Im letzten Beitrag hatte ich versehentlich nicht auf das Interview mit Verfassungsrichter Di Fabio verlinkt, sondern auf einen Gastkommentar meines Würzburger Kollegen Norbert Richard Wolf in der Mainpost. Da dieser Kommentar äußerst lesenswert ist, hole ich hier offiziell eine nicht-versehentliche Verlinkung nach.
Wolf drückt zunächst Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz aus und weist dann noch darauf hin, dass „Die anderen machen es aber auch“ in diesem Fall kein gutes Argument ist:
Man mag nun einwenden, dass andere Staaten, etwa Frankreich oder Österreich die Landessprache in der jeweiligen Verfassung festgelegt hätten. Doch muss man die Situation, in der solche Festlegungen entstanden sind, bedenken. Die kleine Republik, die nach dem Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie entstand, wollte sich auch für die deutsch Sprechenden in anderen Teilen, etwa in der Tschechoslowakei, zuständig fühlen; zudem weist die österreichische Verfassung auch auf weitere Sprachen, die im Land gesprochen werden, hin.
In Frankreich wurden durch den Satz, dass die Sprache der Republik Französisch sei, andere Sprachen bewusst unterdrückt, und es macht immer noch Schwierigkeiten, Minderheitensprachen anzuerkennen. Solches kann und darf doch nicht das Ziel des deutschen Grundgesetzes sein.
Kurz gesagt: Wenn Sprachen in Verfassungen festgeschrieben werden, steckt meistens ein nach innen oder sogar nach außen gerichteter sprachlicher Imperialismus dahinter. Dass Deutschland den nötig hat, und dass er angemessen wäre, darf bezweifelt werden.
So ganz entkommt er dem VDS-Duktus aber auch nicht, wenn er von überflüssigen und lächerlichen Anglizismen spricht, ohne irgendwo ein “mMn” einzubauen. Die werden ihn eher zum Ehrenmitglied ernennen…
Kurz nach dem Lesen dieses Artikels hab ich in den Tagesanzeiger geschaut. Da wird doch tatsächlich von Experten vorgeschlagen, Englisch zur Teil-Amtssprache zu machen: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Kennt-die-Schweiz-bald-viereinhalb-Landessprachen/story/23700086
Mit Verlaub, aber ich halte den Artikel nicht für “äußerst lesenswert”.
Die Argumente sind vielmehr abgedroschen,oberflächlich und fragwürdig.
Zunächst macht der Autor es sich leicht und bekämpft einen selbst aufgebauten Popanz. Ich kenne keinen seriösen Beitrag, der behauptet, allein durch einen Grundgesetzartikel würden einfach so die Anglizismen verdrängt.
Auch habe ich noch nie, geschweige denn “immer wieder”, das Argument gehört oder gelesen, das Deutsche sei schwierig, weil es soviele Anglizismen enthalte. So ganz verfehlt ist diese Behauptung aber auch nicht, jedenfalls für die Deutschen, die des Englischen nicht mächtig sind.
Dann sagt er, “bestimmte Staatssymbole” gehörten in die Verfassung, zumindest ins Gesetz, nennt aber nur zwei, die Flagge und die Hauptstadt. Was ist mit der Nationalhymne? Die ist in Deutschland weder grund- noch überhaupt gesetzlich festgelegt. M.W. ist die Tricolore in Frankreich erst seit 1946 ausdrücklich in der Verfassung geregelt. Auch die jetzige französiche Verfassung regelt nicht, daß Paris die Hauptstadt ist. Auch die Weimarer Verfassung sagt nicht, was die Reichshauptstadt ist.
Dann sagt er, der besondere Schutz der Ehe habe noch niemanden vom Ehebruch abgehalten. Das ist richtig, aber unerheblich. Das hat die frühere Strafbarkeit des Ehebruchs auch nicht getan. Diese Verfassungsbestimmung ist aber tragende Grundlage zahlreicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gewesen, etwa zur Ehegattenbesteuerung.
Dann meint er, eine Verfassungsbestimmung allein werde die Deutsche Bundesbahn nicht vom “service point” abhalten. Damit hat er aber ja auch recht. Aber die Bundesregierung als (noch) Eigner könnte es schon. Wenn er das für “überflüssig” und “ärgerlich” hält, was tut er denn dagegen? Hat er an die Bundesregierung oder Herrn Mehdorn geschrieben? Also wohl nur heiße Luft.
Prof. Wolf mag ja ein anerkannter Sprachwissenschaftler sein, aber ob er sich in der europäischen Verfassungsgeschichte gut auskennt, halte ich für fraglich.
So sagt er: “In Frankreich wurden durch den Satz, dass die Sprache der Republik Französisch sei, andere Sprachen bewusst unterdrückt, und es macht immer noch Schwierigkeiten, Minderheitensprachen anzuerkennen.”
Andere Sprachen wurden in Frankreich seit jeher unterdrückt, spätestens seit der französischen Revolution. Der zitierte Satz wurde aber erst 1992 in die französische Verfassung eingefügt. Schon vorher und seitdem hat sich die Lage der “Regionalsprachen” in Frankreich eher verbessert, auch wenn noch viel zu tun bleibt. 2008 wurden in der Verfassung die Regionalsprachen immerhin als Teil des nationalen Erbes (patrimoine) gewürdigt.
Seine Erklärung für die österreichische Verfassungsregelung ist nicht belegt und scheint mir zweifelhaft. Auch ohne entsprechende Verfassungsbestimmung haben sich die Weimarer Republik für die Deutschen in Oberschlesien und die Bundesrepublik für die verbliebenen Deutschen in Osteuropa und der Sowjetunion “zuständig gefühlt”.
Besonders primitiv ist sein Argument der “guilt by association” (wie sagt man das auf deutsch?). Man mag ja vom VdS halten, was man will, aber ein solches Argument sollte unter der Würde eines deutschen Professors sein.
Zum Abschluß lenkt er ganz vom Thema ab, indem er auf die Qualität “sprachlicher Äußerungen”, insbes. von Politikern, zu sprechen kommt — auch das ein abgedroschener rhetorischer Kunstgriff. Er spricht damit ja vielen aus der Seele, aber was hat er vorzuschlagen? Was haben er und die deutsche Sprachwissenschaft dazu beigetragen, logische Gliederung und leichte Verständlichkeit deutscher “sprachlicher Äußerungen” zu heben?
Fazit: Man lehne sich zurück und lasse alles so laufen, wie es läuft. Der Sprachwandel wird es schon richten.
@Nörgler:
Wie oft musst du eigentlich noch hören, dass man nicht des Englischen mächtig sein muss, um Anglizismen zu verwenden? Man benutzt ja auch das Wort Bonze, ohne dass man Japanisch können muss. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass Menschen Worte benutzen, die sie überhaupt nicht verstehen oder mit denen sie sich nicht verständlich machen können.
