Hamburg Airport Update

Von Anatol Stefanowitsch

Was ist pein­lich­er als Poli­tik­er, die dem VDS nach dem Maul reden? Richtig, Poli­tik­er, denen ihre lau­thals und unge­fragt in die Welt geschriee­nen Überzeu­gun­gen plöt­zlich nichts mehr Wert sind, wenn sie die Rech­nung präsen­tiert bekom­men. Die GAL-„Verkehrsexpertin“ Mar­ti­na Gregersen wollte, in koali­tionär­er Ein­tra­cht mit ihrem CDU-Kol­le­gen Klaus-Peter Hesse, die S‑Bahn-Hal­testelle am Ham­burg­er Air­port (ja, der Flughafen heißt „Air­port“) kurz vor deren Eröff­nung von „Ham­burg Air­port“ in „Flughafen (Ham­burg Air­port)“ umbe­nen­nen. Das allein wäre völ­lig über­flüs­sig gewe­sen, wenn der CDU-Stad­ten­twiclk­lungsse­n­a­tor Michael Frey­tag sich 2004 nicht ein­mütig mit der Deutschen Bahn auf den Namen „Ham­burg Air­port“ geeinigt hätte, und wenn die Stad­ten­twick­lungs­be­hörde diese Entschei­dung Anfang dieses Jahres nicht nochein­mal bestätigt hätte.

Hamburg Airport

Ham­burg Airport

Selb­st zu diesem fort­geschrit­te­nen Zeit­punkt wäre es wohl noch prob­lem­los möglich gewe­sen, den Namen des S‑Bahnhofs zu ändern. Aber da die Poli­tik­er an diesem Tag offen­sichtlich kein beson­deres Inter­esse an der Ret­tung der deutschen Sprache hat­ten und keinen Ein­spruch ein­legten, begann die Deutsche Bahn, Fahrpläne mit dem geplanten Namen zu druck­en, ihre Com­put­er und Fahrkarte­nau­to­mat­en darauf zu pro­gram­mieren und den Bahn­hof entsprechend zu beschildern. Das alles nun rück­gängig zu machen, würde laut Presse­bericht­en eine sechsstel­lige Summe kosten und das ist den bei­den Dorf­poli­tik­ern ihre panikar­tige Fünf-vor-Zwölf-Prov­inzial­ität dann doch nicht Wert:

[CDU-]Fraktionschef Schi­ra: „Die Umset­zung kön­nte nur schrit­tweise erfol­gen, und es dürften dadurch auch keine exor­bi­tan­ten Kosten entste­hen.“ GAL-Frak­tionchef Jens Ker­stan sieht das ähn­lich: „Wie und wann der Antrag umge­set­zt wird, ist Sache der Stad­ten­twick­lungs­be­hörde. Wichtig ist, dass es keine Kosten­ex­plo­sion gibt.“

Die GAL-Verkehr­sex­per­tin Mar­ti­na Gregersen, die den Antrag gemein­sam mit Klaus-Peter Hesse (CDU) ini­ti­iert hat­te, geht noch einen Schritt weit­er: „Flughafen wäre zwar mein Wun­sch, aber angesichts der hohen Kosten wer­den wir von dieser Beze­ich­nung abse­hen und müssen eben die vorge­se­hene Beze­ich­nung akzeptieren.“

Und diesen Pos­sen­spiel­ern, ich muss es geste­hen, habe ich bei der let­zten Wahl meine Stimme gegeben (also, der GAL). Hätte ich doch lieber für Michael Nau­mann ges­timmt. Dem hat im Jahr 2000, als er noch Kul­turstaatsmin­is­ter war, der Abge­ord­nete Jür­gen Türk (F.D.P.) fol­gende VDS-geschwängerte Frage gestellt:

Wie wertet die Bun­desregierung die Tat­sache, dass viele Sprach­wis­senschaftler Deutsch inzwis­chen für die kränkste Sprache Europas hal­ten, weil es von Anglizis­men regel­recht über­flutet wird, die kaum noch inte­gri­ert werden?

Und Nau­manns Antwort war Hanseatisch cool, calm und collected:

Die Bun­desregierung verken­nt nicht, dass in der Gegen­wartssprache zunehmend Anglizis­men anzutr­e­f­fen sind.

Die Frage grün­det jedoch auf ein­er unbelegten Behaup­tung, die in der sprach­wis­senschaftlichen Ter­mi­nolo­gie undenkbar ist und von kein­er Sprach­wis­senschaft­lerin und keinem Sprach­wis­senschaftler gebraucht würde, da die Vorstel­lung ein­er „kranken“ Sprache, geschweige ein­er „kränksten“, jed­er ser­iösen sprach­wis­senschaftlichen Auseinan­der­set­zung widerspricht.

