Zugegeben, die Deutsche Bahn ist schon schwer verliebt in die englische Sprache. An satirischen Verdichtungen dieser Leidenschaft besteht deshalb kein Mangel:
Wer eine „Mobility BahnCard“ hat, kann bald über „Touch & Travel“ ein „Ticket“ für den „City Nightline“ ordern und sich nach dem Trip am „Service Point“ über den „Call-a-bike“-Standort informieren. Viele dürften da nur noch Bahnhof verstehen.[ZDF sonntags]
Aber selbst solche Verdichtungen können mit der Wirklichkeit kaum konkurrieren. Allein auf der Startseite der Deutschen Bahn finden sich fast ausschließlich englische Produktnamen: BahnCard, Surf&Rail, Mobile Services, DB Lounge, City-Ticket, DB Carsharing, BahnShop, Newsletter und Last-Minute-Reisen. Und nicht nur die Produktnamen bedienen sich überwiegend der englischen Sprache: die Sonderangebote heißen Specials, junge Menschen werden als Teens&Twens angesprochen, und Behinderte (oder „Mobilitätseingeschränkte“, wie die Bahn sie an anderer Stelle nennt) müssen wissen, dass „Behinderung“ auf Englisch Handicap heißt, wenn sie Informationen zum Beispiel über die Zugänglichkeit von Bahnhöfen für Rollstuhlfahrer finden möchten.
Insgesamt 13 Prozent der Wörter auf der Startseite der Bahn sind Englisch und die Bahn liegt damit deutlich über dem Durchschnitt in der Werbesprache, der eher bei 4 Prozent liegt.
Die Bahn darf sich deshalb nicht beschweren, dass ihre Vorliebe für die Sprache Shakespeares auf gutem Wege ist, sprichwörtlich zu werden — der Tagesspiegel schrieb kürzlich über ein Online-Angebot der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit dem schönen Namen Reading Room, dies sei „ein Anglizismus wie von der Deutschen Bahn ersonnen“.
Ich will ganz ehrlich sein: obwohl ich ja nicht als Gegner englischer Lehnwörter bekannt bin, würde ich der Bahn — wenn sie mich fragen würde — raten, ihren anglophilen Eifer etwas zu zügeln. Denn sprichwörtlich sollte man als Bahnunternehmen nur für Pünktlichkeit und guten Kaffee sein, und gerade letzterer ist bei der Deutschen Bahn noch stark verbesserungsfähig.
Aber zwei Vorwürfen gegenüber muss ich die Bahn immer wieder in Schutz nehmen: erstens, dass ihre manchmal eigenwillige Nomenklatur grundsätzlich sinnlos sei, und zweitens, dass sie damit die deutsche Sprache im Großen und Ganzen zerstöre.
Die vier CDU-Hinterbänkler von der „Initiative Sprachlicher Verbraucherschutz“, zum Beispiel, feierten am Tag der Muttersprache nicht etwa die Ausdruckskraft und Wandlungsfähigkeit der deutschen Sprache, nein, sie schlugen Alarm, weil „Deutsch auf den hiesigen Flughäfen und Bahnhöfen zur ‚Randsprache‘ geworden“ sei. Und die „Aktion Lebendiges Deutsch“ schlug letzten Monat ungefragt vor, „den ‚Service Point‘ der Deutschen Bahn endlich wieder „Auskunft“ zu nennen — wie er schon 150 Jahre geheißen hat“. Ich habe mich ja hier schon des öfteren gefragt, ob den Menschen, die diese Art von Vorschlägen machen, wirklich nicht klar ist, dass die Welt nicht mehr die von vor 150 Jahren ist, und dass auch deutsche Bahnhöfe inzwischen zu internationalen Verkehrsknotenpunkten geworden sind. Die Bezeichnung „Service Point“ mag inhaltlich unzutreffend sein, aber sie ist auf einem Bahnhof allemal angemessener als das international völlig unverständliche Wort „Auskunft“. Und mir kann keiner erzählen, dass es noch deutsche Muttersprachler gibt, denen das Wort Service nicht bekannt ist.
