Heißer Freitag

Von Anatol Stefanowitsch

Passend zum Oster­fest arbeit­et sich eine gener­ische Pressemel­dung durch die Zeitungs­land­schaft, die die Oster­bräuche ver­schieden­er Län­der beschreibt. Allerd­ings ohne beson­dere Liebe zum Detail. Über die Briten ste­ht dort beispiel­sweise Folgendes:

Für die Briten gehören der Oster­hase und Ostereier als Frucht­barkeits-Sym­bole zu Ostern wie für die Deutschen. Der Kar­fre­itag, an dem die Kirche der Kreuzi­gung Jesu gedenkt, wird in Großbri­tan­nien „Good Fri­day“ genan­nt — also „guter Fre­itag“. Einige Sprach­wis­senschaftler glauben, dass es ursprünglich „God’s Fri­day“ hieß — also „Gottes Fre­itag“. Früher war es an diesem Tag üblich, alle Klei­dungsstücke für den Oster­son­ntag blüten­weiß zu waschen. [Augs­burg­er All­ge­meine]

Also, wenn das tat­säch­lich „einige Sprach­wis­senschaftler“ glauben soll­ten, dann irren sie sich. Ich kenne aber auch keinen, der das tut, denn man muss nur in ein Wörter­buch schauen, um eines besseren belehrt zu werden.

Die ersten Ver­wen­dun­gen des Begriffs Good Fri­day find­en sich im 13. Jahrhun­dert, und da hat­te er bere­its seine heutige Form. Es gibt keine Belege für eine frühere Form God’s Fri­day. Die müsste es aber geben, denn das Englis­che ist spätestens ab den zehn­ten Jahrhun­dert sehr gut doku­men­tiert. Außer­dem erfordert der Begriff keine beson­dere Erk­lärung — good wird im Englis­chen in ver­schiede­nen Zusam­men­hän­gen im Sinne von „heilig“ ver­wen­det — so wird die Bibel als The Good Book beze­ich­net, und Wei­h­nacht­en heißt manch­mal auch Good Tide. Good Fri­day bedeutet also schlicht so etwas wie „heiliger Freitag“.

Eigentlich ist das ja egal. Aber man muss sich schon fra­gen, warum die Zeitun­gen rei­hen­weise eine Geschichte über die Bedeu­tungsen­twick­lung der englis­chen Beze­ich­nung für den Kar­fre­itag druck­en, und sich dann noch nicht ein­mal die Mühe machen, ein Wörter­buch zu befra­gen. Vielle­icht liegt es daran, dass man über Sprache eben schreiben darf, was man will. Vielle­icht zeigt sich hier aber auch eine All­t­ags­the­o­rie über den Sprach­wan­del, die davon aus­ge­ht, das man Wörter und Begriffe, die einem nicht unmit­tel­bar trans­par­ent erscheinen, auf trans­par­entere Begriffe zurück­führen kann.

Ein Blick ins Wörter­buch hätte übri­gens auch fol­gen­des, brand­heißes Missver­ständ­nis vermieden:

Am Kar­fre­itag ste­ht bei vie­len Briten die tra­di­tionelle Oster-Leck­erei auf der Speisekarte: Hot Cross Burns — das sind Rosi­nen­brötchen. Vor dem Back­en wird oben ein Kreuz ein­ger­itzt, das nach dem Back­en mit Zuck­er­guss gefüllt wird. Das Kreuz soll an die Kreuzi­gung Jesu erin­nern. Früher war es üblich, mit einem Hot Cross Burn die Fas­ten­zeit zu been­den. [Augs­burg­er All­ge­meine]

Hier ist wohl die katholis­che Vor­liebe für Feuer und Schwe­fel mit dem Ver­fass­er durchge­gan­gen — die Briten genießen zu Ostern keine Hot Cross Burns („heiße Kreuzver­bren­nun­gen“), son­dern Hot Cross Buns („heiße Kreuzbrötchen“)

