In ein paar Stunden läuft im WDR der zweite Teil der „Bastian-Sick-Schau“ — allerhöchste Zeit, zu Papier zu bringen, warum ich mir den nach dem Auftakt der letzten Woche nicht mehr ansehen werde.
Um es vorwegzunehmen: Ich gebe offen zu, dass ich Sicks Texte noch nie „humorvoll“, „unterhaltsam“ oder gar „intelligent“ fand. Für mich haben sie bestenfalls das Niveau von bildungsbürgerlichem Feuilleton (und damit meine ich nichts Gutes) und schlimmstenfalls das Niveau von Büttenreden, die sich zufällig nicht reimen. Aber das werfe ich ihm natürlich nicht ernsthaft vor: Witz und Unterhaltsamkeit sind subjektiv. Sick ist nicht verpflichtet, meinen Geschmack zu treffen (aus kommerzieller Sicht wäre das vermutlich sogar eine sehr schlechte Entscheidung), und mir ist durchaus klar, dass mein inhaltlicher und rhetorischer Stil auch nicht jedermanns Sache sind.
Nein, mich stört an Sick etwas Grundlegenderes. Zu Beginn seines Auftritts letzte Woche stellte er seinen Zuschauern einen „Rundgang in den wundersamen Irrgarten der deutschen Sprache“ in Aussicht, „etwas erzählen über unsere gemeinsame Sprache“ wollte er. Wundersames habe ich dann aber nicht entdeckt, und über die Sprache hat er auch nichts erzählt. Stattdessen hat er Sprache als undurchschaubar und unerklärlich dargestellt, er hat sich über Menschen lustig gemacht, die nicht sprechen und schreiben wie er, und er hat den Eindruck vemittelt, sprachliche Regeln seien von nebelhaften Autoritäten vorgegebene Normen, die einfach befolgt werden müssten.
Ich will nicht seine ganze Sendung besprechen, sondern für jeden Punkt ein Beispiel herausgreifen.
a) Sprache ist undurchschaubar und unerklärlich.
Zum Einstieg gab es eine Nummer über unregelmäßige Verben. Nachdem Sick ein paar regelmäßige und unregelmäßige Verben konjugiert hatte um die Grundidee zu vermitteln, gab er ein Beispiel für ein Verb, dessen Zeitformen regelmäßig oder unregelmäßig gebildet werden können: „Backen, buk, gebacken oder backen, backte, gebackt — oder gar gebäcken?“. Das Publikum kicherte etwas angestrengt. „Warum muss es überhaupt zwei Arten von Verben geben?“, fragte Sick dann und für einen kurzen Augenblick dachte ich, dass er vielleicht irgendwie tatsächlich eine Erklärung einflechten würde. Aber seine Frage war nur der Auftakt zu einem Monolog, dessen WItz darin bestand, dass er regelmäßige Verben in lautlicher Analogie zu unregelmäßigen Verben konjugierte: geniest/genossen, brüllen/broll/gebrollen, usw. Nach ein paar Minuten dieses Geblödels sagt er plötzlich: „Und wenn Sie sich jetzt fragen, was hat der Sick mit dieser Geschichte bezwacken, dann haben Sie gut zugehoren“. Und dann ist der Monolog zu Ende. Was er mit der Geschichte bezwecken wollte, sagt er nicht, genausowenig, wie er die Frage beantwortet, warum es überhaupt „zwei Arten“ von Verben gibt.
