Ich hatte mir fest vorgenommen, im neuen Jahr nicht mehr über die Aktion Lebendiges Deutsch zu schreiben, aber was soll ich sagen — ich bin ein schwacher Mensch und ich kann dem Unfug, den die vier alten Herren dort treiben, einfach nicht widerstehen.
Im letzten Monat war nach einer Alternative für all inclusive gefragt, und 288 fleißige Wortsucher haben sich nicht lumpen lassen:
Unter den 288 Vorschlägen für das Suchwort des Vormonats, „all inclusive“ , hat sich die Jury für „Alles drin“ entschieden (mit Sympathie für „trinklusiv“).
Es läuft also alles wie gehabt: es in einem umständlichen Verfahren offensichtliche und etwas platt klingende Übersetzungen für „Anglizismen“ gesucht, die kaum in Erscheinung treten, und für kreative aber etwas blöde Wortspielereien gibt es Sympathiepunkte.
Der Eigenvorschlag der Aktioneure ist nicht viel besser:
Außerdem schlägt sie vor, doch statt „beamer“ besser „Bildwerfer“ zu sagen.
Ja, ich schlage außerdem vor, doch statt Automobil wieder Pferdekutsche und statt Computer wieder Dampfradio zu sagen.
Beamer ist eine schöne — vermutlich kontinentaleuropäische — Wortschöpfung, die hervorragend geeignet ist, Datenprojektoren von anderen Arten von bildwerfenden Verfahren zu unterscheiden. Und dank der auch in der englischsprachigen Welt beliebten LaTeX-Klasse „Beamer“ und vermutlich auch der insistierenden Verwendung des Wortes duch kontinentaleuropäische Wissenschaftler fängt das Wort gerade an, sich auch im Wissenschaftsdiskurs der englischsprachigen Welt auszubreiten (siehe z.B. diese Seite der UCLA, diese Seite der University of Hawai’i oder diese Seite der University of the South). Hier haben wir endlich mal ein Wort, das wirklich auswandert, und das soll durch the bildwerfer erstetzt werden?
Das Suchwort für den Monat März zeigt, dass man bei der Aktion wirklich auf Zack ist:
„Bad Bank“ — wie sagt man das auf Deutsch? In Ihrer März-Aktion fragt die Aktion Lebendiges Deutsch nach einem treffenden Wort für dieses Ungetüm. Vorschläge bitte bis 20.März.
Auffangbank, aber nicht weitersagen. Mein Mitbremer Klaus Jarchow hat sich im Stilstand übrigens schon vor Monaten seine Gedanken zu diesem „Ungetüm“ gemacht, und mein Kollege Detlef Gürtler, der unerreichte Wortistiker, hat natürlich schon längst alle wortfinderischen Optionen gegeneinander abgewogen.
Ich würde ja beim Wort “beamer” im Englischen an etwas anders denken.
Und was ist mit “beam me up, Scotty” (oder so ähnlich, aus dem Gedächtnis zitiert)? Kommt es womöglich daher, dass (offenbar) schnelle Autos auch als beamer bezeichnet werden?
Das v.a. im AE gebräuchliche, umgangssprachliche Wort beamer, das etwa in gleicher Häufigkeit auch beemer geschrieben wird, hat nichts mit dem Verb beam zu tun, sondern ist aus der Aussprache der ersten beiden Buchstaben der Firma BMW entstanden (daher auch die beiden unterschiedlichen Schreibweisen). Manchmal benutzt man das Wort vielleicht auch für sportliche/teure Autos generell, aber in der Regel ist konkret ein BMW gemeint.
Aber warum denn so negativ? Die Herren der Stiftung gehen doch mit genügend Humor und Gelassenheit an die Sache heran und kitzeln dabei aus den deutschen Muttersprachzentren einige kreative Ideen heraus.
Manche Schöpfungen gefallen mir überraschend gut, wie z.B. der Standstrom für “standby”. Da kann man gleich Stellung für die Umwelt beziehen. Falls dieser Begriff mir bei der nächsten passenden Gelegenheit einfällt, werde ich ihn anbringen 😉
Ich dachte immer ’stand-by’ heißt ‘Bereitschaft[sstellung]’ und ein ‘Automobil’ sei ein ‘Selbstbeweger’. Letzteres übrigens gerade im direkten Vergleich zur Pferdekutsche, da das Automobil eben kein Lebewesen als Kraftquelle nutzt, sondern selbst Kraft entwickelt.
