„The unspeakable in pursuit of the inedible“ — die Unsäglichen auf der Jagd nach dem Ungenießbaren –, so hat Oscar Wilde einmal die Fuchsjagd beschrieben. Die Jagd der Aktion Lebendiges Deutsch nach Alternativen zu englischen Lehnwörtern könnte man analog als „die Unbelehrbaren auf der Jagd nach dem Unnötigen“ definieren.
Jeden Monat beglücken die vier Aktionäre die deutsche Sprachgemeinschaft mit Wortschöpfungen, die die Welt nicht braucht (denn anders als der Wortist suchen sie immer nur nach Bezeichnungen für Dinge, für die es bereits etablierte Begriffe gibt).
Diesen Monat haben sie sich ein Steckenpferd der Sprachnörgler vorgenommen und präsentieren voller Stolz ihre Lösung:
Warum können wir statt „updaten“ nicht „aktualisieren“ sagen? fragt die Aktion Lebendiges Deutsch. Das ist zwar drei Silben länger, aber es erspart uns die albernen Formen „upgedatet“ oder „geupdated“, und jeder versteht es. Unter den 420 eingegangenen Vorschlägen fanden auch „auffrischen“, „aufmöbeln“, „nachrüsten“ die Sympathie der Jury.
Die Sympathie der Jury ist natürlich wieder einmal völlig fehlgeleitet. Erstens bedeutet updaten im Allgemeinen, eine neue Version einer bereits installierten Software durch eine Version zu ersetzen, die Fehler, Sicherheitslücken etc. behebt. Auffrischen, aufmöbeln und nachrüsten würden eher ein Upgrade bezeichnen, bei dem der Software auch neue Funktionen hinzugefügt werden. Wenn man sich um die deutsche Sprache sorgt, dann sollte man lieber dafür sorgen, dass mehr Nutzer die Wörter Update und Upgrade unterscheiden und korrekt anwenden.
Aber die Jurysten sind mit moderner Informationstechnik offensichtlich ohnehin überfordert: das Wort, das sie „vorschlagen“, ist auf allen großen Betriebssystemen der allgemein akzeptierte und unstrittige Begriff für den betreffenden Vorgang. Aus sprachpuristischer Sicht ist es also nicht das Verb, das Schwierigkeiten macht, sondern das Substantiv Update, denn hier fehlt ein griffiges deutsches Wort.
Auch mit ihrem eigenen Vorschlag bedienen die vier Fragezeichen eher die eigene Fantasie als die sprachliche Realität:
Ihr Angebot des Monats lautet: Wie wäre es, wenn wir die modische „Copy“ in die gute alte „Kopie“ zurückverwandelten?
?
???
Die modische Copy? Ist mir da etwas entgangen? Ist das Wort Kopie tatsächlich in Gefahr, verdrängt zu werden (egal wäre es mir, da beide Wörter genau den selben Ursprung haben — das bedeutungsgleiche lateinische copia). Nein, eine Google-Suche zeigt, dass hier keine Gefahr besteht. Gerade einmal 584 Treffer findet die Suchmaschine für die Phrase eine Copy von — das allgemein gebräuchliche eine Kopie von liefert dagegen 72.000 Treffer.
Selbst Google weiß außerdem, dass (bislang) niemand ernsthaft eine Copy von sagt. Wen es interessiert, der sollte sich die Google-Ergebnisse einmal genauer ansehen: Copy bezeichnet tendenziell eher ein Replikat einer CD oder DVD, ist also dabei, sich gegenüber der Kopie zu spezialisieren und damit zur Bedeutungsdifferenziertheit der deutschen Sprache beizutragen.
Und im laufenden Monat versuchen die vier Unbelehrbaren wieder einmal, ein Lehnwort zu ersetzen, dass phonologisch und orthografisch voll in die deutsche Sprache integriert ist und eigentlich unmöglich irgendjemanden stören kann (und die gewünschte Antwort liefern sie auch gleich mit):
Bis zum 23. September sucht die Aktion ein saftiges deutsches Wort für „toppen“ — wo es nicht Seemannssprache ist, sondern nur „übertreffen“ bedeutet.
