Eigentlich arbeite ich gerade an ein paar Sprachblogbeiträgen, in denen es tatächlich um Sprache gehen soll und nicht immer nur um das sprachliche Unverständnis der Sprachnörgler. Aber die Kolumne in der Frankfurter Rundschau, auf die Kristof gestern in einem Kommentar hingewiesen hat, ist so verblödet, dass ich sie nicht unkommentiert stehen lassen kann.
Charima Reinhardt, freie Autorin und ehemalige stellvertretende Sprecherin der rot-grünen Bundesregierung, redet darin dem VDS so unreflektiert nach dem Maul, dass man sich nicht länger über das Scheitern von Rot-Grün wundert. „Denglisch für Anfänger I“, nennt sie ihr Werk, und löst damit ein dumpfes Gefühl von dräuendem Unheil bei mir aus, denn ich vermute, dem wird ein „Denglisch für Anfänger II“ folgen (Merke: eine Kolumne ist eine Glosse, die immer wiederkehrt.)
Und sie kommt gleich zur Sache:
Kennen Sie den Incoming-Outgoing-Manager? Vielleicht ist es einfach nur der, der die Post macht!
Ja, Frau Reinhardt, vielleicht. Vielleicht ist es aber auch nur ein müder Witz, den Sie sich ausgedacht haben, denn außer Ihrer Kolumne gibt es dafür keinen einzigen Google-Treffer.
Anglizismen peppen unser Leben auf, geben ihm Bedeutung, den richtigen Drive eben. Wer ist nicht lieber Manager als Sachbearbeiter? Mehr Schein als Sein: Die Telefonberatung nennt sich Hotline, weiß aber trotzdem nichts, unser Friseur schneidet als Hairstylist kein bisschen besser, die Brötchen aus dem Backshop schmecken so pappig wie immer, der Coffee to go ist eine dünne Plörre; wir aber sind total cool, lassen uns coachen, checken alles, kleiden uns casual.
Um es wissenschaftlich korrekt auszudrücken: Gähn.
Hotline, Backshop, Coffee to go, blah, blah, blah. Wer kann das noch hören? Dafür bezahlt die Frankfurter Rundschau freie Autoren?
Es scheint, als fehlten uns in der eigenen Sprache die Worte, so häufig greifen wie auf englisches Vokabular zurück.
So, wie wir vorher auf pseudogriechische (Telefon), arabische (Kaffee) oder französische (Friseur) Wörter zurückgegriffen haben.
Als besonders verwerflich gilt Sprachpuristen „Denglisch“, eine Mischung aus Deutsch und Englisch, etwa wenn wir ein Programm gedownloaded haben, gecastet worden sind oder einen Flug gecancelt haben.
Eigentlich drei schöne Beispiele dafür, dass die Sprecher des Deutschen keine Schwierigkeiten damit haben, Lehngut in das morphosyntaktische System des Deutschen zu integrieren. Das Verb canceln kommt übrigens ursprünglich aus dem Lateinischen (cancellare, „etwas einem Gitter ähnlich machen“) und cast kommt aus dem Altnordischen (kasta „werfen“). Gut, dass die Sprecher des Englischen sich nie geziert haben, Wörter aus anderen Sprachen zu entlehnen, sonst hätte das Englische heute vielleicht gar keine Wörter, die wir mit dem Deutschen vermischen könnten.
Wider den Trend zu immer mehr Englisch im Deutschen kämpft der Verein Deutsche Sprache und ruft den „Sprachpanscher des Jahres“ aus. Sieger 2007: Bahnchef Hartmut Mehdorn, weil es Bahnhöfe mit Service-Point (Auskunft), Counter (Schalter) und McClean (Klo) gebe, so die Juroren.
Gähn. Gäääähn. Service Point und McClean?
