsprache zugänglich). Die Tatsache, dass chinesisch keine indoeuropäische Sprache ist, hat auch etwas damit zu tun, obwohl die Japaner bekannterweise sehr eifrig englische oder pseudoenglische Wörter in ihre nicht-Indoeuropäische Sprache integrieren. Zugegeben, das Schriftsystem hat auch was damit zu tun, aber es gibt auch andere Gründe. (Ich entschuldige mich über meine Deutschfehler. Deutsch ist eine Fremdsprache für mich.)
@Paul Frank
Ich verstehe Ihren Einwand nicht ganz. Wenn die Unterscheidung von that und which in manchen Publikationen beachtet wird, in anderen hingegen nicht, dann liegen die Deskriptivisten doch völlig richtig, wenn sie den Unterschied für künstlich halten.
Ihr weiterer Einwand ist dann derselbe Fehler wie der von mir zitierte: Deskriptivisten, die sich so verhalten, wie Sie das skizzieren, also Sprechergruppen deren Konventionen austreiben wollen, sind per definitionem keine Deskriptivisten, sondern Präskriptivisten.
@Patrick Schulz
“Was hindert die Sprechergemeinschaft denn daran, den Begriff trotzdem durchzusetzen und produktiv zu verwenden?”
Nichts. Es ging mir nur darum zu sagen, dass diese Durchsetzung über die Wikipedia gut hätte funktionieren können — und es jetzt nicht mehr tut. Klar können sich die Ersuchs-Fans auch andere Kanäle suchen. Sie müssen keine Bedeutungen in meinen Beitrag lesen, die nicht drinstanden. 😉
“Ich verstehe Ihren Einwand nicht ganz. Wenn die Unterscheidung von that und which in manchen Publikationen beachtet wird, in anderen hingegen nicht, dann liegen die Deskriptivisten doch völlig richtig, wenn sie den Unterschied für künstlich halten.
Ihr weiterer Einwand ist dann derselbe Fehler wie der von mir zitierte: Deskriptivisten, die sich so verhalten, wie Sie das skizzieren, also Sprechergruppen deren Konventionen austreiben wollen, sind per definitionem keine Deskriptivisten, sondern Präskriptivisten.”
In Amerika beachten Qualitätszeitungen die “that vs. which” Regel, obwohl Deskriptivisten behaupten, dass es den Unterschied nicht gibt. Ihr Blog (den ich schätze) ist gewissermassen ein Bestreben, “Preskriptivisten” ihre blöden Bemühungen deutsche Wörter anstatt englische im Deutschen zu benutzen auszutreiben, obwohl der Versuch die eigene Sprache zu wahren und in der Schule gelernte grammatikalische Regeln zu gehorchen ein ganz natürlicher ist. Allow me to continue in English, because it’s easier form me. No matter how much you protest in your blog against Germans who try to keep their language pure (I agree with you that there’s no such thing as purity), the fact remains that real speakers and writers of the language will always adhere to certain rules in certain registers, even schoolmarmy rules that linguists look down upon, and that many influential writers will continue to try to preserve the purity of their language. Their efforts are just as much a part of the linguistic landscape, and just as legitimate, as the tendency the great mass of German speakers have to adopt trendy English words. In English, the Merriam-Webster’s Dictionary of English Usage is extremely descriptivist, and pretty useless as a guide to how English language editors edit quality publications such as the New York Times, the Washington Post and the New York Review of Books. Gardner’s Modern American Usage, on the other hand, is extremely prescriptivist (and therefore looked down upon by descriptivist linguists), but is actually a better guide concerning the rules that editors and writers of highbrow publications actually use in the real world. My sense is that both prescriptivists and descriptivist make value judgments: the former against the decline of language and lax grammar and the latter against schoolmarmy pedants who know nothing about how language really works. But the fact is that pedants have an influence on the language that is disproportionate to their numbers, because edited prose tends to follow grammatical rules and linguistic conventions that casual writers and speakers ignore and self-styled descriptivist linguists decry as artificial. Although descriptivists don’t like it, “artificial” grammar rules and habits as opposed to the “real” grammar that professional linguists study actually have an enormous influence on the language. You write, “Wenn die Unterscheidung von that und which in manchen Publikationen beachtet wird, in anderen hingegen nicht, dann liegen die Deskriptivisten doch völlig richtig, wenn sie den Unterschied für künstlich halten.” The distinction may have been artificial to begin with, but today it’s a very real one in the editing rooms of American newspapers. And edited prose is just as real, even when it adheres to “silly rules,” as careless writing. I’ll shut up now. Sorry for writing in English.