Die deutsche Nationalhymne ist ja wohl ein Sonderfall, da sie teilweise historisch vorbelastet ist, weswegen man ihr keinen Verfassungsrang zugestand. (Ja, ich weiß, dass sie ursprünglich nicht militaristisch gemeint war, aber das Hakenkreuz war ja auch mal ein Glückssymbol.)
Es mag ja sein, dass der besondere Schutz der Ehe bedeutend war etwa im Steuerrecht; das spricht aber eher gegen ihn, denn das Ehegattensplitting z.B. war stets ein Instrument um reaktionäre Familienvorstellungen durchzusetzen.
Die Bundesregierung könnte vielleicht “Service Points” verhindern. Das grundsätzliche gesellschaftliche Problem ist aber wohl eher das künstlich geschaffene Monopol der Deutschen Bahn, das einen freien Wettbewerb, auch in terminologischer Hinsicht, verhindert, und nicht ein paar Anglizismen.
Deine anderen Argumente mögen andere dekonstruieren.
@Patrick
“Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass Menschen Worte benutzen, die sie überhaupt nicht verstehen oder mit denen sie sich nicht verständlich machen können.”
Dieser Satz verdient es, groß ausgedruckt und gerahmt zu werden und dann vielleicht in den Studios von Maybrit Illner, Anne Will etc. aufgehängt zu werden. Sie glauben also allen Ernstes, dass der Durchschnittsdeutsche das Gerede von “Roadmap to Peace”, “Common Sense” (meist in der im Englischen nicht existenten Bedeutung von “gemeinsames Verständnis” benutzt) und “Performance” versteht?
Dann träum weiter.
@dibbedabb
Den Ausdruck “Roadmap to Peace” habe ich noch nie einen Deutschen sagen hören, lediglich auf CNN habe ich es manchmal gehört.
“Common Sense” benutze ich persönlich ständig, aber das ist wohl nicht relevant, schließlich studiere ich Philosophie. Ich habe keine Ahnung, was du mit “gemeinsames Verständnis” meinst, ich habe jedenfalls “Common Sense” nie anders gehört als in der Bedeutung “gesunder Menschenverstand”.
Und “Performance” habe ich meistens in der Bedeutung von “Aufführung moderner Kunst” gehört, was eine sehr spezifische Bedeutung ist, für die es meines Wissens kein so prägnantes deutsches Wort gibt.
Und der Begriff “Durchschnittsdeutscher” schließlich ist eine Schimäre, die in unserer pluralististischen Gesellschaft schlicht nicht existiert.
@dibbedabb
An Ihrem sonst sehr treffenden Beitrag habe ich nur eines auszusetzen: “common sense” im Sinne von “gemeinsames Verständnis” gibt es m. E. im Englischen durchaus. Es ist nur nicht ein so stehender Ausdruck wie “common sense” im Sinne von “gesunder Menschenverstand”. So kann man etwa durchaus von einem “common sense of urgency” (gemeinsames Verständnis/Gefühl von Dringlichkeit) sprechen (ca. 245 Treffer bei Google).
Das Problem bei “performance” ist, daß es so viel bedeuten kann, darunter auch eine Aufführung von Aktionskunst, aber auch die Wertentwicklung von Aktien, generell “Leistung” — oder auf gut deutsch “Performanz”.
Ein schönes Beispiel für Denglisch:
“Building Performance Congress 2008
Parallel zur Light+Building 2008 (6. — 11. April 2008) bietet der Building Performance Congress umfassend Gelegenheit zur Information und Diskussion. In dieser Zeit wird das Congress Center Messe Frankfurt ganz im Zeichen der Fachdiskussion zu den Themen Licht, Energieberatung und Improving Energy Efficiency in Commercial Buildings (IEECB) stehen. Während die Messe über die neuesten Produkte informiert, dient der Kongress der fachlichen und inhaltlichen Vertiefung. Ergänzt wird der Building Performance Congress durch drei Fach-Foren, die die Themenbereiche Building, Immobilien und Computersysteme im Bauwesen abdecken.
Eine Anmeldung zum Building Performance Congress ist vor Ort möglich.”
Auch ein schönes Beispiel von Zweideutigkeit: bedeutet “Building Performance” die Schaffung/den Aufbau von “performance” oder geht es um die “performance” von Gebäuden?
Ob z.B. unsere älteren Mitbürger aus den neuen Bundesländern das alles so auf Anhieb verstehen? Oder mein Schwiegervater, der im Gymnasium zwar Lateinisch und Griechisch, aber kein Englisch gelernt hat?
Auf einem Fachkongreß mag ja jeder reden, wie er will. Wenn man sich aber an ein breites Publikum wendet, ist es doch ein elementares Gebot der Höflichkeit, keine esoterischen Fachausdrücke — seien sie nun deutsch, lateinisch oder englisch — zu verwenden.
@Patrick: Ich glaube, dass dieser Sinn des Wortes langsam in den Hintergrund gedrängt wird, zu Gunsten etwa der Performance, die ein Wertpapier haben kann (oder soll). Und das gesamte Segment der Wirtschaft benutzt Wörter sicher z.T. in absichtlich blendender Weise; in der Hoffnung, Sachverhalte verschleiern zu können oder andere dumm dastehen zu sehen. (siehe ->Bullshitbingo oder die junge Kunstform der ->Powerpoint-Karaoke).
@Patrick
Dann leben wir offensichtlich in verschiedenen Welten.
Roadmap to Peace fiel vor ein paar Jahren in praktisch jeder Polit-Talkshow; Performance ist inzwischen ein extrem weitverbreitetes Bullshitwort für “Leistung” oder “positive Entwicklung”, das trotz seiner weiten Verbreitung von vielen nicht verstanden wird; common sense fällt seit einiger Zeit auch häufig in Polit-Talkshows und ich habe es auch schon privat gehört, und zwar immer in der Bedeutung von “common understanding”, also gemeinsames Verständnis (“es sind sich grundsätzlich alle einig, dass…”).
@Nörgler
common sense hat, da wette ich um eine Kiste Wein, im Englischen nur die Bedeutung “gesunder Menschenverstand”. Das, was Sie meinen, ist “common understanding”.