Aussichtsreichster Kandidat auf den Titel 2008: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, dem es eingefallen sei, das Brandenburger Tor ausgerechnet an einem Tag der Deutschen Einheit mit englischsprachigen Fahnen (Power for Peace) umwehen zu lassen und — obercool — mit Englisch „Be Berlin“ geworben habe. Was tut man nicht alles, um seiner Stadt und sich selbst internationales Flair zu verschaffen…
Ja, das ist wirklich ein Faux Pas. Das Brandenburger Tor darf natürlich nur von reinem Deutsch umweht werden — am besten in Frakturschrift.
Auch die Olympischen Spiele in Peking hat der Verein akribisch beobachtet, freilich weniger aus sportlichem Interesse. Vielmehr galt es, den Reporter mit den „überflüssigsten Imponieranglizismen“ wie Event, Performance oder Highlight ausfindig zu machen.
Ich spare mir hier einen Kommentar und verweise auf Thomas Müllers Beitrag in seinem Blog Nörgeln, immer nur nörgeln (ja, Frau Reinhardt, bei diesem Titel müssten Sie sich doch angesprochen fühlen).
Wie überhaupt Journalisten für wichtigtuerische Sprachimporte mitverantwortlich sind, etwa wenn der Atomwaffensperrvertrag als Nonproliferationsvertrag in die Zeitung gesetzt wird. Zum Aussprechen, also für Fernsehen oder Hörfunk, ist das schwierige Wort glücklicherweise weniger geeignet.
Wichtigtuerisch? Was ist denn an Nonproliferationsvertrag wichtigtuerisch? Vielleicht geht Atomwaffensperrvertrag leichter von der Zunge, aber wo unterscheiden die beiden Wörter sich in Bezug auf ihre Eignung zur Wichtigtuerei?
Das Wort Nonproliferationsvertrag (das es übrigens gerade einmal auf 580 Googletreffer bringt) würde es uns allerdings leichter machen, zu erkennen, dass es sich dabei um den international gültigen Non-Proliferation Treaty handelt. Außerdem wäre das Wort Nonproliferationsvertrag auf jede Art von Vertrag anwendbar, bei dem zwei oder mehr Parteien sich darauf einigen, irgendetwas nicht zu vervielfältigen.
Vollends daneben kann liegen, wer ein hierzulande gebräuchliches Wort im vermeintlichen Ursprungsland verwendet. In den USA kennt niemand ein Handy, auch der Showmaster ist ein unbekanntes Wesen, der Oldtimer heißt vintage car, ein Tramp kann statt eines Anhalters ein Landstreicher sein, und wer glaubt, sich mit dem body bag einen Rucksack zu kaufen, dürfte sich sehr wundern — wenn er einen Leichensack erhält.
Das stimmt alles, Frau Reinhardt (naja, außer das mit dem Body Bag), aber wer glaubt denn ernsthaft, dass man Lehnwörter einfach zurück in die Ursprungssprache übertragen kann?
Was tun, um der Sprachverhunzung Einhalt zu gebieten?
Wir könnten aufhören, sie in uninformierten Glossen und Kolumnen zu beschreien. Nur in solchen Kolumnen findet sich nämlich eine besorgniserregend hohe Konzentration an englischen Lehnwörtern (gut, und vielleicht auf der Homepage der Deutschen Bahn).
Heute in vierzehn Tagen gehen wir an dieser Stelle zum Gegenangriff über. Wir unterwandern die englische Sprache mit deutschen Wörtern und kreieren selber ein völlig neues deutsches Wort, eines, für das es bisher keinen Ausdruck gibt. Machen Sie mit — mit Ihren Vorschlägen über die Kommentarfunktion.
Da kommen Sie zu spät, Frau Reinhardt — viel zu spät. „Völlig neue deutsche Wörter“ sammelt und schöpft Wortistiker Detlef Gürtler seit über zwei Jahren fast täglich, und zwar ohne seinen Leser zuerst mit dem Untergang des Abendlandes auf die Nerven zu gehen.
Hmm, was wäre eigentlich das korrekte reindeutsche Wort für Flame? 😉
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„am besten in Frakturschrift“ … ja komisch, das geht mir auch gerne durch den Sinn, wenn ich solchen Unsinn lese.