„Ist doch nur Unterhaltung“, könnte man jetzt sagen. „Da erwartet doch keiner ernsthaft einen Vortrag über indo-europäische Sprachgeschichte“. Aber wenn es nicht Sinn und Zweck der Sache ist, etwas über Sprache zu lernen, dann gibt es doch bessere Stoffe als das Tempussystem des Deutschen. Man hätte auch gar keinen langen Vortrag halten müssen. Ein Hinweis auf das Tempussystem des Indogermanischen, in dem es eine Reihe von Verbklassen gab, die durch Ablaut (also Veränderung des betonten Vokals) gebeugt wurden, einen Satz zum Entstehen der heutigen „regelmäßigen“ Verbkonjugation, die ursprünglich Verben vorbehalten war, die lautlich nicht in die bestehenden Ablautreihen passten. Dann ein paar Bemerkungen dazu, wie sich die „regelmäßige“ Konjugation über die Jahrhunderte immer stärker durchgesetzt hat und zu den Mechanismen, die dazu geführt haben (Analogie, Übergeneralisierung von Regeln, usw.). Man hätte hier Schauspieler in altertümlichen Kostümen auftreten lassen können, die Verben, die heute „regelmäßig“ sind, noch „unregelmäßig“ Beugen, man hätte hinreißende Beispiele von Kindern im Spracherwerb zeigen können, die regelmäßige Verben unregelmäßig bilden und umgekehrt — alles Einlagen mit hohem Unterhaltungswert. Dann hätte man zum Abschluss darauf hinweisen können, dass einzelne Verben auch von der „regelmäßigen“ in eine „unregelmäßige“ Konjugation gewechselt haben — verderbt zu verdorben, gewinkt zu gewunken, usw. Vielleicht hätte man sogar die Rolle von Gebrauchshäufigkeit erwähnen können — häufige Verben sind eher „unregelmäßig“ geblieben als seltenere — und hätte das ganze mit einem Satz zu den kognitiven Kosten der Verwendung von allgemeinen Regeln im Vergleich zum Zugriff auf abgespeicherten Listen „unregelmäßiger“ Formen beenden können. Daraus einen lehrreichen und unterhaltsamen Sketch zu basteln ist kein Ding der Unmöglichkeit. Wer sich Jochen Busse leisten kann, müsste sich auch ein paar Sprachwissenschaftler und Gagschreiber leisten können, die irgendwie zueinander finden.
b) Menschen, die nicht sprechen, wie wir, sind lächerlich.
Zwei ganze Segmente der Show am vergangenen Samstag bestanden darin, dass Bastian Sick sich über falsch geschriebene Wörter in Kleinanzeigen und auf Supermarktbeschilderungen lustig macht — über Menschen, die ihr Haustier vermiesen, deren Haustiere sich am gernsten im Garten aufhalten oder die gerade renowiren. Nun finden viele Leute solche Schnitzer lustig und deshalb könnte man sie ja durchaus in einer Fernsehshow verwenden. Nur müsste man sie dann dazu nutzen, Probleme in der Buchstaben-Laut-Zuordnung der deutschen Rechtschreibung oder suppletive Komparation zu diskutieren.
Aber es blieb nicht bei Rechtschreibfehlern oder der kreativen Erweiterung morphologischer Regeln. In einem weitgehend komikfreien Sketch, in dem Jochen Busse den anglizismensprühenden Businesstypen und Susanne Pätzold seine auf teutonischem Wortgut beharrende Tochter (?) spielten (Busses Figur wirkte dabei übrigens deutlich sympathischer), fand sich folgendes Wortgeplänkel:
Pätzold: Das ist doch einfach nur Gewohnheit — Für uns klingt ja auch Finnisch wie ein akustischer Trümmerbruch. Wenn jetzt der Finne zur Finnin sagt „Hömpel dödi dümpel di“, ja, und das heißt Ich liebe dich“
Busse: Ja, dann verstehe ich, warum soviele Finnen depressiv sind.
Sicks informationsfreier Monolog über unregelmäßige Verben hatte wenigstens einen gewissen gepflegten Blödelfaktor, aber Hömpel dödi dümpel di ist unterste Schublade. Wäre es zuviel verlangt gewesen, dreißig Sekunden zu googeln, um herauszufinden, was „Ich liebe dich“ auf Finnisch heißt.?