In God we trust; all others must bring data. — W. E. Deming
Also bitte: Wer behauptet, dieses oder jenes Wort werde von “durchschnittlichen” oder “den meisten” nicht verstanden, oder nur falsch, sollte dies auch belegen können — ich zumindest glaube nicht daran (siehe auch den Eintrag “Englischkenntnisse” in diesem Blog [ http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2008/11/19/englischkenntnisse/ ]). Und selbst wenn viele Deutsche bestimmte Worte nicht verstünden, was genau spricht dagegen, sie trotzdem zu benutzen, insbesondere in fachlichen Diskussionen? Was spricht dagegen, dass man auch als Erwachsener von Zeit zu Zeit sein Vokabular erweitert? Zudem darf man doch wohl bei politischen Talk-Shows einen etwas gehobeneren Bildungsstand des Publikums postulieren.
@ Nörgler
Was mich an den sog. Sprachnörglern, den Anglizismen- und Denglischgegnern stört, ist, dass sie sich immer auf die angeblich englischunkundigen “älteren Mitbürger” beziehen.
Fragen Sie mal Ihre Metzgereifachverkäuferin, Ihren Floristen oder Pizzaboten nach einigen englischen Begriffen aus der Tagespresse. Fragen Sie mal ganz normale Büroangestellte ohne höhere Schulbildung nach den Bullshitwörtern aus Präsentationen, mit denen sie gerade traktiert wurden oder aus Rundschreiben der Firmenleitung, die sie gerade erhalten haben. Und ich meine nicht, dass sie genaue Definitionen von “Market Value” oder “Cash Flow” liefern sollen; ansatzweises Verständnis der Begriffe ist schon mehr, als man voraussetzen kann.
@ mus
Ein netter kleiner Versuch, einen rhetorischen Trick anzuwenden.
Dass ich in der Diskussion in einem Internetforum die mangelnden Deutschkenntnisse der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit nicht belegen kann, ist ja wohl selbstverständlich. Wenn es keine entsprechenden Untersuchungen gibt, werde ich wohl kaum in der Lage sein, selbst welche durchzuführen. Es gibt aber auch so etwas wie Lebenserfahrung. Wenn man in verschiedenen sozialen Milieus Kontakte hat, merkt man sehr bald, dass die bunte, globalisierte Welt der Highperformer nur ein winziger Ausschnitt der Wirklichkeit ist. Bewegt man sich aber nur in diesem Milieu und seinem Dunstkreis, kann man sich schnell einbilden, alle Welt verstünde Englisch.
@dibbedabb: und die 243 Googlehits für “common sense of urgency” basieren auf schlechten Übersetzungen?
@ Thomas Müller (#1): Wenn ich von “überflüssigen und lächerlichen Anglizismen” spreche, ist das eigentlich immer meine Meinung, das muss ich nicht noch durch einen Disclaimer à la “meiner Meinung nach” kennzeichnen. Und dafür werde ich bestimmt nicht gleich vom VDS adoptiert. Auch wenn ich der Meinung bin, dass es überflüssige und lächerliche Anglizismen gibt, und zwar nicht zu knapp.
Ich kann mir andererseits sogar eine Argumentation vorstellen, die den schon oft inkriminierten Service Point der Deutschen Bahn rechtfertigt.
@ h.m.voynich
Nein, das sind keine Fehler. Aber es heißt nicht (a common sense) of urgency, sondern a common (sense of urgency).
Würde ich sagen. Aber ich lasse mich gerne korrigieren. (Nein, gelogen, natürlich ungerne, aber wenn Sie mir’s nachweisen, gestehe ich meinen Irrtum ein. Nur den Wein gibt’s dann nicht, weil Sie die Wette nicht angenommen haben)
Ein netter kleiner Versuch, einen rhetorischen Trick anzuwenden.
Was für ein Trick denn bitte? Seit wann ist es ungerecht, Belege für kontroverse Aussagen zu fordern?
Dass ich in der Diskussion in einem Internetforum die mangelnden Deutschkenntnisse der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit nicht belegen kann, ist ja wohl selbstverständlich.
Nein, genau das Gegenteil wäre selbstverständlich — sonst gibt es nämlich keine Diskussion, sondern nur ein shouting match.
Wenn es keine entsprechenden Untersuchungen gibt, werde ich wohl kaum in der Lage sein, selbst welche durchzuführen.
Ok.
Es gibt aber auch so etwas wie Lebenserfahrung. Wenn man in verschiedenen sozialen Milieus Kontakte hat, merkt man sehr bald, dass die bunte, globalisierte Welt der Highperformer nur ein winziger Ausschnitt der Wirklichkeit ist. Bewegt man sich aber nur in diesem Milieu und seinem Dunstkreis, kann man sich schnell einbilden, alle Welt verstünde Englisch [Anm.: Was denn nun? Englisch oder Deutsch (vgl. ihre Äußerungen weiter oben im selben Posting)?].
Hier setzte bereits mein zweites Argument an: Warum sollen denn diese Begriffe nicht innerhalb dieser Millieus verwendet werden? Weil jemand außerhalb dieses Milleus sie nicht versteht? o_O
Oder weil sie sich (wie ja oft von den Sprachpanschern behauptet wird) “inflationär” ausbreiten? Diese Ausbreitung auf andere Milleus würde einen Grund haben — wie jeder Sprachwandel. Und wie jeder (Sprach-)wandel, erfordert auch diese Situation eine Anpassung der Betroffenen — wie ich bereits anmerkte: Man kann doch wohl erwarten, dass man sich ab und zu die Bedeutung neuer Wörter einprägt.
In diesem Sinne: Swim or sink, but please stop pissing in the pool. (nicht persönlich nehmen)
@ mus
Der rhetorische Trick besteht doch darin, Belege immer nur von anderen zu verlangen, aber nicht von sich selbst. Sie mögen ja glauben, daß viele Deutsche solche Ausdrücke besser verstehen, als gemeinhin angenommen wird. Können Sie das denn belegen?
Zuletzt verwenden Sie noch einen weiteren rhetorischen Trick, nämlich die gegenerische Meinung als “kontrovers” zu bezeichnen. Kontrovers sind immer nur die Meinungen der anderen.
Im übrigen gibt es ja mindestens eine Studie zu diesem Thema, die man nach meiner Erinnerung auch in diesem Blog finden kann. Nach dieser Untersuchung versteht ein großer Teil der Deutschen viele englische Werbesprüche (z.B. “come in and find out”) überhaupt nicht. Einige Firmen sollen deshalb reumütig zu deutschen Werbesprüchen zurückgekehrt sein.
Mir überhaupt nicht. Das selbsternannte Deutsch-Österreich wollte das gesamte Sudetenland und die Sprachinsel Iglau (also Jihlava) haben, und das war noch nicht alles…
Mitgefangen, mitgehangen?
Ursprünglich war sie übrigens ein Trinklied und endete mit “deutsche Frauen, deutscher Wein”…
Das tut diese Nachricht aber nicht. Sie wendet sich an die Sorte von Leuten, die auf so einer Veranstaltung vortragen.