Ein Stadtratskandidat der Bayernpartei (interessanterweise als Vekehrsmeister bei den Stadtwerken tätig) hofft diese Woche, mit folgender Aussage Stimmen zu gewinnen: „Mich stören die übertriebenen Anglizismen im täglichen Sprachgebrauch. ‚Infopoint‘ und ‚Servicecenter‘ wirken eher pseudo-weltmännisch und lächerlich.“ Aber dabei übersieht er, dass diese Wörter eben nicht in den täglichen Sprachgebrauch übernommen werden, sondern dass es sich um typischen Bahnhofspeak handelt, der das Bahnhofsgebäude nie verlassen wird.
Und letzten Endes ist es doch begrüßenswert, dass die Deutsche Bahn so fleißig mit englischen Begriffen um sich wirft — irgendjemand muss doch die Sprachnörgler beschäftigen.
Naja, grundsätzlich stimmt das mit der Bahnhofssprache ja schon. Jedoch ist diese Entwicklung auch im Finanzdienstleitungsbereich zu erkennen. Jede Bank hat mittlerweile ihr Servicecenter (interessanterweise, ist der Begriff Call-Center inzwischen sehr verpönt in dieser Branche), es wird für den Easy Credit geworben, Kundenaufträge werden im Outbound und Inbound behandelt. Da erscheint es doch fast exotisch, wenn ein neues Konto mit dem Namen “VR Multi-Konto” auf dem Markt erscheint…
Interessant finde ich die feine Abgrenzung von “übertriebenen Anglizismen” wie ‘Infopoint’ und ‘Servicecenter’ gegenüber offenbar nicht übertriebenen Anglizismen wie ‘Streß’ (wobei sich der Bayernpolitiker auch noch der guten alten Rechtschreibung verpflichtet fühlt)oder anderen Fremdwörtern wie ‘Hektik’, welches auch eindeutig nicht germanischen Ursprungs ist.
Die Bahn soll eine Vorliebe für die Sprache Shakespeares haben, Herr Stefanowitsch? Eine sehr gewagte Behauptung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Shakespeare von Surf&Rail, BahnShop, SparNight, KulTourBahn-Ticket oder SyltShuttle gefaselt hat. Die Ausdrücke hätte er auch sicher nicht verwendet, wenn es die Eisenbahn schon gegeben hätte. Er hätte das Kauderwelsch höchstens für eine Comedy of Errors genutzt.
die Bahn spinnt sowieso… diese Masche mit den englischsprachigen Durchsagen… als ob irgendein Engländer im Zug säße — der würde die sächsisch-hessisch-badensischen “englischen Ansagen” eh nicht verstehen
thank you for travelling with Deutsche Bahn .. würg!
Und dann die Toilet Centers… wenn ich ein Klo suche, muß es ein Toilet Center sein … ;M=)
Das mit dem „Service Point“ versus „Auskunft“ hab ich noch nie verstanden.
Es gab und gibt doch das Wort „Information“ mit diesem internationalem kleingeschriebenem „i“ für Orte mit viel ausländischem Durchgangspublikum wie Flughäfen, Bahnhöfen, Einkaufszentren etc.
Warum die Bahn da so auf ihre bescheuerten Änderungen pocht leuchtet mir nicht ein.
Und zum Internetauftritt: im Rahmen der Barrierefreiheit sollte man sich als ehemaliger Staatsbetrieb mit öffentlichem Auftrag schon ein wenig besser bemühen, grad auch ältere Leute fahren Bahn. Da find ich die übertriebenen Anglizismen besonders unnötig. Weil man ja, wie es bei großen Unternehmen gang und gebe ist, (und bei der Bahn oben rechts versteckt, seh ich gerade) auch möglich, zwischen verschiedenen Sprachen wählen. Da kann das Argument „Internationales Publikum“ nicht ziehen.