Die Bun­desregierung ist fest davon überzeugt, dass die deutsche Sprache nicht vom Unter­gang bedro­ht ist. Sprachen kön­nen nicht „unterge­hen“, son­dern allen­falls vergessen wer­den. (Link [PDF, 292 KB])

Herr Nau­mann, falls Sie bei der näch­sten Ham­burg­er Bürg­er­schaftswahl nochein­mal antreten, und falls ich dann noch einen Kof­fer in Ham­burg ste­hen habe, werde ich Sie nicht nur wählen, ich werde Wahlkampf für Sie betreiben. Das ist ein erst­ge­meintes Ver­sprechen (aber SPD-Mit­glied werde ich nicht, nur, dass das klar ist).

Umfrage des Hamburger Abendblattes

Umfrage des Ham­burg­er Abendblattes

Das Ham­burg­er Abend­blatt hat­te eine ten­den­z­iöse Leserum­frage durchge­führt, deren Repräsen­ta­tiv­ität die Leser/innen des Bre­mer Sprach­blogs sichergestellt haben. Die Redak­tion war vom Ergeb­nis schein­bar so beein­druckt, dass sie auschließlich Air­port-fre­undliche Leser­briefe abge­druckt hat. Ein „B. Ken­ner“ schreibt zum Beispiel:

Die CDU und GAL haben offen­sichtlich immer noch nicht bemerkt, dass Ham­burg schon lange kein Domes­tic Air­port (Inlands­flughafen) ist, son­dern schon lange inter­na­tionale Flüge betreibt. Ein Aus­län­der kann aber mit dem Namen Flughafen nichts anfan­gen. Also sollte man schon Air­port mit unter­brin­gen, wie es bei allen inter­na­tionalen Flughäfen üblich ist. Ham­burg ist keine Prov­inz, und es wird auch der CDU/GAL nicht gelin­gen, dieses rück­gängig zu machen.

Dem kann man sich nur anschließen. Bei unser­er hier par­al­lel durchge­führten Umfrage hat sich übri­gens eine klare Mehrheit für einen lib­eralen Umgang mit Anglizis­men im Ham­burg­er Abend­blatt aus­ge­sprochen. Der würde ein­er großen Tageszeitung in ein­er weltof­fe­nen Stadt auch gut zu Gesicht stehen.

Bild­nach­weis: Die Col­lage oben ver­wen­det Werke von Ian Mut­too (Flickr), Schafwan­d­lerin (Kamelo­pe­dia) und Ek8 (Wiki­me­dia). Sie ste­ht unter der GFDL und der CC-BY-SA 2.5.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

12 Gedanken zu „Hamburg Airport Update

  1. Thomas Müller

    Danke für das Nau­mann- und das Leser­brief-Zitat — schön, dass sich nicht jed­er in der Öffentlichkeit ste­hende Men­sch, ob Poli­tik­er oder Jour­nal­ist, vom VDS ein­lullen lässt. Man liest davon viel zu selten.

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  2. Frank Oswalt

    Was für Clowns. Als ob Ham­burg keine anderen Prob­leme hätte. Die S‑Bahnschilder in Ham­burg sind doch aber nicht rot?

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  3. ke

    Das finde ich nicht fair. Dass die Umbe­nen­nung angesichts wichtiger­er Erwä­gun­gen fal­l­en­ge­lassen wurde, spricht doch *für* die betr­e­f­fend­en Politiker.

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  4. Christine A.

    @ ke: Das kommt darauf an, wie man es sieht.

    Diese “wichtigeren” Über­legun­gen, wie du sie nennst, sind jet­zt nicht so unwahrschein­lich, dass man da nicht von selb­st darauf kom­men kann.

    Das heißt: Warum erst ein großes Geschrei machen nach­dem die entsprechen­den Fahrpläne usw. gedruckt wur­den und es dann zurückziehen?

    Das ist ein­fach nur peinlich.

    1. Hat­ten sie ewig lange vorher Zeit und Gele­gen­heit, Ein­spruch einzule­gen, bevor die Bahn alles fer­tig­machte, wie Herr Ste­fanow­itsch ausführte.

    2. Nach­dem eben alles fer­tig war, daherzukom­men “wie die alt Fas­nacht”, wie wir Pfälz­er sagen, zeugt eben nicht von Intel­li­genz… Man weiß doch, dass solche Dinge vor­bere­it­et wer­den müssen. Und sie dann aus eben diesen Kosten­grün­den zurück­zuziehen, ist zwar noch vernün­ftig, es wäre aber bess­er gewe­sen, sie hät­ten die Klappe ganz gehal­ten. Außer Spe­sen nichts gewesen.

    @ Frank Oswalt: Das Bild ist, glaube ich eine Col­lage und entspricht nicht den wahren S‑Bahn Schildern. Allerd­ings war ich noch nie in Hamburg.

