Alarmierende Neuigkeiten aus der Welt der deutschen Rechtschreibung erreichen uns dieser Tage: Rechtschreibreform bringt wenig Nutzen (Pressemeldung, z.B. bei die news), Schüler machen doppelt soviele Fehler (Börsenblatt.net) und, mit der typischen Gewissheit der Ignoranz: Wegen Rechtschreibreform machen Schüler mehr Fehler (Bild.de). Auslöser dieser Horrormeldungen ist eine Studie, über die ihr Autor, Uwe Grund, am Wochenende auf der Jahrestagung der „Forschungsgruppe Deutsche Sprache“ berichtet hat.
Diese Studie hat mich natürlich interessiert, also habe ich sie mir genauer angesehen (der Vortragstext steht hier zum Herunterladen bereit). Und was ich da lesen musste, hat mich ehrlich entsetzt.
Der Autor umreißt seine Ziele klar und knapp:
In meinem auf Einladung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache gehaltenen Vortrag werde ich mich in der gebotenen Kürze mit einer Bestandsaufnahme zur orthographischen Situation in der Schule befassen. … Ich werde anhand einiger Diagramme und Tabellen Situationsbilder zum Deutschunterricht vor und nach dem Stichjahr 1996/98 vorlegen (Grund 2008, S. 1).
Und das tut er dann auch: Er errechnet zunächst Fehlerquoten in Schülerdiktaten aus den Jahren 2004–2006, also acht Jahre nach dem von ihm gewählten Stichjahr. Das ist ein vernünftiger Zeitraum, da man so sicher sein kann, dass die Lehrer ausreichend Zeit hatten, sich mit den neuen Regeln vertraut zu machen und dass die Schüler tatsächlich von Anfang an nach den neuen Regeln unterrichtet worden sind.
Diese Fehlerquoten vergleicht er dann mit Daten, die vor der Rechtschreibreform erhoben wurden. Und dieser Vergleich fällt drastisch aus. Hier zum Beispieil die Veränderung der durchschnittlichen Fehlerquoten in vier Vergleichsdiktaten (Grund 2008, S. 3):
Schockierend.
Nein, es ist nicht die Verdoppelung der Fehlerquote, die mich hier schockiert. Es ist Grunds Vorgehensweise. Sehen Sie noch einmal genau hin: seine Vergleichsdaten stammen aus den Jahren 1970–1972. Der Vergleichszeitraum liegt also, wie Grund ankündigt, vor der Rechtschreibreform — 26 Jahre davor, um genau zu sein.
Mit anderen Worten, zwischen den beiden „Situationsbildern“ liegen 34 Jahre. Vierunddreißig Jahre. Vierunddreißig Jahre, in denen sich Deutschland völlig verändert hat — die Wiedervereinigung, die Globalisierung der Wirtschaft, Politik und Kultur, der Wandel von einem relativ abgeschotteten Fleckchen am Rande der westlichen Welt zu einem Einwanderungsland im Zentrum Europas sind nur drei relativ drastische Entwicklungen, die einem spontan einfallen (und nur, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich begrüße alle drei).
Vierunddreißig Jahre, in denen sich aber vor allem auch die Inhalte, Schwerpunkte und Ziele des Deutschunterrichts völlig verändert haben. Genau in die siebziger Jahre fällt eine Entwicklung weg von einem an vorgegebenen Regeln und Darstellungsformen orientierten Schreibunterricht hin zu einem kommunikativen, auf kreative Sprachverwendung ausgerichteten. Die Deutschdidaktiker Jürgen Baurmann und Otto Ludwig haben die neue Philosophie des Deutschunterrichts einmal prägnant wie folgt zusammengefasst:
Ziel des Schreibunterrichts ist dann nicht mehr die Einübung einiger Aufsatzformen, sondern die möglichst vielseitige Entwicklung, Ausbildung und Entfaltung der Schreibpotentiale junger Menschen, nicht die Erfüllung vorgegebener Normen, sondern die Etablierung eines Vermögens (Baurmann/Ludwig 1996).
Man muss auch diesem Wandel nicht unkritisch gegenüberstehen, aber auf jeden Fall stellt er einen drastischeren Einschnitt in die schriftsprachliche Ausbildung von Schülern dar als die paar Anpassungen der Rechtschreibung, die seit Jahren als „Reform“ gelobt und getadelt werden.
Es gibt deshalb keinen Grund anzunehmen, dass die Unterschiede bei den Fehlerquoten in Schülerdiktaten von damals und heute irgendetwas mit der Rechtschreibreform zu tun haben. Genausogut könnte man die Unterschiede auf die Ölkrise 1973, den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau 1980, den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1990 oder Roman Herzogs „Ruck“-Rede 1997 zurückführen. Die Studie, die Grund vorlegt, ist so nichtssagend, dass ihre mediale Verbreitung im Rahmen der Anti-Reform-Propaganda der „Forschungsgruppe“ an Böswilligkeit grenzt.
Ich betreibe ungern Kollegenschelte (und wenn ich das richtig sehe, ist Grund eine Art Kollege — er hat 1972 zum Thema „Studien zur Sprachgestaltung in Theodor Gottlieb von Hippels Roman Lebenslaeufe nach aufsteigender Linie“ promoviert). Aber ich muss es so deutlich sagen: Wenn ein Student mir diese Studie als Hausarbeit in einem Einführungsseminar vorlegen würde, ich würde sie ihm (bildlich gesprochen, natürlich) rechts und links um die Ohren hauen.
Ob die neue Rechtschreibung aus der Sicht des Lerners eine Verbesserung darstellt, ist eine ernstzunehmende sprachwissenschaftliche Fragestellung. Wenn mir jemand saubere Argumente gegen die neue und für die alte Rechtschreibung liefern könnte, würde ich mich den Reformgegnern sofort anschließen.
Aber wer sich dieser Fragestellung auf eine derart schlampige und ungenaue Art nähert, bringt damit sowohl ernsthafte Reformgegner als auch sprachwissenschaftliche Methoden in Verruf.
Ist das dem Autor der Studie nicht klar? Ich weiß es nicht, aber er liefert einen kleinen Hinweis darauf, dass ihm die schweren Mängel seines Vorgehens bewusst sind. Gleich nachdem er das Ziel seines Vortrags formuliert, fügt er folgende Einschränkung hinzu:
Vorab möchte ich betonen, daß ich quellenkritische und methodologische Überlegungen schon aus Zeitgründen nicht anstellen werde. Dies betrifft u.a. die Erhebung der Daten und die Klassifikation der Fehler, die ja eigentlich nur Teil einer Klassifikation der Leistungen von Schülern sein sollte, nicht vorrangig der von Fehlleistungen (Grund 2008, S. 1).
Methodologische Überlegungen sind aber das A und O der Wissenschaft. Wer da schon versagt, der kann sich den Rest sparen.
BAURMANN, Jürgen und Otto LUDWIG (1996) Schreiben: Texte und Formulierungen überarbeiten. Basisartikel. Praxis Deutsch 23, 13–21.
GRUND, Uwe (2008) Vergleichende Studien zu Rechtschreibleistungen in Schülertexten vor und nach der Rechtschreibreform. Erste Ergebnisse und Desiderate der Forschung. Vortrag auf der Jahrestagung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, Stuttgart. [PDF, 60KB]
Es ist natürlich Unsinn, die genannten Ergebnisse “auf die Ölkrise 1973, den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau 1980, den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1990 oder Roman Herzogs „Ruck“-Rede 1997” zurückzuführen. Diese Ereignisse können keinen Einfluß gehabt haben, da sie lange vor der Einschulung der in der Untersuchung einbezogenen Schüler passiert sind. Es handelt sich also um reine Polemik und Effekthascherei. Wie immer in der Geisteswissenschaft sollte die naheliegende Erklärung als am wahrscheinlichsten angesehen werden. Und da die Urheber der Rechtschreibreform eine drastische Abnahme der Fehlerzahlen ohne zusätzlichen Unterricht versprochen hatten und dieses Versprechen wohl nur durch eine Veränderung der Orthographie hätte erreicht werden können, ist die einzige logische Erklärung für die Ergebnisse der Studie ein Mangel der “neuen” Orthographie.
Übrigens ist es nicht Herrn Dr. Grund anzulasten, daß Daten “aus den Jahren 1970–1972” herangezogen werden mußten. Die Urheber der Reform, die Reformkommission und die Kultusminister haben es ja leider versäumt, eine vergleichende Studie durch rechtzeitige Erhebung von Vergleichsdaten (bspw. zu Anfang der 1990er Jahre) vorzubereiten. Oder haben sie das vielleicht gar nicht “vergessen”?
Wenn Sie also “besser” geeignetes Datenmaterial vorzuweisen haben: Gerne!
Herrn Bluhme ist zuzustimmen. Auch wenn ich die sonstigen Beiträge in diesem Blog sehr schätze, scheint mir Herr Stefanowitsch hier danebenzuliegen. Es sei denn, er kann einen Beleg dafür anführen, dass durch Einwanderung und Globalisierung auch in anderen Staaten der Welt die Rechtschreibkompetenz in der jeweiligen Landessprache so dramatisch gesunken ist wie in Deutschland. Das scheint aber noch nicht bewiesen worden zu sein.
»Die Studie, die Grund vorlegt, ist so nichtssagend, […].«
Das ist sie nicht, denn die Fehlervermehrung ist an sich schon ein interessantes Ergebnis, das einen Handlungsbedarf aufzeigt. Daß der Anstieg nicht nur auf die Reform zurückzuführen sein muß, ist natürlich richtig. Deshalb schreibt Grund auch auf Seite 5 der PDF-Datei:
»Wir müssen natürlich damit rechnen, daß sich seit den 1970er und 1980er Jahren auch schon vor
der Einführung der neuen Regeln die Rechtschreibleistungen verändert haben.«
Entsprechend wies Theodor Ickler (Sprachwissenschaftler und Mitglied des Beirates der FDS) am 27.7. in einem Interview mit dem Deutschlandfunk darauf hin, daß er »also nicht sagen möchte, daß diese Fehler ausschließlich reformbedingt sind«.
Und auch der FDS-Vorsitzende Reinhard Markner schreibt: »Die Reform kann für diese Entwicklung nicht allein verantwortlich gemacht werden, […].« (http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=599#7079)
Es ist nicht so, daß Grund keine Daten aus der Zeit kurz vor der Reform berücksichtigt hätte. Auf den Seiten 5 und 6 vergleicht er Rechtschreibleistungen von 1990/91 mit solchen von 2001.
In jedem Fall ist Grunds Studie blamabel für die Rechtschreibreformer, die eine extreme Fehlerverminderung infolge der Reform versprachen. (KMK-Präsident Wernstedt schwadronierte einmal in einem Rundfunk-Interview: »Durch die Rechtschreibreform sind wir 90 Prozent unserer Rechtschreibfehler los.«)
»Wenn mir jemand saubere Argumente gegen die neue und für die alte Rechtschreibung liefern könnte, würde ich mich den Reformgegnern sofort anschließen.«
Wer sich eine Meinung bilden möchte, sollte nicht darauf warten, daß ihm die Argumente ›geliefert‹ werden, sondern muß sich schon selbst um die entsprechenden Bücher und Aufsätze bemühen (die teilweise kostenlos im Internet verfügbar sind). Wer diese gründlich durchgearbeitet hat, wird die Reform nicht als »die paar Anpassungen« bezeichnen (Anpassungen woran eigentlich?).
