Was ist peinlicher als Politiker, die dem VDS nach dem Maul reden? Richtig, Politiker, denen ihre lauthals und ungefragt in die Welt geschrieenen Überzeugungen plötzlich nichts mehr Wert sind, wenn sie die Rechnung präsentiert bekommen. Die GAL-„Verkehrsexpertin“ Martina Gregersen wollte, in koalitionärer Eintracht mit ihrem CDU-Kollegen Klaus-Peter Hesse, die S‑Bahn-Haltestelle am Hamburger Airport (ja, der Flughafen heißt „Airport“) kurz vor deren Eröffnung von „Hamburg Airport“ in „Flughafen (Hamburg Airport)“ umbenennen. Das allein wäre völlig überflüssig gewesen, wenn der CDU-Stadtentwiclklungssenator Michael Freytag sich 2004 nicht einmütig mit der Deutschen Bahn auf den Namen „Hamburg Airport“ geeinigt hätte, und wenn die Stadtentwicklungsbehörde diese Entscheidung Anfang dieses Jahres nicht nocheinmal bestätigt hätte.
Selbst zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt wäre es wohl noch problemlos möglich gewesen, den Namen des S‑Bahnhofs zu ändern. Aber da die Politiker an diesem Tag offensichtlich kein besonderes Interesse an der Rettung der deutschen Sprache hatten und keinen Einspruch einlegten, begann die Deutsche Bahn, Fahrpläne mit dem geplanten Namen zu drucken, ihre Computer und Fahrkartenautomaten darauf zu programmieren und den Bahnhof entsprechend zu beschildern. Das alles nun rückgängig zu machen, würde laut Presseberichten eine sechsstellige Summe kosten und das ist den beiden Dorfpolitikern ihre panikartige Fünf-vor-Zwölf-Provinzialität dann doch nicht Wert:
[CDU-]Fraktionschef Schira: „Die Umsetzung könnte nur schrittweise erfolgen, und es dürften dadurch auch keine exorbitanten Kosten entstehen.“ GAL-Fraktionchef Jens Kerstan sieht das ähnlich: „Wie und wann der Antrag umgesetzt wird, ist Sache der Stadtentwicklungsbehörde. Wichtig ist, dass es keine Kostenexplosion gibt.“
Die GAL-Verkehrsexpertin Martina Gregersen, die den Antrag gemeinsam mit Klaus-Peter Hesse (CDU) initiiert hatte, geht noch einen Schritt weiter: „Flughafen wäre zwar mein Wunsch, aber angesichts der hohen Kosten werden wir von dieser Bezeichnung absehen und müssen eben die vorgesehene Bezeichnung akzeptieren.“
Und diesen Possenspielern, ich muss es gestehen, habe ich bei der letzten Wahl meine Stimme gegeben (also, der GAL). Hätte ich doch lieber für Michael Naumann gestimmt. Dem hat im Jahr 2000, als er noch Kulturstaatsminister war, der Abgeordnete Jürgen Türk (F.D.P.) folgende VDS-geschwängerte Frage gestellt:
Wie wertet die Bundesregierung die Tatsache, dass viele Sprachwissenschaftler Deutsch inzwischen für die kränkste Sprache Europas halten, weil es von Anglizismen regelrecht überflutet wird, die kaum noch integriert werden?
Und Naumanns Antwort war Hanseatisch cool, calm und collected:
Die Bundesregierung verkennt nicht, dass in der Gegenwartssprache zunehmend Anglizismen anzutreffen sind.
Die Frage gründet jedoch auf einer unbelegten Behauptung, die in der sprachwissenschaftlichen Terminologie undenkbar ist und von keiner Sprachwissenschaftlerin und keinem Sprachwissenschaftler gebraucht würde, da die Vorstellung einer „kranken“ Sprache, geschweige einer „kränksten“, jeder seriösen sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzung widerspricht.
Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, dass die deutsche Sprache nicht vom Untergang bedroht ist. Sprachen können nicht „untergehen“, sondern allenfalls vergessen werden. (Link [PDF, 292 KB])
Herr Naumann, falls Sie bei der nächsten Hamburger Bürgerschaftswahl nocheinmal antreten, und falls ich dann noch einen Koffer in Hamburg stehen habe, werde ich Sie nicht nur wählen, ich werde Wahlkampf für Sie betreiben. Das ist ein erstgemeintes Versprechen (aber SPD-Mitglied werde ich nicht, nur, dass das klar ist).
Das Hamburger Abendblatt hatte eine tendenziöse Leserumfrage durchgeführt, deren Repräsentativität die Leser/innen des Bremer Sprachblogs sichergestellt haben. Die Redaktion war vom Ergebnis scheinbar so beeindruckt, dass sie auschließlich Airport-freundliche Leserbriefe abgedruckt hat. Ein „B. Kenner“ schreibt zum Beispiel:
Die CDU und GAL haben offensichtlich immer noch nicht bemerkt, dass Hamburg schon lange kein Domestic Airport (Inlandsflughafen) ist, sondern schon lange internationale Flüge betreibt. Ein Ausländer kann aber mit dem Namen Flughafen nichts anfangen. Also sollte man schon Airport mit unterbringen, wie es bei allen internationalen Flughäfen üblich ist. Hamburg ist keine Provinz, und es wird auch der CDU/GAL nicht gelingen, dieses rückgängig zu machen.
Dem kann man sich nur anschließen. Bei unserer hier parallel durchgeführten Umfrage hat sich übrigens eine klare Mehrheit für einen liberalen Umgang mit Anglizismen im Hamburger Abendblatt ausgesprochen. Der würde einer großen Tageszeitung in einer weltoffenen Stadt auch gut zu Gesicht stehen.
Bildnachweis: Die Collage oben verwendet Werke von Ian Muttoo (Flickr), Schafwandlerin (Kamelopedia) und Ek8 (Wikimedia). Sie steht unter der GFDL und der CC-BY-SA 2.5.
Danke für das Naumann- und das Leserbrief-Zitat — schön, dass sich nicht jeder in der Öffentlichkeit stehende Mensch, ob Politiker oder Journalist, vom VDS einlullen lässt. Man liest davon viel zu selten.
Was für Clowns. Als ob Hamburg keine anderen Probleme hätte. Die S‑Bahnschilder in Hamburg sind doch aber nicht rot?
Das finde ich nicht fair. Dass die Umbenennung angesichts wichtigerer Erwägungen fallengelassen wurde, spricht doch *für* die betreffenden Politiker.
@ ke: Das kommt darauf an, wie man es sieht.
Diese “wichtigeren” Überlegungen, wie du sie nennst, sind jetzt nicht so unwahrscheinlich, dass man da nicht von selbst darauf kommen kann.
Das heißt: Warum erst ein großes Geschrei machen nachdem die entsprechenden Fahrpläne usw. gedruckt wurden und es dann zurückziehen?
Das ist einfach nur peinlich.
1. Hatten sie ewig lange vorher Zeit und Gelegenheit, Einspruch einzulegen, bevor die Bahn alles fertigmachte, wie Herr Stefanowitsch ausführte.
2. Nachdem eben alles fertig war, daherzukommen “wie die alt Fasnacht”, wie wir Pfälzer sagen, zeugt eben nicht von Intelligenz… Man weiß doch, dass solche Dinge vorbereitet werden müssen. Und sie dann aus eben diesen Kostengründen zurückzuziehen, ist zwar noch vernünftig, es wäre aber besser gewesen, sie hätten die Klappe ganz gehalten. Außer Spesen nichts gewesen.
@ Frank Oswalt: Das Bild ist, glaube ich eine Collage und entspricht nicht den wahren S‑Bahn Schildern. Allerdings war ich noch nie in Hamburg.