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  5. Christian

    Durch das Lesen dieses Blogs habe ich eine neue Sichtweise auf das Sprach­nör­gler­tum gewon­nen. Dafür zunächst ein Dankeschön. Den­noch halte ich viele Regeln der Sprache für prak­tisch. Dazu gehört die inhaltliche Unter­schei­dung zwis­chen “schein­bar” und “anscheinend”. Ich stolpere im Lese­fluss jedes Mal darüber, wenn ersteres statt let­zterem ver­wen­det wird. Meist erk­läre ich es mir mit Unken­nt­nis des Schreibers, aber dass ich dieses Muster nun auch in diesem Blog (und nicht zum ersten Mal) wiederfinde, erstaunt mich, und lässt mich ver­muten, dass die Sit­u­a­tion auch hier dif­feren­ziert­er betra­chtet wer­den kann, als ich es bish­er tat. Oder war es ein­fach nur ein Missgriff?

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  6. Achim

    Ich muss wieder mal ein wenig nörgeln: die S‑Bahn-Hal­testelle am Ham­burg­er Air­port (ja, der Flughafen heißt „Air­port“). Nein, der Flughafen heißt “Ham­burg Air­port”, und deshalb muss es heißen “die S‑Bahn-Hal­testelle am Ham­burg Air­port” oder aber “die S‑Bahn-Hal­testelle am Ham­burg­er Flughafen”. Auch wenn viele deutsche Verkehrs­flughäfen die englis­che Beze­ich­nung in ihren Namen aufnehmen, ist das deutsche Wort “Flughafen” immer noch in Gebrauch.

    Der Flughafen in Kopen­hagen ist wahrlich inter­na­tion­al und heißt den­noch “Køben­havns Lufthavn”. Und auch die Met­ro­sta­tion heißt “Lufthav­nen”. Und das funk­tion­iert, ohne dass — obwohl Dänisch keine ver­bre­it­ete Fremd­sprache ist — der dänis­che Touris­mus und Außen­han­del zusam­men­brechen. Die Englis­chhu­berei zeigt wahrschein­lich recht zuver­läs­sig an, wo man sich sein­er Nicht-Prov­inzial­ität nicht so sich­er ist 😉

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  7. Achim

    frank oswalt (#7): Nein, über Kopen­hagen läuft ein guter Teil des inter­na­tionalen Flugverkehrs der skan­di­navis­chen Län­der. Aber darum geht’s ja eigentlich nicht.

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  8. David Marjanović

    Und das funk­tion­iert, ohne dass — obwohl Dänisch keine ver­bre­it­ete Fremd­sprache ist — der dänis­che Touris­mus und Außen­han­del zusam­men­brechen. Die Englis­chhu­berei zeigt wahrschein­lich recht zuver­läs­sig an, wo man sich sein­er Nicht-Prov­inzial­ität nicht so sich­er ist 😉

    Englisch haven ist ja nicht so weit entfernt…

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  9. Achim

    David (#9): Ja, wer das englis­che Wort haven ken­nt — vor allem: über sein Vorkom­men in Ort­sna­men und Kol­loka­tio­nen wie “safe haven” hin­aus ken­nt — kön­nte darauf kom­men, dass ein lufthavn so etwas wie ein Hafen ist. Was nicht sehr weit hil­ft, wenn man bedenkt, dass im Englis­chen das roman­is­che Pen­dant sowohl für den Flughafen wie auch für den am Wass­er gebräuch­lich ist…

    Was ich sagen wollte: Ich habe nichts gegen englis­che Lehn­wörter. Es gibt viele Sit­u­a­tio­nen, wo es völ­lig nor­mal ist, sie zu benutzen. (Auch gegen franzö­sis­che oder pol­nis­che Lehn­wörter habe ich nichts.) Manch­mal bieten sich aber deutsche Begriffe an, und warum soll ich die dann nicht benutzen? Es gibt in der Geschichte der deutschen Sprache sowohl für die gelun­genen Ein­deutschun­gen wie für die gescheit­erten genug Beispiele. Um beim The­ma zu bleiben: Kein Men­sch redet mehr von Aero­pla­nen, son­dern es sind Flugezuge, die in Fuhls­büt­tel lan­den und starten. Warum man, um mitreisen zu kön­nen, nicht mehr wie in mein­er Kind­heit einen Flugschein kauft, son­dern ein Tick­et, um dann nicht mehr zum Aus­gang, son­dern zum Gate zu gehen, ist mir allerd­ings schleier­haft. Klar, “gate” hat eine Spezialbe­deu­tung gegenüber dem englis­chen Orig­i­nal, eine Veren­gung der Bedeu­tung. Ohne dem wär’s aber auch gegangen.

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  10. Haiko

    Ich glaube nicht, dass der Münch­n­er Flughafen weniger inter­na­tion­al ist als der Ham­burg­er, trotz­dem heißt die S‑Bahn Hal­testelle “Flughafen München”.

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