Schade, Herr Stefanowitsch: Sie zitieren nur einen kleinen Ausschnitt der Studie; es finden sich darin außerdem noch Vergleichsdaten aus den Jahren 1990/91 und 2001. Dies wird von Herrn Grund ausdrücklich hervorgehoben, auch weist er auf die Problematik des Erfassungszeitraums explizit hin:
“Die Untersuchungen im Projekt NRW-Kids sind auch insofern von besonderem Interesse, als es sich um Vergleichszahlen von 1990/91 und 2001 handelt. Die Probanden sind Viertkläßler, im Zeitpunkt der Datenerhebung also ausschließlich nach den neuen Regeln unterrichtet. Der zum Vergleich dienende Erhebungszeitpunkt von 1990/91 liegt recht nahe dem Jahr der Einführung der Reform. Wir müssen natürlich damit rechnen, daß sich seit den 1970er und 1980er Jahren auch schon vor der Einführung der neuen Regeln die Rechtschreibleistungen verändert haben. Das müßte im einzelnen an geeigneten Korpora untersucht werden.” (Seite 5)
Nicht umsonst enthält der Vortrag im Titel den Zusatz: “… und Desiderate der Forschung”.
Außerdem sollte man sich in Erinnerung rufen, zu welchem Zweck die Reform eingeführt worden war: Die Anzahl der Fehler sollte reduziert werden. Für den zu erwartenden Rückgang der Fehlerzahlen wurden damals Werte zwischen 40 und 70 Prozent genannt. Gesetzt den Fall, dies sei wirklich erreicht worden, wäre eine Erklärung der beobachteten Fehlerzunahme nur möglich, wenn sich andere Einflüsse besonders stark ausgewirkt hätten. Das ist aber alles andere als plausibel, daher wäre es gut zu begründen, wollte man die vorliegenden Untersuchungen als “nichtssagend” zurückweisen und sie dem Autor bildlich “rechts und links um die Ohren hauen”.
Zwar führen Sie das Zitat von Baurmann und Ludwig an, und es stellt in der Tat die Hinwendung des Unterrichts zur Förderung der Eigenaktivität einen erheblichen Wandel dar. Andererseits hat sich in all der Zeit jedoch nichts an der kultusministeriellen Vorgabe geändert, die den Duden zum alleinigen Maßstab bei der schulischen Fehlerkorektur und ‑benotung gemacht hat. Bis zur Rechtschreibreform gab es nur minimale Veränderungen im Duden, daher kann man von einem stabilen Vergleichsmaßstab ausgehen. Dies ist ein wichtiges Argument, weshalb die Daten von 1970 durchaus zu Vergleichszwecken herangezogen werden können.
Über das Thema “Sauberkeit der Methode” sollten Sie also vielleicht selber noch mal nachdenken, Herr Stefanowitsch.
Freundlichen Gruß
Jan-Martin Wagner
(Forschungsgruppe Deutsche Sprache)
Es scheint mir eine allgemeine Tendenz zu geben, bei Untersuchungen die soziokulturellen Aspekte zu vernachlässigen. Unsere Sonntagszeitung druckt jeweils im Wischenschaftsteil die Resultate von sog. wissenschaftlichen Untersuchungen ab. So hat beispielsweise jemand bewiesen, dass dicke (amerikanische) Kinder weniger gebildet sind als schlanke. Das Ergebnis der Studie stimmt zweifelsohne, doch der Rückschluss, dass die Kinder weniger gebildet seien, weil sie dick sind, der ist falsch. Es handelt sich ganz einfach um zwei Faktoren die durch den selben soziokulturellen Aspekt (Armut) beeinflusst werden.
Herr Grund macht m.E. den selben Fehler. Natürlich ist die Orthographie in den letzten 30 Jahren schlechter geworden, dies hab aber demographische, soziokulturelle und bildungspolitische Gründe. Diese Faktoren sollten betrachtet werden, bevor man eine Studie beginnt. Wenn keine besseren Daten verfügbar sind, sollte man die Studie nicht durchführen, um Fehlschlüsse zu vermeiden.
Simone in Nr. 5: »[D]ies hab« (sic) »aber demographische, soziokulturelle und bildungspolitische Gründe.«
Diese spielen sicher eine Rolle, aber woher wollen Sie wissen, daß die Reform nicht auch einen (möglicherweise erheblichen) Einfluß hat?
Bis sich eine Rechtschreibreform soweit durchsetzt dass sie allgemein verbreitet ist, vergehen 2 Jahrzehnte oder mehr (leider keine Quelle mehr erinnerlich, es sollen Erfahrungswerte aus früheren deutschen Reformen sein).
Die Schüler dürften nach nur 8 Jahren noch von soviel unreformiertem Textgut umgeben sein, dass sie es schwerer haben beim Lernen die Eindeutigkeit des Richtigen zu verinnerlichen.
Ich freue mich, dass soviele Mitglieder und Freunde der Forschungsgruppe Deutsche Sprache hier mitdiskutieren. Bevor ich auf die Kommentare einzeln eingehe, eine Vorbemerkung. Ich bin in meinem Urteil hier aus zwei Gründen so kategorisch: Erstens hat die FDS die Behauptungen des Autors in den öffentlichen Diskurs eingebracht und muss sich diesem nun auch stellen (wenn ich ein Konferenzteilnehmer gewesen wäre und man nur unter Wissenschaftlern die Ergebnisse der Studie diskutiert hätte, wäre meine Kritik vielleicht „konstruktiver“ ausgefallen). Zweitens hat die FDS die Behauptungen des Autors dieser Studie an die Presse weitergegeben, um ihren Zielen einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. Dieser wissenschaftliche Anstrich ist durch diese Studie aber in keiner Weise gerechtfertigt. Damit wird vorgetäuschte Wissenschaftlichkeit zu einem Propagandainstrument und das darf nicht sein — Wissenschaftler dürfen unterschiedlicher Meinung sein und sie dürfen sich irren, aber sie dürfen keine Pseudowissenschaft betreiben.
Ob die neue oder die alte Rechtschreibung „besser“ ist, ist mir übrigens herzlich egal. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind beide (wie auch die meisten anderen Orthografien der Welt) ein katastrophales Mischmasch aus Prinzipien — historisch gewachsen und ihren Zweck erfüllend, aber nichts, was meine sprachlogische Leidenschaft wecken kann.
Nun zu den einzelnen Kommentaren.
Tobias Bluhme (#1),
Das ist kein Prinzip, dem irgendein Geistes‑, Sozial- oder Naturwissenschaftler folgt. Ob eine Erklärung „naheliegend“ ist, spielt keine Rolle. Man muss zeigen, dass sie richtig ist (um genau zu sein, man muss zeigen, dass sie sich in einer sauberen, auf Falsifikation ausgelegten Studie nicht falsifizieren lässt).
Die Reformer haben eine Abnahme der Fehler versprochen, diese ist nicht eingetreten, also sind Mängel der neuen Rechtschreibung die einzige Erklärung für die Zunahme der Fehler? Können Sie mir die Logik hinter dieser Aussage erklären?
Christian (#2),
Nein, den Beleg muss ich nicht liefern. Die FDS ist es, die Behauptungen aufstellt, deshalb ist es auch die FDS, die die Beweise liefern muss. Ich stimme Ihnen aber zu, dass es sehr interessant wäre, solche Vergleichsdaten zu haben. In der Tat könnten Sie dabei helfen, den Effekt der Rechtschreibreform von anderen Einflussfaktoren zu isolieren.
David Koniezko (#3),
Das ist richtig. Nur hätte er dann konsequenterweise an dieser Stelle seine Studie abbrechen müssen, denn er gibt damit ja zu, dass seine Daten in Bezug auf seine Fragestellung nicht interpretierbar sind.
Der Kollege Ickler, dessen Aussagen ich — egal, ob ich ihm zustimme oder nicht — durchaus häufig etwas abgewinnen kann, geht mit dieser Aussage leider nicht weit genug: er kann nicht nur nicht sagen, dass die Fehler „ausschließlich“ reformbedingt sind, er kann gar nicht sagen, ob die Fehler reformbedingt sind. Die Studie gibt es schlicht nicht her, den Unterschied zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten auf irgendeinen bestimmten Einflussfaktor zurückzuführen.
Ich wollte dem Autor ersparen, auch noch auf diesen Fehler hinzweisen, aber sehen wir uns diesen Vergleich doch einmal genauer an. Die Grafik, auf die Sie hier hinweisen, ist folgende:
Was fällt hier auf? Der Autor vergleicht die „Alten Bundesländer“ 1990/91 mit „Nordrhein-Westfalen“ 2001. Er variiert also zwei Variablen gleichzeitig, nämlich Region und Zeitpunkt. Damit kann er nicht mehr behaupten, der Unterschied sei auf den Zeitpunkt zurückzuführen. Das ist ein so grundlegender methodischer Fehler, dass ich ihn meinen Studierenden nicht um die Ohren hauen müsste, weil sie ihn nämlich nie machen würden.
Nein, denn die Studie widerlegt nicht, dass eine solche Reduktion stattgefunden hat. Um das wirklich zu widerlegen, müsste die Studie zeigen, dass die Fehlerquote auch nach einer Bereinigung von anderen Einflussfaktoren angestiegen ist. Da die Studie aber andere Einflussfaktoren überhaupt nicht berücksichtigt, kann sie das natürlich nicht.
Herr Konietzko, Sie wissen, dass ich Ihre Ansichten zur Logik der neuen und alten Rechtschreibung schätze (auch, wenn ich sie nicht teile), aber Ihre Ansichten zur Logik der Forschung kann ich nicht gutheißen: Die „Forschungsgruppe Deutsche Sprache“ ist es, die hier Behauptungen in die Welt setzt, also trägt sie auch die Beweislast. So funktioniert das nun einmal, und das ist ja auch gut so.
Jan-Martin Wagner (#4),
„Alles andere als plausibel“? Der Autor vergleicht hier Daten, die mehr als dreißig Jahre auseinander liegen. Ich habe drei Großereignisse genannt, die dazwischen lagen. Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass diese und andere Einflüsse sich nicht „besonders stark ausgewirkt“ haben? Plausibilität ist nun einmal kein Argument — ich finde zum Beispiel weder Ihre Meinung, noch die des Autors der Studie „plausibel“.
Nein, aber die Inhalte des Deutschunterrichts und die Schwerpunkte, die dort gesetzt werden, haben sich radikal verändert. Sie können die Schüler aus den zwei Zeiträumen deshalb nicht direkt miteinander vergleichen.
Ich erwarte mit Spannung Ihre Begründung für diesen Ratschlag.
Simone (#5),
ich kann Ihnen da nur zustimmen. In der PISA-Debatte hat man den selben Fehler gemacht, obwohl wissenschaftliche Studien vorliegen, die die Ergebnisse der Studie nach soziokulturellen Faktoren bereinigt haben.
David Konietzko (#6),
Woher wollen Sie es wissen? Simone trägt hier nicht die Beweislast — der Autor der Studie trägt sie.
Abwarten (#7),
das ist ein gutes Argument. Trotzdem wäre eine sauber gearbeitete Studie zu diesem Thema auch zum jetzigen Zeitpunkt schon interessant!
»Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind beide (wie auch die meisten anderen Orthografien der Welt) ein katastrophales Mischmasch aus Prinzipien — historisch gewachsen und ihren Zweck erfüllend, aber nichts, was meine sprachlogische Leidenschaft wecken kann.«
Mit »historisch gewachsen« ist nur die nichtreformierte Rechtschreibung gemeint, oder?
