Entweder die vier Herren von der Aktion Lebendiges Deutsch haben es langsam genauso satt, ihre monatliche Wörtersuche zu betreiben, wie ich es müde bin, sie zu kommentieren. Oder sie entwickeln auf ihre alten Tage eine Anglizismentoleranz. Oder die Teilnehmer sind nicht so fantasievoll wie früher. Auf jeden Fall haben sie zum zweiten Mal in Folge einem englischen Lehnwort eine permanente Aufenthaltsgenehmigung erteilt, und diesmal sogar ohne orthografische Verbesserungsvorschläge:
Der „Single“ sei uns in der deutschen Sprache willkommen! Die Aktion „Lebendiges Deutsch“, die gegen die albernen unter den Anglizismen kämpft, lädt dazu ein: „Jeder kennt den Single, die Aussprache ist zumutbar, und unter den 228 Eindeutschungsvorschlägen – von ‚Alleinling’ bis ‚Unpaariger’ – war keiner, der dem Single das Wasser reichen kann.“
Alleinling hat eigentlich einen gewissen Charme, klingt aber doch etwas zu sehr wie eine Gestalt aus Die unendliche Geschichte und Unpaariger erinnert stark an Huftiere. Aber nur, weil die Alternativvorschläge schlecht waren, können die Aktioneure doch ihre sprachpuristischen Bemühungen nicht einfach einstellen. Und dass ausgerechnet die Aussprache von Single „zumutbar“ sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Das „scharfe“ S am Wortanfang gibt es im Deutschen eigentlich nicht, es kommt ausschließlich in Lehnwörtern vor. Wenn man die deutsche Sprache schon vor Fremdeinflüssen schützen will, dann sollte man die Phonotaktik (also die lautliche Kombinatorik) dabei nicht aussparen.
Bei der Auswahl des Kandidaten für die diesmonatige Wörtersuche hat die Aktion kein besonders gutes Händchen gehabt:
Gesucht werden diesen Monat Vorschläge, wie man die „Champions League“ etwas deutscher sprechen und schreiben könnte. Ihre Vorschläge können Sie bis 19. November einsenden.
Erstens ist die Suche nach Alternativen hier wieder einmal überflüssig, denn diese Alternativen existieren bereits. Mir sind aus der Sportberichterstattung mindestens vier mehr oder weniger gebräuchliche deutsche Bezeichnungen bekannt (wobei ich so tue, als sei Liga ein deutsches Wort): am häufigsten begegnet einem der etwas blumige Begriff Königsklasse, dann folgen die direkten Übersetzungen Meisterliga und Meisterklasse, und schließlich meine ich, auch das Wort Königsliga schon gehört zu haben.
Zweitens besteht hier das besondere Problem, dass es sich bei dem Begriff Champions League eher um einen Fachbegriff als um ein Wort der Alltagssprache handelt. Will man hier eine offizielle deutsche Entsprechung finden, müsste man diese mit der UEFA absprechen, die die Champions League ja veranstaltet. Es müsste auch gesichert werden, dass der gewählte Begriff nur für die Champions League und nicht auch für den UEFA-Cup oder gar für die Clubmeisterschaften anderer Verbände verwendet würde, denn sonst würde man mit der Eindeutschung nur Verwirrung stiften, wo derzeit Klarheit herrscht.
Warum verlassen die vier Anglizismenjäger sich eigentlich bei der Auswahl der zu ersetzenden Begriffe eigentlich nicht auf Vorschläge aus der Sprachgemeinschaft? Schließlich begegenen einem im Alltag immer wieder englische Begriffe, für die man auch nach intensivem Nachdenken keine gute Übersetzung einfällt. So zum Beispiel einer Journalistin beim Wiener Standard, die sich gestern beim Verfassen eines Beitrags über eine Ausstellung noch unbekannter österreichischer Künstler mit folgendem Übersetzungsproblem konfrontiert sah:
Wann hat sich eigentlich zuletzt jemand gefragt, was ein „emerging artist“ ist? Gibt es für den Anglizismus vom gerade „auftauchenden“, „hervorkommenden“ oder „in Erscheinung tretenden“ Künstler überhaupt eine deutsche Entsprechung? „Aufstrebende Künstler“ klingt eher nach Ellbogen und Aktentasche als nach frischen, gerade geschlüpften Ideen. Und „Junge Szene“ ebenso wie „Junge Kunst“ lässt die Künstlergeneration 35plus meist abblitzen.