Die FR ist bei mir schon vor einer ganzen Weile aus der Presse-Instanz (Session) meines Opera-Browsers geflogen, weil ich beim Lesen zu oft mit dem Kopf auf der Tischplatte aufzuschlagen drohte, vor lauter Aufregung. Vielleicht denkt dort jemand, daß das wilde Gestikulieren und hysterische Händeringen solcher Artikel irgendwie als Wachmacher taugte?
Arrgh. Im Gegenteil.
^_^J.
Von den dortigen Kommentaren ist mir besonders Nummer 4 aufgefallen (von ‘melville’)
“[…] In 1952 nach Kanada ausgewandert, […] mit welcher Hingabe man sich der ‘Veramerikasierung’ der deutschen Sprache heute widmet. […] Die eine mit der anderen zu mischen, ist weder ‘cool’, noch widerlich ‘geil’. […]”
Look who’s talking… In deutschem Deutsch schreibt man entweder “1952 nach Kanada ausgewandert” oder “Im Jahre 1952 nach Kanada ausgewandert”, nur in Denglisch “In 1952”.
Ich schmeiße bei passendem Adressatium gerne mit (häufig adhoc gebildeten und damit Pseudo~) Internationalismen – eher „Transeuroismen“ (oder so) – um mich, also mit akustisch bzw. optisch der Kontextsprache (DE) angepassten Begriffen aus der Hegemonialsprache (EN) mit gräko-romanischer Herkunft, aber beim Nonproliferationsvertrag sympathisiere ich (ohne die Kolumne gelesen zu haben) mit der Ansicht der Autorin. [[[Atom]waffen]sperr]vertrag] ist ein einfacheres Wort als [[Non[pro[liferation]]s]vertrag], indem es dem (polithistorisch unwissenden, d.h. des soziolektalen Lexikons nicht mächtigen) deutschsprachigen Leser wenigstens eine Ahnung seiner Bedeutung lässt. Außerdem ist es etablierter, wodurch es die Referenzfindung erleichtert und erhäufigt, was Internationalismen wiederum über Sprachgrenzen hinweg leisten können.
Ich stimme Herrn Stefanowitsch insbesondere darin zu, dass die Frau die abgegrabbelsten Beispiele wählt und man aus dem Gähnen nicht mehr herauskommt. An diesem Beitrag ist wirklich nichts neu oder originell. Auch das Beispiel mit dem Nonproliferationsvertrag stammt — ich bin mir sehr sicher — von Wolf Schneider. Die genaue Quelle kann ich nicht nennen (zu faul), tippe aber auf sein Journalistenlehrbuch “Die Überschrift”. Das erklärt auch das etwas abwegige Beispiel, denn die Zeiten in denen Atomwaffensperrverträge in aller Munde waren sind längst vorbei, der Iran hat da nur eine zarte Reprise verursacht.
Frakturschrift? Die hatten doch schon die Nazis verboten.
Hallo, ein dickes Lob für diesen (dieses?) Blog. Lese ich sehr gern und oft, da auch die meisten Kommentare zu differenzierten Denken anregen.
Was mir gerade auffällt:
Sie können einfaches HTML-Markup (z.B. <b> oder <i>) verwenden.
Ist das nicht doppelt gemoppelt? Ich wurde immer heftig kritsiert von meinem Umfelt, wenn ich zum Beispiel “HIV-Virus” sagte. HTML steht für “Hyper Text Markup Language”, bin ich überzeugt von! Das zweite Markup würde ich daher weglassen …
Da es bei solchen Artikeln ja ums sinnlose Aufregen geht: Mich nervt das immer wieder gern als Beispiel für den bevorstehenden Untergang herangezogene “downloaden”, nämlich weil es wieder so ein Wort ist, daß Puristen gerne anprangern, nach meiner Erfahrung im Alltag aber praktisch nicht benutzt wird. Zumindest in meinem Umfeld wird tugendhaft deutsch “heruntergeladen”.