Daß Sie auf ›Sprachlogik‹ aus sind, wundert mich. Dann dürften Sie eigentlich keine Freude an natürlichen Sprachen haben. Am 12. Juni 2007 äußerten Sie sich im Beitrag Rich-List-Linguistik wie folgt:
»Natürlich hat jede Sprache allgemeine Gesetzmäßigkeiten, die Bereiche wie Wortstellung, Kasus, Tempus und Aspekt, usw. regeln (obwohl es auch da Ausnahmen zur Genüge gibt). Aber der größere Teil einer Sprache besteht aus Wörtern, Redewendungen und halbproduktiven Satzbildungsmustern, die sich so verhalten, wie sie es eben tun, ohne dass es dafür eine besonders einleuchtende Erklärung gäbe (moderne Grammatiktheorien haben das übrigens erkannt und versuchen, dem gerecht zu werden).« (siehe http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2007/06/12/rich-list-linguistik/)
Anatol Stefanowitsch (#8)
»Der Autor vergleicht die „Alten Bundesländer“ 1990/91 mit „Nordrhein-Westfalen“ 2001. Er variiert also zwei Variablen gleichzeitig, nämlich Region und Zeitpunkt. Damit kann er nicht mehr behaupten, der Unterschied sei auf den Zeitpunkt zurückzuführen.>Die „Forschungsgruppe Deutsche Sprache“ ist es, die hier Behauptungen in die Welt setzt, also trägt sie auch die Beweislast.>Der Autor vergleicht hier Daten, die mehr als dreißig Jahre auseinander liegen. Ich habe drei Großereignisse genannt, die dazwischen lagen.>[D]ie Inhalte des Deutschunterrichts und die Schwerpunkte, die dort gesetzt werden, haben sich radikal verändert.
Herr Stefanowitsch übersieht eine Kleinigkeit. Die Untersuchung von Herrn Grund unternimmt in erster Linie nicht den Nachweis einer Erhöhung der Fehlerquote infolge der Reform im allgemeinen, sondern den einer überproportionalen Erhöhung in den von der Reform erfaßten Bereichen der Orthographie (z.B. GKS, s‑Schreibung) im besonderen. Diese Wahrnehmung korrespondiert problemlos mit dem Ergebnis einer jüngst veröffentlichten, von der GfdS (nicht der FDS) in Auftrag gegebenen Allensbach-Untersuchung, derzufolge die Rechtschreibleistung bei reformneutralen Schreibungen wie “Rhythmus” und “Lebensstandard” über die vergangenen Jahrzehnte gleich geblieben (wenn nicht sogar ein bißchen besser geworden) ist.
Gewiß, Allensbach hat nicht nur Schüler getestet. Wirklich begründungs- und diskussionsbedürftig wäre jedoch die These gewesen, daß sich die Rechtschreibsicherheit bei Schülern — mutatis mutandis — anders entwickelt als bei Erwachsenen. Deren Verunsicherung ist jedoch manifest; sie wird täglich in der Zeitung dokumentiert. Das kann auch Herrn Stefanowitsch nicht ganz verborgen geblieben sein. Insofern hat Herr Grund nur demonstriert, was ohnehin zu vermuten war. So what?
Das etwas exaltierte Wissenschaftlichkeitspathos von Herrn Stefanowitsch erinnert mich ein wenig an die sehr fruchtlosen Diskussionen mit — in einem spezifischen Sinne — linksorientierten Historikern in den 80er Jahren, die, sobald man sich despektierlich über die Sowjetunion äußerte, ähnliche Verhaltens- und Argumentationsmuster an den Tag legten. Das reichte von der bedauernd-achselzuckend vorgetragenen Bemerkung, zu dem Thema seien leider keine falsifizierbaren Aussagen möglich, weil die Quellen nicht zugänglich seien, bis hin zu dem aggressiven Duktus des Hausarbeiten-um-die-Ohren schlagen-Wollens, wenn man ihnen mit Fakten kam, die jedem unvoreingenommenen Menschen in die Augen sprangen. (Die Kollegen sind nach 1989 übrigens sehr leise geworden.)
Ein solches Verhalten nenne ich den Mißbrauch des wissenschaftlichen Ethos als Hilfsmittel zum Zweck der Fiktionalisierung der Realität. Dem Muster folgt auch die von Herrn Stefanowitsch vorgenommene Beweislastumkehr, die dem Widersacher nur die Wahl läßt zwischen der Kapitulation und jener paranoiden Systematisierung, die der Umkehrer selbst leisten müßte, wenn er denn überhaupt ernsthaft argumentieren wollte (weshalb er sich lieber auf Andeutungen und Insinuationen beschränkt).
Es läßt sich nun einmal nicht über Daten argumentieren und diskutieren, die nicht verfügbar sind, sondern nur über solche, die vorliegen. Nichts anderes hat Herr Grund getan. Wer ihm widersprechen will, muß zeigen, daß er von falschen Daten ausgeht, daß er seine Daten falsch interpretiert oder daß er Daten übersehen hat, die seinen Befund in Frage stellen. So einfach ist das manchmal mit der Wissenschaftlichkeit. Auch Herr Stefanowitsch wird eines — hoffentlich nicht allzu fernen — Tages etwas bescheidener sein.
Eine parallele Debatte zu diesem Beitrag hat sich hier entsponnen:
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=599
Sich unbegründetem Alarmismus verweigern und zeigen, dass die Studie schlicht nichts aussagt ist wirklich nichts verdammenswertes. Das mit irgendwelchen Historikern in den 80ern vergleichen zu wollen, ist absoluter Quatsch. Es ist nun einmal so, dass die Beweislast bei Grund liegt, immerhin will er hier ja auch eine These beweisen.
@ Platte: Man nehme Daten, die nichts zeigen und erstelle eine Studie, die nichts beweist. Vielleicht gibt es keine besseren Daten, meinetwegen. Aber unzureichende Daten machen auch dann keine gute Studie, wenn sie die besten sind, die es gibt. So einfach ist das manchmal mit der Wissenschaftlichkeit.
@Lukas Platte (#11): “Exaltiertes Wissenschaftlichkeitspathos” LOL “linksorientierten Historikern”? ROFL. “Fiktionalisierung der Realität”? LMAO. Ich habe selten soviel unfreiwillige Komik auf einem Haufen gesehen, wie in Ihrem Kommentar. “Wer [Grund] widersprechen will, muß zeigen, daß er von falschen Daten ausgeht, daß er seine Daten falsch interpretiert oder daß er Daten übersehen hat, die seinen Befund in Frage stellen. So einfach ist das manchmal mit der Wissenschaftlichkeit.” Richtig. Und genau das hat Stefanowitsch in seinem Beitrag getan. Aber das würden Sie offensichtlich nicht einmal erkennen, wenn man es Ihnen aufmalen würde. Also, husch, husch, zurück in den FDS-Sandkasten.
Mir scheint ein Problem der Debatte hier in der selbstgewissen Rückführung der steigenden Fehlerzahl ausschließlich auf die Rechtschreibreform zu liegen. Nach dem Motto: “Vor dem Bau der Autobahnen war Deutschland ein blühendes Land, danach lag es in Schutt und Asche. Da kann mal sehen, wie schädlich Autobahnen sind!” Ich will hier die Rechtschreibreform keineswegs entlasten, sie ist ein Produkt von ‘Kulturpolitik’, eines Fabelwesens also — und folglich schlecht. Trotzdem stellt die Studie schlicht doch nur fest, dass die Fehlerquote von Schülertexten mit Beginn des neuen Jahrtausends angestiegen ist, wobei in der Erhebung methodische Fehler vorgekommen sein mögen. Woher das Ergebnis aber rührte, das bleibt nebulös, der ‘Dämon’ des Geschehens bleibt unbenannt. Es könnte ja auch an einer höheren ‘Fehlertoleranz’ in Sachen Orthographie gelegen haben, in der Pädagogik sowohl wie in der Gesellschaft. Die ich keinesfalls beschönigen will, weil ich eine verbindliche Orthographie u.a. für notwendig halte, um ganz basale Schreibziele zu erreichen, vor allem also, um überhaupt Leser oder ‘Verständnis’ zu finden. So pragmatisch sollten wir solche Fragen diskutieren, nicht ideologisch hochgeschäumt, um irgendwelche heiligsten Güter zu verteidigen, allen voran die ‘deutsche Kultur’ …
Der Rat für Rechtschreibung rät – raten Sie mit!
4) Das 19. Jahrhundert schrieb gross: Jeder, die Beiden, vor Allem, Nichts. Kennzeichen der modernen Rechtschreibung ist der kleine Buchstabe. Der Rat für Rechtschreibung will, dass wir uns die klobigen Zylinder des 19. Jahrhunderts wieder aufsetzen, allerdings nur einige. Welche? Da muss man raten: am besten, auf das Freundlichste / freundlichste, nicht im Geringsten, nicht im Mindesten / mindesten, im Allgemeinen, bei Weitem / weitem, des Weiteren, vor allem, zum einen, zum Ersten, ein paar Mal / paarmal, jedes Mal, dieser, Letzterer, die beiden, die Ersten.
(http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=591)
Wie kann man denn endlich zu Objektivität und Pragmatismus gelangen — doch sicher nicht durch wechselseitige Beschimpfungen. Anscheinend gilt es erst einmal klar die Tatsachen herausarbeiten, über die man sich dann eine Meinung zu bilden und einen Konsens zu finden hätte: ob irgendwelche weiteren Aktivitäten nötig sein könnten oder nicht, und wenn ja, welche. Wer kann hier die ersten Schritte vorschlagen, wer damit beginnen? Oder wird kein Handlungsbedarf gesehen? Ist es dafür noch zu früh, gibt es weit dringendere Probleme? So wie hier die Diskussion läuft, kommt dabei weniger als nichts raus.
@Chat Atkins: Die steigende Fehlerzahl führt niemand, auch Grund nicht, ausschließlich auf die Reform zurück. Aber der offenbar kontinuierliche Anstieg ist durch die Reform in keiner Weise gebrochen worden, anders als von den Reformern den ahnungslosen Ministern und von diesen wiederum der widerstrebenden Bevölkerung verheißen. — Warum übrigens sollte die deutsche Kultur kein verteidigenswertes Gut sein? Haben Sie eher ein Faible für die Barbarei?
BILDblog dazu: http://www.bildblog.de/3123/
Das BILDblog berichtet unter Berufung auf diesen Eintrag über die Berichterstattung der Bild zu diesem Thema
Hallo Allerseits,
ich hoffe dass keiner der Grund-“Befürwortern” Mathematik bzw. Statistik unterrichtet oder doziert. Denn die Ahnungslosigkeit steht den betroffenen in jeder einzelnen ihrer Zeilen ins “Gesicht” geschrieben. Jetzt weiß ich warum die Kultusminister mehr als 10 Jahre für eine Rechtschreibreform gebraucht haben, bei solch einer Art von “Diskussion” (ist ja fast wie im Sandkasten nur mit schöneren Worten). :o)
Na ja … die statistische Beweisführung bei Herrn Grund ist jedenfalls faktisch falsch. Egal um welche Art von Aussagen es sich dabei handelt.
Einen schönen Tag noch. Tschüss.
Ach übrigends, das Rote etwas mit der Klammer dahinter sollte mal ein lachender Smiley werden.
Die Leidenschaftlichkeit, mit der Herr Stefanowitsch die Arbeit des Herrn Grund, den er nicht ohne Herablassung als »eine Art Kollegen« bezeichnet, in »Grund« (und Boden) verdammt, ist schon erstaunlich und läßt vermuten, daß weder Methode noch Qualität noch Ergebnis dieser Untersuchung seinen Zorn so entfacht haben, denn über all dies könnte man ja in vernünftiger Argumentation und in aller Ruhe diskutieren, ohne was auch immer wem auch immer »um die Ohren zu schlagen«. Ich vermute einmal, völlig unwissenschaftlich, daß es sich hier um einen bei Wissenschaftlern oft beobachteten Tick der interkollegialen Gehässigkeit handelt, der insbesondere dann gerne auftritt, wenn sich jemand auf die Füße getreten fühlt, etwa weil da jemand vermeintlich in dessen Revieren unterwegs war. Lehrmeinungen, die einander sehr nahe kommen, streiten sich da oft leidenschaftlicher als völlig entgegengesetzte – und behindern so die unvoreingenommene bessere gemeinsame Erkenntnis, was nicht unbedingt zu wissenschaftlich optimalen Ergebnissen führen kann.
