Der deutschen Bahn wirft man ja gerne vor, zuviele Anglizismen zu verwenden. Der Vorwurf ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, aber mich stört das nicht weiter. Aber warum regt sich eigentlich niemand über Durchsagen wie die Folgende auf, die ich vorgestern in Osnabrück gehört habe:
Der ICE … aus … nach … über … wird aufgrund einer Verzögerung im Betriebsablauf voraussichtlich acht Minuten später eintreffen.
Sehe ich es richtig, dass man das paraphrasieren könnte als „Wir verspäten uns, weil wir uns verspätet haben?“ Da bekomme ich als Begründung doch lieber die üblichen Böschungsbrände und verwirrten Personen im Gleis vorgesetzt.
Mir klingen bei ICE-Verspätungen immer die “Personenschäden” in den Ohren. Und je nach meiner Stimmung auf dem Bahnsteig ist mir da ein einfaches “weil” als Begründung wesentlich lieber. Außerdem: Acht Minuten sind nun wirklich nicht der Rede wert… 😉
Man könnte vieles paraphrasieren. Da es aber auch z.B. “wegen eines Personenschadens” oder “wegen eines Triebkopfschadens” zu Verspätungen kommen kann, scheint “eine Verzögerung im Betriebsablauf” eine engere Bedeutung zu haben als “Verspätung”. In diesem Fall ist für mich als Kunden die Information interessant, dass es kein prinzipielles Problem mit dem ICE gibt. Bei einem Triebkopfschaden würde er z.B. auch nur langsamer weiterfahren.
Schön ist der Satz trotzdem nicht. Wenn durch eine Privatisierung das Behördendeutsch abgeschafft würde, könnte ich vielleicht doch noch für die Idee erwärmen.
Wahrscheinlich wollte man sagen “aufgrund einer Störung…”. Aber Störung klingt so negativ. Bei der Bahn ist niemand gestört — na ja.
Bei der S‑Bahn in Berlin ist es Mode, dass mit dieser Begründung reihenweise Züge ausfallen. »Verzögerung im Betriebsablauf« ist schon regelrecht ein Unwort.
Ja, das dachte ich mir in Hannover auch neulich… Wobei es da aufgrund des vollautomatischen Ansagesystems (das meiner Meinung nach eh sehr merkwürdig klingt) noch verständlicher ist — wahrscheinlich kennt das System nur diesen einen “Grund” für Verspätungen.
Hihi — vor drei Tagen kam ich aus eben demselben Osnabrück: Der Abendzug um 20.23 Uhr hatte bei der ersten Durchsage circa eine halbe Stunde Verspätung ‘wegen Bauarbeiten auf der Strecke’, bei der zweiten dann ‘wegen unvorhersehbarer Störungen im Betriebsablauf’, bei der dritten und letzten ‘wegen eines Schadens an der Triebeinheit’. Wer sich da als Passagier nicht veräppelt vorkam, der war glücklich und vollends merkbefreit …
Ja, ist mir auch schon aufgefallen. Ich kenne es aber als “Störung im Betriebsablauf”. Allerdings gibt es Bahn-Durchsagen, die mich weitaus stärker stören: “Wie wäre es mit einer knackigen Currywurst und einem frischen Pils? Jetzt für nur 4 Euro 20 im Bordbistro”. Oder die elend langen Durchsagen für gerade eingestiegene oder demnächst aussteigende Fahrgäste.
In der Schweiz ist das alles viel eleganter: “Nächster Halt: Olten”. Punkt und Ruhe.
Nachtrag: Allerdings gibt es überhaupt keinen Grund, in Olten auszusteigen.
Bei Mc Donalds wird man heutzutage schon gefragt ob man die Pommes in “Small” oder “Big” haben möchte, außerdem kann man dort “American Fries” bestellen, also ich fand das schon arg seltsam.
Ich finde das größere Problem mit dieser Art Ansage ist, dass die entscheidende Information, nämlich die Länge der Verspätung, ganz zum Schluss kommt. Zuvor muss man sich eine große Anzahl an Informationen anhören, die man vermutlich sowieso schon weiß, was besonders bei wiederholten Ansagen recht ermüdend ist. Zumal man nicht weiß, ob der Satzanfang “Der ICE … aus … nach … über … ” vielleicht mit “fährt jetzt ein” endet :-).