Kein Problem. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich auf Deutsch antworte?
Ich gebe Ihnen in dem Punkt völlig recht, dass ein Deskriptivist auch die Sprachkonventionen unter Sprachnörglern und Anglizismenjägern als sprachliche Wirklichkeit wahrnehmen muss, eben als Sprachgebrauch einer bestimmten Sprechergruppe. Wo ich Ihnen widerspreche ist wenn Sie diejenigen, die diesen Sprachgebrauch ändern oder verbieten wollen, “Deskriptivisten” nennen — quasi Deskriptivisten, die präskriptiv arbeiten. Das halte ich für unsinnig. Sie stecken Menschen, die sich über Sprache äußern, erst in Schubladen (“Deskriptivist” vs “Präskriptivist”) und beurteilen danach deren Worte anhand dieser Schubladen. Das ist falsch rum. Schauen Sie sich stattdessen erst die Worte dieser Personen an und stecken Sie sie danach in die entsprechenden Schubladen. Wer Sprachnormen vorgeben will, der arbeitet präskriptivistisch, wer nur beschreiben möchte, der arbeitet deskriptivistisch. Präskriptivistisch arbeitende Deskriptivisten gibt es nicht.
Zum konkreten Beispiel des Bremer Sprachblogs (oder anderen Sprachblogs wie dem meinen): Wenn tatsächlich die Sprache der Sprachnörgler kritisiert wird (meistens richtet sich die Kritik ja gegen ihren Normierungswahn), dann doch in dem Sinne, dass man darauf hinweist, dass diese Sprache nicht der Sprache der meisten Sprecher des Deutschen entspricht. Völlig korrekt: das macht sie nicht falsch und wenn es sich nicht (wie im Falle des Beitragsersuchs) um eine Privatsprache handelt, dann ist sie deskriptivistisch gesehen auch relevant. Das heißt aber nicht, dass man nicht die Versuche der Nörgler, diese Sprache als Norm durchzudrücken, kritisieren dürfte. Das ist dann aber nicht Sprachkritik, sondern Kritik am Normierungswahn, quasi Metakritik. Das mag dann präskriptivistisch sein, ist aber keine präskriptivistische Sprachbetrachtung.
Natürlich kann man sich aber auch als Deskriptivist sprachkritisch äußern — man muss eben deutlich machen, dass das auf einer rein ästhetischen Ebene stattfindet, also einfach eine Geschmacksfrage ist. Man muss damit nicht notwendig im Präskriptivismus-Dschungel der Sprachnörgler landen!
Where exactly do you see the connection between syntax and phonetics in this case?
Anyway, this would still be a rather poor explanation. There are generally two possibilities when borrowing words from foreign languages whose phoneme inventories are different from your native one:
(i) Speakers imitate the original pronunciation, cf. nasalised vowels in French loanwords (e.g. [ʀɛstoʀɑ̃]) or the voiced postalveolar affricate /d͡ʒ/ in English loan words (e.g. [mɛnɪdʒɐ]). Note that very similar sounds are usually replaced by their ’native’ counterparts (German /ɛ/ replaces its English open counterpart /æ/, German /ʀ/ ideally replaces the French fricative /ʁ/ etc).
(ii) They adjust the loan word’s phonemes to their own inventory, i.e. they replace all foreign sounds with native approximations, cf. Japanese レストラン [ɾesu̥toɾaɴ] for restaurant or セロテープ [seɾote:pu͍] for sellotape.