Und statt einem unauffälligem Handicap könnte man auch ein Rollstuhl-Pictogrammn verwenden, denn dafür sind die entwickelt worden. An anderen Stellen halt auch die jeweils Passenden.
Nochmal zur Sprachwahl: Bei so Seiten wie der Bahn, die von internationalem Publikum genutzt werden, gehört ganz oben groß und deutlich eine Symbolleiste hin, wo man verschiedenen Sprachen wählen kann, unterstützt von Flaggensymbolen.
Denn nederlands, dutch oder holländisch
und german, deutsch oder allemand sind nicht jedem geläufig, die Flaggen aber vielen schon.
Mir fällt grad auf, auf der Bahnseite werden fast gar keine Pictogramme verwendet (außer da bei Mietwagen Hotel aber sehr dürftig umgesetzt imo) sondern fast nur Text. Dabei sind die Dinger insbesondere speziell für das Personenbeförderungsgewerbe entwickelt worden.
Man will es seinen Kritikern wohl leicht machen.
Connie, die englischsprachigen Durchsagen der Bahn richten sich ja nicht an Engländer sondern an alle Fahrgäste, die kein Deutsch können. Und davon gibt es, meiner Erfahrung nach, eine Menge — wie man es in einem zusammenwachsenden Europa in einer globalisierten Welt erwarten würde.
Corax, die Nutzerführung der Bahnwebseite ist in der Tat eine Katastrophe, gerade bezüglich der Verwendung des Wortes Handicap, bei der viele Deutsche wohl eher an Golf denken (es steht ja auch direkt unter 55plus), und der versteckten Platzierung der Umstellung auf andere Sprachen. Aber trotzdem — die Online-Buchung von Bahnfahrkarten ist für mich eine der bedeutendsten Erfindungen des letzten Jahrhunderts.
@Thomas Paulwitz (Re: Sprache Shakespeares)
Mir ist schon oft aufgefallen, dass den Sprachnörglern jeder Sinn für Ironie fehlt. Sind Sie deshalb so versessen darauf, anderer Leute Sprache zu regulieren?
Herr Stefanowitsch,
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass die Deutsche Bahn englische Woerter sehr exzessiv verwendet. Letztens wollte ich die Auskunft der Bahn anrufen, um mich nach den Oeffnungszeiten des Kundenzentrums fuer den Berlin Ostbahnhof zu erkundigen, da ich eine Fahrkarte kaufen wollte. Ich habe echt mindestens zehn Minuten gebraucht, um auf das Wort “Kundenzentrum” zu kommen, um der Auskunft der Bahn zu erklaeren was ich ueberhaupt moechte. Ich bin in diesen zehn Minuten davon ausgegangen, dass die Bahn sicherlich fuer “Kundenzentrum” irgendein englisches Wort verwendet, nach welchem ich auch krampfhaft gesucht habe. Ich wusste, dass es nicht der “Service Point” war (da kann man, glaube ich, keine Fahrkarten kaufen, sondern nur Einkuenfte einholen). Es hat sehr lange gedauert, bis ich endlich auf den Trichter gekommen bin, dass die Deutsche Bahn das deutsche Wort “Kundenzentrum” beibehalten hat. Dieses kleine Ereignis zeigt mir, dass ich bereits paranoid bin, was die Bahn und ihre englischen Woerter betrifft…
Der entscheidene Denkfehler, den meiner Meinung nach die Fraktion der nörgelnden Sprachbewahrer macht, ist der, die deutsche Sprache gnadenlos zu unterschätzen und damit unnötig und unverhältnismäßig klein zu machen. Schließlich ist die deutsche Sprache ja kein kleines, empfindliches Blümchen, das einzugehen droht, weil eine Horde Werbetexter darüber hinweg trampelt. Sie ist vielmehr eine alte Eiche, der es wohl kaum etwas anhaben kann, wenn ihr der eine oder andere Gruß oder Liebesschwur auf Englisch in die Rinde geschnitten wird.
