Mir fällt gerade auf, dass ich ganz vergessen habe, über die Wörter des Monats zu schreiben, die die Aktion Lebendiges Deutsch — inzwischen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit — alle vier Wochen präsentiert. Wahrscheinlich sollte ich meine vorübergehende Vergesslichkeit als Zeichen verstehen und die Aktion in Zukunft sich selbst überlassen. Aber irgendwie sind die Neubewortungsvorschläge der vier alten Herren doch immer wieder zu unfreiwillig komisch oder zu unfreiwillig lehrreich, um sie zu ignorieren.
Diesen Monat sind sie lehrreich. Beim Publikumsvorschlag macht die Aktion ihren üblichen Fehler — sie wählt eine „Alternative“, die nicht bedeutungsgleich mit dem Lehnwort ist, das sie ersetzen soll:
Unter den 399 Angeboten für das Suchwort des Vormonats „chillen“ hat sich die Aktion für „abschalten“ entschieden — mit Sympathie-Punkten für „pauseln“ und „entschleunigen“.
Lassen wir die Sympathiepunkte für das herablassende pauseln und das lebenshilfige entschleunigen einmal außen vor. Es bleibt die Tatsache, dass chillen nun einmal nicht „abschalten“ bedeutet. Es bedeutet eher so etwas wie „mit anderen zusammen in einer entspannenden Umgebung rumhängen“ — dabei kann man abschalten, man muss aber nicht. Wenn irgendein Mitglied der Aktion Lebendiges Deutsch — oder irgendein Teilnehmer — ein geistiges Alter von unter 80 Jahren hätte, wäre das jemandem aufgefallen.
Lehrreich ist aber nicht die Tatsache, dass die Aktionäre semantisch wieder einmal völlig danebengreifen. Lehrreich ist der eigene Vorschlag der Aktionäre, bei dem sie nur ganz knapp danebengreifen:
Ihr Angebot des Monats lautet: Das „Equipment“ ist natürlich nichts anderes als die gute alte „Ausrüstung“, auch in Peking.
Das klingt zunächst nicht falsch, aber bei näherem Hinsehen steckt ein sehr verkümmertes Verständnis von Bedeutung hinter dieser Gleichsetzung. Die Aktionäre gehen offensichtlich davon aus, dass zwei Wörter, die dasselbe bezeichnen, auch dasselbe bedeuten. Und ich will den Aktionären gerne zugestehen, dass Equipment und Ausrüstung dieselbe Klasse von Gegenständen bezeichnen.
Aber die Fähigkeit eines Wortes, eine Klasse von Gegenständen zu bezeichnen, ist nur ein Aspekt seiner Bedeutung (in der Sprachwissenschaft nennt man diesen Aspekt „Referenz“). Zur Referenz kommen eine Reihe weiterer Bedeutungsaspekte hinzu. Der wichtigste dieser zusätzlichen Aspekte ist der, den wir in der Alltagssprache als „Definition“ eines Wortes verstehen (in der Sprachwissenschaft nennt man diesen Aspekt manchmal den „Sinn“ eines Wortes). Der Philosoph Gottlob Frege, auf den die Unterscheidung zwischen Referenz (bei ihm verwirrenderweise „Bedeutung“ genannt) und Sinn zurückgeht, gibt als Beispiel die Wörter Morgenstern und Abendstern. Beide haben dieselbe Referenz — sie bezeichnen den Planeten Venus. Ihr Sinn aber unterscheidet sich: Abendstern ist definiert als „der erste Himmelskörper, der am Abendhimmel sichtbar ist“ und Morgenstern als „der letzte Himmelskörper, der am Morgenhimmel noch sichtbar ist“ (also, wenn man den Mond und die ISS nicht mitzählt).
Der Unterschied zwischen Ausrüstung und Equipment ist subtiler. Beide haben die selbe Referenz: sie bezeichnen in einer bestimmten Situation die Dinge, die man für die Ausführung einer bestimmten Handlung benötigt. In ihrem Sinn unterscheiden sich die Wörter aber: während der Sinn des Wortes Ausrüstung etwa als „Gesamtheit alles dessen, was für einen Zweck, eine Unternehmung nötig ist“ (Bertelsmann-Wörterbuch) charakterisiert werden kann, muss Equipment im Deutschen eher als „Gesamtheit alles dessen, was ein Profi für einen Zweck, eine Unternehmung verwendet“ definiert werden — so jedenfalls sagt es mir mein Sprachempfinden.
Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass ich mich nur selten ausschließlich auf mein Sprachempfinden verlasse. Sichern wir dieses also empirisch ab. Eine auf Google-Häufigkeiten beruhende Schätzung ergibt, dass das Wort Ausrüstung auf deutschen Webseiten etwa dreimal so häufig ist, wie das Wort Equipment (an sich eigentlich schon ein Zeichen dafür, dass kein Handlungsbedarf seitens der Aktionäre besteht). Das Verhältnis verändert sich aber radikal, wenn wir stattdessen nach den Wörtern Profiausrüstung und Profiequipment suchen: hier schlägt Equipment Ausrüstung mit zwei zu eins (18199 zu 8300) — das Verhältnis dreht sich also um. Damit sich jetzt niemand unnötig aufregt — der Unterschied ist statistisch höchst signifikant (Binomialtest, p<0.001)1. Bei den Wörtern Hobbyausrüstung und Hobbyequipmen vergrößert sich der Abstand dagegen auf 810 zu 110 zugunsten von Ausrüstung (auch dieser Unterschied ist höchst signifikant; Binomialtest, p<0.001)2. Mit anderen Worten: die Sprecher des Deutschen haben das Wort Equipment nicht ohne Grund in ihre Sprache aufgenommen, sondern sie haben damit eine Bedeutungsdifferenzierung erreicht.
Equipment ist also nicht „die gute alte Ausrüstung“, es ist „professionelle Ausrüstung“ — hoffentlich auch in Peking.3
Fußnoten
1 Werte und R‑Befehl für Profiausrüstung vs. Profiequipment: sum(dbinom(0:18100,26400,0.75))
2 Werte und R‑Befehl für Hobbyausrüstung vs. Hobbyequipment: sum(dbinom(840:950,950,0.75))
3 Denn wenn man schon ein Sportereignis höher bewertet als dauerhafte grobe Menschenrechtsverletzungen durch ein Terrorregime, dann will man ja wenigstens mit einem Haufen Goldmedallien dafür belohnt werden, und mit einer Amateurausrüstung wird das schwierig.
Wer sagt denn, daß nicht auch das Wort „Ausrüstung“ denselben Sinn wie „Equipment“ annehmen kann. (Falls es tatsächlich einen Unterschied geben sollte.) Schließlich ist die Sprache lebendig, und man kann nicht das Wort „Ausrüstung“ auf dem Stand von 1989 einfrieren und konservieren.
