Eisenberg über Sick

Von Anatol Stefanowitsch

Über Ines Bal­cik bin ich auf ein Inter­view im Deutsch­land­funk aufmerk­sam gewor­den, in dem der Pots­damer Sprach­wis­senschaftler Peter Eisen­berg über den Zus­tand der deutschen Sprache spricht. Sein Urteil, dem ich mich nur anschließen kann: das deutsche Sprach­sys­tem „ist so groß und so umfan­gre­ich und so dif­feren­ziert wie es noch nie war“. Eisen­berg muss es wis­sen — er hat unter anderem an der Duden­gram­matik mit­gear­beit­et und sein Grun­driss der deutschen Gram­matik ist lesenswerte Pflichtlek­türe für jeden, der sich mit der deutschen Sprache beschäfti­gen will (oder muss). Für sein Lebenswerk ist er gestern mit dem Kon­rad-Duden-Preis geehrt wor­den. Er gehört wahrschein­lich zu den zehn pro­fil­iertesten deutschen Sprach­wis­senschaftlern weltweit, und von all den span­nen­den Din­gen, die man ihn Fra­gen kön­nte, entschei­det sich die Mod­er­a­torin für — gar keins. Stattdessen befragt sie ihn aus­führlich zu Bas­t­ian Sick. Hier nur ein kleines Appetithäppchen:

Der Schaden kön­nte dadurch entste­hen, dass Herr Sick den Leuten ein­fach sagt, wie es richtig ist und wie es falsch ist. Das was er ihnen sagt, das stimmt in vie­len Fällen nicht mit ihrem Sprachge­fühl und auch nicht mit dem Zus­tand des gegen­wär­ti­gen Deutschen übere­in, son­dern das sind Mei­n­un­gen, die irgend­wo herkom­men. Nie­mand weiß genau, woher sie kom­men, Herr Sick schon gar nicht. Die wer­den so unter die Leute gebracht nach dem Mot­to: Das ist richtig, das ist falsch — richte dich danach, etwas anderes gibt es nicht. So funk­tion­iert eine natür­liche Sprache wie das Deutsche nicht.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

7 Gedanken zu „Eisenberg über Sick

  1. Frank Oswalt

    Ha, „Grun­driss der deutschen Gram­matik“ — das habe ich auch während meines Studi­ums gelesen!

    Lustig finde ich die Unterüber­schrift (gibt es das Wort?) von dem Radioin­t­er­view: „Experte beze­ich­net Autor Bas­t­ian Sick als Enter­tain­er“. Ja, als was denn son­st? Ich glaube, selb­st Sick würde sich so bezeichnen.

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  2. chodo

    […] von all den span­nen­den Din­gen, die man ihn Fra­gen kön­nte, entschei­det sich die Mod­er­a­torin für — gar keins. Stattdessen befragt sie ihn aus­führlich zu Bas­t­ian Sick.”

    Da gehen die Inter­essen eines Sprach­wis­senschaftlers und der übri­gen Bevölkerung wohl entsch­ieden auseinander… 😉

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  3. Sprawi69

    Tja, warum man solch einen Ken­ner der Materie zu einem kleinen, von ego­ma­nen Ambi­tio­nen getriebe­nen Hob­by-Deutschlehrer befra­gen muss, wird wohl das Geheim­nis der Mod­er­a­toren bleiben. Obwohl mir die Art, über das rechte Maß von Din­gen aus­führlich nachzu­denken und in lang­wierige Diskus­sio­nen einzutreten, manch­mal ein sehr deutsches Phänomen zu sein scheint, finde ich das hin­sichtlich der Frage “wohin geht die deutsche Sprache” nur zu berechtigt. Das allerd­ings aus­gerech­net Papp­nase Sick in sein­er unerträglich schul­meis­ter­lichen Art als das Aushängeschild dieses Prozess­es wahrgenom­men wird, scheint einem aktuellen Bedürfniss nach Nor­men und Regeln in der Bevölkerung zu entsprechen. Er ste­ht damit in ein­er Rei­he mit all den “Wie mache ich etwas richtig”-Fernsehsendungen a la “Das per­fek­te Din­ner”, “Das per­fek­te Date” etc.

    Ich kann mir für Peter Eisen­berg nur wün­schen, dass seine Gram­matik min­destens eine so starke Ver­bre­itung erfährt wie die Schwarten von S. Prosit!

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  4. Jens

    In dem Inter­view sind aber einige Tippfehler, oder?

    Zum Beispiel soll es doch wohl “Nom­i­nalphrase” und nicht “Nom­i­nal­phase” heißen!?

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  5. Michael Schäfer

    Diesen Abwehrkampf musste Eisen­berg auch auf der Jahresta­gung des Insti­tuts für deutsche Sprache führen, nach­dem Lutz Götze den Zus­tand des Deutschen beklagte.

    Lustiger­weise rede­ten bei­de kom­plett aneinan­der vor­bei: Götze sprach von Schülern (also Einzelper­so­n­en), deren “Sprachkm­pe­tenz erschreck­end” sei, Eisen­berg meinte, das Deutsche habe z.B. noch nie so viele Wörter gehabt wie heute. Wo er natür­lich recht hat, was aber mit indi­vidu­eller Kom­pe­tenz schlicht mal goar nix zu tun hat…

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