@Frank Oswalt
Wen meinen Sie mit Sprachnörgler? Etwa Anatol Stefanowitsch? Ob ihm der Sinn für Ironie fehlt, kann ich nicht beurteilen. Ich finde seine Nörgeleien ganz anregend.
Ich bin im übrigen nicht versessen darauf, anderer Leute Sprache zu regulieren, ganz im Gegenteil, ich bin nämlich ein entschiedener Gegner der Rechtschreibreform. Außerdem zwinge ich niemanden, Denglisch verstehen zu müssen.
@Connie: Ich fahre auch sehr oft mit der Bahn und habe zunehmend festgestellt, dass viele Auslaender die Bahn ebenfalls benutzen. Aus diesem Grund macht es fuer mich Sinn, dass die Mitarbeiter der Deutschen Bahn ihre Durchsagen auch in Englisch taetigen. Dass deren Englisch nun nicht superfluessig und frei von einem deutschen Akzent ist, finde ich verstaendlich und ueberhaupt nicht schlimm. Ich finde, dass sich die Bahn in dieser Hinsicht in den letzten Jahren verbessert hat, und die Mitarbeiter heutzutage im Allgemeinen besser Englisch sprechen als vorher waehrend der Anfangsphase.
Man sollte vielleicht auch bedenken, dass all diese Mitarbeiter kein Englisch studiert haben. Es waere auch interessant zu wissen, welche Art von Schulung die Mitarbeiter der Deutschen Bahn in Englisch erhalten haben, als die Durchsagen in Englisch eingefuehrt wurden. (Ich weiss das leider nicht.)
Noch eine letzte Anmerkung: Ich bin mir nicht sicher, ob ueberhaupt Firmennamen wie “Deutsche Bahn” in andere Sprachen uebersetzt werden. Sind sie nicht vergleichbar mit Eigennamen?
Darf ich bemerken, daß ich mit Interesse und Gewinn sowohl das Sprachblog regelmäßig lese als auch Abonnent der Sprachwelt bin? Oder bin ich dann bei beiden untendurch?
Musste gleich mal die Schweizerische Staatsbahn unter die Lupe nehmen. http://www.sbb.ch, dort wimmelts auch von Anglizismen: “History Channel”, Click&Rail, Ticket-Shop, News etc.
Aber mich darüber aufregen? Nope.
@Thomas Paulwitz: Mit “Sprachnörgler” meine ich zum Beispiel Menschen, die Natascha Kampusch zur “Sprachwahrerin des Jahres” ernennen ohne sich vor ihrer eigenen Übergriffigkeit zu ekeln.
NvonX, wow! Diese Metapher werde ich mir, mit Ihrer Einwilligung, bei passenden Gelegenheiten ausborgen.
Thomas Müller, da ich davon ausgehe, dass Sie dabei jeweils angemessene Skepsis walten lassen, dürfte es kein Problem geben.
Ilka, ich würde noch weiter gehen: ich finde den deutschen Akzent bei der Deutschen Bahn sogar sehr charmant (und für ein deutsches Unternehmen durchaus angemessen).
Ugugu, also ist das tatsächlich Bahnhofspeak. Darüber aufregen? Natürlich nicht.
@Frank Oswalt
Sie bezeichnen also die Leser der Deutschen Sprachwelt, die Natascha Kampusch für ihr gutes Deutsch zur “Sprachwahrerin des Jahres” gewählt (nicht: ernannt) haben (es waren vor allem Österreicher), als Sprachnörgler, die keine Ironie verstehen. Nun gut. Wie kann eine Positivauszeichnung Nörgelei sein? Sehen Sie sich nicht allmählich selbst der Gefahr ausgesetzt, sich einen Ruf als Nörgler zu erarbeiten?