„Ist doch nur Unterhaltung“, könnte man wieder einwenden. „Hömpel dödi dümpel di oder Minä rakastan sinua — für die Pointe macht das keinen Unterschied.“ Das ist richtig, aber es sagt mehr über die Pointe als über meine Kritik. Wer fremde Sprachen veralbert, indem er Silbensalat produziert, beschwört damit ein Stereotyp stammelnder, lallender und stumpfsinniger Wilder. Stattdessen (und ich bin mir sicher, dass Bastian Sick mir da eigentlich sogar zustimmen würde) sollten in einer Sendung über den „wundersamen Irrgarten der deutschen Sprache“ fremde Sprachen als wunderschöne Blüten auf der anderen Seite des Gartenzauns dargestellt werden.
c) Sprachliche Normen werden von Autoritäten vorgegeben.
Zum Abschluss stellt Sick seinem Publikum zwei Quizfragen. Erste Frage: „Was ist richtig: des Autors oder des Autoren“. Das Publikum ist etwas unentschlossen. Sick löst auf und erklärt, dass es „des Autors“ heiße und dass das bei lateinischstämmigen Wörtern auf -or immer so sei. Das war übrigens, wenn mir nichts entgangen ist, der einzige Punkt in der Sendung, an dem Sick, wenn schon keine Erklärung, dann wenigstens eine Verallgemeinerung präsentiert hat. Dann stellt er die zweite Frage: „Heißt es wohlgesinnt oder wohlgesonnen?“ Das Publikum ist hier eindeutig für wohlgesonnen. Sick löst auf: das sei falsch. Es müsse wohlgesinnt heißen. Das Publikum murrt etwas, aber Sick bleibt hart: da es kein Verb wohlsinnen gebe, könne es auch kein Partizip wohlgesonnen geben. Die offensichtliche Frage bleibt unbeantwortet im Raum stehen: Wenn Sick Recht hat (und was den sprachgeschichtlichen Ursprung der Form betrifft, hat er das), warum kommt uns das Wort wohlgesinnt dann falsch vor? Sprache wandelt sich und Sprecher verändern Formen manchmal in Analogie zu anderen Formen (so ist ja auch unser „regelmäßiges“ Konjugationssystem entstanden und damit hätte sich der argumentative Kreis der Sendung schließen können). Wohlgesonnen ist im Sprachgebrauch, wenn man Google glaubt, fast viermal so häufig wie wohlgesinnt. Aber für Sick ist es „falsch“ und das ist alles, was er dazu sagen kann.
„Ist doch nur Unterhaltung“. Vielleicht. Aber es ist Unterhaltung, die den Zuschauern vermittelt, dass Sprache etwas verwirrendes ist, etwas, dem sie hilflos ausgeliefert sind und dessen „falsche“ Verwendung sie der Lächerlichkeit preisgibt. Etwas, über das Autoritäten entscheiden.
Und das ist falsch. Sprache ist unendlich komplex, aber hinter dieser Komplexität verbirgt sich Poesie und wildgewachsene Logik. Sprache gehört den Sprechern und die dürfen mit ihr so kreativ umgehen, wie sie wollen. Denn sie sind die einzige Autorität, die es für eine Sprache gibt.
Hier zeichnen sich wieder zwei grundlegende Betrachtungsweisen ab: Der Sprachwissenschaftler ist ganz der Physiker. Er beschreibt, was er sieht und versucht ein Gesetz zu finden, dass es vorhersagt (beschreibend). Sick hingegen ist der diktatorische Sprachstaat: Er schreibt ein Gesetz und ächtet die, die nicht danach sprechen (vorschreibend).
Und vermutlich hat sein Modell Erfolg. Denn was macht der prototypische Deutsche nicht lieber, als Regeln aufzustellen und sie obrigkeitshörig zu befolgen? Ausgenommen natürlich im Straßenverkehr. Der funktioniert so wie die echte Sprache: Jeder macht, was er will, und die Unfälle stehen in der Zeitung.
Das ist doch mal ein Credo, der letzte Abschnitt!
Und im Hintergrund — das “quia absurdum” — läuft auf “arte” der Irrsinn eines Dramatiker-Contests … oder so.