Die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit Herrn Stefanowitschs in Frage zu stellen, maße ich mir wirklich nicht an, aber seine ganz einfache Wahrnehmungsfähigkeit schon, wenn er schreibt:
Wenn mir jemand saubere Argumente gegen die neue und für die alte Rechtschreibung liefern könnte, würde ich mich den Reformgegnern sofort anschließen.
Der Wissensdurst des Herrn Stefanowitsch in dieser Angelegenheit ist wohl wenig ausgeprägt, denn für die reformkritischen Arbeiten, die schon Jahre vor der Reform und bis heute jedermann und einem »Art Kollegen« wie Herrn St. erst recht leicht zugänglich waren und sind, scheint er sich nicht in Wirklichkeit zu interessieren, da mangelt es an sauberen Argumenten nun wirklich nicht. Und offenbar liest Herr Stefanowitsch in jüngster Zeit auch keine Zeitungen, keine Bücher, keine Alltagspost. In allen diesen Bereichen, das kann ihm von der Gemüsefrau bis zum (in dieser Frage nicht vorbelasteten) Akademiker jeder bestätigen, der aufmerksam liest, was seit der Reform gedruckt und geschrieben wird. Da sind Fehler bis zu grotesken Absurditäten zu beobachten, die es vorher nie gegeben und über die man sich kugelig gelacht hätte (heute gelten sie als Nachweis von Modernität: so firmiert eine Privatklinik in München auf ihrem eleganten Messingschild »Bild gesteuerte Diagnostik«).
Muß ich denn, wenn es hagelt wie soeben hier auf dem Lande, eine meteorologisch-wissenschafltiche Untersuchung erarbeiten, die allen stefanowitschschen Kriterien standhält, um davon überzeugt zu sein, daß es wirklich hagelt?
bildblog.de hat dieses Thema nun auch aufgegriffen und verweist auf diesen Artikel.
http://www.bildblog.de/3123/bild-schreibt-rechtschreibreform-wieder-mit-schl/
Chat Atkins in Nr. 15:
»Mir scheint ein Problem der Debatte hier in der selbstgewissen Rückführung der steigenden Fehlerzahl ausschließlich auf die Rechtschreibreform zu liegen.« (Hervorhebung von mir)
Meines Wissens hat niemand behauptet, die Fehlervermehrung sei ausschließlich auf die Rechtschreibreform zurückzuführen. Der FDS-Vorsitzende hat es sogar ausdrücklich bestritten: »Die Reform kann für diese Entwicklung nicht allein verantwortlich gemacht werden […].«
Als 17-jähriger, der Deutsch nur nach neuer Rechtschreibung gelernt hat, kann ich nicht nachvollziehen, wie die neue Rechtschreibung mehr Fehler verursachen können soll. Rechtschreibung ist nie absolut logisch, es ist immer eine mehr oder weniger willkürliche Regelung, wie Sprache (also Ton) in Schrift (also Bild) umgesetzt werden zu habe.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Leute mit der Umstellung von alter auf neue Rechtschreibung Mühe haben, aber das ist kein Problem das heutige Schüler betrifft. Für mich ist die alte Rechtschreibung genau so verwirrend und scheinbar unlogisch wie für manche von Ihnen wohl die neue.
Ja klar, die FDS war nur Veranstalter, und rein zufällig steht Grunds These dann auch völlig unreflektiert in der Bild. Kommentar dazu (nicht von mir) unter
http://www.bildblog.de/3123/bild-schreibt-rechtschreibreform-wieder-mit-schl/
Die “Forschungsgruppe Deutsche Sprache”, arbeitet, ihrer eigenen Website nach zu urteilen, einzig und allein das Thema Orthographie ab. Wie würde man eine “Forschungsgruppe Deutsches Eishockey” einschätzen, die sich nur mit Trikotfarben beschäftigte? Der “Verein deutsche Sprache” setzt auf einen ähnlichen Etikettenschwindel: Hier geht es (fast) nur um die Lexik.
Herr Stefanowitsch: “Wenn mir jemand saubere Argumente gegen die neue und für die alte Rechtschreibung liefern könnte, würde ich mich den Reformgegnern sofort anschließen.”
Kennen Sie denn überhaupt ein Argument für die “neue Rechtschreibung”, außer daß sie für Schüler und Beamte vorgeschrieben ist? Schließlich tun Sie ja so, als nutzten Sie sie (natürlich, wie alle, sehr inkonsequent).
Herr Ammann schreibt in Nr. 27: »Wie würde man eine ›Forschungsgruppe Deutsches Eishockey‹ einschätzen, die sich nur mit Trikotfarben beschäftigte?«
Trikotfarben sind nur ein unwichtiger Nebenaspekt des Eishockey-Spiels. Hinter Herrn Ammanns Vergleich scheint also die Vorstellung zu stecken, Rechtschreibung sei ein ganz oberflächlicher Aspekt der Sprache, gewissermaßen ihr ›äußeres Kleid‹, und somit für Sprachwissenschaftler nicht erforschenswert. Eine ganz gegensätzliche Ansicht vertritt z.B. Peter Eisenberg:
‘The approach outlined here presupposes that the graphemic part of a grammar is to be considered as an integral part of the overall language system, and that it has to be investigated by the same linguistic methods as the other subsystems. Support is given for this thesis by an examination of the relation between morphology and graphemics in German. It is argued that there is a close mutual dependency between the morphology and the writing system.
[…]
There is some agreement among linguists working on problems of writing systems, that these systems have to be considered as proper subsystems of language systems and that it should be desirable, therefore, and possible, to treat the graphemic part of a grammar as one of its components in the usual sense, i.e., to fully integrate it into an overall grammar of the language under description.’ (Peter Eisenberg: Writing system and morphology. Some orthographic regularities of German. In: Florian Coulmas, Konrad Ehlich [Hrsg.] [1983]: Writing in Focus. Berlin, New York, Amsterdam. Trends in Linguistics 24. S. 63)
Das muß man nicht richtig finden. Das Zitat zeigt jedoch, daß die geschriebene Sprache nicht leichtfertig als sekundär abgetan werden sollte. Kaum leugnen läßt sich jedenfalls, daß das graphematische System des Deutschen in vielfältiger Weise Bezug nimmt auf Segmental- und Silbenphonologie, Morphologie und Syntax und daher viel mehr mit dem deutschen Sprachsystem zu tun hat (wenn es nicht sogar – wie Eisenberg meint – dessen Bestandteil ist) als Trikotfarben mit dem Eishockey-Spiel. Herrn Ammanns Vergleich hinkt stark.
Ich habe die bisherige Rechtschreibung in der Schule gelernt. Sie ist mir vertraut und ermöglicht es mir, komplexe Gedanken schriftlich logisch auszudrücken. Deshalb werde ich diese Art und Weise zu schreiben auch beibehalten. Herr Jan-Martin Wagner: Möglicherweise kann man feststellen, daß in den 1960er und 1970er Jahren die Fehlerquote in der Orthographie geringer ausgefallen ist. Ich kenne hierzu keine Statistiken, bin auch nicht vom Fach. Offenbar ist der Hauptgrund der Einführung der neuen Rechtschreibung, wie Sie schreiben, der folgende: “Die Anzahl der Fehler sollte reduziert werden. Für den zu erwartenden Rückgang der Fehlerzahlen wurden damals Werte zwischen 40 und 70 Prozent genannt.” Anstatt zum Beispiel Kindern in Nordrhein-Westfalen (oder — nach Grund — “NRW-Kids”) weiterhin eine vernünftige Rechtschreibung zu vermitteln und ernsthaft zu erforschen, worin denn die Gründe zu suchen sind, daß die Fehlerquote angestiegen ist, wird diese Rechtschreibung einfach über Bord gekippt und fahrlässig simplifiziert. Ist das tatsächlich der Hauptgrund gewesen, Herr Wagner? Fehlerquote reduzieren? Wem dem so sein sollte, und sich mit diesem Argument in den jeweiligen Gremien wie KMK eine Mehrheit finden ließ, dann ist noch erbärmlicher, als ich bislang angenommen habe. Für mich bedeutet die neue Rechtschreibung die Zerstörung einer über Generationen gewachsenen schriftlichen Übereinkunft. Wenn ich gezwungen bin, “Stängel” zu lesen, und eine haltlos konstruierte Begründung dazu geliefert wird, geht es mir nicht gut. Das meine ich so. Wenn der Duden “mehrmals” und “mehrfach” synomym ausweist, obgleich es sich hier um zwei völlig in der Bedeutung zu unterscheidende Wörter handelt, ist er für mich nicht maßgebend. Offenkundiger Unsinn kann kein Maßstab sein. Zuguterletzt: Ich las kürzlich den Satz: “So können die Kristalle gleichmäßig wachsen ohne zusammen zu backen.” Und soetwas wird an den Schulen gelehrt.
@ 18: Zur Frage: Kulturelle Phänomene sind in der Regel — siehe, ‘Barock’, ‘Gotik’, ‘Expressionismus’, ‘Aufklärung’, ‘Romantik’ — grenzüberschreitend. Eine nationale Engführung (‘deutsche Kultur’) führt durch Selbstbeschränkung daher zu weniger Kultur. Was ich wiederum ablehne. Eine ‘deutsche Kultur’ — was immer das auch für ein Fabelwesen sein soll! — würde letztlich erneut zu Wagner mit Hermannsdenkmal, Rassenkunde, Tschingderassa und Kehrwoche führen — oder etwas ähnlichem auf heutigem Stand. Nicht ein einziger großer deutscher Schriftsteller ist uns ‘aus einem nationalen Sprachgebrauch’ erwachsen. Selbst ein Ernst Jünger als Frankreichverehrer hustete den Nationalkulturbesoffenen was. Speziell die nationale ‘Sprachkultur’ führt in der Regel nur dazu, den Sprachgebrauch einer dominanten Bevölkerungsgruppe absolut zu setzen, Normen sind hier schlicht Herrschaftsstabilisatoren. Auch das wiederum nicht zum Vorteil der Sprache und ihrer Möglichkeiten. Da dazu aber die Träger des ‘Denglishen’ die gesellschaftliche Machtpyramide derzeit dominieren, sind solche Versuche einer Rückkehr zum ‘Reindeutschen’ auch noch absolut aussichtslos. Faktisch haben Deutschlehrer nichts mehr zu sagen — und Schilda ist bestimmt nicht meine Heimatstadt …
Lukas Platte (#11),
und Sie übersehen, dass es sich bei der Allensbachstudie hauptsächlich um eine Meinungsumfrage handelt, und Sie suggerieren fälschlicherweise, dass man dort reformrelevante und reformneutrale Schreibweisen verlichen habe. Das ist aber nicht der Fall, wer es selber nachlesen möchte, findet die Ergebnisse der Studie hier:
http://www.gfds.de/presse/pressemitteilungen/130608-umfrage-zur-spracheinstellung/
Den Rest Ihrer lächerlichen Ad-Hominem-Argumente lasse ich lieber unkommentiert.
Chat Atkins (#15),
auf den Punkt, wie immer!
B. Eversberg (#17),
gegenseite Beschimpfungen liegen nicht in meinem Interesse. Ich habe nur eine katastrophal schlechte Studie, die die FDS an die Presse weitergeleitet hat, als katastrophal schlecht bezeichnet. Dabei bleibe ich, denn katastrophal schlecht ist und bleibt nun einmal katastrophal schlecht.
Jens Elstner (#21),
das sowieso!
