Der Aktion Lebendiges Deutsch ist es wieder einmal gelungen, nicht nur sinnlose, sondern auch peinliche Verbesserungsvorschläge bezüglich der deutschen Sprache zu machen:
Unter den über 1800 Einsendungen für das Suchwort „Coffee-to-go“ hat die Jury „Geh-Kaffee“ ausgewählt (mit Sympathien für „Fersen-Kaffee“ und „Kaffee entführt“).
Fersen-Kaffee — davon abgesehen, dass das eklig klingt, schwingt hier, ebenso wie bei Kaffee entführt, wie so oft eine grundsätzliche Kritik an der bezeichneten Sache durch. Die vier Aktionäre kommen offensichtlich nicht klar mit der Tatsache, dass es Kaffee überhaupt zum Mitnehmen gibt.
Im Bremer Sprachblog hat Andreas H. den Sieger bereits vor einem Monat vorhergesehen. Weil auch die anderen Leservorschläge seinerzeit so schön waren, hier noch einmal unsere komplette Liste: Café a porter, Coffee to take, Geh-Kaffee, Kaffee Kon Go, Kaffee auf die Hand, Kaffee außer Haus, Kaffee für über die Straße, Kaffee zu Fuß, Kaffee zum Gehen, Kaffee zum Weglaufen, Kaffee, den man bezahlt, bevor man ihn trinkt, damit man nicht gezwungen ist, ihn dort zu verköstigen, wo er erworben wurde, und Kaffee, den man nicht im Lokal trinkt, sondern den man in einem Pappbecher in die Hand gedrückt bekommt, so dass man Ihn mitnehmen kann, wohin man will.
Beim Suchwort für diesen Monat beweisen die vier alten Herren von der Aktion, dass sie den Finger ganz knapp neben dem Puls der Zeit haben:
Suchwort im Mai: „Public Viewing“ wird wieder Tausende anziehen bei der Fußball-Europameisterschaft. Fällt Ihnen dafür ein griffiges deutsches Wort ein? fragt die Aktion „Lebendiges Deutsch“. Bei der Weltmeisterschaft 2006 hatte die Aktion schon einmal gefragt und sich für „Schau-Arena“ entschieden – aber zu wenig Echo gefunden. Also: ein zweiter Versuch! Vorschläge bitte bis 23. Juni 2008.
Davon abgesehen, dass der Mai vorbei ist, und wir schon Juni haben, ist der Einsendeschluss so terminiert, dass dann garantiert niemand mehr ein Wort für die öffentliche Übertragung von Fußballspielen braucht. Ob es am mangelnden Zeitgefühl der Vier liegt, dass ihre Vorschläge so wenig „Echo“ finden?
In diesem Fall ist ihnen außerdem der vom WDR betriebene Radiosender „1 Live“ zuvorgekommen, der bereits eine Alternative gesucht und gefunden hat:
1LIVE wollte von seinen Hörern wissen, ob es nicht bessere Begriffe dafür gibt, wenn sich ab morgen wieder viele Fußballbegeisterte treffen, um an öffentlichen Orten gemeinsam die Spiele der Europameisterschaft zu verfolgen. Denn: „Public Viewing“ ist ein Schein-Anglizismus, kommt wichtigtuerisch daher und geht schwer über die Lippen. Außerdem verwenden Menschen mit Englisch als Muttersprache „Public Viewing“ als Wort für die öffentliche Aufbahrung von Toten.
Von Mittwoch, dem 4. Juni 2008, bis Freitag, dem 6. Juni 2008, haben zahlreiche 1LIVE-Hörer in das Gästebuch von 1LIVE ihre vielversprechenden und kreativen Vorschläge geschrieben und abgestimmt: Tummel-TV, Meutekino oder Gruppenglotzen waren nur einige der vielen Ideen. Gewonnen hat das Wort „Rudelgucken“ und setzte sich mit den meisten Stimmen gegen die Konkurrenz durch.