Übrigens wird „Equipment“ auch im Sinne von „Ausstattung“ verwendet, zum Beispiel in „Baby-Equipment“:
http://www.google.de/search?num=30&hl=de&newwindow=1&safe=off&q=baby-equipment&btnG=Suche&meta=lr%3Dlang_de
Die Kleinkinder sind heutzutage eben schon richtige Profis …
Chillen wäre wohl eher “abhängen”, aber das ist, glaube ich, Jugendsprech von gestern.
Erklärt sich die Bedeutungsdifferenzierung bei Equipment/Ausrüstung nicht mit dem Effekt, dass ein Importwort sehr oft einen positiveren und professionelleren “Sinn” hat als sein alteingesessener Verwandter, der das Selbe referenziert? Anglizismen strahlen eben für viele den Glanz des transatlantisch Modernen aus. Ich glaube, dieser Effekt ist vor allem im Werbe- und Marketingsprech verbreitet.
Mir ist aufgegallen, dass Jugendliche (wer sonst?) häufig das Fremdwort “Equipment” benutzen, wenn sie eigentlich “Gear” meinen. Vermutlich weil sich “Gear” nicht eingebürgert hat.
“Equipment” bezieht sich meistens auf Arbeitsgeräte (z.B. Campingkocher, Bohrer).
“Gear” bezieht sich normalerweise auf Ausrüstung (z.B. Wanderschuhe, Segeljacke).
Uff, aber hier wird’s natürlich komplex — die Frage, was Bedeutung ist, wo sie zu lokalisieren ist, wie Sinn/Bedeutung/Denotation/Extension/Intension usw. zusammenhängen, ist nach wie vor eine sehr umstrittene Angelegenheit. Und Frege halt eben in dem Sinne (!) ein Mentalist.
Aktionäre:
Ich hätte einen Vorschlag zur Titulierung der Herren von der Aktion sterbenssteifes Deutsch. Ein Aktionär ist ja jemand der in das jeweilige Objekt investiert, was ich hier nicht erkennen kann. Vielmehr sehe ich in diesen Leuten Totengräber¹ der deutschen Sprache und würde sie als Aktionisten bezeichnen, das klingt so hybsch nach Aktionismus
Chillen:
Spontan fällt mir hier relaxen als Wort mit deutlicher Bedeutungsüberschneidung ein 😉 Was mich zur Frage bringt, vor welchem Jahr denn ein Lehnwort Eingang in den Sprachgebrauch gefunden haben muss, damit es für die Aktionisten hinreichend deutsch ist? Gilt für Reimporte eine verkürzte Frist, viele Worte germanischen Ursprungs haben sich im englischen ja besser gehalten als im Hochdeutschen?
Equipment:
Ich denke, dass die Argumentation anhand der Verwendung für höherwertiges angreifbar ist, da dies letztendlich nur belegt, dass Marketing-Abteilungen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu den neuen Lehnwörtern greifen als andere.
Ich sehe den Bedeutungsunterschied hier eher darin, dass z.B. die im Begriff mitschwingenden Adjektive equipped und ausgerüstet eine etwas andere Bedeutung — und vor allem andere Konnotationen — haben.
1) Ich (und viele meiner Kollegen) machen inzwischen — unter anderem wegen Nörglern im Geiste dieser Aktionisten — auch vor deutschem Publikum Vorträge auf Englisch, da bei so Computerzeugs eine gewisse Anzahl englischer Begriffen nicht vermeiden ließe.
Man kann bekanntlich mit Kanonen auf Spatzen schießen. Man kann bei der banalen Frage, ob “Ausrüstung” und “Equipment” im “Deutschen” unterschiedliche Bedeutung haben, bei Pontius und Pilatus anfangen. Man kann auch schwierige logisch-philosopische Fragen berühren. Wo wir schon einmal dabei sind, schlage ich vor, noch etwas Quine und etwas Wittgenstein hineinzugeben und kräftig umzurühren.
Allerdings leuchtet mir hier die Unterscheidung zwischen Referenz und Bedeutung sowieso nicht ein. Ausrüstungen für Professionelle und für Amateure sind meistens unterschiedliche Dinge. Wenn “Ausrüstung” und “Equipment” tatsächlich die behauptete unterschiedliche Bedeutung hätten, dann referenzierten sie auch Unterschiedliches. Fälle wie “Morgenstern” und “Abendstern” oder “der Autor von ‘Waverley’ ” und “Walter Scott” sind doch gänzlich anders gelagert.
Mit dem Googeln ist es auch so eine Sache. Suche ich auf deutschen Seiten in deutscher Sprache finde ich mehr Treffer für “Equipment” als für “Ausrüstung”. Das sagt natürlich nicht allzuviel aus, weil man bei “Equipment” auch mehrsprachige Seiten, englische Zitate, Wörterbucheinträge usw. findet.
Andererseits finde ich gut 18.000 Treffer für “Bergsteigerausrüstung”, aber weniger als 100 für “Bergsteigerequipment”. Da würde einem ja angst und bange, könnte man daraus schließen, daß sich die meisten Bergsteiger mit amateurhafter Ausrüstung in die Felswände wagen. Oder sind die Bergsteiger einfach so konservativ, haben sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt, haben sie alle ein geistiges Alter von über 80 Jahren, sind sie womöglich — Gott bewahre! — gar deutschnational?
Wäre die behauptete Bedeutungsunterscheidung tatsächlich allgemein verbreitet, warum neigen dann so viele zu dem Pleonasmus “Profiequipment” oder zu der contradictio in adiecto “Profiausrüstung”? Man kann niemandem raten, einfach “Equipment” zu sagen und zu glauben, daß die Leute schon wissen, daß damit eine Profiausrüstung gemeint ist. Wer auf der sicheren Seite sein will, der drücke sich besser klar aus und sage, ob er sich an Professionelle oder an Amateure wendet. Dann kann er auch gleich bei der altbewährten “Ausrüstung” bleiben. Insofern hat die Aktion Lebendiges Deutsch ja wirklich einmal recht.
Nörgler (#6), Sie sprechen von Kanonen und Spatzen, wenn man zur Beantwortung einer sprachwissenschaftlichen Frage sprachwissenschaftliche (bzw. ‑philosophische) Modelle heranzieht? Was dachten Sie denn, wozu solche Modelle da sind? Man könnte natürlich argumentieren, dass es hier nicht um eine Unterscheidung von Sinn und Referenz sondern um eine Unterscheidung zwischen Denotation und Konnotation geht, aber Kanonen wären das aus Ihrer Sicht vermutlich trotzdem.
