Das klingt doch eigentlich sehr vernünftig:
Ich glaube nicht, dass die deutsche Sprache gerettet werden muss. Alles in allem geht es ihr ganz gut. Gewiss, sie befindet sich im Wandel, alte Wörter verschwinden, neue kommen hinzu, die älteren Menschen verstehen die Sprache der jüngeren oft nicht mehr, aber das war schon immer so. Es hat immer Einflüsse aus anderen Sprachen gegeben, und es gab auch immer schon Bestrebungen, die deutsche Sprache von diesen Einflüssen zu „reinigen“. Sprachgeschichtlich gesehen übt das Englische erst relativ kurz einen derart starken Einfluss aufs Deutsche aus, eine Folge des Zweiten Weltkriegs und der daraus resultierenden Vormachtstellung der USA. Davor war über Jahrhunderte Französisch die dominierende Kultursprache, tausende französischer Wörter sind ins Deutsche eingedrungen. Damals haben sich Sprachkritiker darüber erregt, um nicht zu sagen „echauffiert“. Heute erkennt man kaum noch, dass diese Wörter gar nicht deutschen Ursprungs sind. Wer würde bei Allee, Büro, Café, Dusche, Mayonnaise, Pommes frites, Reportage, Roman, Serviette, Terrine, Toilette, Zigarette seufzen: Mon Dieu, immer diese Romanismen!
Von wem mag diese Aussage wohl stammen? Erst raten, dann nachsehen!
Sehr geehrter Herr Stefanowitsch!
Ich vermisse, dass Sie beschreiben, ob und welche Ziele Sie mit dieser Seite verfolgen.
mfg
Paul R
Hatte auf Rudolf Hoberg getippt, der seit Jahren diese Haltung vertritt. So kann man sich täuschen!
Ha, ich lag nur knapp daneben (ich nenne keine Namen, um Anderen den Ratespaß nicht zu verderben).
@Paul R: Und welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Seite? Ich bin mir nicht ganz im Klaren: soll es ein Lehrstück darstellen, wie eine Webseite keinesfalls aufgebaut sein darf, oder wollen Sie zeigen, dass die Messlatte für das Niveau von Sprachnörgeleien nach unten unbegrenzt ist?
Aus seinen Zeilen lese ich verbranntes Gummi und quietschende Reifen heraus. Wirklich ein wendiges Kerlchen …
Ich dachte es mir bald, dass ER es sei. ;o)
Erstaunliche Aussagen, u.a. auch — auf die Frage, ob die deutsche Sprache heute schlechter als früher beherrscht würde:
“Früher sind Rechtschreibschwächen nicht so aufgefallen – weil weniger geschrieben wurde. Heute wird mehr geschrieben und getippt als je zuvor.”
” (…) eine Folge des Zweiten Weltkriegs und der daraus resultierenden Vormachtstellung der USA.”
Erstaunlich, dass das inzwischen so gesehen werden kann und darf! Wegen solcher Schlüsse hatte ich Anfang der 80er Jahre erheblichen Streit mit dem Promotionsauschuss der Universität Bremen. Prof. Geiss meinte seinerzeit, dass es ja jedem klar sei, weshalb in der DRR “diesem Vasallenstaat der UdSSR” Russisch Pflichtfach sei. Wenn ich aber behaupte, Englisch sei Pflichtfach in der BRD als Resultat der (anglo-) amerikanischen Siegermächte, “dann ist das Ideologie”!
Was mich aber in diesem Zusammenhang viel mehr interessiert, da ich den Sprachblog noch nicht lange verfolge, hat denn hier jenseits aller quantitativer Methoden jemals eine inhaltlich Auseinandersetzung darüber stattgefunden, was es eigentlich (nicht nur semantisch) für Konsequenzen hat, wenn man sich in Deutschland bzw. weltweit zunehmend der “lingua franca” Englisch bedient? Ist eigentlich jedem klar, was “enduring freedom” jenseits aller Anglizismen faktisch bedeutet?
Die Übernahme einer Sprache ist historisch wohl unbestritten immer auch (Indiz eines Teiles der) Übernahme einer fremden Kultur.
Und genau dagegen kann man m. E. durchaus etwas haben. Aber das ist etwas ganz anderes als die Sorge um die deutsche Sprache. Das Eine ist phänomenal, das Andere real.
Herr Heidtmann, ich finde es vor allem erstaunlich, dass das entgegen aller Evidenz so gesehen wird! Wenn der dominante Einfluss des Englischen auf eine wie auch immer geartete „Vormachtstellung“ der USA zurückzuführen wäre, müsste der Gebrauch englischer Lehnwörter ja nach 1945 drastisch angestiegen sein. Ist er aber im Großen und Ganzen nicht. Wenn überhaupt, lässt sich ein Anstieg seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts beobachten, und der dürfte auf die Globalisierung zurückzuführen sein. Gegen die Übernahme einer „fremden“ Kultur kann man durchaus etwas haben. Aber ich möchte das an dieser Stelle einmal deutlich sagen, weil es heutzutage oft in Vergessenheit gerät: die Übernahme der demokratischen Kultur der Vereinigten Staaten nach dem zweiten Weltkrieg war für Deutschland eine sehr gute Sache! Dass die USA aufgrund diverser innerer Entwicklungen derzeit manchmal Probleme haben, ihr eigenes demokratisches Gleichgewicht wiederzufinden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland sich selbst unter US-amerikanischem Einfluss nur langsam überhaupt mit der Demokratie anfreunden konnte.