Anders sieht es da mit dem Substantiv “der Download” aus — aber das ist nur ein Beispiel dafür, daß über kurz oder lang vor allem die Fremdwörter übernommen werden, bei denen der Gebrauch praktischer oder logischer ist: “die Herunterladung” oder irgendwelche komplexen Wortkonstrukte bieten sich da einfach nicht an. Genau ist die “Homepage” eben angenehmer zu schreiben und auszusprechen, als ständig “Internetseite” oder ähnlich zu sagen.
dirk sagt:
Das stimmt so nicht: Verboten wurde die Benutzung der Frakturschrift 1937 den Jüdischen Verlagen! 1941 erschien dann ein Rundbrief mit der Ankündigung, in Deutschland die Fraktur von der Antiqua ablösen zu lassen. (Die Begründung war bizarr, wie sich im zitierten Wikipedia-Artikel nachlesen läßt.)
Die Assoziation mit Fraktur, die sprachpflegerischer Unfug oft in mir hervorruft, hat außerdem ohnehin wenig mit den Nazis zu tun, sondern mit dem Verein für Altschrift, der „Alldeutschen Bewegung“ und mit neuzeitlichen Artverwandten.
^_^J.
Sorry, Cut-&-Paste-Fehler! Der zweite Link sollte zwar in der Tat auf den Abschnitt Verein für Altschrift in der Wikipedia verweisen, gemeint war aber natürlich ebenjene „Alldeutsche Bewegung“, die in diesem Kapitel behandelt wird. Dem „Verein für Altschrift“ waren ja gerade jene angeschlossen, die die Antiqua zusätzlich zur Fraktur einführen wollten, worauf die „Alldeutsche Bewegung“ dann auch pünktlich Amok lief.
^_^J.
Nun ja, inzwischen sollte das Schema F ausreichend bekannt sein, um mal einen “Nörgl-o-mat” zu bauen, damit Journalisten nicht so viel arbeiten müssen.
@ Georg (8): Nein, das ist keine doppelte Moppelung. Es heißt ja sinngemäß, dass man Markup des Typs (der “Sprache”) HTML verwenden kann, und eben kein XML oder andere.
Nennt man im Deutschen (oder Denglischen) einen Anhalter “Tramp”? Das ist mir neu. Ich kenne den Ausdruck “Tramper”. Auch die Google-Suche nach “Tramp” ergibt für die deutschen Seiten vor allem Treffer für Camping-Ausstatter, Fans von Dynamo Dresden und die “Gruppe Tramp” aus Gera. Nennen diese Menschen ihre Läden, Fußballfanclubs oder Rockformationen “Tramp”, weil sie auf das Per-Anhalter-Fahren anspielen wollen? Ich bezweifle es. Wahrscheinlich wissen diese Leute, was “Tramp” im Englischen bedeutet und brauchen dazu Charima Reinhardt nicht. Aber der geht es ja wohl um eine größere Sache, nämlich die Rettung der deutschen Sprache und der deutschen Kultur, und dafür hat sie sich ganz schön abgeschunden mit dem Ausdenken nichtexistierender Sprachbeispiele. Da wollen wir mal mit den Fakten nicht so kleinlich sein.
Ich sehe da nun auch keine Schwierigkeiten, grade weil alle Länder Kaffee: http://de.wiktionary.org/wiki/Kaffee so oder ähnlich übernommen haben, oder Koffer ist zb. auch arabischen Ursprungs soll die nun “Aktenbehälter” zu sagen nur weil es deutscher ist? Für mich ist es ganz natürlich, dass man Wörter aus einer anderen Sprache für die Heimatsprache anpasst, aus “Official” wird für uns “Offiziell”, das machen aber alle Sprachen so!
Es geht vlt. auch eher dabei um die Wörter, die es schon im deutschen gibt, die man versucht zu verdrängen, Ein Beispiel wäre: “Song” also ich benutze lieber “Lied”, oder “Computer” für “Rechner” was eigentlich genau dasselbe ausdrücken würde.
Ich benutze auch oft Tschau “Ciao” oder Frisör “Friseur”. Aber warum DVD´s mit Stahlhülle mit “Steelbook” angepriesen werden, man auf ein “Event” gehen soll usw. werd ich nie nachvollziehen können.^^ Abersherum ist wieder die Frage: Warum haben wir zb. “Tschau” hier? Gibt ja genügend andere Wörter dafür.