Tummel-TV, Meutekino, Gruppenglotzen, Rudelgucken — da klingt doch überall die Verachtung derjenigen durch, die Fußball lieber gepflegt zu Hause, oder, noch besser, gar nicht gucken. Die Aktionäre können die Aktion diesen Monat also abkürzen und sich gleich dem WDR anschließen.
Eigentlich interessant an dieser Meldung ist aber die Behauptung, der Begriff Public Viewing sei ein „Scheinanglizismus“ mit dem englische Muttersprachler „die öffentliche Aufbahrung von Toten“ bezeichneten. Diese Interpretation des Begriffs ist mir zwar vertraut, aber es ist nicht unbedingt die erste, und mit Sicherheit nicht die einzige Bedeutung, die mir in den Sinn kommt. Viel häufiger ist im englischen Sprachraum die Bedeutung „Akteneinsicht durch die Öffentlichkeit“, aber auch jede andere Art von Ereignis, bei der es öffentlich etwas zu sehen gibt, kann im Englischen mit public viewing bezeichnet werden — etwa öffentliche Theater- und Filmvorführungen, Vorführungen in Sternwarten, Kunstausstellungen, und natürlich auch die Übertragung von Fußballspielen auf Großbildleinwänden.
Woher konnte der Verfasser der Pressemeldung seine Fehlinformationen also haben? Vermutlich der Wikipedia, aus der ja der Großteil der Informationen stammt, mit denen unsere Medien uns versorgen. Aber nein, die Wikipedia verwendet zwar den Begriff „Scheinanglizismus“, fährt dann aber richtig fort:
Obwohl dieses Phänomen nicht neu ist, hat sich erst seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im deutschen Sprachgebrauch dafür der Begriff Public Viewing eingebürgert. Im Englischen bedeutet Public Viewing einfach ein öffentliches Anschauen (z. B. bei Beerdigungen, aber auch in Sternwarten, Kinovorführungen o.ä.), nicht nur bezogen auf Sportveranstaltungen und Großbildwände.
Die hier zitierte Version des Eintrags stammt vom 6. Juni 2008. Das Geheimnis lüftet sich, wenn man sich die unmittelbare Vorgängerversion des Artikels ansieht, denn dort lautet der Text noch wie folgt:
Obwohl dieses Phänomen nicht neu ist, hat sich erst seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im deutschen Sprachgebrauch dafür der Begriff Public Viewing eingebürgert. Im englischen Sprachraum wird dieser Begriff in diesem Sinne nicht benutzt. Im amerikanischen Englisch bezeichnet er die öffentliche Aufbahrung eines Verstorbenen.
Und was lernen wir daraus? Erstens, dass Public Viewing kein Scheinanglizismus ist — es ist lediglich ein Lehnwort, das im Deutschen eine engere Bedeutungsspanne hat, als im Englischen. Wir können das Wort also bedenkenlos weiter verwenden. Zweitens, dass die Aktion Lebendiges Deutsch sich mit ihren Verbesserungsversuchen hinter regionalen Radiosendern anstellen muss. Einen Führungsanspruch bei Sprachnörgeleinen können sie daraus nur schwer ableiten. Drittens, dass es sich lohnt, Informationen aus der Wikipedia durch eigene Recherchen zu überprüfen. Denn wenn in der Wikipedia etwas Falsches steht, wird das normalerweise innerhalb von ein paar Tagen korrigiert. Aber wenn man aus der Wikipedia etwas Falsches abschreibt, bleibt es für immer falsch.
Ich darf da noch auf diesen Beitrag im Bestatter-Weblog hinweisen:
http://www.bestatterweblog.de/archives/Public-Viewing/1877
Ich finde “Rudelgucken” als Wort absolut in Ordnung. Ein bißchen Selbstironie schadet nie, deswegen kann ich auch kein abwertende Konotation erkennen — bestenfalls ein Nicht-alles-immer-ganz-erst-nehman.
Ich bin englische Muttersprachler, und ich habe nie den Begriff mit den öffentlichen Aufbahrung von Toten assoziert.