Es ist doch eine Frage des Blickwinkels. Der eine bemängelt das unterentwickelte Sprachbewußtsein öffentlicher Einrichtungen, der andere kritisiert den, der auf Mißstände in der Verständlichkeit hinweist, da er dessen Sorge nicht teilt. Jeder kann den anderen als notorischen Nörgler hinstellen, vor allem dann, wenn er nicht auf ihn eingehen möchte. Daher tut es mir leid, daß ich Stefanowitschs Beiträge einfach als Nörgeleien bezeichnet habe. Ich hätte das Wort in Anführungszeichen setzen sollen, denn auf dieses Niveau, den anderen als Nörgler zu verunglimpfen, sollte man sich in einer Diskussion nicht hinabbegeben.
@ Thomas Müller
Ich schließe mich Anatol Stefanowitsch nur zu gern an: Wenn Sie Sprachblog und Sprachwelt kritisch lesen, werden Sie auf jeden Fall einen Gewinn davon haben. Ich mache das auch so. Es ist immer gut, sich mit verschiedenen Standpunkten zu beschäftigen, um sich seine Meinung zu bilden.
Also, mir schmeckt der Kaffee!
Englisch ist Weltverkehrssprache, und ich möchte Sprachnörgler mal in China oder Japen erleben, sollten dort englische Informationen auf Bahnhöfen abgeschafft werden. Wer diese globale Zweckmäßigkeit ignoriert, pflegt statt seiner Sprache vor allem Provinzialismus. Die Frage ist m.E. nur, ob man noch eins oben drauf setzen muss.
“Service” und “Tickets” sagt alles, auch ohne “Point” und “Counter”.
Die internationalen Erfordernisse werden immer als Begründung für den Gebrauch von Anglizismen angeführt. Der vollständige Verzicht auf deutsche Bezeichnungen in diesem Fall im Verkehrsbereich wie Bahn und Flughafen ist in unserem deutschsprachigen Land eine Herabsetzung und Missachtung der eigenen Bevölkerung. Warum kann – wie es in anderen Ländern auch gehandhabt wird – nicht das Wort „Auskunft“ an die erste Stelle gesetzt werden und darunter die wirkliche englische Entsprechung?
Natürlich verlässt die „Bahnsprache“ nicht den Bahnhof. Aber die abwertende Einstellung und Haltung gegenüber unserer Sprache und unseren Bürgern verlässt den Bahnhofraum und hinterlässt Nachahmer.
Das Wort „Auskunft“ ist bei der Eisenbahn seit ihrer Erfindung gebräuchlich. Das Wort selbst ist aber viel älter. Warum sollte man es heute nicht mehr benutzen? Gibt es für deutsche Wörter ein Verfallsdatum? Wann sind alle durch englische Ausdrücke ersetzt? Sprache ist kein Wegwerfprodukt. Sprachkultur ist nicht Kommerz, sondern Tradition, Identifikation, Heimat, Kommunikationsmittel.
Ich warne davor, für Hinweise nur Piktogramme zu verwenden. Das führt zu einem weiteren Problem, der Infantilisierung unserer Sprache. Ein Behinderter ist ein Behinderter. Mit dem Wort Handicape oder sonstigen sprachlichen Purzelbäumen wird dadurch nichts besser.
Das Piktogramme im Zusammenhang mit Orten, die von einem internationalem Publikum auf der Durchreise besucht werden, die sich schnell orientieren wollen und müssen, eine „Infantilisierung“ der Sprache verursachen ist ja eine ganz neue Baustelle. Ich hab so meine Zweifel, dass sich z.B. ein Italiener im Ernstfall über ein Schild Notausgang wirklich freut.
Und ein „Behinderter“ ist mitnichten ein „Behinderter.“ Inzwischen ist er ein „Mensch mit Behinderung“ und davor war er ganz selbstverständlich ein „Krüppel“. Und dabei wird es wohl nicht bleiben, siehe Euphemismustretmühle.