Zeigt eigentlich, dass auch mehrere Wörter hier existieren können.
Bla (Nr. 15): »[…] Koffer ist zb. auch arabischen Ursprungs soll die [?] nun ›Aktenbehälter‹ zu sagen nur weil es deutscher ist?«
[i]Aktenbehälter[/i] ist nicht deutscher als [i]Koffer,[/i] denn [i]Akte[/i] kommt aus dem Lateinischen. (Außerdem ist natürlich nicht jedes Behältnis für Akten ein Koffer, und in einem Koffer kann man auch anderes als Akten transportieren.)
Der Beitrag von Frau Reinhardt war in der Tat überflüssig. Der Kommentar zu ihrem Beitrag allerdings ebenfalls. Und mein Kommentar zum Kommentar erst recht.
@David Konietzko: Mag wohl stimmen, war aber auch eher ein schnelles Beispiel, dann eben: Inhaltsbehälter 😛 Aber ich glaube man versteht, worauf ich hinaus will?
Auch wenn ich inhatlich Anatol Stefanowitsch uneingesachränkt zustimmen muss wie er hier das dümmliche Geschreibsel zerpflückt, so muss ich doch sagen dass der Post selber IMHO leider auch einen gewissen Gähn-Faktor hat. Die Argumente und Beispiele sind ja alle in identischer Form schon hinlänglich hier aus dem Blog bekannt. Nur weil die Nörgler immer in die gleiche Mottenkiste greifen muss der Blog ja nicht auch zum Wiederkäuer werden. 🙂
Daniel (#19), da stimme ich Ihnen sogar zu. Es gibt zwei Gründe, warum ich den Beitrag trotzdem geschrieben habe. Erstens schauen zur Zeit viele neue Leser/innen im Bremer Sprachblog vorbei und die werden durch die großzügige interne Verlinkung auf ältere Beiträge zum Thema Sprachnörgelei aufmerksam gemacht. Zweitens finde ich die Kommentare zu den Beiträgen interessant: ich lerne daraus meistens etwas Neues (siehe hier z.B. die Diskussion zur Frakturschrift oder den Hinweis, dass Tramp gar nicht „Anhalter“ bedeutet — das war mir nicht aufgefallen).
Kristof (#12), das ist eine ausgezeichnete Idee.
Georg (#8), das ist in gewisser Weise tatsächlich doppelt gemoppelt, aber Sprache ist nun einmal rekursiv und so kann man ein völlig akzeptables Kompositum bilden, in dem das Wort Markup zweimal vorkommt: die Markup-Sprache heißt Hypertext Markup Language, eine Markup, das diese Sprache verwendet, heißt dann eben Hypertext Markup Language Markup. Insofern liegt der Fall anders als beim HIV-Virus. Dass Sie von Ihrer Umwelt für die Verwendung dieses Wortes kritisiert werden, sagt aber trotzdem mehr über Ihre Umwelt als über Sie 🙂
Herr Hömig-Groß (#6), ja, ich kenne das Beispiel auch aus dem hier schon öfter mal erwähnten Deutsch für Profis. Ich muss mein altes Exemplar wohl doch langsam mal hervorkramen. Wenn die Sprachnörgler es immer noch als Quelle verwenden, finde ich ja vielleicht auch etwas zum Nörgeln darin.
@ Juliana (#14): Ja, der gute alte Anhalter (gibt’s die eigentlich noch in erwähnenswerter Menge?) heißt auf Deutsch auch Tramper. Wobei das meiner bescheidenen Meinung nach (als einer, der diese Form des Reisens zwischen 1978 und so ca. 1985 reichlich praktiziert hat) eine ächte deutsche Ableitung von trampen ist. Weiß jemand, wann das im Deutschen aufgekommen ist?
Sind Tramper und Anhalter eigentlich Synonyme? Ich finde ja.