Bloß meinen Senf dazu.
Ich nehme an Sie wissen es, aber der englisch-englische Begriff für Fußball ist football. Soccer sagt man nur in Amerika. Was die Google-Suche denn auch ergebnisreicher macht. Und die sehr traditionsbewusste FA nutzt die Wendung “public viewing” ebenfalls um ihren Fans zu erklären, wo es öffentliche Übertragungen der Spiele der Three Lions gibt.
Was mich daran erinnert, dass — soweit ich weiß — “public viewing” eine Erfindung der Engländer ist die so zur EURO 96 versuchten, den Fans, die keine Karten für die Spiele bekommen haben, das Turnier dennoch mit “Stadionatmosphäre” zu präsentieren.
1 Live: »Denn: „Public Viewing“ ist ein Schein-Anglizismus, kommt wichtigtuerisch daher und geht schwer über die Lippen.
Klar, kommt äußerst schwer über die Lippen. Deswegen hört man es auch so unglaublich selten… Aua, aua, aua.
Mir fehlt „Pappkaffee“ oder (weniger abwertend) „Becher Kaffee“ (in Opposition zu „Tasse“ und „Kännchen“).
Ein Nachschlag noch zum kalten Kaffee: Eine Freundin bot vor Jahren in ihrem Restaurant am Bodensee den Kaffee auch zum Mitnehmen. Der hieß auf der Karte “Café dabei”. Das hat mir gefallen.
LOL, ich kann die Zukunft voraussagen? Ich bin psychic! Vielleicht sollte ich das zu meinem Beruf machen…
Nein, im Ernst, ich habe nicht bei dieser Aktion teilgenommen, sympathisiere auch nicht mit ihr (im Gegenteil).
Zu ‘Public Viewing’: Das ist doch ein schönes Wort, solange man es mit ‘l’ schreibt. 🙂
Mit meinem Übersetzungsvorschlag ‘Maulaffen feilhalten’ liege ich diesmal wohl voll (oder heißt es ‘völlig’?
) daneben…
manchen Leuten, insbesondere den “Kreativen”, aber auch Referenden bei irgendwelchen Seminaren, geht es doch nur darum, das Gegenüber durch neue Wortschöpfungen zu verblüffen. Die werden dann gerne so eingesetzt, dass man beim erstmaligen Hören auch aus dem Zusammenhang keine Bedeutung herleiten kann.
Meine Meinung dazu steht in meiner Webseite
Schon im ersten Semester lernt jeder Sprachwissenschaftler, dass wir nicht vorschreibend sondern beschreibend arbeiten. Das sei zuerst einmal all jenen ins Stammbuch geschrieben, die sich als Wächter der Sprache aufspielen.
Wenn man Begriffe übernimmt, weil sie eine ganz spezielle Note beinhalten, die ein deutsches Wort nicht ausdrückt, dann ist das eine Bereicherung der Sprache!
Beispiele gibt es zuhauf.
• “Tsunami” heißt übersetzt “Hafenwelle”, es sei jedem freigestellt, die Übersetzung zu benutzen und dann zu gucken, wie weit er damit kommt.
• “Harakiri” ist nur Teil des Rituals “Seppuku” (s. Wikipedia), und es wird empfohlen, den Begriff in Japan besser nicht zu benutzen. Aber in der westlichen Welt weiß jeder, was man damit ausdrücken will.
• Mit “Handy” verhält es sich zwar harmloser aber ähnlich: Es gibt das Wort im Englischen, es ist ein Adjektiv, es hat dort die Bedeutung von “praktisch” ; und es stößt eher auf Belustigung beim englischen Muttersprachler, wenn auf der Visitenkarte erst “Fon” und dann “Handy” aufgeführt wird.
• Die “Happy Hour” in Deutschland ähnelt zwar irgendwie dem Begriff, wie er im englischsprachigen Raum benutzt wird: http://en.wikipedia.org/wiki/Happy_hour . Aber letztendlich liegen doch zumindest ein paar Yards zwischen den Bedeutungen.