Ihre Schätzung für die Basishäufigkeiten der Wörter Equipment und Ausrüstung ist falsch, die Gründe nennen Sie selbst. Ich habe bei meiner Schätzung eine Reihe von verschiedenen Tricks verwendet, um englische Textpassagen auf deutschen Seiten auszuschließen, deshalb traue ich an der Stelle lieber meiner Schätzung.
Ihre Diskussion von Bergsteigerausrüstung ist nicht uninteressant, aber sie krankt etwas daran, dass Sie mein Argument nicht ganz verstanden haben: nur weil Equipment auf dem Weg zu einer Bedeutungsspezialisierung ist, muss Ausrüstung sich nicht ebenfalls spezialisieren. Ich gehe in meinem Beitrag davon aus, dass Ausrüstung nicht näher spezifiziert, ob die verwendeten Gerätschaften Profiniveau haben. Daraus folgt auch, dass Profiausrüstung kein logischer Widerspruch ist. Hobbyequipment wäre da schon eher widersprüchlich, aber Bedeutungsspezialisierungen geschehen nicht über Nacht und Wortbedeutungen können immer durch den Kontext beeinflusst werden. Deshalb habe ich statistisch und nicht kategorisch argumentiert.
Ma (#5): hochwertiges Equipment schlägt tatächlich hochwertige Ausrüstung (3950 zu 2660, p<0.001). Ob das auf Marketingsprache zurückzuführen ist, oder auf den von mir postulierten Bedeutungsunterschied, lässt sich ohne genauere Betrachtung nicht sagen — interessant ist es allemal. Die Konnotationen von equipped und (aus)gerüstet passen gut zur Profi/Amateur-Unterscheidung.
Zetterberg (#3): Das ist interessant. Wir sollten also zusätzlich das Wort Gear entlehnen…
Feigenblatt (#2): Ob Lehnwörter grundsätzlich positiv konnotiert sind, kann ich nicht sagen, aber das hohe Prestige, dass durch die englische Sprache transportiert wird, kann hier tatsächlich die Ursache für die Richtung der Bedeutungsdifferenzierung sein (im Englischen ist bei germanisch-romanischen Doubletten normalerweise auch das französischstämmige Lehnwort in irgendeiner Weise positiver konnotiert).
Thomas Paulwitz (#1): Babyausrüstung schlägt Babyequipment hundert zu eins auf deutschen Webseiten (3190:31). Einen besseren Beleg für die von mir postulierte Bedeutungsdifferenzierung kann ich mir kaum vorstellen. Ja, Sprache ist lebendig, und sie verändert sich durch den Gebrauch, und nicht durch sprachnörglerische Vereine (oder Zeitschriften).
Sie schreiben, dass “chillen” soviel heißt, wie “mit anderen zusammen in einer entspannenden Umgebung rumhängen”. Ich habe das Wort aber schon öfters in Zusammenhängen gehört wie “ich hock mich vor den Fernseher und chill ein bisschen ab” oder “ich geh auf mein Zimmer zum chillen”.
Man kann natürlich immer irgendwelche Unterschiede konstruieren. Die greifbaren Bedeutungsunterschiede tendieren aber m.E. häufig dazu, sich zu verwischen, indem in der sprachlichen Realität “chillen” eben doch praktisch immer durch “entspannen” oder “rumhängen” und “Equipment” durch “Ausrüstung” ersetzt werden könnte. Die Konnotation, da haben Sie natürlich recht, ist eine unterschiedliche. Englische Begriffe haben, sonst würden sie ja nicht von jungen gebildeten Leuten so häufig verwendet werden, praktisch immer die Konnotation +cool, +jung, +trendy, während die deutschen Wörter bestenfalls neutral wirken.
Aber lassen Sie doch den Sprachhegern und ‑pflegern ihr Hobby. Die haben in unserer vielfältigen Gesellschaft einen genauso wichtigen Platz wie, Verzeihung, Besserwisser, die Blogs schreiben.
Sehr geehrter Herr Stefanowitsch,
ich habe ja nichts gegen die Unterscheidungen Sinn, Bedeutung, Referenz, Konnotation, Denotation usw. Ganz im Gegenteil, ich finde sie aus logisch-philosophischer Sicht sehr interessant. Über ihre linguistische Bedeutung (Frege war ja kein Linguist) will ich mir kein Urteil erlauben.
Nur in diesem Zusammenhang sehe ich nicht, was sie zur Klärung beitragen können. Sie scheinen mir eher zur Verwirrung beizutragen. Sie sagen, daß “Ausrüstung” und “Equipment” dasselbe bezeichnen, aber Unterschiedliches bedeuten. Da kann ich Ihnen nicht folgen. Ich danke für die Klarstellung, daß Sie “Ausrüstung” als Oberbegriff und “Equipment” als Unterbegriff für “Profiausrüstung” auffassen. Es gibt doch in der Regel einen recht klaren Unterschied zwischen einer Profiausrüstung und irgendeiner Ausrüstung. Dann bezeichnen aber beide Wörter Unterschiedliches und nicht dasselbe. Anders ausgedrückt wäre in Ihrem Verständnis die Extension von “Equipment” eine Untermenge der Extension von “Ausrüstung”.
Sie sagen selbst, daß “Equipment auf dem Weg zu einer Bedeutungsspezialisierung ist”. Also kann man noch nicht von einer klaren Bedeutungsunterscheidung im allgemeinen Sprachgebrauch sprechen. Ich empfinde diese Unterscheidung nicht, und Sie selbst räumen ein, daß Ihre Google-Ergebnisse auch andere Deutungen zulassen (Konnotation, Werbesprache). In diesem Lichte halte ich Ihren Vorwurf, die Aktion Lebendiges Deutsch lege “ein sehr verkümmertes Verständnis von Bedeutung” an den Tag für — mit Verlaub gesagt — maßlos übertrieben.
Aber lassen wir doch diese logisch-philosophisch-linguistischen Begriffsspielereien beiseite. Die eigentliche Frage ist doch die: Müssen wir wirklich für jede denkbare begriffliche Unterscheidung unterschiedliche “Wörter” verwenden? Wozu haben wir denn Attribute? Wenn ich “Profiausrüstung” meine, warum sollte ich nicht einfach auch “Profiausrüstung” sagen? Warum sollte ich dafür “Equipment” sagen, zumal ich ja — zumindest derzeit — gar nicht wissen kann, ob andere das auch so verstehen?
Deshalb halte ich das Wort “Equipment” im Deutschen für völlig überflüssig, und in diesem Sinne gebe ich der Aktion Lebendiges Deutsch vollkommen recht.