Das Rätsel hätte ich nie geknackt, ohne die Lösung nachzuschauen. Never!
Herr Stefanowitsch,
(1) Deutschland kennt die Demokratie nicht erst seit dem Einmarsch der Amerikaner 1945. Parlamente und Parteien gab es in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert.
(2) Daß die Vormachtstellung und die Absatzmärkte der USA nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mit einem Sprung gewachsen sind, kann doch ohne Zweifel behauptet werden.
ad (1) Die experimente mit der Demokratie sind sowohl in Österreich (in dem die meistens per Sondergesetzen regiert wurde) als auch in Deutschland vor 45 gescheitert. Und zwar massiv. Man muss allerdings auch erwähnen, dass so ziemlich das gleiche in Frankreich geschah als man sich durch Republik-Kaiserreich-Königreich-Repubik-Kaiserreich-Republik kämpfte.
Ad (2): Die Absatzärkte für westeuropäische Waren sind noch im viel grösseren Ausmaße gewachsen. Nicht US-amerikanische Firmen übernehmen und beherrschen das Wirtschaftsgeschenen in den neuen EU-Ländern, europäische Firmen tun das. Als Beispiel möchte ich den österreichischen Bankensektor nennen, der inzwischen in den umliegenden neuen EU-Staaten die meisten Banken übernommen hat. Und trotzdem spircht dort keiner Deutsch.
Früher sprach man in aller Welt Französich. Heute ist Deutsch die lingua franca schlechthin. Dass dies geschehen ist, hat viele Gründe. Aber den WWII als den Hauptgrund zu nennen ist dann doch etwas naiv.
@7 AS: “… die Übernahme der demokratischen Kultur der Vereinigten Staaten nach dem zweiten Weltkrieg war für Deutschland eine sehr gute Sache!”
Das müssen Sie sagen, Sie haben mit Ihrer W‑Besoldung immerhin einen Eid auf die Verfassung abgelegt, nehme ich doch mal an!
Können wir uns trotzdem auf ein “relativ” nach “eine” und auf “gute” einigen? Aus zum Beispiel ostdeutscher Sicht, war es das sicher, aber die Kosten der weltweiten “pursuit of happyness” sind hoch und werden immer höher.
Zudem, mit Verlaub, hat der Begriff der “Demokratie” semantisch doch eine recht unterschiedliche Bedeutung. Auch die DDR hielt sich ja selber für demokratisch.
Thomas Assheuer beschreibt in seinem Artikel in der vorletzten “ZEIT” unter dem Titel “Der große Ausverkauf” sehr treffend die zunehmende Macht der Wirtschaft und Ohnmacht der Politik.
Doch wir kommen vom Thema ab …
Herr Heidtmann, umgekehrt: ich hätte meinen Amtseid nie geleistet, wenn ich nicht daran glauben würde. Nein, die Übernahme der demokratischen Kultur der Vereinigten Staaten war keine „relativ“ gute Sache, sie war eine gute Sache ohne wenn und aber. Was sozialistische Länder unter Demokratie verstehen, halte ich dabei für irrelevant. Die zunehmende Macht der Wirtschaft halte ich allerdings für eine große politische Tragödie und für die größte Bedrohung, die es für die Demokratie derzeit gibt.
Herr Paulwitz, ich kann mich da nur Herrn Pohanka anschließen. Parlamente und Parteien machen noch keine demokratische Einstellung aus, und mit der Demokratie in Deutschland war es von 1945 nicht weit her. Und alles, was die Absatzmärkte der US-amerikanischer Unternehmen vergrößert, vergrößert wohl auch die Absatzmärkte deutsche Unternehmen. Ob die Vormachtstellung der USA mit dem Fall des Ostblocks gewachsen ist, wird sich erst noch herausstellen. Für ihre derzeitige Außenpolitik haben die USA ja kaum noch die Unterstützung in Europa, die ihnen im kalten Krieg immer sicher war.
Herr Stefanowitsch, Ihr erster Gedanke ist überzeugend: dass Sie nur auf der Basis einer demokratischen Gesinnung einen Eid auf die Verfassung ablegen konnten. Der zweite stimmt schon nicht mehr ganz: Schön wäre es gewesen, wenn in der Bundesrepublik die demokratische Kultur der USA übernommen worden wäre. Tatsächlich wurde in einem langen Prozess, indem die Bundesrepublik Deutschland nur teilweise ein souveräner Staat war, demokratische Traditionen entwickelt und weiter entwickelt, die sich nicht hätten entwickeln können, hätten die USA nicht ideologisch durch Amerikahäuser, Einflussnahme auf Rundfunk und Fernsehen und viele andere Maßnahmen sowie militär- und machtpolitisch massiv auf die Entwicklung Einfluss genommen. Ich bin froh darüber, dass das vereinigte Deutschland nun immer souveräner und — seit dem Ende des Kalten Krieges — nicht ausschließlich auf den Dualismus Ost-West reagierend auch in Sachen Menschenrechte weltweit mehr Verantwortung übernimmt.
Im übrigen ist die zunehmende Macht der sich globalisierenden Wirtschaft keine Tragödie, sondern eine durch eine nach wie vor überfällige Demokratisierung der Arbeitswelt und durch international zu vereinbarende soziale Mindeststandards zu beschränkende Entwicklung.