Walter Lachenmann (#23),
interkollegiale Gehässigkeit, dass ich nicht lache. Ich habe meine Kritikgründe klar und deutlich aufgeführt. Wenn Sie dahinter mehr vermuten als einen ehrlich empfundenen Ärger über eine schlechtgemachte Studie und den Versuch, mit dieser Studie die öffentliche Meinung zu manipulieren, haben Sie meine Argumente offensichtlich nicht verstanden. Sie wollen das glauben, was Sie ohnehin schon glauben, und das sei Ihnen ja auch gegönnt.
Maria (#28),
ja, ich kenne ein Argument: die Macht des Faktischen. Wenn Sie glauben, dass mir irgendetwas daran liegt, die neue Rechtschreibung zu verteidigen oder die alte zu verteufeln, haben Sie meine Antwort nicht sorgfältig gelesen. Mir geht es hier nur darum, Pseudowissenschaft als solche zu benennen.
@ACWerner
Ich habe in der Schule die neue Rechtschreibung gelernt und gebrauche diese auch. Mir ist nicht klar worauf die ständige Diskussion um die neue Rechtschreibung führen soll. Wollen Sie die Alte zurück? Inzwischen haben sehr viele Menschen die neue Schreibung adaptiert und meine Generation und alle folgenden werden sie auch lernen. Akzeptieren Sie das doch einfach und lassen sich mich mit Ihrer Scheinargumentation in Ruhe! Ich will die alte Rechtschreibung gar nicht zurück, weil ich sie nicht beherrsche und nie gelernt habe.
Mit freundlichen Grüßen,
Felix
Ohne jetzt Ahnung von Rechtschreibung und der Interaktion von dieser mit der grammatischen Struktur der deutschen Sprache zu haben usw. usf., drängt sich mir anhand der Argumentation der Befürworter der Grund-Studie der Verdacht auf, dass wir keinen substantielleren Deutschunterricht sondern einen besseren Mathematikunterricht brauchen.
Nicht, dass ich als Statistiker mein Geld verdiente, aber dass die Methodik der Studie zur Beantwortung der Fragestellung ungeeignet ist, nun ja, das ist evident.
Und im Gegensatz zur Rechtschreibung können wir keine Reform der Mathematik/Statistik durchführen, um uns eine zu erschaffen, die der tatsächlichen Anwendung durch die Nutzer eher entspricht.
Unabhängig davon, ob die Rechtschreibung der Menschen schlechter geworden ist oder nicht und unabhängig davon, ob die Rechtschreibreform dafür verantwortlich ist oder nicht, Menschen die mit dieser Studie argumentieren, sind, wenn sie den methodischen Einwand ignorieren, nicht von Sach- sondern von ideologischen Interessen getrieben.
Stefanowitsch:
Sie wollen das glauben, was Sie ohnehin schon glauben, und das sei Ihnen ja auch gegönnt.
Danke für das Gönnen. Aber es geht eben nicht ums Glauben, sondern ums Sehen und Erkennen. Daß ausgerechnet jemand, der so vehement Sauberkeit in der Diskussion einfordert, einerseits einen so gehässigen Ton an den Tag legt, andererseits von dem Problem, um das es letztlich geht (mag die Grund’sche Studie ihre von ihrem Autor selbst und auch von der FDS eingeräumte Problematik haben) und das ist nun einmal die Beschädigung der deutschen Schriftsprache durch die Rechtschreibreform, gar nichts wissen will, ist schon seltsam. Das Problem Stefanowitschs ist offenbar nur ein formales — von niemandem bestrittenes — und da kann sich er sich so aufregen, als ginge es gerade bei ihm um Glauben oder Verderben. Ich kenne solche Phänomene. So hat beispielsweise ein Rezensent eine Biographie eines Jazzmusikers, an der er inhaltlich gar nichts auszusetzen hatte, nur deshalb regelrecht verrissen, weil die abgebildeten Schallplattencover nicht diejenigen waren, die er in seiner Sammlung von Erstveröffentlichungen hatte. So reitet halt jeder sein Steckenpferdchen.
Noch eine Anmerkungen, die mir so durch den Kopf gehen:
- Viertklässler hatten zumindest zu einigen von der Reform betroffenen Bereichen (Groß/Kleinschreibung und Zeichensetzung) noch gar keinen systematischen Unterricht, brauchen das also im Diktat noch gar nicht können. Vierklässler zu vergleichen ist daher besonders sinnlos.
- Im Schuljahr 1973/74 enthielt das behördlich verordnete hessiche Vergleichsdiktat für die 4. Klasse einen Kommafehler: das Komma bei “Nein, mit Käse” fehlte. Ich habe damals jedoch ein Komma geschrieben, was mir als Fehler angekreidet wurde. Erst nach einem mittleren Aufstand wurde dieser Fehler korrigiert.
Wenn ich die Einlassungen von Chat Atkins (Nr. 15, Nr. 31) lese – lt. Herrn Stefanowitsch trifft diese den Apfel im Kern („auf den Punkt, wie immer! ) – kommen mir gewisse Zweifel, ob nicht alle beide sehr wohl in Schilda beheimatet sind. Wer hat denn bei dieser Diskussion davon geredet, »heiligste Güter der deutschen Nation« seien bedroht? Oder »große deutsche Schriftsteller seien ‚aus einem nationalen Sprachgebrauch‘ erwachsen« (letzteres auch noch als Zitat woher auch immer bezeichnet)? Oder es ginge um eine Rückkehr ins ‚Reindeutsche‘ (auch dieses Zitat ist eine Eigenerfindung des Herrn Atkins, niemand hat derartiges hier geäußert).
Da wollen sie ideologiefrei „sauber“ diskutieren, und bringen selbst ideologische Aspekte ins Gespräch, unterstellen ihren Kontrahenten nationalistische Ideologien, ohne daß hierfür auch nur geringste Anhaltspunkte in deren Äußerungen zu finden wären und – soweit ich die Leute kenne – auch nicht die Spur davon in ihren Gesinnungen.
Ist es nicht umgekehrt auf ideologische Fixiertheit zurückzuführen, bei Andersdenkenden gleich eine Ideologie zu wittern? Und ziemlich gewagt, wenn nicht schlicht mit mangelnder Bildung zu erklären, spezifische Charakteristika nationaler Kulturen schlichtweg zu leugnen und die deutsche Kultur, sofern man eine solche für vorstellbar hält, auf Wagner, Hermannsdenkmal, Rassenkunde und dergleichen unerfreuliche Phänomene der deutschen Kulturgeschichte zu reduzieren? Gab und gibt es da nicht doch etwas mehr, das in völlig andere Richtungen weist? Nun ja, Rechtschreibung sei Herrschaftswissen, das ist – völlig ideologiefrei natürlich – schon von der 68er Linken verkündet worden, und wer die historischen Stränge sorgfältig verfolgt, wird herausfinden, daß wir genau dieser Ideologie die derzeitige Rechtschreibreform verdanken. Und wer sie noch weiter verfolgt kommt dahinter, daß die Nazis so ziemlich dieselbe Reform auch schon einführen wollten, aber dazu keine Zeit hatten, weil Krieg war.
Also das mit der nationalen Sprachkultur und den Herrschaftsstabilisatoren sollten Sie wieder vergessen. Stabile Herrschaftsverhältnisse in der deutschen Politik haben es geschafft, gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung, gegen unzählige, wissenschaftlich und gesellschaftspolitisch wohlbegründete Proteste von Schriftstellern, Sprachwissenschaftlern und namhafter Vertreter aller Kulturbereiche uns diese Reform aufzuzwingen, die enorme Summen verschlungen und bis heute eine Verunsicherung im gesamten deutschen Sprachraum zur Folge hat.
Wer nie eine bessere Orthographie kennengelernt hat (Nr. 30), mag mit derjenigen, die man ihm beigebracht hat, zufrieden sein. Den Qualitätsunterschied merkt man erst, wenn man vergleichen kann. Was an Qualität der deutschen Schriftsprache durch die Reform verloren gegangen ist, ist eben tatsächlich verloren: durch die Macht des Faktischen, da muß ich Herrn St. wirklich recht geben, aber das Ergebnis in Ordnung finden aus diesem Grunde sollte man dennoch nicht. So sind schon manche Kulturgüter (nicht nur „nationale“ – die grauslichen, um die es Herrn A. nicht schade ist) für immer verloren gegangen
Herr Konietzko (Kommentar #29): Sie halten Trikotfarben für “ein[en} unwesentliche[n] Aspekt des Eishockey-Spiels”. Das kann man so sehen, aber dennoch erscheinen ab und an in der einschlägigen Presse Artikel über die Vor- und Nachteile von Trikotfarben im Sport. Ich erfinde das nicht einfach — es gibt wirklich Sportpsychologen, die behaupten, wenn man rote Trikots trage, habe die Abwehr des Gegners mehr Angst oder Respekt. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trug jahrzehntelang grün-weiße Ausweichtrikots, bis Jürgen Klinsmann kam und auf der Farbe rot bestand.
Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht: Graphematik ist ein Teil der Themen, denen sich Sprachwissenschaftler anno 2008 widmen sollten. Das sind die akustische Phonetik, die Dialektologie oder die Rekonstruktion des Proto-Indoeuropäischen Konsonantensystems aber auch.
Würde es Sie nicht stören, wenn ich morgen eine “Forschungsgemeinschaft Deutsche Sprache” gründete, die sich nur mit der Laryngaltheorie befasste? Auch das ist ein kontrovers diskutiertes Thema (in Fachkreisen), auch hier haben wir es mit Sprache zu tun — mittelbar auch mit dem Deutschen — und auch hier spielt Etymologie eine wichtige Rolle.
Ich habe überhaupt nichts gegen Initiativen wie die FDS, mich stören nur zwei Dinge: (i) Dass sich nun keine “Forschungsgruppe Deutsche Sprache” gründen und sich so nennen kann, weil eine Forschungsgruppe contra neue Rechtschreibung diesen Namen blockiert (verschmerzbar)und (ii) dass Lesern, die nicht aus der Sprachwissenschaft kommen, suggeriert wird, auf der Internetseite würden von Fachleuten erarbeitete Erkenntnisse zum Thema deutsche Sprache präsentiert. Ein Gymnasiast, der für eine Hausarbeit recherchiert, könnte dann denken, die Sprachwissenschaft dreht sich nur um die Anreihung von Buchstaben. Das ist — und ich bleibe dabei — Etikettenschwindel.
Maria (#28): Anatol Stefanowitsch hat sich doch ausdrücklich weder für noch gegen die neue Rechtschreibung geäußert. Ich bin mir sicher, dass er eine Meinung hat, aber um die Frage ging es hier gar nicht. Er schreibt auch nicht “sehr inkonsequent” nach den neuen Richtlinien, sondern er nutzt die Freiheiten so, wie es sein Geschmack vorgibt. Für meinen Geschmack setzt er zu viele Kommata in Komparativsätzen, aber das ist eben Geschmackssache. Bei “das/dass”-Fehlern werden Sie ihn kaum ertappen können, obwohl das hier nur ein Blog ist.
David Konietzko, der — wenn ich ihn richtig verstanden habe — für die alte Ortographie ist — schreibt “Eishockey-Spiels”. Das darf er. Hätte er “Eishockeyspiels” geschrieben, wäre das auch kein Problem gewesen. Aber vor der Reform hätte ein Lehrer die Schreibweise mit Bindestrich monieren müssen.
Gerade bei der Groß- und Kleinschreibung, Zusammen- und Getrenntschreibung war die alte Orthographie eine einzige Katastrophe. Die neue ist nicht viel besser, aber sie lässt dem Schreiber etwas mehr Raum. Aus meiner Sicht ist das ein kleiner Fortschritt.