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

6 Gedanken zu „Heißer Freitag

  1. corax

    Ich hab mir als Men­sch mit nur begren­zten Schu­lenglis­chken­nt­nis­sen, statt von „Good“ zwang­haft auf „God“ schließen zu wollen, (bevor ich Ihre Erk­lärung mit „heilig“ las) eher gedacht: Früher hat­ten ja die ein­fachen Leute, beson­ders auf dem Land, keinen Kalen­der und haben ein­fach 6 Tage gear­beit­et und gin­gen Son­ntags in die Kirche. Dazu zogen sie ihre einzige „gute“ Klei­dung an. Den Son­ntagsanzug halt wie son­st nur noch bei Beerdi­gun­gen. Und der Kar­fre­itag war aus­nahm­sweise auch arbeits­frei und man ging in seinen „guten“ Sachen in die Kirche.

    Ein Fre­itag der mit dem heili­gen Son­ntag auf ein­er Stufe stand.

    Fro­he Ostern.

    PS:„Short sen­tences please?“ sagte meine Englis­chlehrerin immer, und ich krieg’s bis heute nicht richtig hin.

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  2. Felix

    deM zehn­ten Jahrhun­dert”, nicht? 😮

    Ich seh’ schon, das trägt wenig zum The­ma bei, naja. Ich hab’ jet­zt Hunger.

    Fro­he Ostern!

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  3. Hedemann

    Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis in den ersten Blät­tern das Wort “Kar” auf “Karre” oder “Car” zurück­ge­führt wird. Wartet’s nur ab… ;o)

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  4. Detlef Guertler

    Mit Rück­recherche lässt sich in diesem Fall her­aus­find­en, wie der DPA-Autor auf die “eini­gen Sprach­wis­senschaftler” gekom­men sein dürfte:

    1. In der englis­chen Wikipedia den “Good Fri­day” nach­schla­gen und auss­chlacht­en. Da find­et man auch die hot cross buns, richtig geschrieben.

    2. Ganz unten auf den Link “Where does the term Good Fri­day come from?” klicken.

    3. Man lan­det auf der Web­seite ein­er methodis­tis­chen Kirche, und der Text fängt so an: The source of our term for the Fri­day before East­er, “Good Fri­day,” is not clear. It may be a cor­rup­tion of the Eng­lish phrase “God’s Fri­day,” accord­ing to Pro­fes­sor Lau­rence Hull Stookey in Cal­en­dar: Christ’s Time for the Church (p. 96). 

    4. Weil sich nur Sprach­wis­senschaftler damit beschäfti­gen kön­nen, wo Begriffe her kom­men, und weil es da, wo ein­er ist, bes­timmt noch mehr sind, ist die Mel­dung flugs im Kasten.

    Blöd nur, dass Pro­fes­sor Lau­rence Hull Stookey ein The­ologe und kein Sprach­wis­senschaftler ist. Aber ist das nicht ohne­hin fast das gleiche?

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  5. David Marjanović

    Vielle­icht liegt es daran, dass man über Sprache eben schreiben darf, was man will.

    Viele Leute glauben, sie seien Experten für Sprache — sie sprechen schließlich eine. (© Justin B. Rye)

    Katholis­che Vor­liebe für Feuer & Schwe­fel? Ist mir nie aufge­fall­en. Um das zu ver­mei­den, ist ja extra das Fege­feuer da… Fire & brim­stone sind doch die Bap­tis­ten, oder?

    Blöd nur, dass Pro­fes­sor Lau­rence Hull Stookey ein The­ologe und kein Sprach­wis­senschaftler ist. Aber ist das nicht ohne­hin fast das gleiche?

    Pro­fes­sor…

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  6. Jens

    @Hedemann: Jörg Pilawa oder Gün­ter Jauch haben es als Lösungsmöglichkeit angeboten.

    Die Ziel­gruppe dürfte damit wis­sen, daß es das nicht ist.

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