As I’m sure you know, Chinese does the latter in some cases — with variable success. Phonetic borrowings are much more complex in Chinese than in most other languages. It’s the logograms that prevent Chinese from both systematic and effective phonetic borrowing rather than protectionism or some sort of superiority complex.
@Thomas Müller (#33):
Die Annahme, es handle sich um den “Versuch eines Anglizismenjägers”, erscheint mir sehr zweifelhaft. Das müßte ja sonst ein sehr dummer Anglizismenjäger sein, der ausgerechnet ein im Deutschen völlig ungeläufiges Wort in Umlauf setzen will.
Nun mögen ja viele in diesem Forum meinen, Anglizismenjäger seien per se außerordentlich dumm. Aber gar so dumm? Das kann ich nicht glauben. Immerhin hat der Betreffende doch zumindest einige Kenntnisse im Umgang mit Wikipedia.
lol @Nörgler (45),
Haben sie sich mal den VDS-Anglizismenindex angeschaut, einschliesslich der Vorschläge für deutsche Entsprechungen? Ich erinnere an Prallkissen, Klapprechner oder Haudrauferei.
@Patrick Schulz (#46)
Prallkissen und Klapprechner sind ganz normale Zusammensetzungen aus geläufigen deutschen Wörtern. Man mag sie mögen oder nicht (persönlich würde ich Luftkissen und Mobilrechner vorziehen); jedenfalls sind sie nicht abwegiger als ein gängiges Wort wie Handschuh. Diese Wortbildungen unterscheiden sich somit grundsätzlich von Beitragsersuch, das ein im allgemein gebräuchlichen Hochdeutsch nicht vorhandenes Wort enthält.
Die Haudrauferei ist eine recht amüsante Zusammenziehung aus zwei Ausdrücken, die im Anglizismenindex ausdrücklich als “gewagte oder spöttische Übertragung” gekennzeichnet ist.
…und wir hatten oben schonmal, dass Beitrag-s-ersuch komplett mit den Regeln der Wortbildung im Standarddeutschen konform geht. „Beitrag“ ist ein normales Nomen, das „s“ ist ein Fugenelement und „Ersuch“ ist eine (unbegräuchliche aber dennoch zuslässige) Nominalisierung des Verbes „ersuchen“. Dass gerade Ihresgleichen ein solches Wort ablehnt, aber Klapprechner, welches ein nicht mionder ungewohntes Kompositum ist, nicht, zeugt meiner Meinung nach von der Doppelzüngigkeit der Sprachkritiker. Ich leg noch einen drauf: Wörter sind nur „gut“, wenn sie verhasste, böse und die deutsche Sprache zerstörende Anglizismen ersetzen und von Sprachschützern selbst erfunden wurden. Wäre ich Provokant, würde ich jetzt behaupten, der Sprachschutz ist ein Deckmantel um insgeheime Machtphantasien auszuleben… Aber ich bin ja friedliebend und behaupte sowas nicht
@Patrick Schulz (#48)
An Ihrer Friedensliebe sollten Sie noch etwas arbeiten, denn diese geht offenkundig nicht so weit, Sie davon abzuhalten, anderen “Doppelzüngigkeit” vorzuwerfen.
Außerdem sollten Sie auch daran arbeiten, Texte sorgfältig zu lesen. Lernt man so etwas eigentlich beim Studium der Sprachwissenschaft nicht?
Weder habe ich ein bestimmtes Wort “abgelehnt”, noch habe ich ein anderes Wort “nicht abgelehnt”.
Wieso verteidigen Sie eigentlich so vehement ein Wort, das nach Meinung von Thomas Müller der “gescheiterte Versuch eines Anglizismenjägers” ist (zumal Sie nach eigener Aussage selbst dazu beigetragen haben, dieses Wort aus Wikipedia zu entfernen)? Ich habe doch bloß begründet, warum ich diese Behauptung von Thomas Müller für sehr zweifelhaft halte. Darf ich aus Ihren Ausführungen schließen, daß Sie diese meine Meinung teilen?