Diese Meldung gibt es jetzt schon seit mindestens zwei Jahren, endlich mal jemand, der sich darüber auch wundert (naja, ich wundere mich weniger als ich mich aufrege, weil zur Verspätung ja noch diese offensichtliche Kundenveralberung dazukommt. Da geht mein Puls zuverläsig hoch.). “Anglizismen” ist übrigens auch eine schöne Bezeichnung für das, was das ICE-Personal in der Bemühung um Zweisprachigkeit produziert.
@hara242 / 11
In Anlehnung an eine leidige Diskussion nehme ich hiermit in Anspruch, bundes‑, wenn nicht gar weltweit als Erster über das Phänomen berichtet zu haben. 🙂
Tim, hier geht es nicht um „Störungen“ im Betriebsablauf, sondern um „Verzögerungen“. Ich nehme aber natürlich nicht in Anspruch, als erster darüber berichtet zu haben — Google hat über 1000 Treffer für diese Phrase. Unter anderem taucht sie in diesem sehr lesenswerten Ausredenkatalog der deutschen Bahn auf.
Die Übersetzung, die ich mir für diese Phrase zurechtgelegt habe, ist: „Dieser Zug war pünktlich bis er wegen eines unpünktlichen Zuges warten musste.“
@Tim: So schön ist es leider nicht. Das ist ja mehr so “Meine Damen und Herren, wir begrüßen Sie im Intercity nach Bern, Thun, Spiez, Interlaken West, Interlaken Ost. [weiteres Labern über Restaurantabteil und ähnliches] Nächster Halt: Olten.”
Und dann noch auf Englisch und Französisch.
Etwas später: “Im Oberdeck dieses Wagens bedient Sie jetzt die elvetino Railbar.” Dreisprachig.
Und ich empfinde btw 8 Minuten Verspätung als viel für einen Zug. Aber hier ist man sich das ja auch nicht gewöhnt.
Also ich mir ziemlich sicher dass sich ein gewisser Sprachnörgler, nennen wir ihn einfach mal Bastian S., sich bereits in einer seiner Z.-Kolumnen der Bahnansagen angenommen hat.
Siehe hier:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,387280,00.html
Manchmal ist man sich halt doch näher als man denkt 🙂
Mein Zug kam letztens nicht “wegen Brückenanfahrschaden”. Auflösung (nach Zeitungslesen am nächsten Tag): Ein LKW war gegen eine Eisenbahnbrücke gefahren, die danach gesperrt werden musste, um erst mal zu untersuchen, ob sie beschädigt worden war.
Die “Verspätungen aufgrund von Verzögerungen im Betriebsablauf” sind auch deshalb so schön, weil man sie einfach umdrehen kann: “Verzögerungen im Betriebsablauf aufgrund von Verspätungen”. Aber so kreativ sind die Ansagerinnen zumindest auf dem Hamburger Hauptbahnhof nicht.
Nicht, dass ich so etwas freiwillig in die Hand nehmen würde, aber mir ist neulich auf einer Windows XP Installations CD in etwa folgender Text aufgefallen: „Sie sind nicht berechtigt, unrechtmäßige Kopien dieser Software zu erstellen”. Da könnte man ja auch paraphrasieren, „Es ist verboten diese CD zu kopieren weil es verboten ist” — das hat doch eine gewisse Ähnlichkeit zu der Durchsage der Bahn.
Vielleicht kennt Microsoft aber auch die menschliche Psyche so gut, dass sie weiß das der Mensch dazu neigt zu meinen, Regeln gelten für alle, nur nicht für einen selbst — nur dann hätte der Text ja eigentlich lauten müssen: „Auch Sie sind nicht berechtigt…”
Auf http://www.postprivatisierung.de/archives/post_archiv_2008-m03.php#e66 hab ich schon über so etwas berichtet und wie ich hier bei den Vorkommentierern lese, hat wohl jeder Bahnfahrer schon solche Durchsagen erlebt.
Aber das hier haben wohl noch nicht viele von Ihnen erlebt:
vor 4 oder 5 Wochen wieder so ein Katastrophenzug von Frankfurt nach Hamburg am Freitagnachmittag:
- erst 30 Minuten Verspätung
- dann ist es ein Ersatz-ICE: halbe Länge, keine Platzreservierungen etc.