Na, lieber Herr Stefanowitsch,
in diesem Forum scheinen sich ja auch ’ne Menge Ausländer rumzutreiben — die Welt wächst eben in Deutschland zusammen (sonst fast nirgends). Ein Glück, daß Sie’s “Bahn-Bashing” genannt haben. “Bahn-Schelte” hätten die armen Weltbürger hier ja nicht verstanden. Allerdings verstehe Bahn-Basching nun ich wieder nicht. Klingt wie Fasching. Meine Mutti hat mir das nicht beigebracht; gescholten hat sie mich oft. Was Schelte sind, weiß ich. Zu unserem Bäcker kam jetzt auch mal ein Inder, der bei Infinnjen arbeitet, darauf hat sofort der Bakery all seine Brote, Kuchen und Angebote auf Englisch ausgezeichnet. Endlich! Jetzt fühlen sich die Ausländer hier fast wohl. Der müßte nur noch endlich mal seine fremdenfeindlichen Kuchen durch multikulturelle Bagels und Cookies und Muffins ersetzen!
Und als ich auf der Konferenz “Informatik 2006” war, da wurde im Semantik-Konferenzblock (nicht Blog) erst deutsch gesprochen, und jeder hat verstanden, daß da vorne viel Quatsch geredet wurde — wie man an den Diskussionen sah. Dann kam etwa zur Halbzeit ein Schwarzer rein (ich nenne die noch Neger, aber für meine politisch korrekten Freunde tu ich alles), der Blockwart stürzte auf ihn los und fragte ihn was Nettes, und als der verunsichert nickte, bat er dann die Vortragenden, den Konferenzblock bitte auf Englisch fortzusetzen. Von dem Moment an konnte keiner mehr behaupten, daß da vorne Quatsch gesprochen wurde. Nach 20 Minuten saßen da nur noch der Neger und ich, aber ca. 30 Deutsche waren rausgegangen. Sollen sie!
Wenn ich in USA weile, gibt es auf keinem Flugplatz auch nur einen einzigen deutschen Hinweis. Ich meine, Deutschland sollte endlich 51. Bundesstaat werden. Ich möcht endlich mal wieder die Geborgenheit und die Bequemlichkeit einer eigenen Muttersprache genießen! Dieses ständige Deutschgeplärre in unserem modernen Weltbürgerspeak geht mir auf den Cakes.
Ihr Newbasher
Klaus Däßler
An Corax: Bitte genau lesen. Mein Satz lautete: “Ich warne davor, für Hinweise nur Piktogramme zu verwenden.” Ich bitte, das “nur” zu beachten. Diese Handhabung gibt es auch heute schon in einigen Bereichen: Piktogramm und Schrift.
Herr Heinz-Dieter Dey,
ja mit dem “nur” kann ich leben, ich hab ja auch nicht vor das Alphabet abzuschaffen, wobei ich mich frage ob man an einer Türe mit einem Piktogramm, dass einen Mann symbolisiert, auch noch “Herrentoilette” dranschreiben “muss”.
Aber das sind jetzt bloß Spitzfindigkeiten. 😉
Aber haben Sie denn konkrete Beispiele für die komplette Verdrängung der Schrift durch Piktogramme? Außer im Strassenverkehr wo Schilder ja auch Gesetzescharakter haben, fällt mir da nichts Relevantes ein.
Ich weiß es nur, weil ich viel lese. Hierzulande wird ausschließlich geschimpft.
Das wäre übrigens scolding und nicht bashing. Wenn Sie eine Übersetzung wollen, probieren Sie lieber “ständig auf die Bahn einhacken”. (Was auch wieder komisch klingt, weil in Wirklichkeit niemand “einhacken” sagt — oder zeige ich damit wieder nur, dass ich noch kaum in Deutschland war?)