Die “ss/ß”-Regel ist sogar ein großer Fortschritt — noch besser könnte man die deutsche Orthographie nur justieren, wenn man die niederländischen Regeln durchsetzen würde. Ein Schulfreund von mir bestellte am Büdchen in unserer rheinischen Stadt als Kind immer nur Lakritz namens “chwarze Chnüre” — ein bisschen Hyperkorrektur ist immer.
Ich schreibe so, wie ich es für sinnvoll, optisch ansprechend und hinreichend lesbar halte, also bis heute und bis ans Ende meiner Tage “Spaghetti”. Wie sinnvoll es ist, wegen der Neuregelung der “ss/ß”-Schreibung gleich eine Forschungsgruppe zu gründen, kann man mal in der Schweiz fragen. Da stehen die Berge immer noch, und der Käse hat immer noch Löcher. Aber “dass” ist schon lange “dass”, odr?
@29 David Konietzko:
Ich finde den Vergleich mit den Trikotfarben (cf. Andreas Ammann, #27) ziemlich gut. Wie Trikotfarben ist auch Rechtschreibung etwas willkürlich Festgelegtes, was vielleicht noch etwas durch Tradition beeinflusst ist. Einen Unterschied sehe ich trotzdem: Während es für Eishockeyspieler recht schnell kalt würde, wenn sie ohne Trikots auskämen, ist eine Sprache keinesfalls unvollständig oder minderwertig, wenn sie nicht verschriftlicht ist. Was ich meine ist, natürlich hat es bei der Trikotfarbe und den Regeln der Rechtschreibung sehr wohl einen Zweck, dass sie da sind, Trikotfarben aus traditionellen Gründen und um die Mannschaften auseinanderzuhalten, Rechtschreiberegeln, meisst ebenfalls traditionell erwachsen, um Missverständnissen vorzubeugen. Ein Schriftsystem ist immer noch eindeutig, wenn sich die Regeln einheitlich ändern, ebenso wie eine Eishockeymanschaft immer noch von einer anderen Unterschieden werden kann, wenn die Trikotfarben verändert werden. In beiden Fällen ändert sich aber weder die Funktion noch die Funktionsweise. Wovon man heute ausgeht, ist, dass auch visuelle Sprachverarbeitung hochgradig automatisiert ist (cf. Ellis & Young (1988): Human Cognitive Psychology. Psychology Press, darin: Kapitel 8 ), was Eisenberg wohl auch meint, wenn er sagt, dass der graphematische Teil einer Sprache Bestandteil des sprachverarbeitenden Systems, und damit der Grammatik im weitesten Sinne, ist. Es ist aber völlig unerheblich für den Sprecher/Schreiber, ob die Schrift silbenbasiert (e.g. Kanji), buchstaben- (i.e. im weitesten Sinne laut-)basiert (e.g. Lateinisches Alphabet), wortbasiert (man denke bspw. an mathematische Symbole), oder noch komplexer (e.g. könnte man Pictogramme wie Smileys als Graphemsysteme betrachten) ist.
Entsprechend finde ich, was Fabian (#26) schrieb, sehr treffend: Jemand, der von vornherein die neuen Regeln gelernt hat, wird nicht mehr oder weniger Probleme haben, wie jemand, der ausschließlich die alte Rechtschreibung gelernt hat. Auch plausibel finde ich, dass die Einzigen, bei denen Probleme gerechtfertigt und verständlich sind, diejenigen sind, die mit Beidem klar kommen müssen. Aus dem Grund würde ich sagen, dass es aus sprachlicher Sicht weder Argumente für/gegen die neue, noch für/gegen die alte Rechtschreiberegelung gibt, sehr wohl aber an der Reform selbst.
Zu Herrn Ammanns Kommentar Nr. 38:
Entschuldigung für meine Überinterpretation Ihrer Kritik am Namen ›FDS‹.
Zu Herrn Ammanns Kommentar Nr. 39:
»David Konietzko, der — wenn ich ihn richtig verstanden habe — für die alte Ortographie [sic] ist […].«
Wenn Sie mit »alt[er] Ortographie« den Rechtschreibduden von 1991 meinen, dann haben Sie mich mißverstanden. Ich bin (ebenso wie die FDS) für die vor 1996 üblichen Schreibweisen – das ist etwas anderes. ›Üblich‹ ist natürlich ein unscharfer Begriff, aber in der Sprache gibt es eben keine klare Grenze zwischen richtig und falsch. Staatliche Rechtschreibnormierungen lehne ich ab. Wenn der Staatuns nicht vorschreibt, wie man den Dativ gebraucht, dann muß er uns auch nicht sagen, wie man den Bindestrich verwendet. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte man 1996 das amtliche Rechtschreibregelwerk ersatzlos aufgehoben und die deutsche Orthographie dem ganz gewöhnlichen Sprachwandel überlassen (der sich ohnehin nicht unterdrücken läßt).
Der Bindestrich wird oft eingesetzt, um eine Heterogenität zwischen den Bestandteilen einer Zusammensetzung zu überbrücken. Bei CDU-Mitglied besteht diese Heterogenität im Wechsel von quasi-silbenschriftlicher zu alphabetschriftlicher Schreibweise. Bei Eishockey-Spiel besteht eine gewisse Heterogenität insofern, als das Erstglied ein Fremdwort enthält (das auch orthographisch als solches erkennbar ist). Eishockeyspiel ist aber auch richtig. Bei der Bindestrichsetzung geht es oft eher um sinnvoll und nicht sinnvoll als um richtig und falsch.
Der vorreformatorische Duden ist schon längst von seiten der Reformgegner kritisiert worden (siehe z.B. Theodor Icklers Kommentar zum Regelteil des Dudens von 1991: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=852).
»Gerade bei der Groß- und Kleinschreibung, Zusammen- und Getrenntschreibung war die alte Orthographie eine einzige Katastrophe.«
Das waren im nichtreformierten Duden in der Tat diejenigen Bereiche, die die meisten wirklichkeitsfremden Festlegungen enthielten. Deshalb ist es eine beeindruckende Leistung, daß die Rechtschreibreformer sogar eine noch schlechtere Lösung gefunden haben. In der Verlagswerbung für Joachim Jacobs’ Buch Spatien. Zum System der Getrennt- und Zusammenschreibung im heutigen Deutsch, in dem die GZS mithilfe (nach dem alten Duden: mit Hilfe) der Optimalitätstheorie dargestellt wird, heißt es:
»Die Untersuchung wird separat für die GZS vor und nach der Rechtschreibreform durchgeführt (Alt- bzw. Neu-GZS). Als Tertium Comparationis wird anhand der vielen unveränderten Schreibungen ein Kern-System der deutschen GZS ermittelt. Beim Vergleich der Varianten ergibt sich, dass das System der Neu-GZS komplexer ist als das der Alt-GZS und zudem gegen zentrale Grundsätze des Kern-Systems verstößt.« (siehe http://www.degruyter.de/cont/fb/sp/detail.cfm?id=IS-9783110183511–1)
Der Grundfehler der reformierten Groß- und Kleinschreibung ist die Großschreibung in adverbialem und pronominalem Beiwerk, das traditionell sinnvollerweise durch Kleinschreibung im Hintergrund gehalten wurde: im Allgemeinen / Wesentlichen / Übrigen, Letzterer. Diese Großschreibungen wurden bereits im 19. Jahrhundert als übertrieben erkannt. Die herkömmliche Groß- und Kleinschreibung ist harmlos, wenn man in Übergangsfällen Varianten zuläßt.
»Die neue ist nicht viel besser, aber sie lässt dem Schreiber etwas mehr Raum. Aus meiner Sicht ist das ein kleiner Fortschritt.«
Wenn das so ist, dann müßte Ihnen Theodor Icklers Rechtschreibwörterbuch Normale deutsche Rechtschreibung noch besser gefallen. Es handelt sich meines Wissens um die bisher beste lexikographische Annäherung an den tatsächlichen Schreibusus vor 1996 (gestützt auf Corpusuntersuchungen). Vor allem die Getrennt- und Zusammenschreibung ist äußerst liberal dargestellt: statt dessen / stattdessen, um so / umso, ernst nehmen / ernstnehmen, gefangen nehmen / gefangennehmen, sauber halten / sauberhalten, kaputt gehen / kaputtgehen, radfahren / Rad fahren, irgend jemand / irgendjemand; im argen / Argen liegen, im dunkeln / Dunkeln lassen, außer acht / Acht lassen usw. In all diesen Fällen läßt der Duden von 2006 nur eine Variante zu.
»Die ›ss/ß‹-Regel ist sogar ein großer Fortschritt […].«
Mich interessiert, wie Sie diese Einschätzung begründen.
Zu Patrick Schulz’ Kommentar Nr. 40:
»Wie Trikotfarben ist auch Rechtschreibung etwas willkürlich Festgelegtes […].«
Willkürlich ist die (reformierte oder nichtreformierte) deutsche Rechtschreibung nur insofern, als sie auch anders sein könnte. Das hat sie mit allen anderen Bereichen des Deutschen wie jeder natürlichen Sprache überhaupt gemein (wobei man vielleicht von einer genetisch festgelegten Universalgrammatik absehen muß, falls es so etwas gibt). Ansonsten wäre kein Sprachwandel möglich. Keineswegs jedoch kann man aus der ›Willkürlichkeit‹ der Rechtschreibung folgern, daß alle denkbaren Rechtschreibregelungen gleichwertig seien, daß also alles in Ordnung sei, solange es überhaupt irgendeine geregelte Rechtschreibung gebe.
»Ein Schriftsystem ist immer noch eindeutig, wenn sich die Regeln einheitlich ändern, ebenso wie eine Eishockeymanschaft immer noch von einer anderen Unterschieden werden kann, wenn die Trikotfarben verändert werden. In beiden Fällen ändert sich aber weder die Funktion noch die Funktionsweise.«
Das kommt darauf an, was man unter der Funktion einer Rechtschreibung versteht. Meines Erachtens ist das nicht nur die Herstellung von Eindeutigkeit. Es genügt nicht, wenn eine Rechtschreibung es dem Leser erlaubt, einem in ihr verfaßten Text mit Müh und Not einen eindeutigen Sinn zu entnehmen. Wünschenswert ist, daß sie darüber hinaus für eine möglichst schnelle und reibungslose Informationsentnahme sorgt. Herr Ammann nennt in Nr. 39 die Kriterien »optisch ansprechend und hinreichend lesbar«.
Festgelegt (wie die Straßenverkehrsordnung) kann man zwar die von den Rechtschreibreformern erfundenen Regeln, nicht aber den Schreibusus vor 1996 nennen. Dieser war im wesentlichen »historisch gewachsen« (wie Herr Stefanowitsch in Nr. 8 geschrieben hat), wobei ihn die normative Duden-Orthographie zwar verzerrte, aber nicht grundsätzlich verfälschte. »Die Schreibung des Deutschen ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung, die im wesentlichen durch den Sprachgebrauch bestimmt wurde. Der Einfluß von Grammatikern, Literaten und Sprachpflegern wird bis heute meist überschätzt«, sagte Peter Eisenberg am 4.5.1993 bei der Bonner Anhörung zur Rechtschreibreform (siehe http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=347#2092). Ich erlaube mir, einen Text zu wiederholen, den ich hier im Sprachblog schon einmal eingestellt habe:
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»Das Schriftsystem des Deutschen ist in seiner heutigen Form etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts stabil« (Peter Eisenberg in: Schrift und Schriftlichkeit, HSK 10.2, 1996, S. 1451). Erst 1855 begann die Zeit der amtlichen Rechtschreibregelwerke in den einzelnen deutschen Ländern. Reformbefürworter verweisen gerne auf die angebliche Rechtschreibreform von 1901 als Präzedenzfall für die von 1996, aber in Wirklichkeit wurden 1901 keine neuen Schreibweisen erfunden, sondern man traf nur eine Auswahl aus dem schon Üblichen. Sogar der oberste Rechtschreibreformer Gerhard Augst hat zugegeben: »Es ist allgemein bekannt, daß diese Konferenz« (die Zweite Orthographische Konferenz von 1901) »keine inhaltliche Reform zuwege bringt (bis auf die Auslassung des h, z.B. in Rath, That, theilen, Thon, Thor, Thür)« (Muttersprache 1989, S. 232). Aber auch das war keine Neuerung; schon Jahrzehnte vor 1901 hatte es Bücher gegeben, die gar kein ‹th› in deutschen Wörtern mehr enthielten, und 1876 hatte Konrad Duden festgestellt, daß die völlige Abschaffung des ‹th› in deutschen Wörtern »hinreichend vorbereitet« sei (Zukunftsorthographie, S. 41).