Das Problem hier ist ja nicht, dass es für das englische emerging keine guten Übersetzungen gäbe. Die hier genannten Adjektive auftauchend und in Erscheinung tretend treffen die Sache recht gut. Das Problem ist hier eher, dass es sich um relativ ungewöhnliche Ableitungen aus Verben handelt. Besser wäre es sowieso, ein Nominalkompositum zu finden, denn das wäre im Deutschen die bevorzugte Form. Wo man im Englischen beispielsweise von emerging markets spricht, sprechen wir von Schwellenländern — wie wäre es also mit „Schwellenkünstler“?
Nun, zumindest eine männliche Entsprechung des Singles gibt es mMn: den Junggesellen.
Wenn auf meiner Agenda stünde, gegen “alberne” Anglizismen vorzugehen, dann würde ich auch die “nicht albernen” Anglizismen loben. Zuckerbrot und Peitsche, diese Strategie ist bewährt. Die Unterscheidung in “alberne” und “nicht alberne” ist zwar immer noch substanzlose Nörgelei, aber sie klingt besser als konsequente substanzlose Nörgelei. Das ist PR-technisch also ganz hervorragend.
Was die Aussprache des Single angeht, so haben die Aktioneure wohl unbeabsichtigt festgestellt, dass hier schon eine Eindeutschung stattgefunden hat — ich spreche das Wort mit stimmhaftem S. Ich weiß allerdings nicht, ob ich da repräsentativ bin. Falls nicht, schlage ich vor, für die Schreibung von Single das neue große ß zu verwenden. 😉
“Schwellenkünstler” klingt für mich eher nach einem hoch talentierten und fachlich sehr spezialisierten Handwerker…
Bitte um Nachsicht wenn ich mich jetzt auch noch erdreiste in ein Thema einzumischen wo ich nur geringfügig Ahnung habe, aber das Problem dieser Journalistin erinnert mich an ein “Aha”-Gefühl das mich einmal in einem engl. Pub überkam.
Und zwar in dem Moment als ich erkannt habe ‚daß ich nach jahrelanger harter Arbeit endlich ein Level in English erreicht hatte, das mir ermöglichte ungeahnte Tiefen und Vorteile dieser Sprache, zumindest zu erahnen.
Relativ einfach und trotzdem unglaublich präzise und elegant kann ein Kenner sich damit ausdrücken.
Ich habe mir damals gedacht, daß diejenigen, die die englische Sprache bis zu ihrem heutigen Zustand “geglättet” haben, doch offenbar ungleich geschickter vorgegangen sind als ihre Kollegen bei der deutschen Sprache.
Leider beherrsche ich keine 3. Sprache um mir ein endgültiges Urteil zu erlauben (das bisschen Französisch reicht dafür nicht aus).
Gerade dies dürfte doch wohl (neben anderen Dingen, Kolonien usw.) zur schnellen Ausbreitung und Annehmbarkeit dieser Sprache weltweit beigetragen haben.
Oder bin ich hier völlig auf dem Holzweg?
Wenn ich noch mal 20 sein dürfte, würde ich auch gern Anglistik studieren.
Wo wir gerade bei Alternativen sind: Fällt jemanden eine Entsprechung zu “Spieldesign” ein, die nicht hölzern klingt?
Das „scharfe“ S am Wortanfang gibt es im Deutschen eigentlich nicht
Norddeutscher Größenwahn, was :-p ?
ich hätte jetzt spontan “aufstrebender künstler” gesagt.