Durch das Lesen dieses Blogs habe ich eine neue Sichtweise auf das Sprachnörglertum gewonnen. Dafür zunächst ein Dankeschön. Dennoch halte ich viele Regeln der Sprache für praktisch. Dazu gehört die inhaltliche Unterscheidung zwischen “scheinbar” und “anscheinend”. Ich stolpere im Lesefluss jedes Mal darüber, wenn ersteres statt letzterem verwendet wird. Meist erkläre ich es mir mit Unkenntnis des Schreibers, aber dass ich dieses Muster nun auch in diesem Blog (und nicht zum ersten Mal) wiederfinde, erstaunt mich, und lässt mich vermuten, dass die Situation auch hier differenzierter betrachtet werden kann, als ich es bisher tat. Oder war es einfach nur ein Missgriff?
Ich muss wieder mal ein wenig nörgeln: die S‑Bahn-Haltestelle am Hamburger Airport (ja, der Flughafen heißt „Airport“). Nein, der Flughafen heißt “Hamburg Airport”, und deshalb muss es heißen “die S‑Bahn-Haltestelle am Hamburg Airport” oder aber “die S‑Bahn-Haltestelle am Hamburger Flughafen”. Auch wenn viele deutsche Verkehrsflughäfen die englische Bezeichnung in ihren Namen aufnehmen, ist das deutsche Wort “Flughafen” immer noch in Gebrauch.
Der Flughafen in Kopenhagen ist wahrlich international und heißt dennoch “Københavns Lufthavn”. Und auch die Metrostation heißt “Lufthavnen”. Und das funktioniert, ohne dass — obwohl Dänisch keine verbreitete Fremdsprache ist — der dänische Tourismus und Außenhandel zusammenbrechen. Die Englischhuberei zeigt wahrscheinlich recht zuverlässig an, wo man sich seiner Nicht-Provinzialität nicht so sicher ist 😉
Achim (#6): “Der Flughafen in Kopenhagen ist wahrlich international” — weil er im Ausland liegt?
frank oswalt (#7): Nein, über Kopenhagen läuft ein guter Teil des internationalen Flugverkehrs der skandinavischen Länder. Aber darum geht’s ja eigentlich nicht.
Englisch haven ist ja nicht so weit entfernt…
David (#9): Ja, wer das englische Wort haven kennt — vor allem: über sein Vorkommen in Ortsnamen und Kollokationen wie “safe haven” hinaus kennt — könnte darauf kommen, dass ein lufthavn so etwas wie ein Hafen ist. Was nicht sehr weit hilft, wenn man bedenkt, dass im Englischen das romanische Pendant sowohl für den Flughafen wie auch für den am Wasser gebräuchlich ist…
Was ich sagen wollte: Ich habe nichts gegen englische Lehnwörter. Es gibt viele Situationen, wo es völlig normal ist, sie zu benutzen. (Auch gegen französische oder polnische Lehnwörter habe ich nichts.) Manchmal bieten sich aber deutsche Begriffe an, und warum soll ich die dann nicht benutzen? Es gibt in der Geschichte der deutschen Sprache sowohl für die gelungenen Eindeutschungen wie für die gescheiterten genug Beispiele. Um beim Thema zu bleiben: Kein Mensch redet mehr von Aeroplanen, sondern es sind Flugezuge, die in Fuhlsbüttel landen und starten. Warum man, um mitreisen zu können, nicht mehr wie in meiner Kindheit einen Flugschein kauft, sondern ein Ticket, um dann nicht mehr zum Ausgang, sondern zum Gate zu gehen, ist mir allerdings schleierhaft. Klar, “gate” hat eine Spezialbedeutung gegenüber dem englischen Original, eine Verengung der Bedeutung. Ohne dem wär’s aber auch gegangen.
Ich glaube nicht, dass der Münchner Flughafen weniger international ist als der Hamburger, trotzdem heißt die S‑Bahn Haltestelle “Flughafen München”.
Haiko (#11), ich glaube nicht, dass Sie mit dem Argument „Aber München macht das so und so“ irgendeinen Hamburger von irgendetwas überzeugen werden 😉