Leser/in Ma hat übrigens beim letzten Mal vorgeschlagen, die Aktionäre doch lieber Aktionisten zu nennen, da ein „Aktionär ja jemand [ist,] der in das jeweilige Objekt investiert, was ich hier nicht erkennen kann“. Dem Wortistiker gefällt das nicht, da er „beim Aktionisten eher Baumumarmer, Tierschützer und Hausbesetzer als vier ältere Herren in Sorge um die deutsche Sprache“. Er schlägt deshalb den Begriff des Aktionators, den Meyers Großes Konversationslexikon von 1905 als „Kläger; Makler“ definiert. Meiner Meinung nach ist das der Ehre zuviel, denn es klingt so, als klagten die vier älteren Herren zu Recht jemanden an oder vermittelten gar dringend benötigtes Wortgut an die Sprachgemeinschaft. Ich sehe aber ein, dass der Begriff Aktionär es nicht wirklich tut. Ich werde deshalb angesichts der wiederholt zur Schau gestellten allgemeinen Ahnungslosigkeit der Aktionäre in Zukunft das Kofferwort Aktioneur (aus Aktionär/-ist und Amateur) verwenden.
[Update: Ich sehe gerade, dass Klaus Jarchow im „Stilstand“ sich die Aktioneure heute morgen schon vorgeknöpft hat. Wortist Detlef Gürtler hat sich dem Bewortungsvorschlag Aktioneure angeschlossen (siehe Kommentare unten), womit der Begriff nun offizielle Nomenklatur ist.]
“Aktioneur” toppt alles! Gut, dass meine Ubuntu-Copy schon aktualisiert ist. 😉
Daß da jemand nicht verstanden hat, wie Sprache funktioniert, steht für mich außer Frage. Wirklich ärgerlich finde ich, wenn sich jemand dann auch noch die Kompetenz anmaßt, bestimmen zu wollen, was mir dann als Norm gelten soll — und dann auch noch mit einer Kampfpolemik, die angebliche Tatsachen behauptet, die man in der Realität nicht wiederfindet (“Aktualisierung”).
Ob sich diese angeblichen Sprachpuristen (eigentlich pfuschen sie ja oft genug an etablierten Begriffen rum) hinsetzen und freie Software ins Deutsche übersetzen, wage ich stark zu bezweifeln — aber eigentlich kann man eher hoffen, daß sie das lassen.
Wenn mich ein Engländer fragt, was ich beruflich mache, sage ich ihm, dass ich Copywriter bin. Muss ich das zukünftig in Kopienschreiber zurückübersetzen oder darf ich mich auch weiterhin Werbetexter nennen?
*Bang hoffend ab*
Vorurteilsbeladene Laien: Ressentimeure.
Aktioneur ist gekauft, danke, Herr Stefanowitsch. Aber ein Glück, dass bei der ALD nur Herren sind, denn Aktionöse ginge ja wohl nicht.
Jurysten, die vier ? — klasse. Ich will mehr davon! DAS wäre mal ein sinnvoller Wettbewerb …
Dem Aktioneur ist Deutsch zu schweur. — oder so.
Die lieben Don Quichottes der Anglizismenbekämpfung sollten einmal innehalten und darüber nachdenken, ob ihr Alternativvorschlag so viel besser ist. aktualisieren besteht nämlich überwiegend ebenfalls aus Lehngut. Und Aktion ist auch nicht so wirklich ein deutsches Wort, wenn man mal ehrlich ist.
Ich dachte nun kommt mal was tolles bei raus und dann kommt sowas, wie wäre es mit überschreiben?
Übrigens ich sag vorraus toppen da kommt bei denen übertreffen raus. 😛
Schönen Mittag zusammen,
wer erzählt den Aktivisten von der Aktion Lustiges Deutsch mal, dass sie mit Kopie für copy im Zweifelsfall selbst eine verfälschende Lehnübersetzung benutzen? In etwa der Hälfte (naja, vielleicht auf etwas weniger 😉 ) der Kontexte, wo man auf Englisch copy sagt, sagt man auf Deutsch nämlich Exemplar oder ähnliches. Frühe Versionen gängiger Bürosoftware haben dem Sprachgebrauch der Herren wahrscheinlich Vorschub geleistet, aber selbst MS Word kennt inzwischen den richtigen Ausdruck.
Wieder ein Fall, wo eine 1:1‑Entsprechung zwischen zwei Lemmata versucht wird.
Ach was, die regen sich auf über geupdaGÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄHN
nur so am Rande: die Deutschen sind nicht die einzigen, die Angst vor Anglizismen haben:
http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7608860.stm