Mangels des scharfen “s” im Deutschen höre ich, vor allem von Älteren, “Single” mit stimmhaftem “S” gesprochen. Es gibt, vor allem bei Älteren, so eine Aussprache, als betonte man ausdrücklich, sich ein Fremdwort angeeignet zu haben.
Nur durch eine verschliffene Aussprache wird das Wort angenommen.
Nun müsste (zu abschließender Eindeutschung) aus “Single” nur noch “Singel” werden.(Im älteren Hinterkopf schwingt mit: Gebundene Menschen haben keine Lieder.)
@7 sehe ich auch so, was ist falsch an “aufstrebender Künstler”?
@4 Dieses Gefühl kenne ich auch, aber ich würde ihm nicht trauen. In Fremdsprachen wirken oft Formulierungen unglaublich geistreich und elegant, weil man sie in der eigenen so nicht wiedergeben könnte.
Ich hab ehrlich gesagt “emerging artist” noch nie in der deutschen Sprache gehört, vielleicht bin ich da auch etwas uninformiert.
Für mich wäre auf jedenfall “aufstrebender Künstler” eine gute Bezeichnung, vorausgesetzt der Begriff heißt das, was man aus der Übersetzung Englisch — Deutsch vermuten kann.
Wie wär’s mit “aufkommender junger Künstler”?
Ich teile ganz die Auffassung, daß die Aktion Lebendiges Deutsch bei “Single” die Flinte zu früh ins Korn wirft, zumal nicht nur die häufig zu hörende Aussprache mit stimmhaftem s sondern auch die vielleicht noch häufigere Aussprache ohne g‑Laut mich ziemlich nervt.
Der erste Ansatz bei der Suche nach einer deutschen Entsprechung ist doch die wörtliche Übersetzung. Die Grundbedeutung von “single” ist einzeln/einzig. Also warum nicht einfach “einzeln” sagen? Etwa: “Ich bin einzeln”, “Party für Einzelne” usw.
Das mag ja zunächst höchst ungewohnt klingen, aber man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles. Letztlich entspräche es doch genau dem englischen Gebrauch.
“Junggeselle” (heutzutage auch recht häufig Jungesellin) oder “alleinstehend” kranken daran, daß sie herkömmlicherweise für Unverheiratete benutzt werden und damit nicht genau die Bedeutung von “single” (nicht liiert) treffen.
Im übrigen toleriert die ALS nicht erst zum zweiten Mal einen Anglizismus. Schon seit geraumer Zeit hat sie auf ihrer Netzseite eine Liste von “schönen Importen”. Dabei halte ich Wörter wie “Flop”, “Trip”, “Job” oder “Lift” für reichlich überflüssig. Kurz sind sie ja — aber was daran so schön sein soll?
Ich teile auch die Auffassung, daß die Suche nach einer deutschen Entsprechung für “Champions League” überflüssig ist, da der Begriff “Meisterliga” schon existiert, auch recht gängig ist und hinreichend deutsch erscheint, jedenfalls keine besonderen Aussprache- oder Schreibprobleme bereitet.
Die genannten Probleme erscheinen mir dagegen unbedeutend. Was die “offizielle” Bezeichnung ist, braucht weder die Aktion Lebendiges Deutsch noch den normalen Zeitgenossen zu scheren. Selbst die UEFA verwendet gelegentlich auch die französische Bezeichnung “Ligue des champions” (Rücksicht auf besondere französische Empfindlichkeiten?). Auf ihrer Internetseite in russischer Verfassung verwendet die UEFA schließlich ganz “offiziell” und durchgängig die Bezeichnung Лига чемпионов УЕФА.
Beim Vorgänger der Meisterliga war ja auch “Pokal der Landesmeister” oder lange Zeit auch einfach “Europa-Pokal” in Deutschland üblich. Auch die UEFA verwendet dafür die Bezeichnungen in den verschiedenen Landessprachen, im Deutschen allerdings in der etwas umständlichen Form “Pokal der europäischen Meistervereine”.