• Will wirklich jemand lieber “Rechenautomat” als “Computer” benutzen? Vielen ist immerhin “Rechner” eine Alternative. Löblich. Was die Franzosen bewegte, einen Begriff für Computer völlig selbständig zu definieren, kann man hier nachlesen: http://fr.wikipedia.org/wiki/Ordinateur .
Mir graut es zwar auch, wenn auf “Meetings” das neue “Target” in einem “Agreement” “committet” wird, aber wir sollten uns einfach trauen, in solchen Fällen den Satz parat zu haben: “…und jetzt noch ‘mal bitte auf Verständlich…”
Letztendlich zählt nur die eine Regel: Sprache ist das Mittel, um einander mitzuteilen! Wenn wir also in Deutschland einen neuen Begriff erfinden, der eine besondere Griffigkeit besitzt, und wenn vor allem jeder weiß, was damit gemeint ist, dann sollten wir uns freuen, weil die Sprache wieder bereichert wurde!
Bewegen wir uns außerhalb unseres Sprachraums, dann treten wir entweder ins Fettnäpfchen oder wir nehmen’s mit Humor. So wie weiland Lübke es nicht trefflicher geschehen konnte: “You can say you to me…”
Und ob mit Leichen, im Observatorium oder einfach nur vor einer Großbildleinwand bleibt jedem selbst überlassen: Ich wünsche allen ein munteres Public Viewing für den Rest dieser spannenden EM 2008!
“Cafe dabei” finde ich ganz zauberhaft — möge es sich verbreiten!
Naja, dass EinsLive hat die ganze Sache ja eher als Witz aufgefasst. Ein Spaß! Ein Jokus!
Thema “Coffee To Go”: Wieso verwendet man nicht einfach die Formulierung “Kaffee zum Mitnehmen”?
Ärgerlich sind nicht die Anglizismen als solche, sondern die sprachlichen Selbstaufblaseversuche ihrer Benutzer. Andererseits bereitet der bisweilen unpassende Gebrauch gewisser englischer Ausdrücke nicht nur dem Muttersprachler recht viel Spaß. Auch die Aussprache bereitet Freude — man denke nur an “laif” für das Adjektiv “live”, das ja eigentlich “laiw” klingen sollte und die schönen Missverständnisse à la “Kaffee Togo”!
Das ist aber ein typischer Bildungsbürger-Reflex: sich über “laif” zu amüsieren, weil man zufüllig weiß, dass es eigentlich “laiw” gesprochen werden sollte.
Nun haben wir im Deutschen die Auslautverhärtung, und dann heißt es eben “laif”. Wenn das in einem deutschen Satz (“Ich habe die Beatles noch live gesehen”) so gesprochen wird, sehe ich nicht, wo das Problem ist.
@McGull: Dass “live” hier “laif” ausgesprochen wird, liegt aber ganz einfach an der deutschen Auslautverhärtung.
“Kaffee to go” => “Kaffee komm(t) mit”. Das wird sich noch verschleifen zu “Kaffee kommit”, ähnlich wie bei “Pommes auf(fe) hand”.
@Kommit
Und dann zu „Coffee commit“ => Das Spiel geht von vorne los …
@Tillmann Graaf:
Das Problem ist, dass Deutsch dabei ist, die Grenze von der Weiterentwicklung zur Kreolisierung zu überschreiten. Das ist, soviel ich mich erinnere, ein sprachwissenschaftlicher Begriff und bedeutet, dass die betreffende Sprache unter dem Einfluss einer dominanten anderen Sprache die Fähigkeit verliert, sich selbst weiterzuentwickeln.
@Kelkin
Sie meinten vermutlich mich.
Zum einen heißt Kreolisierung etwas anderes, nämlich die Entstehung einer Kreolsprache, der in der Regel eine Pidginisierung (Entstehung eines Pidgins) vorausgeht, und das ist so ziemlich das Letzte, was für da Deutsche zutrifft. Näheres entnehmen Sie bitte der Wikipedia.