@mus
Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass Menschen Worte benutzen, die sie überhaupt nicht verstehen oder mit denen sie sich nicht verständlich machen können.”
Das war der Ausgangspunkt meiner Argumentation.
In meinen Aussagen bezog ich mich vorwiegend auf Polit-Talkshows. Grundsätzlich meine ich Äußerungen, die sich zumindest potentiell an die gesamte Öffentlichkeit richten.
Dass ich im Künstlermilieu oder unter Bänkern Ausdrücke benutze, die nicht allgemeinverständlich sind, ist klar, notwendig, selbstverständlich. Dass z.B. der politische Diskurs in den Massenmedien von Wörtern durchsetzt ist, mit denen man die breite Öffentlichkeit nicht ansatzweise erreicht, ist bedenklich. Ebenso ist es bedenklich, wenn am Arbeitsplatz Schlagwörter kursieren, die nicht verstanden werden — weder vom Sender noch vom Empfänger.
Alles schon häufig erlebt. Über nichts davon habe ich Belege. Wenn Sie von mir unbedingt Belege wollen, müssen wir die Diskussion beenden.
Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass bestimmte Menschen bestimmte Worte *nicht* benutzen (oder sie sogar “verbieten” wollen), weil sie sie überhaupt nicht verstehen *wollen*. Ich würde das “lexikalische Xenophobie” nennen.
Es ist irgendwie auch eine überaus lästige und aufdringliche Form von “Imperialismus” wenn irgendwelche “Sprachretter” anderen kompetenten Sprechern vorschreiben wollen, was sie zu verwenden haben — oder eben nicht.
Wer Anglizismen nicht mag, muss sie ja nicht verwenden. Aber wie Don Quichotte dagegen anzureiten oder anderen vorschreiben zu wollen, was ‘Deutsch’ sei und wie man es zu verwenden habe, das ist zutiefst undemokratisch.
Es gibt mit Sicherheit auch Muttersprachler des Deutschen, die nicht einmal den deutschen Erbwortschatz in all seiner Fülle verstehen. Wenn es den “Sprachschützern” tatsächlich um Rücksichtnahme auf Leute mit Verständnisproblemen ginge, müssten sie konsequenterweise auch manche selten gebrauchte starke Verbform (z.B. molk, buk, focht) oder Worte wie Spettel hinnen u.v.a.m. verbieten.
@janwo
Sie bauen da einen Popanz auf, den ich in der Realität nicht sehen kann.
Klar — es gibt immer verschrobene Leute mit seltsamen Ideen. Aber schließlich sind wir ein freies Land und es bleibt ja beim Äußern dieser Ideen. Sie können es für zutiefst undemokratisch halten, Anglizismen verbieten zu wollen. Andere halten es für zutiefst undemokratisch, das Rauchen in Gaststätten zu verbieten, die Leugnung der Judenvernichtung unter Strafe zu stellen oder eine Vermögenssteuer einführen zu wollen.
Das Argument, es werde hier von die sog. Sprachschützer ein Kampf gegen Windmühlen geführt, spricht doch eigentlich sehr für diese Herrschaften, denn Don Quichotte hatte nur die lautersten und ehrenhaftesten Absichten. Es ist dies übrigens auch ein Scheinargument, denn man kann es jedem entgegenhalten, der gegen eine Entwicklung opponiert, die er vermutlich nicht wird aufhalten können. Die Chancen, Anglizismen aus dem Sprachgebrauch zu verbannen sind ähnlich groß wie die Chancen, die Abholzung des Regenwalds oder die Verschmutzung der Weltmeere aufzuhalten.
@dibbedabb:
Ueber Thesen diskutieren zu wollen fuer die man nicht die Spur eines Beleges anbringen kann ist schon wirkliche Zeitverschwendung. Ein wolkiger Hinweis auf Lebenserfahrung und “Millieus” reicht als Diskussiongrundlage nicht so wirklich aus. Man muss ja auch keinen wissenschaftlichen Aufsatz vorlegen sondern kann mindestens ein bisschen anecdotal evidence (ätsch, ein Angliszismus) anbringen und die versuchen zu verallgemeinern oder ähnliches.
Leider schaffen die Sprachnörgler nichtmal das, einfach mal ein paar nachvollziehbares(so subjektiv das zugegebermassen auch ist), reale Beispiele zu geben fuer Anglizismen die nicht vom Rezipienten verstanden werden. Dann kann man sich hinsetzen und diskutieren, woran das liegt.
Noergler z.B. schwadroniert ain seinem ersten Comment oben uch nur herum wie missverständlich das Wort performance angeblich wäre, weiss aber offenbar kein Beispiel wo es mal jemanden verwirrt hätte. Oder er nennt langatmig ein Beispiel von einem Fachkongress von dem er dann aber selber sagt da könne natuerlich jeder in Fachchinesisch schwadronieren wie er mag. Was genau soll uns das Beispiel dann sagen?
Achja und das mit dem common (sense of urgency) vs. common sense (of urgency) ist meiner bescheidenen Ansicht nach exakt richtig erklärt.
@Daniel
Nun, es hat ja zum Beispiel einmal eine Studie zu Werbesprüchen gegeben, die offensichtlich weithin unverstanden blieben.
Aber wenn Du nicht diskutieren willst und es für Zeitverschwendung hältst, dann lass es doch einfach sein. Die Wahrheit ist bloß, dass Du vorher, bevor Du nicht diskutierst, gerne noch einmal behaupten würdest, dass diejenigen, die eine andere Meinung haben als Du, Unrecht haben.
Wenn Du glaubst, auf einer solchen Seite müssten Belege beigebracht werden, die wissenschaftlichen Kriterien genügen, dann kann ich nur sagen: Du irrst. Es geht hier um einen allgemeinen Meinungsaustausch, den Du mit den nur ungenügend kaschierten Worten “Ruhe jetzt, ich hab recht” beenden möchtest.
Und da wir gerade bei Belegen sind: Erklär mir halt, wie es mit dem angeblichen “common sense” of urgency sich verhält. Ich lern gern dazu.
@dibbedabb: Habe ich mich so unverständlich ausgedrueckt oder ignorieren sie absichtlich was ich gesagt habe? Ich verlange explizit KEINE “wissenschaftlichen” Belege und habe auch keine Silbe darueber verloren wer recht hat und wer nicht.
dibbedabb: Werbesprüche werden doch nicht verfasst, um verstanden zu werden: sie sollen vielmehr Assoziationen hervorrufen und neue Assoziationen in das Gedächtnis des Umworbenen einschmuggeln. Und da kann ein unverstandener oder fehlverstandener Spruch ebenso gut wirken wie ein verständlicher.