Aus alten Zeiten — damals, als wir Fotos noch auf Film, mit Vorliebe auf Umkehrfilm, aufnahmen — erinnere ich mich daran, dass der Diaprojektor oft als Bildwerfer bezeichnet wurde. Aus guten Gründen hat sich allerdings der Projektor durchgesetzt; man stelle sich die Verwirrniss vor, wie ein Chaot im Kunstmuseum genannt werden soll, der Bilder von der Wand nimmt und durch die Gegen wirft.
@ Dierk: den Chaoten könnte man locker auch als Bilderwerfer oder gar Bilderumherwerfer bezeichnen. Oedr als “Chaot”, aber das ist ja wieder “pfui bah”. 😉
Gib’s ruhig zu — du bist süchtig nach diesem Bölkstoff!
Anatol Stefanowitsch schrieb: *Aber was soll ich sagen — ich bin ein schwacher Mensch und ich kann dem Unfug, den die vier alten Herren dort treiben, einfach nicht widerstehen.*
Solch arme Fackeln einfach ignorieren! 😉
Anderes Thema: “Deutsch als Amtssprache” — das ist nicht nur hier ein Thema, sondern auch in den USA (nur halt mit Englisch, was dort — genau wie hier mit Deutsch ohne Eintrag im GG — eben NICHT Amtssprache ist: http://www.thedailyshow.com/video/index.jhtml?videoId=89976&title=Language-Burier
😉
Bildwerfer ist driiiiiiiiingend notwendig. Wie sollen wir denn sonst die noch zu erfindenden Teile nennen, die Personen ohne Zeitverzögerung von a nach b teleportieren? Das könnte sonst zu tragischen Missverständnissen führen, zb. wenn am Handy der eine sagt: “Bringst Du den Beamer mit?”, weil er einen Film gucken will, der andere aber denkt, man wolle heute Abend verreisen.
> […] LaTeX-Klasse „Beamer“ […]
Da bin ich platt. Nach meiner persönlichen Erfahrung ist die Verwendung von LaTeX unter Mathematikern und Physikern weit verbreitet, aber schon die Biologen kennen es oftmals nicht und nehmen herkömmliche Textverarbeitungen.
Jetzt interessiert mich aber doch, wie verbreitet LaTeX unter Sprachwissenschaftlern ist!
@Arbol (#10)
Wie jetzt, gibt es ernstzunehmende Linguisten, die kein LaTeX verwenden?
@ Raventhird (9): Aber bei StarTrek heißt auch nur der Vorgang “beamen”, das Gerät hingegen “transporter”.
@ Patrick (11): so lange Du “ernstzunehmend” nicht exakt an der Verwendung von LaTeX festmachst — ja. 😉
Wikipedia schlägt übrigens folgendes zur Bad Bank vor: “Eine Bad Bank (engl. für „schlechte“ oder „böse Bank“) bzw. Abwicklungsbank”.
Und wenn man “all inclusive” so geistreich übersetzt (nein halt: NEUSCHÖPFT), könnte man ja auch vor folgende wörter einfach mal ein “alles” setzen (Duden: inklusive –> einbezogen, eingerechnet, eingeschlossen, einschließlich, inbegriffen, mitgerechnet; (geh.): einbegriffen.).
Übrigens kennt man in Indonesien (zumindest in Jakarta) kein “beamer”, sondern “infocus”. Wenn ich nicht Unrecht hätte, ist es eine Marke von einem “beamer”.
Polylux revisited 😉
An der Uni Bremen werden wir Englischstudenten noch immer von unterschiedlichen (muttersprachlichen) DozentInnen darauf hingewiesen, dass der kleine Kasten mit der dicken Linse keinesfalls ein “Beamer”, sondern ein “projector” sei — erstes wäre ausschließlich die deutsche Bezeichnung und sollte doch bitte nicht von uns im engl. Sprachgebrauch verwendet werden.