In Peking sind alle Hinweise nicht nur auf chinesisch, sondern auch japanisch, koreanisch und englisch…
ob es bei der bahn in den toiletten dann bald auch einen “powder room” gibt, wir karstadt es plant? 🙂
David Marianovic:
Gegen eine — zusätzliche — globalenglische Auszeichnung wichtiger Hinweise auf internationalen Drehkreuzen wie Frankfurt oder Berlin habe ich auch nichts einzuwenden. Aber wenn in einem Vorortbus von Kleinkleckersdorf ein Tonband die Haltestellen nur noch Pseudoenglisch vorknarzt, reicht es mir.
China hat erklärtermaßen die Absicht (wie vorher Japan, Korea und andere) möglichst viele Spezialisten aus dem Westen und den asiatischen Hochtechnikländern anzuziehen, um die westliche Technik und Wissenschaft aufzusaugen — und, wo möglich — schnellstens zu kopieren. Mit China haben wir z.B. 3800 “Gemeinschaftsprojekte”, d.h. Wissenstransfer nach Osten. USA haben das nicht nötig, wir Deutschen servieren ihnen seit dem Weltkrieg unser teuer erarbeitetes Wissen kostenlos in ihrer “Muttersprache” auf dem Silbertablett. Deutschland ist ein Land, das jegliches Wissen, insbesondere der Hochtechnik und Informatik, aber auch jeglicher Geisteswissenschaften, in großem Maße abzugeben hat, und das mit diesem Vorteil seine Muttersprache auf der ganzen Welt verbreiten könnte. Aber nein, wir versuchen in hündischer Ergebenheit anderen Nationen, besonders den von uns angebeteten USA, möglichst viel mundgerecht entgegenzubringen und schaffen damit unsere eigene Kultur und Muttersprache, der wir diese hohe Leistungsfähigkeit verdanken, ab.
Damit stören wir das internationale Gleichgewicht im Wettstreit der Kulturen, d.h. schaden der ganzen Welt, indem wir ihr unsere wunderbare Sprache vorenthalten, diese bewußt zerstören und den Siegeszug des primitiven Globalenglisch (ca 800 Wortstämme Kolonialdialekt) akribisch vorantreiben.
Gerade die großen Autokonzerne sind nachgerade blöd. Die wohlhabenden US-Amerikaner lieben “Dschörmen Kars”, insbesondere Bie Emm Dabbleju und Mörcedies und Porski, und lieben den Stallgeruch von Berghof, Shepard, Heidelbörg and Frollein. Aber unsere Autofirmen möchten am liebsten waschechte US Kars (siehe Aktionärs- Hauptversammlung VW) aus ihren Kutschen machen (außer Porski, deshalb gehts Porski auch so gut).
Klaus Däßler
Minderwertigkeitskomplex.
Guten Tag Herr Stefanowitsch,
bei allem Hin und Her um die Angebrachtheit von Service-Point darf mal daran erinnert werden, dass wenn schon kein (“etymologisch”) deutsches Wort für diese Art von Schalter, weil an DB-Bahnhöfen auch Nichtdeutschkundige abfahren und ankommen, dann doch lieber ein Internationalismus, der auch in vielen anderen Ländern und Sprachen seit langem stark verbreitet ist: INFORMATION, und nicht eine Eigenschöpfung.
Ein Wort wie Counter ist dagegen Unfug, weil höfliche Aufforderungen wie “Wenn geschlossen, wenden Sie sich bitte an den nächsten Counter” ja weder vielen Deutschsprechenden noch Ausländern verständlich sind, die Englisch als Mutter- oder Fremdsprache verstehen, aber kein Deutsch. Wie ich von einem DB-Mitarbeiter erfuhr, gehörte das Wort Counter angeblich zu dem “Designerpaket” eines italienischen Innenarchitekten, der die Neugestaltung der Reisezentren geplant hatte. Es habe mit übernommen werden müssen. So ist es auch bei anderen Neuerungen: die Berateragentur verkauft ihre Sachberatung zusammen mit einem fertigen Vorrat an Wörtern, ein geschickter Weg, die Sprache im öffentlichen Raum zu beeinflussen.