Werbesprüche à la “come in and find out” oder “stimulating your senses” und was noch so alles laut dieser berühmt-berüchtigten Untersuchung in deutschen Fußgängerzonen missverstanden wurde, sind doch gar nicht mit o.g. Anglizismen wie “Performance” zu vergleichen.
Das Wort “Performance” wird wie jedes andere Substantiv auch produktiv in deutsche Aussagen eingebunden und verstanden. Die Werbesprüche jedoch sind isolierte Slogans, die in dem Falle keinen Anglizismus im Deutschen darstellen, sondern schlichtweg englische Phrasen sind. Dass Menschen, die des Englischen nicht mächtig sind, diese nicht verstehen, ist ergo weder bemerkenswert noch bestürzend.
@ dibbedabb: “denn Don Quichotte hatte nur die lautersten und ehrenhaftesten Absichten”
Au Backe. Da hat jemand den Unterschied zwischen “gut gemeint” und “gut gemacht” noch nicht begriffen.
Viel Spaß bei der Windmühlenbekämpfung. Mir wird das hier zu albern.
Ich glaube im Übrigen nicht an die Quantenphysik, ich hab zwar keine Studien dazu gelesen, aber ein bißchen Alltagserfahrung zeigt einem ja, daß das nur Humbug sein kann!
(so ähnlich klingen Sprachnörgler hier jedenfalls wieder.)
Fest steht doch, daß kein Mensch ein Wort benutzt, das er nicht kennt, sonst würde er es nicht benutzen. Im Gegenteil, jeder der ein Wort benutzt, hat eine genaue Vorstellung davon, was es bedeuten soll. Daß diese Vorstellung jedoch unterschiedlich sein kann, je nachdem ob ein Gelehrter oder ein “durchschnittlicher” (wie auch immer man das fassen soll) Mensch das Wort benutzt, ist klar. Manche Leute, gerade im englischsprachigen Raum, halten “Linguisten” einfach für Leute, die viele Sprachen sprechen.
Das ist aber normal. In jedem Bereich sind die meisten Leute eben keine Fachleute. Und viele Begriffe bedeuten in der Fachsprache etwas ganz spezifisches im Gegensatz zur Alltagssprache (Masse und Gewicht z.B.). Das ist aber in der Regel kaum ein Problem bzw. wenn es eines wäre, wäre es sowieso nicht zu verhindern.
Das Problem ist doch, daß die meisten Nörgler nicht einsehen wollen, daß Sprache eben nicht primär ein Mittel ist, exakte Wissenschaft miteinander zu diskutieren. Sprache ist ein kultureller Akt und demzufolge funktioniert ein Alltagsgespräch eben überhaupt nicht so wie eine wissenschaftliche Diskussion.
@David Marjanović (#18)
Bisher war von Österreich, nicht von dem kurzlebigen Deutschösterreich die Rede.
Aber selbst wenn das mächtige, imperialistische Österreich noch viel weitergehende Ansprüche erhoben hätte, ergibt sich daraus doch nicht, daß die banale Festlegung der Staatssprache in der Verfassung, wie sie ja auch in anderen Verfassungen steht, irgend etwas damit zu tun hat. Um das zu belegen, müßte man schon genauer auf die Entstehungsgeschichte der österreichischen Verfassung eingehen.
Nun, da hier anscheinend die politisch korrekten unter sich bleiben und sich in ihrer Meinung bestätigen wollen, und da sie außerdem geflissentlich Gegenargumente nicht zur Kenntnis nehmen, bitte sehr: Ich will Euch Eure Kreise nicht stören. Nörgelt mal schön weiter über die Nörgler.
Man kann nicht zur Kenntnis nehmen, was nicht da ist. Außer man heit Don Quichotte … 😉
dibbedabb, ich habe eines der “Gegenargumente” widerlegt.
@dibbedabb
Warum so schnell die Flinte ins Korn werfen? Machen Sie es doch so wie Don Quichote und kämpfen Sie weiter tapfer gegen Windflügel.
Je aussichtsloser der Kampf, umso ehrenhafter ist er. Viel Feind, viel Ehr.
@Gareth
Mit dem Widerlegen ist es so einfach nicht. Wenn Sie Anglizismen als solche Wörter englischen Ursprungs definieren, die inzwischen fester Bestandteil des deutschen Wortschatzes geworden sind, dann haben Sie natürlich recht — aber nur weil diese Argumentation zirkulär ist.
dibbedabb geht es aber doch nicht um diese Wörter, sondern um all die englischen Sprachbrocken, die uns ständig neu an den Kopf geworfen werden — sei es in Talkshows, in der Werbung oder sogar in amtlichen Papieren.
janwo,
ich fürchte, zum Thema Don Quijote bist Du einfach nicht kompetent. Lass es sein. Ansonsten hast Du meine Antwort wahrscheinlich gelesen aber offensichtlich nicht verstanden.
Gareth,
sagen wir mal: Du hast darauf sachlich geantwortet. Klar, dass Du meinst, Du hättest mich widerlegt. Werbesprüche, die nicht verstanden werden, sind nicht allzu sinnvoll, das hat die Werbebranche ja anscheinend mitbekommen und eine Reihe dieser Sprüche durch deutsche ersetzt.
“Produktive” Anglizismen im Satzzusammenhang werden auch nicht immer verstanden und sie werden häufig falsch benutzt. Ich erlebe das fast täglich:
Ein Manager, der monatelang das Wort “Retail” im Munde führte, bis herauskam, dass er nicht wusste, was damit gemeint ist. Ein anderer, der darauf bestand, in Präsentationen falsche englische Begriffe zu verwenden (nein, nicht solche, die in aller Munde sind, sondern einfach englische Wörter, die er falsch verstanden hat). Eine Diskussion unter (angeblichen) Fachleuten, bei der sich binnen kurzem herausstellte, dass einige Anwesende das Wort, das zur Bezeichnung des Themas gewählt wurde, missverstanden hatten — aus Mangel an Kenntnis der englischen Fachsprache.
Kollegen, die mir sagen, dass sie Rundschreiben der Geschäftsleitung ungelesen löschen, weil sie es leid sind, in jedem Satz ein Wort nicht zu verstehen.
Ein Schulamt, das eine Umfrage unter Eltern plant, bürstet den Einwand, viele Eltern verstünden das Wort “Feedback” nicht, mit den Worten “ist ja lächerlich” ab und wundert sich später über das zahlreiche “Feedback” von Eltern, die ebendieses Wort nicht verstanden haben.