Nörgler (#9), Sie haben also nichts gegen eine differenzierte Sicht von Bedeutung, sie möchten nur nicht, dass man diese Sicht auf tatsächliche sprachliche Probleme anwendet. Bei tatsächlichen sprachlichen Problemen möchten Sie sich lieber darauf berufen, was Sie für „überflüssig“ halten. Dann werden Sie an diesem Blog nicht viel Spaß haben, aber das haben Sie sicher schon selbst bemerkt.
Meine ursprüngliche Hypothese (die ich immer noch für plausibel halte), war, dass es sich bei Ausrüstung/Equipment um einen Referenz/Sinn-Unterschied handelt, dass also nicht wichtig ist, was ein Gegenstand tatsächlich ist, sondern wer ihn in welchem Kontext verwendet. Meine Canon EOS 400D ist keine Profikamera, aber wenn ein Profi sie richtig einsetzt, könnte sie dadurch zum Equipment werden. Für mich ist sie, ganz neutral, ein Teil meiner Fotoausrüstung (oder von mir aus auch ein teures Spielzeug). Dann habe ich die alternative Hypothese ins Spiel gebracht, dass es ein Denotation/Konnotation-Unterschied ist (wobei es abhängig von der verwendeten semantischen Theorie ist, ob das überhaupt eine alternative Hypothese ist, oder nicht eigentlich dieselbe). Dann hat Ma (#5) die Hypothese ins Spiel gebracht, dass die beiden Begriff aus unterschiedlichen Varietäten stammen. Dann können sie ohnehin nicht gegeneinander ausgespielt werden. Nun fügen Sie noch die Hypothese hinzu, dass zwischen den Wörtern ein hyponymisches Verhältnis besteht (ich habe das nicht gesagt oder gemeint, aber ich halte es für möglich — das würde die ersten zwei Hypothesen allerdings noch nicht ausschließen). Die Frage nach der Bedeutung der beiden Wörter ist also noch viel reichhaltiger und komplexer als von mir dargestellt; die Aktion Lebendiges Deutsch hat nicht nur eine, sondern gleich vier Unterscheidungen ignoriert. Und daraus schließen Sie, es sei „maßlos übertrieben“, der Aktion Lebendiges Deutsch ein verarmtes Verständnis von Bedeutung vorzuwerfen? Wenn Sie diese Argumentation überzeugt, ist das Ihre Sache.
Sehen Sie, sie haben es immer noch nicht verstanden: das sind keine Begriffsspielereien, das ist ein Vokabular zur Beschreibung der sprachlichen Realität.
Ach, das ist die eigentliche Frage? Naja, das entscheiden aber nicht Sie oder die Aktionäre, sondern die Sprachgemeinschaft. Das ist für einen Sprachnörgler sicher hart, aber so ist das Leben.
Das können Sie gerne tun. Und dann können sich andere Sprachnörgler über überflüssigen Silbenballast beschweren.
@#9
»Die eigentliche Frage ist doch die: Müssen wir wirklich für jede denkbare begriffliche Unterscheidung unterschiedliche “Wörter” verwenden?
Wenn das die eigentliche Frage ist, gehen Ihre nachfolgenden Ausführungen am Thema vorbei.
Ihr Schluss ist, dass das Wort “Equipment” überflüssig sei. Das aber hat mit der Frage, um die es Ihnen zufolge eigentlich geht, überhaupt gar nichts zu tun. Wenn wir die Frage nämlich verneinen, dann folgt lediglich, dass wir “Equipment” nicht verwenden müssen. Wir können auch “Ausrüstung” sagen. Deswegen ist es aber noch lange nicht überflüssig. Erstens kann es sehr wohl Bedeutungsunterschiede geben, die nicht zwingend sind, zweitens kann “Equipment” in bestimmten Sprachspielen (um dem Wittgenstein-Wunsch zu entsprechen) oder von bestimmten Sprechern aus ästhetischen Gründen vorgezogen werden, und drittens wäre auch eine Synonymität noch kein hinreichender Beleg für Überflüssigkeit. Wenn dem so wäre, dann wären 50% aller Synonyme überflüssig. Na, da würden sich Journalisten und Schriftsteller und so manch anderer aber bedanken.
Sie machen den üblichen Nörglerfehler: Sie argumentieren ins Blaue hinein, und schließen dann auf etwas, das aus der Argumentation überhaupt nicht folgt, nämlich auf die Extrapolation Ihrer eigenen ästhetischen Vorlieben.
Sprachkritiker und Sprachpfleger könnten in der Tat mehr Frege und Wittgenstein lesen, dann brächten sie vielleicht auch ein paar mehr schlüssige Argumente und weniger Fehlschlüsse zustande.
Darf ich auch mal nörgeln? Es ist in diesem Fall sehr problematisch, von einem “statistisch höchst signifikanten” Unterschied zu sprechen. Dies dürfte man nur, wenn die Stichprobe repräsentativ wäre. Davon kann man bei einer Google-Suche aber aus verschiedenen Gründen nicht ausgehen. Ohne gesicherte Repräsentativität darf man aber streng genommen nicht auf Signifikanz testen, auch wenn sich praktisch niemand daran hält.
Und zum Unterschied “bezeichnen” vs. “bedeuten”: Wenn sich “Equipment” eher auf Profi-Ausrüstung bezieht und “Ausrüstung” eben auf Ausrüstung allgemein, +bezeichnen+ beide Wörter eben verschiedene Dinge. Warum die unnötige Verkomplizierung mit Bezeichnung und Bedeutung?
Sauberer fänd ich die Argumentation eh, wenn man hier nicht mit intensional vs. extensional argumentieren würde, sondern eher mit Denotation und Konnotation. Daß also “Equipment” per default mit Professionalität konnotiert wird.
Chillen gibt es aber durchaus auch in der Einzahl, das wäre dann wohl “abschalten”, wenn man aber mit Freunden meint “chillen” zu müssen, ist es “rumhängen” oder “abhängen”, ich find das Wort sowieso dämlich (Und ich bin gewiss noch recht jung ;))
Ein Wort was die Welt nicht braucht, also zum nächsten:
Ich konnte mit dem Wort “Equipment” noch nie etwas anfangen, weiß demnach auch jetzt erst was das heißt, die Leute haben einfach Schwierigkeiten mit ihrem deutsch.
Wer sagt den das “Ausrüstung” nun keine “Profi-Ausrüstung” meint? “Ausrüstung” heißt für mich, das man ausgerüstet ist, also gewappnet ist, da ist es mir ehrlich gesagt vollständig egal wie Profihaft man sich nun ausrüstet…
“Ausrüstung” kommt dem schon sehr nahe,
Ich (#14): „ich find“, „ich konnte mit … noch nie etwas anfangen“, „heißt für mich“, „ist es mir … vollständig egal“ — erkennen Sie das Muster?