Und dabei weiß doch jeder, der Bodo Wartke kennt, dass die Finnen nicht “Ich liebe dich” sagen…
(http://de.youtube.com/watch?v=ZOb0bErcDyg)
Vielen Dank für diesen Beitrag. Vor allem für den letzten Abschnitt, der schon fast als Credo für eine Bewegung gegen Sprachnormativisten steht 🙂
Diese selbstgewisse Überlegenheit zweitklassiger Komiker, das Finnische betreffend, erinnert mich an die ollen Griechen, die jeden Fremdsprachler ‘Barbar’ nannten, weil der, ihren durchs Griechische verwöhnten Ohren zufolge, immer nur ‘bar, bar, bar, bar’ machte …
Ich selbst hätte es nicht besser ausdrücken können, obwohl ich mir auf youtube nur den 1. Teil von dreien antat (10 Minuten) — aber den Busse Sketch und die vermiesten Haustiere hab ich mitbekommen.
Spätestens bei der Finnisch-Veralberung wars dann aber ganz aus. Mit Sprachstereotypen um sich werfen kann jeder — abgesehen davon dass dieser “Satz” eher deutsch als Finnisch klang..
Schade um die guten verpassten Chancen — die im Text vorgeschlagenen Verbesserungen hätten die Sendung um einiges niveauvoller gemacht… (Aber irgendwie glaub ich, da ist was beim Verständnis von “Unterhaltung” gehörig was schief gegangen…)
Ich glaube, dass diese Sendung erheblich an Unterhaltungswert gewinnen könnte, wenn sich die Herren Sick und Stefanowitsch gegenüber stehen würden. Meinetwegen darf sich Herr Sick noch einen Vertreter seiner Wahl des VdS als Sekundanten aussuchen. DAS wäre doch mal große Samstagabendunterhaltung, hehe. Ich habe es übrigens nicht gesehen, mir waren schon die Bücher zu abwegig. Allerdings hat meine Freundin die Hörbücher, es gibt also offensichtlich kein Entrinnen. Irgendwann kommt der Mann auf die Idee, einen Podcast zu starten.
(Spontane) Anregung an Herrn Stefanowitsch: Podcast!
Gruß aus F&HH,
Dennis M.
ROTFL!!!
Wir — wollen — Blut — sehen! — Wir — wollen — Blut — sehen! — Wir — wollen — Blut — sehen! –…
</Volksschule>
Hmmmmmmm. Gute Idee.
Sprache ist mein Spielzeug, Buchstaben sind meine Legosteine, ich kann sie überall hin mitnehmen und mir meinen eigenen Unfug basteln, deshalb ist mir nie langweilig.
> Sprache gehört den Sprechern und die dürfen mit ihr so kreativ umgehen, wie sie wollen.
Man muß Bastian Sick ja nicht lustig finden, aber hat er je irgendwo ein Verbot für bestimmte Ausdrucksformen gefordert? Die Leute können natürlich sprechen, wie sie wollen, aber auch Bastian Sick darf doch wohl kritisieren, wen und was er will.
So, jetzt habe ich endlich mal wieder jemanden kritisiert, der jemanden kritisiert, der jemanden kritisiert.
Danke für diesen guten Beitrag. So wie Sick/Busse über das Finnische lästern, macht man sich in vielen Ländern über das Deutsche lustig, das angeblich auch rauh, hart und unschön klingt. Gibt es eigentlich Erkenntnisse darüber, warum manche Sprachen als “hässlich”, andere als “schön” gelten”? Mir schint, daß sind einfach Klischees, die sich am Image der entsprechenden Nation festmachen.
An Gregor:
Ich kann dir sagen, dass es keine Untersuchugen zur subjektiven Sprachwahrnehmung gab/gibt, zumindest keine, die ein verwertbares Ergebnis gebracht hätten. Wir hatten bei uns letztes Semester ein Experiment versucht, das feststellen sollte, inwiefern sich Ortsmerkmale von Konsonanten in Korrelation mit Silbenstrukturen auf das Empfinden auswirken um ggf. Rückschlüsse zu ziehen, welche phonologischen Eigenschaften einer Sprache dazu beitragen, dass diese als “angenehm klingend” betrachtet werden. Leider führte das Ganze nicht zu irgendwie brauchbaren Ergebnissen, warum möchte ich lieber nicht beurteilen.