Mag sein, dass das für Sie keine Argumente sind. Im Gegensatz zu Dir behaupte ich aber jetzt nicht, ich hätte Deine “Argumente” widerlegt. Ich behaupte nur, dass ich gänzlich andere Erfahrungen gemacht habe und Deine Ansichten nicht nachvollziehen kann.
Es geht hier ganz offensichtlich um zwei verschiedene Sachen. Du hast die Werbesprüche als Argument für die Unsinnigkeit von Anglizismen eingeführt, weil diese oftmals nicht verstanden würden. Nur sind halt Werbesprüche, die einfach komplette englische Sätze sind, keine Anglizismen im herkömmlichen Sinne — also Lehnwörter, die ins Deutsche eingehen. Mehr wollte ich damit gar nicht zeigen.
Zu dem anderen Thema ist eigentlich alles schon gesagt worden. Nochmal: Normalerweise benutzen Sprecher nur Wörter, die sie auch verstehen. Wenn ein Sprecher ein Wort benutzt, obwohl er die Bedeutung nicht kennt, liegt das nicht am Wort selbst. Wenn die Mehrzahl der Sprecher das Wort nicht versteht, geht das Wort auch nicht in den Wortschatz über und bleibt Fachterminologie oder verschwindet gänzlich.
Das hat aber immer noch nichts mit (fehlenden) Englischkenntnissen zu tun. Ich kann z.B. kein Altgriechisch und kann mir daher die Bedeutung des Wortes “Helikopter” nicht herleiten, weiß aber trotzdem, was es bezeichnet. Und du würdest ja vermutlich nicht vorschlagen, auf Wörter wie “Rekonvaleszenz” zu verzichten, obwohl dieses Wort in einer Fußgängerzonen-Umfrage sicherlich von ebenso wenig Menschen erklärt werden könnte wie eben “Retail”.
@Nörgler
…bloß handelt es sich bei der Arbeit des VdS ja gar nicht um einen Kampf gegen Windmühlen, sondern um einen völlig normalen Teil des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses, in dem die Position des VdS auch keineswegs aussichtslos ist, wie ein Blick in andere Länder oder in die eigene Geschichte zeigt.
Was mich nervt, ist die gleichzeitig besserwisserische und ignorante Art, wie hier die eigene Meinung als absolut gesetzt wird und man mit rhetorischen Tricks der billigsten Art versucht, sich über Andersdenkende lustig zu machen — ohne auch nur einen Augenblick an nüchterne Reflexion zu verschwenden. Persönlich stehe ich dem Anliegen des VdS eher neutral gegenüber, aber die geballte Borniertheit des Gutdenkertums, die hier aus vielen (gottlob nicht aus allen) Beiträgen hervorschimmert, ist mindestens genauso schlimm und niveaulos wie der Quatsch, der manchmal im Namen des VdS verbreitet wird.
@Gareth
Danke für die sachlche Antwort.
Mir ging es zunächst gar nicht um Sinn oder Unsinn von Anglizismen, wie Du in Deinem ersten Satz sagst. Mir ging es um genau genommen drei Behauptungen:
1) Es gebe keine aussagekräftigen Studien Verständnisproblemen bei Anglizismen
2) Man gebrauche normalerweise keine Wörter, deren Bedeutung man nicht kenne
3) Man gebrauche keine Wörter, die das Publikum nicht verstehe
Ich bin der Ansicht, dass Aussagen 2 und 3 falsch sind. Über die erste kann man streiten.
Das Problem an Deiner Ansicht bezüglich der Behauptungen 2 und 3 ist, dass Du wahrscheinlich von gängigen Anglizismen wie shop, referee oder download ausgehst. Selbst da habe ich leise Zweifel, wie viele Leute, wenn sie ein Länderspiel gucken, wirklich die Frage “was ist denn nun ein coach/penalty/referee/keeper” beantworten könnten. Aber sei’s drum.
Ich schaue mir aber Talkshows, Nachrichtensendungen und ähnliches an ein breites Laienpublikum gerichtetes Material an und stelle fest, dass hier eine Reihe englischer Begriffe sporadisch oder auch häufiger auftauchen, die sehr häufig vom Empfänger, nicht selten aber auch vom Sender nicht verstanden werden. Beispiele habe ich ja genannt.
Dass das nicht an den Wörtern selbst liegt, wie Du sagst, ist klar. Aber was willst Du damit sagen? Es liegt daran, dass der Sender der Botschaft statt eines bekannten und allgemein verstandenen oder intuitiv verstehbaren Begriffs einen anderen, fremdsprachigen benutzt, dessen Verständnis nur möglich ist, wenn man entweder die Herkunftssprache gut beherrscht oder vom Fach ist und den englischen Begriff dadurch vielleicht kennt.
Und zu Deinem letzten Satz: Selbstverständlich würde ich vorschlagen, in einer Botschaft, die sich an die breite Öffentlichkeit wendet, Wörter wie Rekonvaleszenz oder Ausdrücke wie coûte que coûte zu vermeiden.
Vielleicht reden wir auch aneinander vorbei. Problematisch wird es, wenn sich der Sender einer Botschaft so ausdrückt, dass der Empfänger sie nicht versteht. Und das kann man häufig beobachten, wenn entweder viele Fachtermini oder viele Anglizismen verwendet werden.
Wenn Anglizismen als etablierte Begriffe in die deutsche Sprache aufgenommen sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit verhältnismäßig hoch, dass ein durchschnittlich gebildeter Mitmensch sie versteht oder dass sie einer Fachsprache angehören. Aber auch da kann man Überraschungen erleben, wenn man mit dem Durchschnittsmenschen, dessen Existenz hier abgestritten wurde, spricht. Ich erinnere an mein Beispiel mit der Schulamtsleiterin, die es für Unfug erklärte, als man ihr sagte, ein guter Teil der Eltern würde das Wort “Feedback” nicht verstehen und man solle es doch einfach durch “Antwort” ersetzen.
Das heißt übrigens coûte que ça coûte, und es ist mir im Deutschen noch nie begegnet — im Unterschied zum Äquivalent koste es, was es wolle.
@David Marjanović (#38)
Es heißt coûte que coûte (s. GREVISSE, LE BON USAGE, 1975, S. 1220).
Dieser Ausdruck begegnet mir durchaus gelegentlich. An diesem (im Deutschen natürlich völlig überflüssigen) Ausdruck reizt nun einmal die nicht zu überbietende Kürze, ähnlich wie bei faute de mieux. Ein höflicher Mensch wird solche Ausdrücke natürlich nur verwenden, wenn er sich sicher ist, daß sein Gesprächspartner ebenfalls mit ihnen vertraut ist.
Entsprechendes, und damit kehre ich zum Thema zurück, würde ich mir von denjenigen wünschen, die gerne Anglizismen in ihre Rede einflechten.