Tim, P.Frasa (#12, #13): ich habe doch in meinem Kommentar #10 erklärt, warum ich eine Analyse mit Sinn und Referenz vorgeschlagen habe und dass man auch Denotation/Konnotation heranziehen könnte. Tim (#12), auf Signifikanz testen kann man immer, aber in der Tat ist die Interpretation der Ergebnisse nur dann relativ einfach, wenn die untersuchte Stichprobe repräsentativ ist und sie wird dann unmöglich, wenn die Stichprobe völlig verzerrt ist. Natürliche Daten liegen immer irgendwo zwischen diesen Extremen und das muss man bei der Interpretation berücksichtigen. Ich denke, es gibt in diesem Fall keinen Grund anzunehmen, der Sprachgebrauch im Internet sei irgendwie in Richtung meiner Hypothese verzerrt, deshalb halte ich die Anwendung inferentieller Verfahren für zulässig. Da ich ja deduktiv vorgehe, kann ich aber auch gerne auf Signifikanztests verzichten, stattdessen eine Vorhersage speziell für das deutschsprachige Internet formulieren und dann die Datenerhebung als eine Vollerhebung betrachten. Am Ergebnis ändert das nichts: ich kann die Nullhypothese ablehnen und da die Daten in Richtung meiner Hypothese abweichen diese Hypothese beibehalten (bis jemand einen Gegenbeweis liefert, der nicht auf „ich finde“ beruht…).
@15: Wie schön sie doch Wörter umdrehen können, “chillen” den Ausdrück halte ich für vollkommen nichtig im deutschen Sprachgebrauch, weil es etwas beschreibt, was man nicht beschrieben haben muss bzw. eine Steigerung von etwas beschreibt, was es nicht gibt! Es ist nunmal “entspannen, ausruhen, rumhängen, abhängen” und einige andere Wörter… (Ist halt variabel wie man das anwenden möchte, manchmal benutzt man es als vorhandenes Wort und manchmal als quasi nicht vorhandene Steigerung)
Und komischerweise komme ich ohne “chillen” auch aus in meinem Wortschutz.
Deswegen ist es mir aber nicht egal oder sonstiges, denn sonst hätte ich meine Meinung auch sein lassen können, oder?
Zu “Ausrüstung” da ist die Frage: Wann wird eine Ausrüstung zur quasi “Profi-Ausrüstung”? Für mich bedarf es nunmal kein Steigerung von einer Ausrüstung, denn man ist ausgerüstet, man hat also alles was man braucht, hätte man es nicht, hätte man etwas vergessen.
Ich (#16): „halte ich für vollkommen nichtig“, „komme ich ohne … aus“, „für mich“ — erkennen Sie es jetzt?
Ja und? Ist doch meine Sache ob ich schreib “Ich komm damit aus” wie es mit anderen ist, weiß ich nicht, einige wollen es ja auch garnicht, aber können tuen eigentlich sicherlich alle, sonst würde ich das hier nicht veröffentlichen… 😉
@Ich: Chill mal n bissal!
(Tschuldigung, aber bei so ner schönen Vorlage kann ich einfach nicht wiederstehen.)
Ich glaube, ‘chillen’ hat auch im Deutschen schon eine Bedeutungserweiterung hin zum allgemeinen ‘rumhängen, abhängen, relaxen’ erfahren (in den 60er oder 70ern hat man das ‘gammeln’ genannt). Aber zum ganz korrekten 🙂 chillen gehört eigenlich vorneweg dazu, daß man vorher z.B. in der Disco ‘abgehottet’ hat (auch veraltet, wie heißt das eigentlich heute?) und sich dann in der ‘chill-out zone’ abkühlt, ‘auschillt’ halt.(Mir fällt gerade auf, daß das Wort aus-chillen zusammengeschrieben total blöd aussieht und mit Bindestrich nicht besser). Aber gesprochen ist es hübsch und auch, finde ich, sinnvoll:“Ich muß jetzt mal ein bißchen (aus)chillen” — impliziert: weil ich so erhitzt bin vom Tanzen oder von einer anderen Anstrengung, daß ich abkühlen muß. So gesehen hat ‘chillen’ auch etwas von ‘Feierabend’ in sich.
Merke: Früher hat man einfach nur so rumgegammelt, heute muß man sich das erstmal durch vorherige Anstrengung verdienen…
WENN
DANN
WEIL
ERGO
ERGO
Dem läßt sich wenig hinzufügen. Was ich noch atemberaubender finde als die insgesamt dargebotene sprachwissenschaftliche Ignoranz oder den festen Glauben, daß Sätze automatisch mit Beweiskraft ausgerüstet sind, sobald ihnen ein „weil“ oder „deswegen“ umgeschnallt wird, ist die phantastische Arroganz, die sich hier präsentiert: Was ich nicht brauche, dessen Sinn sehe ich nicht, also braucht es auch niemand anders. Und da ich es nicht schön finde, wenn in den Nachbargärten Pflanzen wachsen, die ich für häßlich oder nutzlos oder gar für Unkraut halte, gründe ich eine Pflegeinitiative mit dem Ziel, alle anderen so lange mit meiner persönlichen Gartenästhetik unter Druck zu setzen, bis sie ihre Fleckchen Erde wieder konform zu meiner Vorstellung gestalten.
Oh, und das letzte Wort im ersten Zitat finde ich in seiner erheiternden Unfreiwilligkeit sehr passend gewählt.
^_^J.
Dankeschön für den Hinweis, dies war natürlich nicht beabsichtigt, aber unfreiwillig komisch. ^^
Das U sollte ein A sein, nein jeder kann gerne so schreiben wie er will, aber ich persönlich brauche dafür kein eigenes Wort, wie es mit anderen ist sieht man ja, anscheinend doch (Sonst wäre ja diese Aktion erst garnicht angefangen)
@suse: abgehottet? Ist das sowas wie in der Diskothek abgehen oder wie?
Außerdem stelle ich mir die Frage, wieso überhaupt “chillen”? Wieso nicht direkt anpassen wie “tschillen” oder “schillen”?
Aber naja das kann mir eh keiner mehr beantworten. xD
Ich will jetzt nicht darüber reden, wer was “immer noch nicht verstanden” hat. Auch nicht darüber, wer hier “ins Blaue hinein” argumentiert. Immerhin sind wir ja jetzt schon bei vier Hypothesen zu “equipment” angelangt. Aber man darf natürlich keine Gelegenheit auslassen, der Aktion Lebendiges Deutsch eins auszuwischen. Also schließt man messerscharf, daß die Aktion — horribile dictu — nicht nur eine, sondern vier Hypothesen ignoriert.
