X‑Mas

Von Anatol Stefanowitsch

Die Auflö­sung zum Wort des Monats Dezem­ber — gesucht war eine Alter­na­tive zum Begriff Cham­pi­ons League — habe ich völ­lig überse­hen. Aber das ist auch egal, denn ich habe im Novem­ber bere­its auf die vier vorhan­de­nen deutschen Beze­ich­nun­gen hingewiesen (wobei ich Liga als deutsches Wort behan­delt habe): Königsklasse, Meis­terli­ga, Meis­terk­lasse und Königsli­ga. Und richtig, aus genau diesen Begrif­f­en haben die vier glück­losen Brüder der Aktion Lebendi­ges Deutsch ihren Sieger gekürt:

Warum eigentlich „Cham­pi­ons League“ ? „Lega dei Cam­pi­oni“! sagen die Ital­iener. Warum sagen wir nicht „Meis­terli­ga“? fragt die Aktion „Lebendi­ges Deutsch“. Haben wir es nötig, uns mit ein­er League herumzuschla­gen? Auch „Königsklasse“ war promi­nent vertreten unter den 202 Vorschlä­gen, die bei der Aktion einge­gan­gen sind.

Für den näch­sten Monat hat die Aktion nicht um Neube­wor­tungsvorschläge gebeten. Stattdessen, damit man sich bloß keine eige­nen Gedanken machen muss, wälzt man gle­ich noch die Auswahl der im näch­sten Jahr auszumerzen­den „Anglizis­men“ auf die Öffentlichkeit ab:

Alle Leser lädt die Aktion dies­mal ein: Schick­en Sie uns „Anglizis­men“, über die Sie sich beson­ders ärg­ern! Unter denen wer­den wir die näch­sten Such­wörter find­en. Bitte tra­gen Sie Ihre Vorschläge bis 22. Dezem­ber 2008 ein. Bitte keine schon „erledigten“ Anglizis­men vorschla­gen (vgl. „Wortarchiv“ ” oben links)!

Die Aktion Lebendi­ges Deutsch ist ja, wie man an ihrem Vor­stand erken­nen kann, nur eine Fas­sade für den Vere­in Deutsche Sprache, und der hat pünk­tlich zur Wei­h­nacht­szeit sein „Über­flüs­sig­stes und nervig­stes Wort des Jahres“ bekanntgegeben:

Der Vere­in Deutsche Sprache e.V. […] hat den Begriff „X‑mas“ als das über­flüs­sig­ste und nervig­ste Wort des Jahres 2008 in Deutsch­land aus­gewählt. Dazu Prof. Dr. Roland Duhamel, VDS-Vor­standsmit­glied und Ger­man­ist der Uni­ver­sität Antwer­pen: „Der Begriff soll ein Kürzel für Wei­h­nacht­en bzw. ‘Christ­mas’ sein, ste­ht aber im krassen Gegen­satz zu allem, was man in Deutsch­land mit Wei­h­nacht­en verbindet: Gemütlichkeit, deutsche Wei­h­nacht­stra­di­tio­nen, Roman­tik, Christlichkeit“. Bei diesem Anglizis­mus wird sog­ar das Wort „Christ“ durch das schnöde Kürzel X ersetzt.

Vielle­icht hätte man statt Her­rn Duhamel lieber jeman­den fra­gen sollen, der sich mit so etwas ausken­nt. Der Begriff soll nicht nur ein Kürzel für Christ­mas sein, er ist ein Kürzel für Christ­mas. Und X ist kein schnödes Kürzel, es ist ein Sym­bol mit ein­er lan­gen Tra­di­tion. Das kon­nte man schon im let­zten Jahr hier im Sprach­blog nach­le­sen, und in der Wikipedia ste­ht es natür­lich sowieso. Und das, was Herr Duhamel mit deutschen Wei­h­nacht­en verbindet, sollte nun wirk­lich nicht zum Kri­teri­um für „nervig­ste Wörter“ gemacht wer­den. „Gemütlichkeit, deutsche Wei­h­nacht­stra­di­tio­nen, Roman­tik, Christlichkeit“ — bei mir liegt er da gle­ich vier­mal daneben. Und wie ein gener­isch­er Begriff wie X‑mas im Gegen­satz zu irgen­det­was ste­hen kann, bleibt ohne­hin sein Geheim­nis. Mein­er Mei­n­ung ste­hen ja eher Wörter wie Ungemütlichkeit, undeutsche Wei­h­nacht­stra­di­tio­nen, Unro­man­tik und Unchristlichkeit im krassen Gegen­satz zu den von Her­rn Duhamel genan­nten Begrif­f­en. Aber ich bin kein Ger­man­ist, er muss es also bess­er wissen.

Hier im Bre­mer Sprach­blog gibt es keine Win­ter­fe­rien, aber allen, die im Stress der unver­mei­dlichen Fam­i­lien­feiern in den näch­sten Tagen nicht dazu kom­men, hier vor­beizuschauen, wün­sche ich schon ein­mal einen ruhi­gen Jahre­sausklang, egal, was und wie Sie feiern.

3 Gedanken zu „X‑Mas

  1. Thomas Müller

    Wow, wie immer am Puls der Zeit, die Jungs!

    Ich weiß nicht, wie uralt X‑Mas nun schon ist — was ist passiert, dass der Begriff jet­zt zu solchen Ehren kommt? Die Beschrei­bung des Wei­h­nachts­festes ist auch eher kon­ser­v­a­tives Wun­schdenken als Real­ität. Aber wenn man sel­ten auf die Straße geht, son­dern sich im stillen Käm­mer­lein in seinen Intu­itio­nen und Mei­n­un­gen suhlt, dann bekommt man das eben nicht unbe­d­ingt mit.

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  2. Redwraithvienna

    Wobei X‑Mas wirk­lich nervig ist. Allerd­ings X‑Mas aus­ge­sprochen X‑Mas und nicht Christ­mas wie es sein sollte. Seit Wochen dudelt es im öster­re­ichis­chen Fernse­hen und Radio in einem Werbespot “We wish you a mer­ry X‑Mas” (und eben nicht Christmas)… 

    Wobei mich hier die falsche ver­wen­dung eines Angliz­imus stört und nicht der Anglizis­mus an sich.

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  3. Peer

    X‑Mas? Viel schlim­mer finde ich “Kon Tai” oder “paransang”, die Worte ver­ste­he ich nicht mal 😉

    Im ernst: Einen englsichen Begriff zum schlimm­sten deutschen Wort wählen? Wer erfind­et denn jet­zt Anglizismen?

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