Warum wird in solchen Diskussionen eigentlich fast nur der Sender kritisiert?
Soll heißen: Wenn mich eine Botschaft erreicht, die ich nicht verstehe, dann frage ich nach. Erstens gibt man mit diesem Feedback dem Sender die Möglichkeit, sich (aktuell) zu erklären und (zukünftig, wenn nötig) seine Wortwahl zu ändern. Zweitens ist das eine prima Gelegenheit, neue Wörter zu lernen. Und das gilt nicht nur für Anglizismen, nicht nur für Fremdwörter, sondern für alle mir fremden Ausdrücke (Dialekt, Jargon, Handwerkerfachsprech …). So lernt man eine Sprache. Ich bin mit der Sesamstraße aufgewachsen: Wer nicht fragt, bleibt dumm.
Die Idee, man müsse die Empfänger dort abholen, wo sie stehen, führt leider häufig dazu, dass man sie eben nicht abholt, sondern stehen lässt. All die Leute, die angeblich nicht wussten, was “Public Viewing” bedeutet, die wissen heute nicht nur, was der Ausdruck im Deutschen bezeichnet, sondern dazu auch noch, dass er im Englischen unter anderem für öffentliche Aufbahrungen steht. Das hätten sie nie erfahren, wenn man von vornherein “Großbildfernsehen” benutzt hätte.
PS In Talkshows ist das Nachfragen Aufgabe des Moderators.
PPS Wie viele Leute mag es wohl geben, die “come in and find out” falsch verstanden haben und deswegen nicht wissen, dass Douglas eine Parfümeriekette ist?
@David Marjanovic
Danke für die Belehrung, aber hier kann ich Dich tatsächlich widerlegen (im Gegensatz zu “Dir widersprechen”).
Das Attentat muß erfolgen, coûte que coûte, und sinngemäß weiter: Gleich, ob es gelingt oder nicht; die Welt muss wissen, dass es in Deutschland einen Widerstand gibt, der sein Leben gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.
Auch ein Don Quijote?
Genau, Kristin.
Wer die Anglizismen (wissenschaftlichen Fachtermini, französischen und lateinischen Redewendungen etc.) nicht versteht, ist selbst schuld und hat’s net besser verdient.
Aber eigentlich ist Dein Gedanke ja hochgradig subversiv und Du solltest ihn vielleicht dem VdS unterbreiten: Wenn jeder umgehend nachfrägt, wenn er ein solches Wort nicht versteht, wird der Spuk bald ein Ende haben. Und man könnte noch weitergehen: Man könnte eine “ich frag nach”-Kampagne von Post und Telekom unterstützen (sponsern) lassen, denn die Millionen Briefe und Telefonate, die aus ihr resultieren würden, würden die Börsenkurse dieser Unternehmen in ungeahnte Höhen schnellen lassen. Das wär dann zwar nicht mehr subversiv, aber dennoch: Chapeau (Hut ab) für diese Idee!
Ich studiere selbst Sprachwissenschaften, bin aber der Meinung, auf Wissenschaftlicher Ebene kann man das “Problem” der Anglizismen weder hinreichend erklären geschweige denn lösen. Meine ganz persönliche Erfahrung hat mich zu der Meinung geführt, dass Menschen, die im Alltag besonders viele Anglizismen benutzen (denn darum geht es ja hauptsächlich; französische oder gar asiatische Fremdwörter dürften ja nur einen sehr kleinen Anteil ausmachen), hauptsächlich solche sind, die einen Anflug von Profilneurose haben. Wie gesagt, ist nur meine persönliche Meinung und Erfahrung. Aber für mich liegt die übermäßige Verwendung von Anglizismen an sehr komplexen Gründen, die vielleicht die Psychologie zu klären hätte. Oft beobachte ich, dass solche Leute selbst nicht genau wissen, was sie mit den Begriffen meinen, jedoch aus dem Gefühl heraus, die anderen verstehen es auch nicht, eine Art Überlegenheitsgefühl entwickeln. Denn meist wird ja nicht nachgefragt, und derjenige fühlt sich dann überlegen, weil er über eine Art (oft jedoch nur vorgegaukeltes) Herrschaftswissen verfügt. Mir sind solche Leute zutiefst unsympathisch, und meist ergibt es sich auch von selbst, dass ich mit ihnen eher wenig zu tun habe.
Natürlich ist diese “psychologische” Herangehensweise nur ein Teilaspekt. Ob der Gebrauch von Anglizismen im Geschäftsleben, in der Werbung eine gute Idee ist, lässt sich damit nicht klären. Für den privaten Bereich habe ich jedoch meine Antwort gefunden. Mit solchen Leuten habe ich eher Mitleid, weil bei ihnen die Anglizismen nur ein Instrument darstellen, mit dem sie ihr fehlendes Selbstbewusstsein kaschieren. Außerdem zeugt es für mich von fehlendem Respekt, Fremdwörter zu benutzen, von denen man weiß oder vermutet, dass das Gegenüber sie nicht versteht. Ich werfe auch nicht mit griechischen, lateinischen oder altindischen Begriffen um mich, nur weil ich es kann. Unter Fachkollegen kann man das machen und ist es machmal ja auch erforderlich, aber im privaten Bereich hat das nichts zu suchen. Meine bescheidene Meinung 🙂
@ dibbedabb
> Wer die Anglizismen nicht versteht, ist selbst schuld
Wenigstens zum Teil: Ja!
> und hat’s net besser verdient.
Im Gegenteil! Statt den Sendern das Senden auszutreiben, sollte man sich drum kümmern, die Empfänger zu bilden.
Wer die Bedeutung des Wortes “Hubschrauber” nicht kennt, der kann sie sich auch mit noch so guten Deutschkenntnissen nicht herleiten. Ein Flugzeug ist etwas anderes als irgendwelches Zeug, das durch die Luft fliegt. “Hand-kuss” ist kein Euphemismus für Ohrfeige, obwohl man das Wort durchaus so verstehen könnte. Apropos: Ohr-feige?
Wenn das unverstandene Wort zufällig aus dem Altgriechischen oder gar aus dem Englischen stammt, dann denkt der Schnelldenker, genau dies sei der Grund fürs Unverständnis. Aber das ist nicht der Grund.
Schöne Grüße
@Kristin
Ich weiß nicht, ob Du meinen Beitrag zuende gelesen hast.
Der zweite Abschnitt war eigentlich dazu gedacht, zu demonstrieren, wie unrealistisch es ist, von den Millionen und Abermillionen Empfängern zu erwarten, dass sie sich beim Sender erkundigen, was er denn nun gemeint hat.