Zum anderen weiß ich nicht, was das mit dem “laiw/laif”-Problem zu tun haben soll.
@Kelkin
na, so ein bisschen karibik kann doch der deutschen sprache nicht schaden.
nein, im ernst, die zugrunde liegende annahme, die dominierende sprache würde auch die eigene kulturelle identität dominieren, ist halt- und sinnlos. keine angst, es gibt noch mehr als genug deutsches, nicht nur sprachlich.
Zu den auffallend unbeholfenen Übersetzungen für “public viewing”:
Warum wird eigentlich vorwiegend nach einer wörtlichen Übersetzung gesucht? Allein richig erscheint mir, ein neues Wort zu “schöpfen”, das die Sache, um die es geht, in der eigenen Sprache treffend beschreibt. Beispiel: Für “Public Viewing” sollten wir im Deutschen “Großbild-Übertragung” sagen. Man könnte das auch ohne Bindestrich in einem Wort schreiben. Das Bilden eines Begriffes durch Zusammensetzen mehrerer Hauptwörter ist eine Besonderheit der deutschen Sprache! Im Englischen gibt es das nicht! Deshalb konnte das — zuerst in Deutschland — neu entstandene Wort “Fernsehen” im Englischen nicht “long distance viewing” genannt werden, sondern es kam zu dem Begriff “television”. Dieser Zugriff auf Griechisch und Latein lässt erkennen, wie formenarm — im Unterschied zu anderen europäischen Sprachen — das Englische eigentlich ist.
Englisch ist über weite Strecken quasi eine isolierende Sprache, kein Wunder ist sie “formenarm”. Ich wüsste allerdings nicht, inwieweit das etwas schlechtes wäre. Damit steht Englisch nicht einmal allein da in Europa — wieviel Morphologie kennt das gesprochene Französisch wirklich noch?
Das Beispiel mit “Fernsehen” ist indes total aus der Luft gegriffen. Das Englische ist durchaus zu Kompositabildung imstande (man denke mal an “broadcasting”), auch wenn das nicht so produktiv ist wie im Deutschen. Dass man sich daran jetzt so aufhängt, ist wie zu sagen, Deutsch sei “formenarm”, nur weil wir Wörter wie Telefon oder Automobil haben.
P.Frasa, ja, den Mythos von den Komposita als Alleinstellungsmerkmal des Deutschen habe ich hier schon einmal behandelt.
Davon abgesehen stimme ich L.Hitschold aber zu: die Eindeutschung von Lehnwörtern orientiert sich zu oft am Original (im vorliegenden Fall auch noch mit fehlgezündetem Humor gepaart). In der Tat sind Eindeutschungen, die für mich (natürlich völlig subjektiv) gelungen klingen, häufig weit entfernt von der Struktur des Lehnworts (z.B. Website::Netzauftritt oder Non-Proliferation Treaty::Atomwaffensperrvertrag). Aber es geht ja meistens auch gar nicht um eine gelungene Eindeutschung, sondern um Sprachnörgelei.
Im geschriebenen Englisch kommen manchmal sehr lange zusammengesetzte Nomen zustande, weil die Bestandteile alle einzeln geschrieben werden und man daher nicht unbedingt merkt, was man schreibt. Ich kann zum Beispiel problemlos das berühmte Rinderkennzeichnungs- und Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz ins Englische übersetzen, ohne dass es besonders auffällt: Cattle Marking and Beef Labeling Surveillance Task Transfer Act.
Was gesprochenes Französisch angeht, meinen manche, es sei bereits polysynthetisch, weil sich die unbetonten Formen der Personalpronomen als Verbpräfixe interpretieren lassen. Auch das scheint ein allgemeiner europäischer Trend zu sein, den man, wenn man will, je nach Wortstellung auch in süddeutschen Dialekten finden kann. Aber lassen wir das. 🙂
Das mit den Pronomen als Verbpräfixe ist wahr, das hab ich vernachlässigt. Ich bezog mich natürlich auf die grösstenteils in der Aussprache nicht mehr wahrnehmbaren alten Verbendungen (sais vs. sait usw.).