Unterschiedliche Wörter unterscheiden sich zumeist irgendwie, etwa in Bedeutung, Sinn, Referenz, Konnotation, Denotation, positiven und negativen Assoziationen usw. usw.; sie können verschiedenen Sprachebenen angehören, von verschiedenen Sprachgemeinschaften benutzt oder gemieden werden; sie können auch genutzt werden, um ganz banalen Gedanken einen hochwissenschaftlichen Anstrich zu geben. Das weiß jeder, der sich auch nur oberflächlich mit Sprache beschäftigt. Und das würde ich zunächst auch den Mitgliedern der Aktion Lebendiges Deutsch und anderen “Sprachnörglern” unterstellen.
Ich will auch nicht darauf eingehen, ob es “die Sprachgemeinschaft” gibt und in welchem Sinn sie irgend etwas “entscheidet”. Aber wenn es so ist, warum dann nicht alles dieser Sprachgemeinschaft überlassen? Warum immer wieder und immer mit den gleichen ermüdenden Argumenten auf die Aktion eindreschen? Überlassen sie sie doch wirklich einfach sich selbst.
Über eines möchte ich aber schon reden: Über die auffallende Aggressivität vieler Beiträge diese Blogs. Ein Beispiel ist die herablassende Arroganz, mit der “Ich” hier abgefertigt wird. Natürlich, über Geschmack, Stil und Höflichkeit läßt sich streiten. Das sind wohl auch keine “wissenschaftlichen” Begriffe, auch wenn sie im täglichen Leben eine nicht unwichtige Rolle spielen.
Einige der Teilnehmer an diesem Blog scheinen die Menschen in zwei Gruppen einzuteilen: in Sprachwissenschaftler und Deppen. Die Oberdeppen sind natürlich die “Sprachnörgler”, die von nichts eine Ahnung haben, noch nie Frege oder Wittgenstein gelesen haben. Dieser Begriff ist ja ganz offenkundig absichtlich wegen seiner negativen Assoziationen gewählt worden. All das ist wenig geeignet, den Eindruck wissenschaftlicher Objektivität zu erwecken. Ganz im Gegenteil, daraus spricht eine geradezu penetrante ideologische Voreingenommenheit.
Zum Abschluß noch ein Zitat, das zeigt, daß ein Sprachwissenschaftler auch anders über diese Dinge reden kann (Peter Eisenberg bei der Verleihung des Konrad-Duden-Preises):
„Immer wieder packen den normalen Sprachteilhaber Zorn und Ekel, wenn er sich der Sprachmacht ignoranter, prätentiöser, eitler und bewußt irreführender Lancierung von Anglizismen gegenübersieht, sei er nun Sprachwissenschaftler oder nicht. Einem Diskurs, der sich dieser Sprachmacht entgegenstellt, wünsche ich allen Erfolg.“
Eine Frage, die mir, halb OT, beim Lesen (nicht nur) dieser Diskussion einfällt: gab es vor etwa 200 Jahren, als die deutsche Sprache stark französisch beeinflusst wurde, auch vergleichbar[1] heftige Widerstände wie heute gegen die englischsprachigen Einflüsse?
[1] “vergleichbar” mangels Massenmedien natürlich nur mit Abstrichen.
@marvinn
Da fällt mir, auch wenn es weit länger als 200 Jahre her ist, die Fruchtbringende Gesellschaft ein, die neulich erst wieder neu gegründet wurde. http://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbringende_Gesellschaft
Sprachpflege gab es also auch damals schon in organisierter Form. Wobei man freilich den gänzlich anderen Kontext beachten muss, die Sprachpfleger von damals also nicht unbedingt mit der Aktion Lebendiges Deutsch oder dem VDS, bzw. deren Zielen, vergleichbar ist.
@Nörgler
Jetzt lassen wir Argumente mal ganz beiseite und reden uns stattdessen in die Opferrolle? Oder verstehe ich Sie falsch?
Dieses Blog hier würde es in der jetzigen Ausrichtung sicherlich nicht geben, wenn es nicht die Sprachnörgler wären, die zuerst ihre Mitmenschen mit ihrem Präskriptivaktionismus nerven würden. Gleiches gilt für mein eigenes Blog.
Sofern solche “sprachkritischen” Ansätze auf rein ästhetischer Ebene vorgetragen werden, habe ich für meinen Teil überhaupt nichts dagegen. Mich stören Anglizismen schließlich auch häufiger als sie mir gefallen. Aber wenn aus ästhetischen Vorlieben Normen gestrickt werden sollen, wenn z.B. andere Sprecher dafür kritisiert werden, dass sie andere Ausdrucksweisen schön finden, dann kann ich das nicht dulden. Und dann gibt es auch deutliche Worte.
Nörgler, diese Art der Zitation aus der Rede von Peter Eisenberg ist eine bodenlose Frechheit und überschreitet schwungvoll die Grenze zur mutwilligen Täuschung. Weswegen vermutlich auch die Quellenangabe (PDF) fehlt. Denn die Darbietung in dieser Form erweckt den Eindruck, als handle es sich um die persönliche und uneingeschränkt ernsthafte Ansicht von Peter Eisenberg. Tatsächlich lautet der Absatz im Kontext wie folgt:
Gefolgt von Eisenbergs Fazit zum Themenkomplex „Denglish“:
Dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit mit einer Zitatverfälschung durch Auslassen von Quellenangabe und Kontext entgegenzutreten, hm, was läßt sich dazu sagen.
„Jämmerlich“ käme in den Sinn.
^_^J.
Aber ist “chillen” nicht eher ein “Jugendwort”? Wer mal in die Vergangenheit schaut, wird feststellen, dass die anderen Modewörter auch heute niemand mehr kennt. Außerdem versuchen doch grade die Jugendlichen sich anders auszudrücken, damit sie nicht verstanden werden, D.H. man sucht für etwas ein Wort, was vlt. in 5–10 Jahren eh vorbei ist. Dann geht ein anderes Wort ins Rennen, außerdem spielen die auch mit deutschen Wörtern (Gibt ja genügend Bücher zu dem Thema) was aber dann auch kein Mensch verstehen kann.
Das einzige was Ausrüstung hindert und einige anderer Wörter, ist dass sie langweilig klingen, bzw. aus Wortfetzen bestehen, die man tausend mal hört würde man ohne Fremdwörter leben (Und nach einigen Leuten wohl zuoft schon hört, weil sonst wäre diese Flut an Anglizismen nicht da).