Jedenfalls suchten wir natürlich im Vorfeld nach ähnlichen Experimenten und sind nicht fündig geworden, wenn es also Literatur darüber gibt, dann ist sie gut versteckt.
Gegen Teil 2 wirkte der Auftakt ja noch sehr inspiriert, obwohl ich über Benny gut lachen konnte — nur komisch, daß man den doch passabel verstehen konnte, obwohl er ja angeblich kein Deutsch spricht. Dafür extra spät abends die Glotze einzuschalten ist aber definitiv zuviel des Guten, ich werde mir den Rest der Sendung wie auch die zweite Episode eben höchstens per Stream gönnen.
An Patrick Schulz
Danke, das habe ich mir auch so gedacht. Ich habe mal etwas von einem “muttersprachlichen Irrtum” oder “muttersprachlichen Vorurteil” gehört. Damit soll gesagt werden, daß die Menschen ihre eigene Sprache als “schöner” empfinden als andere. Ich vermute es gibt auch ein “fremdsprachliches Vorurteil”, das den Menschen vormacht, bestimmte Sprachen seien besonders “elegant”, andere “grob” etc. Ich vermute, daß das mit der Wahrnehmung des Landes einhergeht, also “Frankreich = elegant”, daher ist Französisch “schön”, “Land X = zurückgeblieben”, daher ist Sprache X “häßlich”. Ich weiß aus dem Alltag, z. B. daß Russen Ukrainisch komisch finden, Polen Tschechisch, was aber für Menschen, die keine dieser Sprachen sprechen, nur schwer nachzuvollziehen ist. Das “Komische” ist jeweils das Abweichen von der eigenen Sprachnorm (Aussprachen, Betoningen, Begriffe, die in der eigenen Sprache veraltet sind etc.)
@Gregor
Das erklärt, warum ich keinerlei Probleme mit der optischen und akustischen Ästhetik des Finnischen habe: ich finde nämlich, dass Finnland das schönste Land der Welt ist (naja, von den etwa 40 die ich persönlich kenne). Und von gelegentlichen Amokläufen — für die das Finnische ja bekanntlich kein Wort hat 😉 — mal abgesehen, leben dort auch vorbildliche Menschen. Sogar der spezifische Akzent, mit dem dem Finnen deutsch sprechen, gefällt mir ausnehmend gut, weil darin “irgendwie” Echos ihrer eigenen Sprache zu vernehmen sind. Besonders faszinierend finde ich, dass in der Sprache die vielen Doppelvokale (z.B. in baari) und Doppelkonsonanten (z.B. in lakka oder in Martti) tatsächlich auch klingen.
Nicht nur wegen dieser meiner Neigung finde ich das weit verbreitete Rumgetrampel auf dem Finnischen degoutant — es erinnert mich an die Negerwitze, die zu Zeiten meiner Kindheit als lustig galten. Diese Herren (und Frau Reinhardt) sollten sich mal lieber an der vorbildlichen Pflege aufgeilen, die die Finnen ihrer Sprache angedeihen lassen.
Mein “educated guess”: Ich würde ebenfalls argumentieren, dass die Perzeption des Landes im Allgmeinen, bzw. seiner Kultur im Speziellen, das Empfinden über die jeweilige Landessprache in hohem Maße mitbestimmt.
Das würde zumindest teilweise erklären, warum z.B. den Deutschen gerade Italienisch (wurde im 18./19. Jahrhundert als DIE Kulturnation angesehen — siehe z.B. Goethes Reisebericht) und Französisch als besonders melodiös und “schön” vorkommen, vielen Leuten aber die Sprachen unserer östlichen Nachbarn eher “hart” und “kantig” vorkommen — man vergleiche dies mit den Argumentationen Wilhelm Jordans zur deutschen “Kulturnation” und ihrer “zivilisatorischen Leistungen” im Osten in der NAtionalversammlung von 1848/49.