Wieso wäre das dann allerdings polysynthetisch?
Wenn man die Präfixe alle zum Verb dazuzählt, kommt man auf Wörter, die aus ziemlich vielen Morphemen bestehen. Drei oder vier Präfixe auf einem Verb kommen durchaus vor — t’veux qu’j’t’le montre?
Es geht überhaupt nicht darum, neue Sachverhalte griffig zu benennen, denn was mit Ausdrücken von “public viewing” bis “coffee to go” beschrieben werden soll, existiert bereits seit langem. Auch geht es nicht um eine natürliche Sprachentwicklung, denn die Anglizismen werden uns von der Werbebranche und wichtigtuerischen Firmen wie Telekom oder Deutsche Bahn aufgenötigt. Dass dabei viele Peinlichkeiten passieren, kann niemand leugnen. Oder will jemand behaupten, dass “body bag” außer Leichensack auch noch Umhängetasche bedeutet? “Denglisch” ist eine Krankheit, die aus einem Minderwertigkeitskomplex resultiert. Weltoffen ist jemand, der die englische Sprache richtig beherrscht und sich damit verständigen kann, aber nicht jemand, der ein paar Versatzstücke aufschnappt und sie in deutsche Sätze einbaut. Deshalb meine Devise: Wenn schon Englisch, dann richtig.
Gerhard Lingus (#29),
Dann stimmen Sie mir zu, dass die Aktion Lebendiges Deutsch komplett überflüssig überflüssig ist?
Ja, wenn wir nicht aufpassen, stirbt uns die Deutsche sprache noch aus…
Leugnet auch niemand.
Ja, ich.
Alles schonmal gehört.
Got it, Mr. Lingus. Oh, by the way: those underlined words are called “hyperlinks”. If you click on them, they can take you to a wonderful world of new ideas. Or you can keep repeating the same old lies.
@Gerhard Lingus:
Da unterstellen Sie den Deutschen aber sehr klischeehafte Authoritätshörigkeit. Obwohl die Marketingbranche uns zugegebenermaßen sehr viele Anglizismen vorplappert, hör ich nur wenige von diesen im Alltag — genausowenig, wie ich jemanden von “Fruchtalarm” oder “Ich bin ein Baum Deutschland” reden höre. Nein, ich fürchte, die Realität ist viel düsterer — da übernimmt der Durchschnitsdeutsche aus freiem Willen Wörter aus dem Englischen.
Ich weiß ja nicht, welchen Alltag Sie erleben, aber in meinem sind die verwendeten Anglizismen ganz anderer Natur als die aus den Bereichen Marketing/etc — die bei letzteren werden nämlich weder die Anglizismen noch die deutschen Pendants verwendet. Wenn man sich einen Kaffee holt, dann sagt man “Ich hol mir ma ’n Kaffee”, und nicht “Ich hol mir mal nen Kaffee zum Mitnehmen” oder “Ich hol mir mal nen coffee to go.” — das einzige Mal, bei dem das zum Einsatz kommt, ist bei der Bestellung selbst. Und wenn in diesem einen Moment jetzt tatsächlich ein “to go” verwendet wird (was meiner Erfahrung nach sowieso nur ein verschwindend geringer Anteil ist), dann kann ich darin nicht den Untergang der deutschen Sprache sehen. Das selbe gilt für die “body bag” — das ist weder eine body bag noch eine Umhängetasche, sonder einfach eine Tasche.
Die tatsächlich verwendeten Anglizismen sind dann in der Tat meistens die, die ein bisher so nicht sprachlich genauer belegtes Phänomen bezeichnen. Und “chatten” is halt einfach kürzer und kniffiger als “sich im Internet unterhalten” und diverse Varianten (und “plaudern” akzeptiere ich nicht, weil das dank seiner regulären Bedeutung und Konnotationen einfach falsch ist).
Kaffe und Tschuess.