Michael Schlaefer erklärt:
»Es sollte jedoch bei allen Vorbehalten gegen die Setzung sprachlicher Normen auf diese Weise nicht übersehen werden, daß diese Einheitsorthographie kein beliebiges Regelsystem, kein Minimalkonsens und auch kein Produkt ministerieller Willkür ist. Diese Orthographie repräsentiert im wesentlichen den historisch gewachsenen Schreibgebrauch des frühen 19. Jahrhunderts. Insofern stellt sich die gesamte Entwicklung der amtlichen Schulorthographien in die Tradition der deutschen Orthographiegeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts. Als eigenständige Periode innerhalb dieser Kontinuität erscheint das 19. Jahrhundert dadurch, daß der Schreibgebrauch auf dem Verwaltungsweg für den Schulbereich gegen Reformbestrebungen unterschiedlicher Art gesichert wird.«
Der Reformbefürworter Hermann Scheuringer schrieb 1996:
»Daß sie« (die Rechtschreibung von 1902) »so schnell und ohne irgendwelche Übergangszeiten eingeführt werden konnte, liegt natürlich daran, daß sie durchgehend bei den Schulen, mehrheitlich bei den Behörden und ganz überwiegend auch im übrigen Schreibgebrauch de facto schon eingeführt war – dies doch ein bedeutender Unterschied zur neuen Orthographie ab 1998.«
(Die letzten beiden Zitate lassen sich in Theodor Icklers Kritischem Kommentar zur ›Neuregelung der deutschen Rechtschreibung‹ nachlesen, der auch im Internet zugänglich ist: http://www.vrs-ev.de/KritKomm.pdf [S. 4].)
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»Es ist aber völlig unerheblich für den Sprecher/Schreiber, ob die Schrift silbenbasiert (e.g. Kanji), buchstaben- (i.e. im weitesten Sinne laut-)basiert (e.g. Lateinisches Alphabet), wortbasiert (man denke bspw. an mathematische Symbole), oder noch komplexer (e.g. könnte man Pictogramme wie Smileys als Graphemsysteme betrachten) ist.«
Ist tatsächlich empirisch nachgewiesen, daß alle diese Schriftsysteme gleich gut zu erlernen sind? Aber eigentlich ist das für unsere Rechtschreibdebatte unwichtig, denn es geht dabei nicht darum, ob eine Alphabetschrift grundsätzlich besser oder schlechter ist als z.B. eine Silbenschrift, sondern darum, ob eine von zwei bestimmten alphabetschriftlichen deutschen Rechtschreibungen besser ist als die andere (und wenn ja, welche).
@ 37 / Walter Lachenmann: Wer die ’spezifischen Charakteristika nationaler Kulturen’ hochhält — und wir reden in diesem Zusammenhang ja nicht vom dem zuletzt wahrhaft kulturbegründenden ‘Holocaust der Deutschen’, sondern schlicht von der ‘deutschen Sprache’, die Sie als konstituierendes Element dazu zählen wollen — der sucht immer nach etwas genuin ‘Deutschem’, was uns unauflöslich verbinden und einen spezifischen Kulturraum eröffnen soll. Der uns wiederum von Dänen, Holländern oder Polen unterscheide. Das ist in meinen Augen Blödsinn.
So macht uns die deutsche Sprache ja nicht nur zu Deutschen, sondern zumindest auch zu ebenso guten Schwyzern, Österreichern oder Norditalienern. Selbst das Jiddische ist nur eine Form des Mittelhochdeutschen, eine Sprache, die sich nach der ersten Judenaustreibung des Mittelalters im Refugium des slawischen Ostens bewahren konnte. Ziehen wir gar noch die Regiolekte hinzu, Plattdeutsch, Schwäbisch usw., dann entsteht noch viel mehr Differenz unter dem Dach eines von Ihnen nebulös unifikatorisch betrachteten ‘Deutschen’. Kurzum: Die Sprache ist zunächst einmal ein Verständigungsmittel, das über weite Entfernungen funktioniert, dann, wenn alle Teilnehmer mit gleichen Worten halbwegs gleiche Bedeutungen verbinden. Sie ist jedoch kaum geeignet, ein Sehnsuchtsobjekt wie eine gleichartige Kultur zu begründen, da wirkt die Lebensweise viel stärker als die Sprache. Indianische Sprachen lagen teilweise sprachlich meilenweit auseinander, trotzdem haben alle diese Stämme denselben Büffel gejagt und dasselbe Kalumet geschmökt. In Deutschland waren lange Zeit das Militär und auch die Burschenschaften für ein bildungsbürgerliches Milieu viel prägender als ausgerechnet die Sprache, der Habitus überwölbt dabei immer das Sprachliche. Von mir aus waren auch Schriftsteller wie Voltaire, Rousseau, Tolstoi oder Dostojewski einflussreich, obwohl die alle keine Deutschen waren. Sie hatten aber immensen Einfluss auf die deutsche Kultur, nur nicht qua Sprache, bestenfalls qua Übersetzung, vor allem aber qua Gedanke. Deshalb hatten und haben auch Arbeiter und Bürger noch immer sehr wenig gemeinsam, obwohl sie doch alle deutsch sprechen. Schon gar nicht haben sie eine gemeinsame Kultur, die am Ende dann auch gar noch ‘deutsch’ wäre. In meinen Augen sind Sie auf der Jagd nach einer verlorenen Identität — und Sie instrumentieren unnötigerweise die Sprache. Sprachgrenzen sind keine Kulturgrenzen …
Ihre Irritabilität durch die 68er zeigt mir wiederum nur, dass ich die Ideologie schon am rechten Ort vermutete. Ich bin übrigens keiner …
Dieser Hintergrund ist sogar noch komplexer. Auf der Uni schrieb ich zwei Arbeiten zur Entwicklung der Curricula von den frühen 70er Jahren bis tief in die Kohl-Ära für die Fächer Deutsch und Englisch in der Unter‑, Mittel- und Oberstufe bzw. SEK‑I/II. In diesem Bogen, vor allen vom extrem langlebigen „vorläufigen“ Curriculum für den Deutschunterricht zum neuen, zeigt sich eine zweite, dazu parallel verlaufende Entwicklung. In den vom Geist der Spätsechziger geprägten Curriculum-Texten wird zum Teil sogar sehr viel Wert gelegt auf korrekte Rechtschreibung. Aber nicht rechtschreibliche Konformität, sondern die Beherrschung der Schriftsprache als Bestandteil einer individuellen und gesellschaftlichen Emanzipation ist das erklärte Ziel: Die Fähigkeit, sich wirksam und ohne hemmenden Ängste schriftlich ausdrücken zu können auf der einen Seite, und die Fähigkeit, auch komplexe und möglicherweise absichtlich komplizierte Texte zu verstehen, ohne sich einschüchtern oder manipulieren zu lassen, auf der anderen. Solche Begründungen sind in den Curricula der Kohl-Ära ersatzlos herausgeflogen, was nicht maßlos überrascht. Ähnlich elaborierte neue Begründungen flossen aber nicht ein — das Ziel von Rechtschreibsicherheit schien im Rahmen der selbst bis auf die Primarstufe rückeskalierenden Wissenschaftspropädeutik wohl ebenso naheliegend wie selbsterklärend. Herausgefallen sind auch viele Passagen, insbesondere im Bereich Unterstufe/SEK‑I, über kreative Beschäftigungen und Übungen im Unterricht zum Zweck der Ausbildung der individuellen Persönlichkeit: „Kreativität“ in den neuen Curricula, sofern dies überhaupt Erwähnung findet, rückt vielmehr in den Zusammenhang kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritts.
Dies ist kein Gegenargument, im Gegenteil. Der Hintergrund ist im Zweifelsfalle noch komplexer, als wir denken, und diese Studie im Zweifelsfalle noch aussagefreier, als sie scheint.
Was mich immer wieder überrascht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Philologen verabsäumen, für ihre „Studien“ und „Umfragen“ in die Gelben Seiten zu schauen — oder sich in den Lehrstühlen Soziologie und Psychologie selbst mal ein oder zwei Semester lang zu Erhebungverfahren und Statistik schlau zu machen.
Cheers,
^_^J.
Lieber David Konietzko,
Wir haben beide eine Meinung und werden uns nicht einig, soviel scheint klar. Ich will auch nicht weiter sticheln und schätze Ihre sachlichen Argumente. Auch Ihr “[sic]” kann ich verschmerzen — vertippen kann sich jeder mal (“Staatuns”?) Da Sie mir aber eine konkrete Frage gestellt haben, will ich sie gerne beantworten:
Ich bin für die ß/ss-Regelung, weil ich jemandem, der eine andere Muttersprache als Deutsch hat, in einer Minute erklären kann, wie die Verteilung ist (nach Kurzvokal: , nach Diphthong oder Langvokal: ). Vor der Reform musste man noch den Faktor Wortende berücksichtigen, vermutlich ein Relikt aus der Zeit, in der Buchstaben von Hand von einem Typographen gesetzt werden mussten. Brauchen wir diese Unterscheidung noch? Ich meine: nein.
Ihre Kritik an “im Allgemeinem” usw. teile ich, es sind aber pro Seite Text extrem wenige Fälle betroffen. Viel Lärm um wenig Gehalt, denn auch “dass” bleibt nach der Reform unterscheidbar von “das”.
Wichtig sind mir nur zwei Dinge: Anatol Stefanowitsch kritisiert einen Vortrag, der zwar nur als Manuskript vorliegt, dennoch aber aus den Gründen, die er genannt hat, angreifbar ist. Und die Forschungsgruppe deutsche Sprache hat einen Namen, der aus meiner Sicht zumindest irreführend ist.
Zur Macht des Faktischen:
Das Faktische wird doch nicht von den Zeitungen allein begründet? Gilt die Literatur (im engeren Sinne) denn wirklich gar nichts mehr in diesem ehemaligen Land der Dichter und Denker?
Gelten auch Zahlen nichts mehr? Wenn nicht einmal zehn Prozent der Deutschen (siehe Allensbach) die Reform befürworten — von welchem Faktischen reden Sie dann? Das ist doch offenkundig falsch.
Die Wetterhähne bei den Zeitungen drehen sich doch unverzüglich, sobald ein neuer Wind weht. Suchen Sie das Faktische besser bei jenen, die sich klar auszudrücken versuchen und sich nicht der Möglichkeit zur Nuancierung berauben lassen.
Professor Stefanowitsch wird Ihnen, lieber Herr Atkins, auch für diese scharfsinnige und sowohl präzis formulierte als auch wohldurchdachte (oder wohl durchdachte?) Replik an meine Adresse eine Eins bzw. ein „auf den Punkt“ mit Schulterschlag zuerkennen. Mir fällt darauf schon allein deswegen nichts mehr ein, weil Sie wieder — wie zuvor — mir Ansichten und Gesinnungen unterstellen, für die nichts in dem von mir Geäußerten Anhaltspunkte hergibt und die ich auch nicht habe. Ihre deutschnationalen Phantasien kämen mir nie in den Sinn.