- dann steht er vor Fulda 40 Minuten auf der Strecke, Durchsage: “Tiere im Gleis”(sic!), aber die braven Tiere standen nur in unserem Gleise, auf dem Gegengleis fuhren die Züge durch…
- dann vor Hamburg-Harburg die Ansage der Verbindungen ab Hamburg-Harburg + senkyoufortrevelling… + dann nichts.…
- dann kurz vor dem Hamburger Hbf: die resignierteste Zugführerstimme, die ich je gehört habe: “Meine Damen und Herren, leider haben wir vergessen in Hamburg-Harburg zu halten. Ihre nächsten Verbindungen nach Cuxhaven und Stade mit der S‑Bahn.…”
ich war heilfroh, daß die nicht im Kopfbahnhof Altona vergessen haben zu halten ;=)
@Connie: Also, wenn man nicht in dem Zug drin sitzt und auch nicht in Hamburg-Harburg aussteigen will, dann ist es wirklich zum Lachen.
“Die Ankunft des Zuges wird aufgrund einer Verspätung vorraussichtlich 5 Minuten später erfolgen.”
http://www.titanic-magazin.de/rss.2428
Ich hätte da noch eine kaum relevante, aber meiner Meinung nach nicht vollkommen uninteressante Beobachtung: an manchen Mecklenburger Bahnhöfen (Bad Kleinen, um genau zu sein) hört man bisweilen eine Ansagerin, die die Ankunft des “Regionalexpreck” nach Soundso verkündet. Das Wort höre ich, soweit ich feststellen kann, so von niemandem sonst — auf die Schnelle finde ich auch über Google (expreck, exprek etc.) nur einen Haufen OCR-Fehler. Es mag sich hier um eine persönliche Besonderheit jener Dame handeln, aber irgendwie kommt es mir vage bekannt vor, als ob es sich irgendwie in den Dialekt einpaßt.
Was “Verzögerungen im Betriebsablauf” betrifft — ich glaube, oft handelt es sich dabei tatsächlich, wie oben von Christoph Päper bemerkt, um anderer Züge Verspätungen… ich denke, Reisen mit dem Zug wären nur noch ärgerlicher, wenn Anschlußzüge sich immer gnadenlos fahrplanmäßig aus dem Staub machten*. Mehr Details wären aber doch ab und zu hilfreich. Ich habe da manchmal den Eindruck, daß es da bahnintern an der Kommunikation mangelt.
(* dies ist mir einmal passiert, und wenn ich da (als armer Zivi) kein Geld für ein Taxi gehabt hätte, hätte ich in Eckernförde am Bahnsteig übernachten dürfen. Danke, Bahn.)
In Logistiksystemen lösen Verspätungen regelmäßig weitere, andere Verspätungen aus. Darin könnte ein sachlicher Grund für die Häufigkeit liegen, mit der die Durchsage zu vernehmen ist.
Mir bringt sie jedenfalls die erfreuliche Bestätigung, dass mit meinem Zug und meiner Strecke alles in Ordnung ist. Rein technisch wenigstens.
Hawaiianisch.
@ Dünenwanderer
Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass in Japan ein Zug als verspätet gilt wenn er eine (1) Minute Verspätung hat. Ausserdem bekommt man ein Kärtchen auf dem steht “Die Bahn entschuldigt sich für die Verspätung”, das man seinem Arbeitgeben geben kann damit dieser sieht das man nicht an der Verspätung schuld ist.
Vollkommen falsches Thema ich weiss, aber seit dem ich dort war sehe ich einfach “Ach sind eh nur 10 Minuten” aussagen einfach anders.
Wobei man sagen muss, dass in Deutschland ein Zug nach 5 Minuten verspätet gilt in England aber erst nach 10 Minuten.
Tja, Sick hat glaube ich mal “dieser Zug endet hier” kritisiert, aber der ist ja nur Sprachnörgler. Ihr Nörgeln ist natürlich viel begründeter, weil … Huch, jetzt fällt mir nicht ein, wie ich den Satz zuende bringen soll. Helfen Sie mir.
Wohingegen “Bitte alles aussteigen” ja nun wirklich menschenfeindlich ist.
Sagen die das dort wirklich? Ich kenne nur “bitte alle aussteigen”.
Französisch übrigens: tous les passagers sont invités à descendre. Mir scheint, die Franzosen sind ziemlich beleidigt, wenn man ihre Einladungen nicht annimmt 😉