Ich erwarte auch nicht, dass ein Mitarbeiter in einem Rundschreiben der Geschäftsleitung, der Abteilungsleitung, des Vorstands vier, fünf oder zehn Wörter nachschlägt (die Angaben basieren auf wirklich Erlebtem, nicht auf meiner Phantasie). In England gibt es etwas, das sich “Plain English Campaign” nennt. Ähnliche Ansätze kenne ich auch aus den USA. Das basiert auf der Einsicht in die Notwendigkeit, dass ich mich natürlich auf den arroganten Standpunkt stellen kann, der Empfänger meiner Nachricht möge sich gefälligst bilden; dass ich den Dummbatz, der wo mich net verstehn tut, aber leider nicht zwingen kann, auch meine Waren zu kaufen. Oder meine Partei zu wählen. Oder sich mit seinem Arbeitgeber zu identifizieren, der ja gerade gezeigt hat, was er von seinen Angestellten hält.
@Kristin
Ach so, jetzt hab ich ja noch was vergessen:
Selbstverständlich ist der Grund für das Unverständnis, dass das nicht verstandene Wort aus einer fremden Sprache stammt. Die eigenen Wörter kennt man nämlich normalerweise. Und, ob Sie’s nun glauben oder nicht, dem durchschnittlich gebildeten Sprecher gehen sie auch leichter von der Zunge und er merkt sie sich auch besser. Sonst könnten wir ja immer sagen, dass sie voluminöse Expansion subterraler Agrarprodukte in reziproker Relation zur intelektuellen Kapazität des Diplomagrarökologen steht.
dibbedabb, ich weiß ja nicht, was du alles so erlebst, aber mir sind bisher keine Horrorschreiben unterlaufen, in denen es von völlig ungebräuchlichen Anglizismen nur so wimmelte. Ich würde das jedenfalls nicht zu einem gesellschaftlichen Phänomen erklären, nur weil es Einzelfälle gibt, bei deinen Anglizismen in lächerlicher Häufung benutzt werden.
dibbedabb, was sind denn “eigene Wörter”? Solche Aussagen sind nun aber wirklich an der Grenze zum Unsinn. Es ist glaube ich ausgeschlossen, dass jemand Schwierigkeiten damit hatte, sich Wörter wie Computer, Telefon, Ventilator, Toaster oder Pizza zu merken (wenn er sie nicht eh schon von Grund auf gelernt hat).
Gareth,
mal wieder ein paar Versuche, zu tricksen: Auf kleine Ungenauigkeiten in der Ausdrucksweise abheben und die ganze Argumentation für Unfug erklären. Wann’s schee macht…
Dann ein paar gebräuchliche Fremdwörter aufzählen und verallgemeinernd behaupten, jeder könne sich solche Wörter (um die es ja gar nicht geht) merken.
Und schließlich ein absichtlich übertriebenes Beispiel aus der Argumentation des anderen rausgreifen und so tun, als sei es wörtlich gemeint.
So nicht.
@dibbedabb
Über unverständliche Rundschreiben kann man sich mit Kollegen und Vorgesetzten unterhalten, um sie zu verstehen. Wenn die alle das Schreiben auch nicht verstehen, wird der Vorstandsvorsitzende das schon mitkriegen und (langfristig) seinen Sprachgebrauch ändern.
Ich erwarte keineswegs arrogant, dass man Marx liest, bevor man sich bei einem Agrarbetrieb bewirbt. Umgekehrt gehe ich durchaus davon aus, dass sich meine Vorgesetzte mir verständlich ausdrücken möchte — und anderes hab ich auch noch nicht erlebt. Jedenfalls nicht so dramatisch, wie Sie es beschreiben.
Ich weise lediglich darauf hin, dass es eben nicht um die Herkunftssprache eines Wortes geht, wenn ich es verstehen will. Wer auf einem Bahnhof aktiv den Auskunftsschalter sucht, der wird recht schnell den Service Point finden — auch wenn er Englisch nicht versteht und bei Service nur an Porzellanteller denkt. Fürs nächste Mal hat er den Ausdruck dann gelernt. Wenn er häufig an Bahnhöfen rumhängt oder sich oft mit Bahnreisenden unterhält, dann wird der Ausdruck zu einem “eigenen Wort”, das ihm geläufig ist, so wie Kartoffel und Tomate.
Schöne Grüße
Soso, die “eigenen Wörter” kennt man ja normalerweise. Wer jemals mit einer deutschen Behörde zu tun hatte wird wohl vom Gegenteil berichten können. Die Verständnisprobleme mit Anglizismen ruehren eben keineswegs wirklich daher dass sie fremdsprachlich sind. Sie ruehren daher, das offenbar stellenweise der Sender am Empfänger vorbei funkt.
Wenn ein Manager mit Begriffen rumfuchtelt die er nichtmal selber begreift, ist das ein Problem der Unternehmenskultur. Den Begriff Retail zu verwenden ist per se keineswegs anrüchig.
Das interessante an dieser per se recht banalaen Feststellung ist IMO dass genau deswegen der ganze Zirkus den der VdS veranstaltet so sinnlos ist. Sie versuchen ihren Kulturkampf unter pseudolinguistischen Vorwänden zu führen. Und das so konsequent, dass sie dabei gerne auf sich selber reinfallen.
Wenn der Verein z.B. die Verwendung von Worten wie “downloaden” anprangert, ist das fernab jeder hier von den Pro-Nörglern genannten Argumenten. Wer ein Allerweltswort wie Download nicht kapiert kennt das ganze Konzept nicht und dem ist auch mit der Alternative “runterladen” nicht weitergeholfen.
Was coûte que coûte angeht, kann gut sein, dass das sehr präskriptive Werk von 1975 nicht mit dem Sprachgebrauch im heutigen Paris übereinstimmt… ist auch kein häufiger Ausdruck, Geld ist schließlich keins mehr da… :o)
Verwendet dieses Verb irgendjemand außer Microsoft?
@ David Marjanović (#52):
Ich finde ca. 8 Mio. Treffer bei Gugel. Die Suche ist auf deutschsprachige Seiten eingeschränkt und schließt alle Seiten von microsoft.com aus.
Das Wort herunterladen ist mit etwa 21,9 Millionen Treffern jedoch wesentlich häufiger und scheint sich damit gegenüber dem Wort downloaden durchzusetzen. Das ist doch ein schönes Beispiel dafür, dass sich solche Angelegenheiten im Laufe der Zeit von selbst klären und Sprachpurismus vergeudete Zeit ist.
@ Gareth (#54): Ich tippe hier eher auf eine andauernde friedliche Koexistenz. Und “scheint sich durchzusetzen” dürfte man eigentlich nur sagen, wenn man die zeitliche Entwicklung rekonstruieren könnte 😉