@Achim: Das Trampen gibt es wohl schon ein wenig länger. Den missverstandenen Tramp allerdings auch. Siehe BRAVO Foto-Lovestory aus dem Jahr 1983 “Wir trampen zu Supertramp” 😉
http://www.bravo-archiv.de/auswahl.php?link=fls1983.php
Glaubt man Umfragen, sind Anglizismen sowieso populär (obgleich solche Umfragen meist unwissenschaftlich sind, siehe http://www.interkorrektor.de/sprachblog-anglizismen.html). Da jedoch unzweifelhaft junge Leute dem englischen Spracheinfluss gegenüber aufgeschlossener sind, sind solche Artikel wie der in der FR als Belege für das bekannte Altern der Zeitungsleserschaft zu werten.
Es mag sein, dass junge Leute dem englischen Spracheinfluss gegenüber aufgeschlosener sind als ältere. Das ist dann aber durchaus kein Phänomen der letzten Jahre.
“Und kühn verkündet der in das Mädchen und ins modische Englisch verliebte Billie am Schluß in einer Fußnote:…” Der verliebte Billie ist der im Jahr 1927 gerade mal 21 Jahre alte, in Berlin wohnende Billy Wilder, wie Hellmuth Karasek in seiner Biographie berichtet. Offenbar hat diese Mode Geschichte. Und noch dazu eine, die sich weder auf Internet noch auf Fernsehen noch auf Werbung gründen kann.
Hmpf (Cool URLs don’t change)! Inzwischen ist der Artikel hier. Und es gibt einen Leserbrief dazu.
[Kommentar A.S.: Danke, ich habe den neuen Link eingefügt.]
@ Anatol Stefanowitsch (# 20): Das Beispiel mit dem Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, wie es wohl offiziell heißt, steht in Schneiders Deutsch für Profis aus dem Jahr 1984, findet sich aber auch schon im acht Jahre älteren Wörter machen Leute desselben Autors – ein Buch, das im Vorwort zum darin enthaltenen 44-seitigen „Lexikon sprachwissenschaftlicher Begriffe“ den wunderbaren* Satz enthält „Vielen der hier erläuterten Fachwörter wünscht der Verfasser eine möglichst geringe Verbreitung“, auf dem Klappentext aber auch mit der (sicher nicht von Schneider stammenden) Gaga-Formulierung beworben wird „… schärft unseren korrekten Umgang mit der Sprache“.
Witzigerweise schreibt Schneider nicht vom Atomwaffensperrvertrag, sondern vom Atomsperrvertrag, verwendet also von den beiden (heute?) gebräuchlichen Ausdrücken den (inzwischen?) selteneren und vor allem unschärferen und verstößt damit gegen seine eigene Regel „Die engste Einheit benennen“. Seinen Appell an Schreiber, öfter mal schöpferisch tätig zu werden („… hatte ein Journalist in Deutschland den Einfall, der vorbildlich war und sich sogar durchsetzte: Atomsperrvertrag“), finde ich aber gut.
An einer anderen Stelle mag ich Schneider nicht ohne weiteres folgen. Er schreibt: „Proliferation bedeutet Wucherung, hier war das Gegenteil einer wuchernden Ausbreitung […] gemeint – ein schönes Bild, leider mit zwei Nachteilen. Der Mehrheit der Amerikaner konnte sich die Kraft der Metapher nicht erschließen, da sie das medizinische Fachwort nie zuvor vernommen hatten; und daß es sich um Atomwaffen handelt, kam in der Formel nonproliferation treaty gar nicht vor.“ Mir geht es nur um den ersten der hier genannten „Nachteile“. Kann jemand einschätzen, ob da was dran ist?
*„Wunderbar“ ist der Satz in meinen Augen nicht wegen des hier zufälligen Bezugs zum Thema und weil Schneider nicht geschrieben hat, er wünsche den Fachwörtern eine möglichst geringe Proliferation, sondern weil ich beim Lesen laut auflachen musste: ein schönes Beispiel für die feine Ironie eines vordergründig und im Kampf für die eigene Sache stets und komplett humorlos wirkenden Menschen.