Naaah. It’s northern German where [ʁ] exists; French speakers who use it are very hard to find, everyone here in Paris uses [ʀ] (which, next to a voiceless consonant or at the end of an utterance, becomes the voiceless trill in various combinations with [x], but never a voiced fricative).
Ich hätte große Probleme, dieses Wort richtig zu segmentieren. Höchstwahrscheinlich würde ich Haut-Rauferei verstehen — bzw. eben nicht verstehen, weil das nichts heißt.
Was soll es heißen? Wrestling?
Fair enough, I’m nowhere near being an expert in French phonetics. That’s just the way I learnt to transcribe it at uni. Plus I have to admit that I was too lazy to check it thoroughly before hitting ’send’. I’ve just had a quick look in the dictionary though. Turns out they (Hachette) agree with you. I also wikied it, but to no avail — their explanation is rather vague. While [ʁ] is listed in the French IPA chart, the additional footnote plays it safe by stating ‘Selon le locuteur, [ʁ] peut être remplacé par [χ], [ʀ], [x], [ɣ], [r] ou [ɾ]’ (without further information).
Ich wundere mich eigentlich schon darüber, dass hier der sehr kreative Geist, der sich Beitragsersuch ausgedacht hat, nur kritisiert wird. Ich kann seiner Aktion sehr Positives abgewinnen:
(1) Er gestaltet Sprache, statt sie nur zu akzeptieren. Es überwiegt bei der Betrachtung von Anglizismenjägern (ich bin sicher er ist einer) selten das Lob ihrer Kreativität. Sie werden als “ewiggestrig” kritisiert, dabei ist der Unbekannte doch sehr modern. Er akzeptiert nicht, was alle (ohne Grund!) akzeptieren und nimmt sich die Frechheit heraus, ein neues Wort einzuführen, auf sehr klugem Wege. Er weiß um die Bedeutung von Wikipedia und er weiß um die Bedeutung von Google-Treffer-Anzahlen. Das ist eigentlich sehr anarchistisch was er macht, alles andere als traditionalistisch. Ich habe richtig Respekt vor ihm.
(2) “Call for Papers” stellt uns beim Gebrauch vor einige Probleme. Wie lautet bspw. der Plural? Viele solcher Wörter ohne sie zu hinterfragen ins Deutsche zu übernehmen würde auf Dauer den Nutzen unserer Sprache einschränken. Beitragsersuch hingegen ist kürzer, hat weniger Silben und folgt den Regeln der deutschen Sprache. Ohne seine Entdeckung wäre der Begriff in drei Jahren niemandem mehr aufgefallen. Er hätte sich durchgesetzt. Ich bin sicher, der Unbekannte hat weitere Wörter erfunden. Diese sind vermutlich noch besser als Beitragsersuch, sodass sie sich wenigstens durchsetzen werden.
(3) Was haben wir im Deutschen heute für tolle Wörter, die wir der Fruchtbringenden Gesellschaft und anderen Sprachbereinigern verdanken. Man denke an Wörter wie Schriftsteller oder Leidenschaft.
(4) Der Unbekannt lehrt uns, wie leichtgläubig wir sind. Wir vertrauen blind Wikipedia, sodass wir sogar unsere Calls for papers (oder wie lautet der Plural?) mit Beitragsersuch betiteln und dadurch für die Verbreitung eines Phantomwortes sorgen. Wir vertrauen blind auf vorhandene Wörter und argumentieren für sie (call for papers), nur weil sie existieren und gegen andere, nur weil sie nicht exisiteren (Beitragsersuch). Wir sind in dieser Hinsicht richtig bieder und traditionalistisch. Als ob Call-for-Papers nun so ein tolles Wort wäre, das sich so toll in unsere Sprache fügt. Überhaupt nicht!
Fazit: Der Unbekannte verdient Respekt.
Ja, Herr Fragesteller, das mag ja alles schön und gut sein, aber dann hat es trotzdem nichts in der Wikipedia verloren: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Keine_Theoriefindung und http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:No_original_research mögen hier weiterhelfen…
Wikipedia ist nicht Lawful Good, und es ist nicht Chaotic Good. Es ist True Neutral.