Nachdem mein neuster Beitrag die Tausend-Wort-Grenze überschritten hatte, habe ich beschlossen, ihn in mehrere Teile (mir schweben drei vor) zu unterteilen. In diesem ersten Teil will ich ein paar Grundlagen klären:
<ch> ist nicht gleich <ch>!
Was wir im Deutschen als <ch> schreiben, kann je nach Position im Wort unterschiedlich klingen — wenn man sich die Wörter mich, Bach und Buch vorspricht, merkt man’s. Drei verschiedene <ch>s. Zur Unterscheidung kann man IPA-Zeichen benutzen, also Lautschrift:
- Das <ch> in mich notiert man als [ç] (man nennt es auch “ich-Laut”),
- das in Bach als [x]
- und das in Buch als [χ] (die beiden fasst man meist zusammen als “ach-Laut”).
Normalerweise ist es aber gar nicht nötig, diese Zeichen zu benutzen, wenn man eine simple Regel beherrscht — und wer muttersprachlich Hochdeutsch spricht, tut das. Der vorhergehende Laut bestimmt über die Aussprache. Komisch? Nein, logisch.
Assimilation um jeden Preis!
Assimilation ist in der Sprachwissenschaft die Bezeichnung dafür, dass ein Laut einem anderen ähnlicher wird. Wenn wir uns den <ch>-Fall anschauen, ist wichtig zu wissen, dass man Vokale (denn das sind in den Beispielen ja die vorhergehenden Laute) nach bestimmten Kriterien einteilt — unter anderem danach, wo im Mund sich die Zunge bei der Aussprache befindet. Das ist schematisch im nächsten Bild zu sehen, stark vereinfacht (für IPA-Kundige gibt es eine Extraversion ganz unten):
Die Vokale sind ungefähr dort eingetragen, wo sich die Zunge bei der Aussprache befindet. Es gibt drei Gruppen, nämlich vordere (i, ü, e, ö, ä), zentrale (a) und hintere (u, o) Vokale.
Wenn man sich jetzt anschaut, wo die Zunge bei den jeweiligen <ch>s ist, fällt auf: Nach den hinteren Vokalen ist sie weiter hinten im Mund! Das <ch> passt sich also an den Artikulationsort der Vokale an. So verkürzt sich der Weg, den die Zunge zwischen den beiden Lauten zurücklegen muss.
Über die Assimilationsrichtung streitet man sich in der Sprachwissenschaft — es könnte sein, dass der ach-Laut der ursprüngliche Laut war, und alle ich-Laute Assimilationen sind, oder aber, dass der ich-Laut der ursprüngliche war, und alle ach-Laute Assimilationen sind. Für letzteres argumentiert z.B. T. Alan Hall weil der ich-Laut in wesentlich mehr Positionen auftritt als der ach-Laut. Die Sprachgeschichte deutet eher auf den ach-Laut hin.
Und zwar …?
Ja, genau: Jetzt zu den Rrrregeln für das <ch>:
- Nach zentralem oder hinterem Vokal wird es als ach-Laut realisiert.
- In allen anderen Positionen1 wird es als ich-Laut realisiert, d.h. nach vorderen Vokalen (mich), nach Konsonanten (Milch) und am Wortanfang (Chemie)2.
Diese Aussprachevarianz nennt man Allophonie.
Und weiter?
Weitergehen wird es mit einem kleinen Ausblick in Dialekte und Umgangssprache — wo es sich manchmal etwas anders verhält, mit dem ich- und dem ach-Laut. Vielleicht morgen schon, aber eher erst nächste Woche.
Fußnoten:
1Ausnahme: die Verkleinerungssilbe -chen hat immer [ç].
2Am Wortanfang gibt es wilde Variationen, das Spektrum reicht von [k] über [ʃ] <sch> zu [ç] — aber den ach-Laut gibt es im Standarddeutschen an dieser Stelle nie!
Und hier das “richtige” Vokaltrapez:
Schön geschrieben! Für mich hören sich eigentlich immer alle ach-Laute wie [χ] an, egal ob nach /a/, /o/ oder /u/. Ich habe eigentlich nie wissentlich ein [x] in deutscher Aussprache vernommen und hielte das auch für komisch (naja, vllt. österreichische Aussprache). Aber vielleicht ist das Dialektabhängig und im Sächsischen gibt’s eben nur [ʃ] und [χ] fürs .
Liebe Grüße!
— André
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