@gyokusai
Ihr Beitrag bestätigt meinen Eindruck, daß in einigen Beiträgen in diesem Blog eine auffallende, mir schwer verständliche Aggressivität zum Ausdruck kommt.
Gegenüber “Ich” haben Sie sich ja in dieser Hinsicht auch schon besonders hervorgetan.
@Thomas Müller
Ich weiß nicht so recht, was Sie mit “Opferrolle” meinen. Ich habe jedenfalls nicht davon gesprochen. Ich weiß deshalb auch nicht, ob Sie mich falsch verstehen. Wenn ja, würde ich Ihnen jedenfalls nicht sagen: “Haben Sie es denn immer noch nicht verstanden?”
Sie sagen, daß Sie nichts gegen ästhetische Urteile haben, sondern nur etwas gegen den sog. “Präskriptivismus”. Der Vorwurf des Präskriptivismus kann wohl mit gewissem Recht gegen den Duden und gegen Bastian Sick, der sich seinerseits ja häufig auf den Duden stützt, erhoben werden. Dort wimmelt es ja von Aussagen zu “richtig” oder “falsch”. Bei der Frage der Anglizismen oder der Fremdwörter allgemein geht es aber nicht darum, sondern um Angemessenheit, Verständlichkeit, Schönheit, also in der Tat überwiegend um Werturteile oder ästhetische Urteile.
Gerade deshalb halte ich die hier immer vorgetragenen Argumente, dieser oder jener Anglizismus habe doch eine andere Bedeutung oder andere Assoziationen als ähnliche deutsche Wörter für so gegenstandslos. Sie widerlegen jedenfalls nicht die Werturteile der “Sprachnörgler”, denen ich, jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils, unterstellen würde, daß sie sich über diese banale Tatsache durchaus im klaren sind. Es geht in diesen Fällen eben um eine Güterabwägung: Was wiegt schwerer, die empfundene “Häßlichkeit” eines Wortes oder die mit ihm verbundene Bedeutungsfeinheit? Rein “wissenschaftlich” läßt sich das eben nicht entscheiden. Und wenn ich ein Wort für “überflüssig” halte, weil ich meine, daß alle mit ihm verbundenen Bedeutungsfeinheiten oder Assoziationen sich auch anders ausdrücken lassen, geht es am Thema vorbei, diese Aussage als “unwissenschaftlich” zu bezeichnen. Das Argument “ich benutze das Wort ‘Equipment’, weil ich es so schön finde” habe ich dagegen in diesem Blog nicht gefunden. Es wäre ja auch vollkommen unwissenschaftlich.
Nun ist Sprache ja eine gesellschaftliche Erscheinung, und die Menschen sprechen nicht nur mit sich selbst. Deshalb halte ich es für ganz natürlich, daß diejenigen, die ein Übermaß an Anglizismen für unschön halten, auch andere Menschen von ihrer Auffassung zu überzeugen versuchen, in der Öffentlichkeit für ihre Meinung Werbung machen. Warum sollte sonst die Aktion Lebendiges Deutsch (ALD) eine Internetseite unterhalten? Sie versucht ja auch, argumentativ vorzugehen, etwa indem sie deutsche Wörter als Alternativen anbietet. Viele dieser Vorschläge scheinen mir allerdings wenig geglückt, andere verstehen sich von selbst. So braucht wohl niemand die Hilfe der ALD um zu wissen, daß man für “Equipment auch “Ausrüstung” sagen könnte. Mag sich auch die ALD gelegentlich zu Übertreibungen hinreißen lassen oder sich im Ton vergreifen, ist das wirklich ein so schrecklicher “Präskriptivismus”? Schließlich braucht sich ja niemand darum zu scheren.
Ob die deutsche Sprache überhaupt erhaltenswert ist, ist natürlich auch eine Wertfrage. Wenn man sie bejaht, kann man sich aber auch Fragen nicht rein ästhetischer Natur stellen: Welchen Einfluß haben Anglizismen etwa auf den Aufbau und die Entwicklung des deutschen Wortschatzes; auf die internationale Stellung des Deutschen; auf die Verständigung zwischen verschiedenen Sprechergruppen und zwischen den Generationen; auf die sprachlichen Erscheinungsformen von sozialen und Bildungsunterschieden? Wenn die Sprachwissenschaft überhaupt in der Lage ist, Antworten auf solche Fragen zu geben: Wären das nicht lohnende Forschungsthemen? Wenn nicht, dann sollte die Sprachwissenschaft in der Frage, um die es hier geht, besser schweigen.
Wieso nehmen Sie an, dass die Sprachwissenschaft sich um diese fragen nicht kümmert? Mein Magisterarbeitsthema geht jedenfalls in Richtung Ihrer Fragen. Und Herr Stefanowitsch verdient sein Geld ja nun auch nicht primär damit, die Umtriebe der Aktion Lebendiges Deutsch zu kommentieren.
Ihre Argumentation davor verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Mir ist nicht klar geworden, welche Position sie in Sachen Deskriptivismus/Präskriptivismus/ästhetik nun eigentlich vertreten. Sorry! 🙂
Zum Thema “chillen”: Ich denke, hier hat man es wohl einfach damit zu tun, daß sich Wörter gerade dann schneller wandeln als andere, wenn das, was sie beschreiben, stark von der entsprechenden Gruppe und Generation abhängt.
In anderen Worten: Die heutige Jugend (und bemüht oder tatsächlich Junggebliebene) hat andere Vorstellungen davon, was es heißt, sich zu entspannen oder in ruhiger Atmosphäre Spaß zu haben, als es früher der Fall war — deswegen sagen sie eben normalerweise nicht “ausspannen” oder “relaxen”. Für die meisten jüngeren Menschen dürften diese Wörter auch eher mit Mitdreißigern beim Digestivtrinken, älteren Saunagängern oder ähnlichem verbunden sein, nicht mit was immer auch es ist, das die verzogenen jungen Lümmel derzeit so anstellen.
Deswegen halte ich auch nicht viel davon, irgendwelche “neuen” Wörter als überflüssig zu bezeichnen. Die Sache mit den mehr oder weniger subtilen Bedeutungsunterschieden wird hier im Blog ja zur Genüge angesprochen, und wenn man sprachliche Veränderungen nicht akzeptiert, dann spricht man sich indirekt auch gegen Wandel in Kultur und Ansichten aus. Ob die Sprachnörgler das unbewusst oder ganz gezielt tun, sei jetzt mal dahingestellt.
Selbst etwas rauhere Auseinandersetzungen schaden selten dem wissenschaftlichen Prozeß. Falsches Zitieren schon.