Hinzu kommen m.M.n. einfach bestimmte Lautkombinationen, die uns unvertraut sind, bzw. Wörter/Schreibweisen die uns komisch vorkommen — ich als Deutscher finde z.B. das Wort “bromfiets”, wörtlich “Brummfahrrad” (d: “Moped”) ziemlich erheiternd.
Also ich kann Französisch garnix abgewinnen, für mich eine hässliche Sprache, sieht aber ja jeder anders…
@#14: Polen machen sich soweit ich weiß gerne über Tschechen lustig, weil diese so viele Diminutive brauchen (die natürlich schon einen neuen semantischen Gehalt haben usw.).
Kommt wohl daher, daß man die andere Sprache aus Sicht der eigenen beurteilt, nicht aus der Logik ebenjener Sprache selbst.
Ich habe soeben in der aktuellen Titanic (Sparte “Humorkritik”) den zweiten Teil einer Auseinandersetzung der Titanic mit Leben und Werk von Georg Schwidetzky (1875–1952) gelesen, seines Zeichens Affenforscher und Tierlinguist. Beides betrieb er mit recht steilen Thesen und Ansätzen. So behauptete er (lt. Titanic, aber das wird schon stimmen), die Wurzeln menschlicher Sprache in der Affensprache nachgewiesen zu haben, inkl. Entwicklung über mehrere Affenarten. Hier schreibe ich das, weil er (wiederum lt. Titanic), beim Hören von Polnisch auf die Idee gekommen ist, dass die menschliche Sprache sich aus der Affensprache entwickelt hat. Was nicht alles im Ohr des Hörers liegt …
mus (#16): Ja bromfiets ist nicht schlecht. Eine andere europäische Sprache hält dafür das noch schönere, weil lautmalerische knallert bereit…
Nicht aufregen. Dass im Fernsehen ganz allgemein in 99% der Fälle oberflächlicher Mist gesendet wird, weiß doch jedes Kind :).
Ich war in Polen, gemeinsam mit mehreren Tschechen, und man hat uns so einen Witz vorgetragen:
DARTH VADER: Ja sam tvoj tatiček.
LUKE SKYWALKER (hält sich den Kopf): Joooooo!
Die erste Zeile kann man gerade noch übersetzen: “Ich bin dein Papaleinchen.” Wieso Luke dann allerdings “ja” statt “nein” klagt, weiß ich nicht.
Viel öfter einen emotionalen. Wenn die Polen selbst den Tee verkleinern (herbata –> herbatka), deutet das nicht z. B. auf eine kleinere Menge hin — genauso wenig wie ein deutsches Bierchen oder ein Wiener Kaffeetscherl (in welchem man den tschechischen Einfluss beachte).
Ich weiß, daß (der Bloomfieldsche Strukturalismus recht hat und) Gebrauch das oberste Kriterium sein sollte.
Ich will auch überhaupt nix gegen die Umgangssprache von wem auch immer sagen.
Der Spaß hört auf beim üblichen analphabetischen Gesabbel von überbezahlten Kulturindustriellen.
Wer “gewunken” sagt, gehört schlicht und einfach entlassen und wer keinen Nachrichtensatz verbrechen kann ohne 3 Kasusfehler zu machen erschossen.
Überhaupt erscheint mich die gemeinste Unfähigkeit den Kausalnexus zwischen Deklination und Syntax auch nur zu vermuten schon lange bizar.
@#23: Und was soll dann mit den Menschen geschehen, die das Wörtchen bizarr nicht unfallfrei tippen können? Oder jenen, die nicht wissen wo Kommata anzubringen angebracht wäre?
Für mich persönlich hört der Spaß bei Gewaltfantasien übereifriger Sprachnörgler auf.
ich finde, dass Sick sich so viel über sprachliche Phänomene lustig machen kann, wie er will.