Wenn ich mich richtig an den Start der (inzwischen auch programmgemäß vom VDS) inkriminierten “Be Berlin”-Kampagne erinnere, dann richtet sich der Slogan explizit an ein internationales Publikum und er wird für internationale Messen und Auftritte verwendet. Und für die nationale Zielgruppe gibt es auch “Sei Berlin” — siehe hier: http://www.sei.berlin.de/ Garnix wird also gepanscht. Oder wollen die Kritiker sagen, dass man sich mit einem deutschen Slogan (ähem, Werbespruch) an ein Publikum in New York oder Moskau wendet sollte?
Übrigens ist mir aufgefallen, dass Shampoo sich unter der Liste befindet, dies stammt aber nicht aus dem englischen, sondern aus dem indischen Raum: http://de.wikipedia.org/wiki/Shampoo
@Sven T.:
Dänisch: flamme
Englisch: flame
Esperanto: flamo
Französisch: flamme
Italienisch: fiamma
Lateinisch: flamma
Ich würde meinen es ist aus dem lateinischen, wie soviele Lehnwörter.
Wieder pseudo‑, denn auf frz. sagt man coiffeur…
Tut das wirklich jemand außer Microsoft?
“Herunterladung” klingt danach, als würde es den Vorgang beschreiben, nicht das, was heruntergeladen wird bzw. worden ist.
Das Wort “Heimseite” existiert natürlich, ist aber politisch besetzt (FPÖ und noch weiter rechts) und daher tabu. Erinnert mich daran, wie der, äh, Bundessprecher der ö. Grünen, Alexander Van der Bellen, einmal im Fernsehen von der FPÖ gesprochen hat als einer “Partei, die nach dem… Leaderprinzip organisiert ist, um nicht das deutsche Wort zu verwenden”.
LOL. Erinnert mich an “genfreies Österreich” und “atomfreies Österreich”!
Nicht viel. Es stimmt, dass proliferation eher auf etwas angewendet wird, das sich selbst fortpflanzt, als auf etwas, das verbreitet wird, aber “Wucherung” ist viel zu eng.
Bingo! We have a winner.
Mich würde interessieren, was Frau Reinhardt zu dem absolut genialen Wort “Fanboyismus” sagen würde, das ich heute in einem Forum gelesen habe 🙂
@Matthias (#26), eigentlich bedeutet proliferation im biologischen Kontext gar nicht „Wucherung“ sondern schlicht „Wachstum“ (z.B. cell proliferation). Da haut Schneider also schonmal daneben. Dann macht er den Fehler, zu glauben, wenn man den Ursprung eines Wortes nicht kenne, könne man seine Bedeutung nicht erfassen. Das ist Dummfug: jeder Amerikaner weiß, was proliferation im Zusammenhang mit Atomwaffen bedeutet. Und es wird fast ausschließlich in diesem Kontext verwendet. Die „Kraft der Metapher“ existiert nur in Schneiders Kopf: Diesen Fehler habe ich früher häufig bei Fremdsprachenlernern beobachtet: sie erschließen sich Sprachbilder, die dem Muttersprachler gar nicht in den Sinn kommen. Hier finden sich Beispiele: http://tenser.typepad.com/tenser_said_the_tensor/2006/08/my_favorite_ger.html
Schade — Frau Reinhardt hat sich von den doch zu einem großen Teil kritischen Kommentaren nicht beirren lassen und am 8. September, wie angedroht, eine weitere Kolumne veröffentlicht.
Der Incoming-Outgoing-Manager stammt übrigens aus einer dieser vielen Telefonscherz-Radioshows (ich glaube es war auf “PSR Sinnlos Telefon”): der Anrufer schüttet das arme Telefonopfer mit einer Flut selbsterdachter Anglizismen zu, deren Abwegigkeit eigentlich ziemlich offensichtlich war.
Inzwischen ist nun auch “Deutschlandradio Kultur” darauf hereingefallen: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/845417
Verzeihung, dem Link fehlt ein Schrägstrich, ohne funktioniert er leider nicht:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/845417/