Auch für den UEFA-Pokal verwendet die UEFA “offiziell” die Bezeichnungen in den Landessprachen, wie “Coupe UEFA” usw. Die Bastard-Schreibung “UEFA-Cup” ist dagegen nicht “offiziell”, sondern im Englischen nur “UEFA Cup”.
Schließlich ist “Champions League” genauso zweideutig wie “Meisterliga”, da es Turniere dieses Namens auch in anderen Erdteilen und anderen Sportarten gibt.
Für eine “offizielle” deutsche Bezeichnung zu sorgen wäre allein Sache des DFB. Allerdings verwendet der DFB auf seiner Netzseite anscheinend ausschließlich die Bezeichnung “Champions League”. Erstaunlicherweise gilt das auch für den französischen Fußballverband, die FFF.
Da drängte sich mir der Verdacht auf, daß “Champions League” ein eingetragener Markenname der UEFA sein könnte. In der Tat: Eine Suche beim Bundespatentamt ist schnell fündig. Also hat die UEFA ein rein finanzielles Interesse an der ausschließlichen Verwendung von “Champions League”, um Werbegebühren einstreichen zu können. Bekommt vielleicht auch der DFB davon seinen Anteil?
Allerdings ist “Champions League” auch ein geschützter Markenname für Haushaltsgeräte von Bosch-Siemens. Also kann die UEFA nicht an den Werbeeinnahmen für Waschmaschinen teilhaben. Arme UEFA!
@Pepples (#4): Es ist wohl eher so, dass Sprachen unterschiedliche Bedeutungsbereiche unterschiedlich “elegant” ausdrücken können. Natürlich fällt einem das immer dort auf, wo die fremde Sprache der eigenen “überlegen” ist.
@Frank Oswalt (#14): Sie haben wohl recht. Möglicherweise sehe ich solche Dinge tatsächlich nicht immer ganz objektiv. Manche Dinge lassen sich jedoch wirklich nur sehr schwer (oder nur ansatzweise) ins Deutsche übersetzen.
Nördlich des Weißwurstäquators. Südlich davon gibt es kein [z], weder am Wortanfang noch zwischen Vokalen noch sonstwo. Ich habe für Französisch und Englisch erst lernen müssen, es zu artikulieren. Es ist ein exotischer Laut.
Sein ein paar Jahren versuchen die meisten Zeit-im-Bild-Sprecher, es einzuführen, aber 1. meistens vergessen sie darauf; 2. sind stimmhafte Konsonanten zwischen Vokalen leichter zu artikulieren als am Wortanfang, mit dem Ergebnis, dass sechs zu [ʔəˈzɛk͡s] wird; 3. bringen sie selbst dann zwar verlässlich eine Lenis zusammen (die es zwischen Vokalen durchaus gibt), vergessen aber meistens darauf, den letzten Schritt auch noch zu tun und die Stimmbänder zu betätigen; und 4. sind Hyperkorrektivismen häufig, wie z. B. die Di[z]ku[z]ion. (Kommt mir ehrlich gesagt eher zany als sane vor. Die sollten es einfach bleibenlassen.)
Die Boxer aus der Meisterklasse,
die hauen sich zu Kleistermasse.
Und aus dem ganzen Massenkleister
erhebt sich stolz — der Klassenmeister!
Alter Rüttelschleim. 🙂
Unkraut. :-/
Noch so was Mittel- und Norddeutsches: stimmhaftes [g] verschwindet leicht, stimmloses nie. Ich spreche England und sogar Ungarn mit /g/ aus (letzteres vielleicht deswegen, weil es nicht Ungern ist), und beides scheint in Österreich allgemein üblich zu sein.
Das würde ich vorschlagen, wenn es mir nicht so egal wäre. 🙂
Stimmt — aber umgekehrt auch.