Daher stürzt mich dieser Eintrag doch etwas in Verwirrung. Gibt man bei dict.cc “projektor” ein und klickt sich etwas durch die Ergebnisse, kommt man auf den Eintrag En:(video) projector = De:Beamer.
Zum Thema LaTex kann ich ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, Herr Stefanowitsch ist inzwischen bekannt für seine kleinen Exkurse zum Thema “Warum LaTex besser ist als Word”. Bei den Studenten hat sich das meines Wissens nach noch nicht durchgesetzt, aber Herr S. wird sicherlich weiterhin für ausreichend Promotion sorgen. 😉
Hm, LaTeX direkt mit M$-Word zu vergleichen, das wäre wie wenn man Tk mit M$-Paint vergleicht, aber das ist nur meine bescheidene Meinung…
Auch glaube ich, dass das von der Bremer Studentin angesprochene Problem mit den Englischlehrern dasselbe ist wie es bei Deutschlehrern der Fall ist: Die Frage zwischen normativer Sprachverwendung und Sprache. Mir hat noch kein englischer Muttersprachler den Kopf abgerissen (oder mich verdutzt geguckt), wenn ich ihn nach einem „beamer“ gefragt habe, ich wurde auch so verstanden. Aber vielleicht hatte ich nur Glück an die richtigen Muttersprachler zu geraten.
Patrick Schulz, mein Exkurs zu LaTeX ist nur ein kleiner Teil eines größeren Exkurses, der auch „OpenOffice kann mehr als MS Office“, „Gnumeric kann richtig rechnen“, „Firefox ist besser als alle anderen Browser (tut allerdings sein bestes, um diesen Vorsprung durch überflüssige Spielereien kaputtzumachen)“, „R ist besser als SPSS“ und „Alles (sogar Windows XP) ist besser als Windows Vista“ umfasst. Und dabei rede ich tatsächlich nur über die bessere Leistung der genannten Produkte und lasse den besseren Preis und die bessere Idee dahinter außen vor. Für MS-Paint, ich muss es zugeben, hatte ich allerdings schon immer eine Schwäche. Zu LaTeX in der Linguistik: Mein Eindruck ist, dass Computerlinguisten im weitesten Sinne darauf stehen, während alle anderen sich lieber über Word ärgern (viele Fachverlage akzeptieren nach wie vor ausschließlich „Word-Dateien“ und verstehen nicht, dass es so etwas nicht gibt).
Das erinnert mich an eine kleine Anekdote, die einem Kommilitonen von mir vor kurzem passiert ist: Er hat mit Gereon Müller zusammen einen Artikel bei einer Fachzeitschrift eingereicht, konnte das ganze als pdf einschicken, musste sich aber an eine Layout-Vorlage im doc-Format halten. Also hat er stundenlang dagesessen und seine tex-Quelldatei derart gehackt, dass das entstehende pdf exakt dem doc-Format entsprach (interesannterweise scheinen LaTeX und Word ein unterschiedliches Maß der Einheit cm zu haben ^^). Dazu hat er er Seiten mit Ws gefüllt, um zu sehen, wo Rahmen aufhört und Textfeld anfängt. Das Resultat war eine Seite, die bis zur Hälfte ausschliesslich Ws enthielt und von einem in Klartext geschriebenen Abschnitt “Literaturangaben” gefolgt wurde. Ein Ausdruck ziert nun unsere Türe im Hiwi-Zimmer mitsamt einem handschriftlichen Vermerk: Formale Grammatiktheorie in ihrer vollen Blüte.
Ja, viele Zeitschriften wollen alle Manuskripte als .doc-Dateien haben, und stellen dann sogar welche als supplementary information unverändert ins Netz, statt einfach ein pdf draus zu machen. Ist mir gerade passiert – eine Springer-Zeitschrift akzeptiert keine pdf-Dateien, mit der Begründung, man müsse sie noch verändern können. Dabei ist Springer doch eh obszön reich. Können die sich wirklich keinen Acrobat leisten!?!
*kopfschüttel*
Ich komme mir zwar wirklich alt vor, aber in meiner Jugend, als die Dinger noch mit 3 farbigen Röhren projiziert haben, hießen sie Videoprojektoren…