Aber ein kleines Stückchen weit wünsche ich mir dann doch eine Erklärung für eben diese Pähnomene.
WARUM nehmen wir so viele Wörter aus dem Englischen? (–> Prestige, Mode-Sprache)
WARUM sagen wir “Das macht Sinn?” (–> “Sinn ergeben” ist nicht so griffig, “machen” ist gebräuchlicher, “ergeben” dagegen etwas veraltet. Andere Erklärung: “Loan Translation”, die wortwörtliche Übersetzung aus einer anderen Sprache, to make sense)
WARUM sagen wir “das einzigste” statt “das einzige”? (weil wir eine analoge Endung beim Morphemen wollen [logisch-formale Gründe])
Mit ein wenig sprachwissenschaftlichem Verständnis für Bezeichnungswandel lassen sich so manche Entwicklungen erklären! Das vermisse ich bei Sick.
Überhaupt erscheint mich die gemeinste Unfähigkeit den Kausalnexus zwischen Deklination und Syntax auch nur zu vermuten schon lange bizar.
Vor den gesamten Satz gehört einfach ein Asterisk.
Aber das ist ja eines der Gesetze des Internets, dass Leute, die Grammatik oder Orthographie eines anderen kritisieren, zwangsläufig selbst ganz, ganz grobe Fehler bei ihrem eigenen Getippse machen.
“Erscheint mich”? Haben wir hier einen hyperkorrektivierenden Berliner?
Öffentlich auspeitschen!!!
The Bierce-Hartman-McKean-Skitt Law of Prescriptivist Retaliation states that any article or statement about correct grammar, punctuation, or spelling is bound to contain at least one eror.
Da gibts große regionale Unterschiede. “Sinn machen” dürfte hauptsächlich norddeutsch sein… wahrscheinlich ist es nicht englisch, sondern schlicht und ergreifend plattdeutsch, aber da kenne ich mich nicht aus.
Also wenn, dann höchstens ursprünglich mal. “Sinn machen” läßt sich zumindest in der Schweiz ganz sicher finden.
Und noch mal — jeder darf alles lustig finden und persönlich kritisieren. Ich mag gewisse Wörter auch nicht und “Spagetti” find ich einfach furchtbar. Aber es ist einfach unglaublich falsch, das so darzustellen, als würde das irgendeinen Verfall der Sprache herbeiführen. Darum geht es doch letzten Endes.
genau!
Das Deutsche verfällt ja nicht, sondern wird angereichert durch die Veränderungen.
Im Englischen wurde mal gaaanz viel aus Old Norse übernommen, später aus dem Französischen, weil es Prestige-Sprachen waren. Und? Das hat NICHT den Verfall der englischen Sprache bedeutet, oder? 😉
sarah (#29): Natürlich ist das Englische, dieser germano-romanische Bastard, nur noch ein Schatten seiner selbst. Lassen wir die Quellen sprechen:
Her æþelstan cyning, eorla dryhten,
beorna beahgifa, and his broþor eac,
Eadmund æþeling, ealdorlangne tir
geslogon æt sæcce sweorda ecgum
Und da soll kein Verfall stattgefunden haben?
nein! Kein Verfall!
Sprachwandel! 😉
Wenn jetzt der Finne zur Finnin sagt „Hömpel dödi dümpel di“, ja, und das heißt Ich liebe dich
Es fehlt in meinem Kommentar aus unerfindlichen Gründen leider das eingefügte Video zum Jodeldiplom. Warum man hier keine Videos einstellen darf, ist mir unerklärlich.
Dann also als Link. Dödeldi.
Auch wenn das hier sehr sehr verspätet ist, möchte ich an dieser Stelle noch kurz auf Folge 18 von fernsehkritik.tv aufmerksam machen, wo ein Kommilitone von mir als Gastbeitrag Herrn Sicks Sendung auseinandernimmt.
Aber wie heißt es so schön: Besser spät als nie. Also, viel Spaß beim Ansehen. 🙂
http://fernsehkritik.tv/folge-18/