Es passiert nicht oft, dass ich eine Aussage aus einer Zeitungsmeldung kritisiere, und der Kritisierte sich dann hier zu Wort meldet. Um ehrlich zu sein, es ist noch nie passiert — so wichtig ist das Bremer Sprachblog dann wohl doch (noch) nicht im öffentlichen Diskurs.
Aber heute hat sich der Frankfurter Unternehmer Eduard Blesius, über den ich am Freitag geschrieben habe, in einem Kommentar gemeldet. Damit der nicht unbemerkt untergeht, und natürlich weil ich ihm eine Antwort schulde, zitiere ich diesen Kommentar hier komplett.
Hallo zusammen,
ich verstehe nicht wirklich, warum Herr Stefanowitsch auf mir so rumhackt. Wir stellen eben keine Schuhcreme her — auch wenn das im Zeitungsartikel so genannt wurde — sondern — und der Begriff wird nun mal so in der Schuhindustrie gebraucht –, verschiedene Mittel, die alle in der „Finish-Abteilung“ (so heißen die wirklich) der Schuhfabriken eingesetzt werden. Der Begriff ist in der Industrie so gebräuchlich — darauf bezog sich meine Aussage, man kann eben keinen deutschen Begriff dafür nehmen und versuchen, mit der Schuhindustrie ins Geschäft zu kommen.
Im übrigen gibt es auch Schuhhersteller, die ihren Finish nicht als Creme auftragen. Aber darum geht es hier nicht, oder? Lieber Herr Stefanowitsch, vielleicht interessiert es Sie ja auch, daß das von Ihnen geschätzte Leder (ich nehme an, Sie sprechen von einem Fußball) aus Polyurethan hergestellt ist….
Lieber Herr Blesius, das mit dem Polyurethan wusste ich nicht, obwohl ich den Verdacht hatte, dass Fußbälle heute nicht mehr aus Leder hergestellt werden. Ist dieses Material für die „Flatterbälle“ verantwortlich, mit denen die Teilnehmer der EM zu kämpfen haben?
Aber zu Ihrem eigentlichen Einwand: ich habe Sie ja auch gar nicht dafür kritisiert, dass Sie den Begriff Finish verwenden. Wir haben hier im Bremer Sprachblog nichts gegen englische Lehnwörter! Ich habe ja auch im Beitrag schon darauf hingewiesen, dass dieser Begriff in der Schuhindustrie üblich ist und habe auf einen Wikipedia-Eintrag verlinkt, der das belegt. Nein, ich habe Sie für etwas ganz anderes kritisiert (wenn überhaupt, denn ich möchte klarstellen, dass hier keine persönliche Kritik beabsichtigt war, sondern dass ich Ihre Bemerkung nur zum Anlass genommen habe, um ein allgemeines Phänomen zu diskutieren): nämlich für den rhetorischen Haftungsausschluss, den Sie diesem allgemein gebräuchlichen Begriff voran gestellt haben.
Es ist doch so: die deutsche Sprache hat während ihrer gesamten Entwicklungsgeschichte Lehnwörter aus anderen Sprachen aufgenommen, und dabei gab es immer Phasen, in denen eine bestimmte Sprache eine besonders fruchtbare Quelle für Lehngut dargestellt hat — das Lateinische zur Zeit des Römischen Reichs, das Französische am Ende des 19. Jahrhunderts und derzeit das Englische. Warum sollten wir uns für die vielen schönen Wörter, die uns diese Sprachen geschenkt haben, ständig entschuldigen? Warum sollten wir die Globalisierung begrüßen (ich nehme an, das tun Sie), die Sprache aber vor ihr bewahren wollen? Wenn Finish keine Schuhcreme ist (und mit diesem Wort wollte ich Sie ja nur ein bisschen ärgern), warum sollten wir uns dafür entschuldigen, dass wir es Finish nennen? Im Übrigen, selbst wenn es ein deutsches Wort gäbe, wenn Finish schöner klänge, warum sollten wir es nicht verwenden? Sie entschuldigen sich doch auch nicht dafür, dass Ihre Firma „Corium“ heißt, und nicht „Haut“, „Fell“ oder „Leder“ — und warum sollten Sie? Ich finde „Corium“ auch schöner.
Also, nichts für ungut. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg auf dem chinesischen Markt, und vielleicht gelangen durch diese Kontakte ja sogar ein paar chinesische Lehnwörter in ihr Firmenvokabular.
“Es ist doch so: ”
ist dies nicht auch eine Floskel, die man für gewöhnlich einer Aussage voranstellt, wenn man sie nicht belegen kann oder will, weil der Wahrheitsgehalt ihres Inhalts “ja klar und logisch zwingend” sei?
Herr Schulz, ich glaube nicht. Mein Eindruck nach einer Durchsicht von ein paar Dutzend Google-Treffern ist eher, dass diese Floskel verwendet wird, um grundlegende Ideen in eine Diskussion einzuführen, zum Beispiel, wenn die sich in Details oder Abstraktionen verliert.
Ich habe diese Floskel hier verwendet, um die Tatsache in die Diskussion einzuführen, dass die deutsche Sprache schon immer Lehnwörter aufgenommen hat. Den Beleg für diese Behauptung liefert jedes beliebige Herkunftswörterbuch.