Von einer „Irritabilität durch die 68er” bei mir zu reden ist völlig daneben. Ich habe nur geschrieben, daß wir deren Ideologie und deren Betreiben die Rechtschreibreform zu verdanken haben, die zuvor in nahezu gleicher Form und Qualität von den Nazis geplant war. Welche Ideologie vermuten Sie denn, wenn ich nach beiden Seiten, nach rechts und links “irritabel” bin? Darf ich nachhelfen? „FDP!“ — (Stefanowitsch: ‚auf den Nagel, Chat! — immerhin, in der FDS ist er ja schon, der Scheißliberale!‘.) Hab ich mir jetzt ausgedacht, ist wissenschaftlich nicht belegbar, liegt aber in Ihrer Deduktionsweise, sofern ich sie ahnen kann, nachvollziehen geht da ja nicht.
Ich geb’s auf, mein Bester, das ist mir zu vernagelt. Mit anderen Worten: damit ist die Diskussion von meiner Seite beendet.
Was für eine alberne Studie. Wer kommt denn auf die Idee, gestiegene Fehlerquoten zuerst auf die Rechtschreibreform zu schieben und nicht darauf, dass sich die Schüler und ihre Mediennutzung einfach geändert haben?
Bis in die 90er Jahre haben Kinder und Jugendliche vornehmlich das Fernsehen und Zeitschriften benutzt, um in Sachen Jugendkultur auf dem Laufenden zu bleiben. Wer viel liest, gewöhnt sich auch die dort benutzte Rechtschreibung an, im Fall der Zeitschriften also die amtliche Rechtschreibung. Und heute? Viele kaufen keine BRAVO mehr oder ähnliche Magazine, die informieren sich in Fanblogs über Tokio Hotel und Co., und da die Schreiber dort selbst nicht sehr geübt sind, was das Schreiben angeht, und gerne mal falsch und immer wieder anders schreiben, gewöhnen sich die Kids durch das Lesen auch keine korrekte Rechtschreibung an. Mehr Rechtschreibfehler sind meiner Meinung nach zuerst ein Ausdruck der geänderten Mediennutzung. Was Groß- und Kleinschreibung sowie Getrennt- und Zusammenschreibung angeht, haben sowohl die alte als auch die neue Rechtschreibung ganz schön unlogische Regeln drin, bei diesen Regeln kann mir keiner sagen, dass eine von beiden Rechtschreibungen einfacher wäre als die andere.
LOL — genau zu diesem Argument hatte ich gestern ein längliches Caveat geschrieben:
http://brandmeetsworld.blogspot.com/2008/08/voll-krass-gedanken-zur-regel.html
Cheers,
^_^J.
@ Klopfer: Es dringen auf diesem selbstverstärkenden Weg sogar neue Schreibweisen als ‘korrekt’ bzw. ‘voll korrekt’ in die Schriftsprache ein. Ich erinnere nur an das Wörtchen ‘phatt’ aus dem Reich der Hip-Hopperei — das die Sprache mit neuen Bedeutungsnuancen bereichert, weit über das ursprüngliche Stammadjektiv ‘fett’ hinaus. Trotzdem gäbe es bei den Verfassern dieser Studie für einen ‘vollphatten Sound’ einen vollfetten roten Tintenklecks am Heftesrand. Und wieder führe — nach Ansicht mancher Kommentatoren — die Jugend noch schneller der orthographischen Hölle zu …
@ 47: Dann kann ich aus Ihren Texten eben mehr herauslesen, bester Herr Lachenmann, als Sie dies möchten.
Warum wird eigentlich immer nur auf die Meinung “der Deutschen” verweisen? Auch als Schweizer habe ich die Muttersprache Deutsch…
@ 51: Die Schweizer richten sich, wie es scheint, mehrheitlich nach den Empfehlungen der SOK. Sie sind damit viel fortschrittlicher als die Deutschen — und brauchen also nicht angesprochen zu werden.
@ 49: So viele Worte — doch ohne Gehalt. Es geht auch kürzer, sinnvoller:
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~ma8/eszet.html
Die neue Regelung besagt übrigens nicht, daß nach kurzem Vokal “ss” steht, sondern daß in diesem Fall das “ß” durch “ss” ersetzt wird, siehe http://www.duden.de/deutsche_sprache/neue_rechtschreibung/crashkurs/lautbuchstaben/regel_01.php
Hier wird also ausdrücklich die Kenntnis der alten Rechtschreibung vorausgesetzt, was erklärt, warum Schüler und all jene, die der verkürzten Regel folgen, so viele Fehler machen.
@ 45: Das “sic” setzt, wer korrekt zitiert — Verletzungen sollen damit nicht verursacht werden. — Woher nur all diese Empfindlichkeiten?
Es sei angemerkt, daß es keine Schande ist zu erkennen, daß die Neuregelung nichts taugt, und infolgedessen zur konventionellen Schreibung zurückzukehren. Niemand hackt Ihnen dafür den Kopf ab.
Maria (#52), Sie verstehen es anscheinend selbst dann nicht, wenn man es Ihnen gaaanz langsaam erklärt, aber ich versuche es noch ein letztes Mal: Niemand hier verteufelt die alte Rechtschreibung oder verteidigt die neue. Wir kritisieren eine Studie, die nicht das zeigt, was sie zu zeigen vorgibt. Das Sie das nicht verstehen, zeigt, dass Sie nicht qualifiziert sind, hier mitzudiskutieren.
Gut, ein Urteil über Alt oder Neu wird hier nicht abgegeben, das halten wir jetzt mal fest. Wirklich helfen würde das ja auch nicht.
Meine Fragen (Nr. 17) sind damit noch nicht beantwortet, und ich ergänze sie noch:
Anscheinend gilt es erst einmal klar die Tatsachen herausarbeiten, über die man sich dann eine Meinung zu bilden und einen Konsens zu finden hätte: ob irgendwelche weiteren Aktivitäten nötig sein könnten oder nicht, und wenn ja, welche. Wer kann hier die ersten Schritte vorschlagen, wer damit beginnen? Oder wird kein Handlungsbedarf gesehen? Ist es dafür noch zu früh, gibt es weit dringendere Probleme? Sind die Sorgen über das Rechtwschreibniveau übertrieben, kann man die Dinge auf sich beruhen lassen? Die Studie sagt dazu ja auch nichts, aber diese Fragen wären doch wohl wichtiger als bloße Vergleiche von Fehlerzahlen? Was für Hypothesen sollte man aufstellen, wie wären sie zu testen?
Nun ja.
Aber Herr Stefanowitsch! Wie ungalant von Ihnen! Dürfen Frauen denn nicht vom Thema abweichen? Oder waren die Fragen Marias Ihnen zu unangenehm?
[Anmerkung des Administrators: Juana und Maria sind dieselbe Person.]
#56: Hahaha, dazu sagt man dann wohl “pwned”.
Okay, so ganz zum Thema hat das jetzt nicht beigetragen, aber es ist doch sowieso schon längst alles gesagt, nicht? (Das könnte man jetzt als Vorschlag zum Sperren der Kommentarfunktion verstehen, muss man aber nicht 🙂
LOL! Sockenpuppen in des Sprachpflegetheaters Nebenrollen. Na wie das paßt.
^_^J.
Ich denke übrigens, dass das ß mittlerweile von deutschen Sprechern zumindest zum Teil als Zeichen für “stimmloses s” reanalysiert wurde — ich habe kein Beispiel zur Hand, aber ich habe öfter gesehen, dass in Pseudolautschriften (von z.B. nicht-deutschen Wörtern) das ß genau so verwendet wird.
Das würde zumindest auch begründen, wieso die Schweiz kein ß hat; wie der gesamte süddeutsche Sprachraum kennt sie den Unterschied zwischen stimmlosem und stimmhaftem s gar nicht mehr.
Aber das hatten wir schon mal~
@ 46: Mich würde dies allerdings auch interessieren: Inwiefern darf denn, angesichts noch stets massenhaft in konventioneller Schreibung erscheinender guter Literatur und überwiegender Ablehnung der Reform durch die deutschsprachige Bevölkerung, von der Macht des Faktischen gesprochen werden?
Heißt, sich der “Macht des Faktischen” zu beugen nicht soviel wie “Ich bin ein Mitläufer”?
Mariajuana/Maria/Juana, heißt, nichtssagende pseudoprovokative Kommentare in anderer Leute Blogs zu hinterlassen nicht soviel wie „Ich bin ein Troll“?
Keine Provokation, lediglich eine Feststellung, als Frage formuliert. Antworten auf schwierige Fragen bleiben Sie ja schuldig. Beleidigungen sind zudem Ihr Revier. Entschuldigen bleiben Sie ebenfalls schuldig. Wertlos!, der ganze Blog. Immer nur mit Kanonen auf Spatzen schießend (und immer daneben).
Troll: [altnord. »Unhold«] der, im skandinav. Volksglauben Dämon oder Kobold in Riesen- oder Zwergengestalt; kann gut (!) oder böse sein.
© 1999 Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG
Nichtssagend: Viele machen mit, ganz ohne Not. Sind das etwa keine Mitläufer? So auch Sie.
Korrektur: Entschuldigungen
Die neue höchstwahrscheinlich auch, weil sie auf der alten aufbaut. Eine nicht historisch gewachsene Rechtschreibung wäre vorstellbar, z. B. eine völlig phonemische. Man denke etwa daran, wie Vokallänge behandelt wird: manchmal wird die Länge markiert (auf eine von 2 bis 3 verschiedenen Arten — meistens, aber meines Wissens nicht immer etymologisch gerechtfertigt), manchmal wird die Kürze markiert (an den nachfolgenden Konsonanten), manchmal wird gar nichts markiert…
…wie in bisher allen neuhochdeutschen Rechtschreibgepflogenheiten, kodifiziert oder nicht, Vokallänge behandelt wird, meine ich.
Habe nur mal kursorisch in den (wertlosen) Blog reingeschaut.
Aber noch ein Hinweis für Stefanowitsch:
Würden Sie in ordentlicher hergebrachter Weise schreiben, dann könnten Sie evtl. besser die Konjunktion daß vom Relativpronomen das unterscheiden.
… und würden Sie, ArgoII in der heutigen Zeit leben, dann wüssten Sie, dass man dass heute mit zwei s und nicht mehr mit ß schreibt 😉
<headdesk>
Ja, wenn er keine Zeit hat, methodologische Überlegungen anzustellen, hat er keine Zeit, einen wissenschaftlichen Artikel zu schreiben. Danke, setzen – Fetzen*.
* “Nicht genügend” auf wienerisch.
Bitte?
Wollen Sie uns allen Ernstes weismachen, der Wahrheitsgehalt einer Aussage hänge von ihrem Ton ab!?!
Solange niemand nachweist, dass es eine solche Beschädigung überhaupt gibt (Grund hat es versucht und ist peinlich, peinlich gescheitert), wieso soll jemand annehmen, es gebe eine?
Dass die Umstellung an sich allerhand Verwirrung verursacht, ist klar. Aber darum geht es nicht, und das hat auch Grund nicht behauptet.
Um Gottes Willen.
Kommt uns der tatsächlich mit einem lupenreinen argumentum ad Hitlerum wie aus dem Lehrbuch.
<headdesk>
Ist Ihnen überhaupt nichts peinlich, Herr Lachenmann?
Das Langenscheidt-Jiddischwörterbuch transkribiert /z/ als s und /s/ als ß.
Mit “mehr” hat das nichts zu tun – das kurze /s/ ist im Norden zwischen Vokalen und am Wortanfang stimmhaft geworden, und dann ist der Längenunterschied weggefallen.
So ein Blödsinn.