Aber mir ist natürlich klar, daß gerade diejenigen, die dabei erwischt werden, wie sie sich die längste Nase wachsen lassen, gleichzeitig die delikatesten, empfindsamsten Seelchen haben. Und dies für andere, wohl um der Gesellschaft willen, auch gleich mit — andere, so ist zu bemerken, die erfrischenderweise bislang keine derartigen Krokodilstränchen in eigener Sache zu vergießen hatten.
^_^J.
@Thomas Müller
Ich weiß natürlich, daß auch Sprachwissenschaftler sich mit Anglizismen, Fremdwörtern usw. beschäftigen. In der Preisrede von Peter Eisenberg ist ja auch von Untersuchungen über die grammatische Integration der Anglizismen die Rede. Das ist aber eher ein Nebenschauplatz. Überhaupt sind durchschlagende Ergebnisse solcher Arbeiten jedenfalls nicht einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgeworden.
Ich habe auch nicht angenommen, daß Anatol Stefanowitsch seinen Lebensunterhalt mit diesem Blog bestreitet. Andererseitsa finde ich in der Liste seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen nur zwei Beiträge, die erkennbar mit dieser Dikussion in einem gewissen Zusammenhang stehen: “Loanwords in a usage-based model” und “Bilingual puns and the status of English in Germany”.
Sie sagen, Ihnen sei nicht klargeworden, welche Position ich in der Frage Deskriptivismus/Präskriptivismus/ästhetik vertrete. Es tut mir leid, falls ich mich nicht klar genug ausgedrückt haben sollte. Andererseits wäre es wohl nicht ganz am Platze, hier einen erkenntnistheoretischen Aufsatz einzustellen. Für besser hielte ich es, wenn Sie mir sagen würden, welche meiner Aussagen Ihnen unklar erscheinen.
In aller Kürze nur folgendes: Ich halte reine Sach- und Wertaussagen für inkommensurabel. Die Wissenschaft kann nur Sachaussagen liefern. Sie kann nur sagen, was ist, aber nicht, was sein sollte, was wünschenswert oder was schön ist. Das heißt aber auch, daß die Wissenschaft reine Werturteile nicht widerlegen kann.
Im wirklichen Leben sind allerdings Wert- und Sachaussagen häufig eng verquickt und nur mit gewissem analytischen Aufwand auseinanderzuhalten. Es ist natürlich sinn- und verdienstvoll, offene oder versteckte Sachaussagen (etwa über die englische Bedeutung von “public viewing”) auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und ggf. zu widerlegen.
Andererseits lassen sich aus einer Verbindung von Sach- und Wertaussagen weitere Wertaussagen ableiten. Wenn etwa die Medizin feststellt, daß ein bestimmter Stoff krebserregend wirkt, so drängt sich die präskriptive Aussage, diesen Stoff besser zu meiden, ja geradezu auf, weil die meisten Menschen auf Gesundheit und langes Leben großen Wert legen. In diesem Sinne ist eben die Wissenschaft nicht absolut “wertfrei”.
Zum Abschluß noch zwei Zitate aus einem Aufsatz von Gisela Zifonun, Sprachwissenschaftlerin am Institut für deutsche Sprache, die sicherlich keine ausgemachte “Sprachnörglerin” ist:
“Zum Recht auf die eigene Sprache
gehört selbstverständlich auch das Recht zur Kritik am
Sprachgebrauch anderer. Wo wir durch den Sprachgebrauch
anderer im Verständnis des Kommunizierten behindert
werden, wehren wir uns mit Recht. Wenn der
Sprachgebrauch anderer uns manipulativ oder auch nur
grammatisch inkorrekt, stilistisch verquer oder schlicht
unschön erscheint, brauchen wir damit nicht hinter dem
Berg zu halten.”
Zum Sprachgebrauch von Telekom und Deutscher Bahn:
“Dass hier, zumindest wo es um Information und
Orientierung für die Bürger geht, nicht wenigstens zweisprachig
verfahren wird, also Auskunft neben meinetwegen
ServicePoint, ist und bleibt ärgerlich und zeugt von Überheblichkeit.
Dass der Bürger zumindest auf Deutsch zur
Kasse gebeten werden muss, scheint inzwischen angekommen
zu sein, schaut man sich die Telekom-Rechnungen
an.”
“Disclaimer”: Natürlich zitiere ich sehr selektiv das, was mir in diesem Zusammenhang von Bedeutung erscheint. Wer den ganzen Aufsatz lesen möchte, der gehe zu http://www.ids-mannheim.de/pub/laufend/sprachreport/pdf/sr02‑3.pdf.
Nö, echt jetzt — da fährt man ein paar Wochen in den Urlaub und verpasst den ganzen Spaß…
@Nörgler: Ich finde nicht, daß man den Sprachgebrauch anderer nicht kritisieren darf. Wenn ein Unternehmen englische Werbung macht und nicht begreift, daß sie damit ihre Kunden wohl vergrault, weil die diese mißverstehen, dann ist das Dummheit und Unfähigkeit, innovativ, aber zielgerichtet zu kommunizieren. Wenn ein Mensch in seiner Bewerbung zu einem Job umgangssprachliche Formulierungen benutzt, dann weiß er nicht, wie er die Sprache stilgerecht benutzen muß, um an sein Ziel zu gelangen.
Das sind aber alles Fälle, wo es um einzelne Menschen geht, die den geltenden kulturellen Kodex nicht beherrschen. Die gab es immer und das wird auch immer so sein. (Und das ist auch nicht wirklich schlimm.)
Vollkommen irrsinnig ist es aber z.B. über den allgemeinen Sprachgebrauch einer ganzen Gesellschaft (oder Schichten davon) so urteilen zu wollen — denn dann handelt es sich nicht mehr um Einzelinkompetenz, sondern um einen Wandel in der Sprache.
Und natürlich kann hier die Wissenschaft nicht “werten”. Ich kann theoretisch behaupten, es sei grauenhaft und furchtbar, daß wir keinen Lokativ haben und niemand kann mir das Gegenteil beweisen, weil das Geschmackssache ist. Aber was man mit großer Wahrscheinlichkeit widerlegen kann, ist daß der Genitivverlust, die fehlerhafte Apostrophenschreibung, usw. zu geistiger Verarmung und/oder dem Niedergang unserer Kultur sorgen werden; denn vergleichbare Fälle hat es zu Tausenden gegeben, und sowas ist nie eingetreten. Und genau auf der Ebene wird ja meist argumentiert.
Und außerdem mag ich keine Windmühlenkämpfer, egal ob sie ästhetisch oder sonst wie argumentieren. Wenn ich die und jene sprachliche Form schön oder zweckmäßig oder präzise finde — gut. Aber ich werde nie den Sinn im Missionieren verstehen.