Vielleicht haben Sie vor rd. zwei Jahren mitbekommen, dass Mehdorn schon laut über einen englischen Namen für das Gesamtunternehmen nachdachte und vom damaligen Verkehrsminister Stolpe nachdrücklich gebremst werden musste. Es ging darum, den Konzern oder seine Teile den sog. Finanzmärkten und Investoren schmackhaft zu machen, deren stellenweise sehr ambivalentes Wirken gerade in den letzten Wochen von den USA bis zu uns zu spüren war. Nicht nur gegenüber Kunden und Öffentlichkeit, auch den eigenen Mitarbeitern muten Bahn und Post immer mehr Englisch zu — auch in Bereichen, die keine besondere Kommunikation mit ausländischen Töchtern oder Partnern erfordern. In einem Gebäude der Telekom sollten sogar schon deutsche Notausgangshinweise durch englische ersetzt werden. Geht man von der gelegentlichen Anwesenheit eines Ausländers aus, dann wäre die Hinzufügung von Englisch sinnvoll, aber das Weglassen von Deutsch nicht ungefährlich.
Übergreifender Sinn dieser Umbenennungen ist nach meinem Eindruck keineswegs nur die mögliche Angemessenheit in Bezug auf Kunden und solche, die man gewinnen will, sondern durchaus, den Machern der Globalisierung (Finanzmärkte, Unternehmensberatungen, Banken mit ihrem Schwerpunkt “Mergers & Acquistions”) den Globalisierungsgrad zu signalisieren. Berater H. Simon sagt es einmal deutlich: Wir Deutsche sollten dabei in Vorleistung gehen. Wo wie bei Bertelsmann ein deutscher Buch- und Musikverlag intern auf Englisch verwaltet wird, ist der Einstieg von angelsächsischen oder englisch funktionierenden Anteilseignern leichter und alles ohne Mehraufwand für diese transparenter, und die Analysten beurteilen (“räiten”) eine Firma günstiger, wenn sie sich angelsächsisch (mindestens mit Versatzstücken, nicht immer durchgehend, konsequent oder korrekt) gibt.
Fast jedes sich global gebende Unternehmen hat in seiner Anklickleiste mit Tätigkeitsbereichen “Investor Relations”. Vor dem misslungenen Börsengang erklärte Middelhoff in New York: Ich fühle mich als Amerikaner, der zufällig einen deutschen Pass hat”. Außerdem verkündete er: unsere Angestellten schreiben sich ihre e‑Mails auf Englisch. Sehr spontan. Entsprechendes gab etwa gleichzeitig der damalige französische Medienguru J.-M. Messier von Vivendi von sich. Zwar warf Familie Mohn Middelhoff dann hinaus, aber als Mitverwalter von Fonds wurde er Sanierer von Karstadt-Quelle, verpasste diesem den Kunstnamen Arcandor (‘Geheimnis (aus) Gold’) und hat soeben die Sporthäuser von Karstadt in KarstadtSports umbenannt, (Hamb. Abendblatt gibt das so wieder: So wurde mit einem zusätzlichen “s” auch der heute übliche Anglizismus
eingeführt und “Karstadt sports” mit den Worten “enjoy sports and style” ergänzt).
Bei Betrachtungen von Kultur- und Sprachentwicklungen im Rahmen der Globalisierung sollte man im Auge behalten, was ihr Kenner und Prophet Friedman von der NYT nüchtern feststellt: die neue Weltordnung ist die Herrschaft der digitalen Finanzmärkte (im Gegensatz zur “Realwirtschaft”). Und der frühere Bundesbankpräsident Tietmeyer hatte deutschen Politikern in Davos verraten, von nun an stünden sie unter deren “Diktat”. Der verstorbene SPD-Vordenker Glotz hatte dies früh erkannt und sich entsprechend daran ausgerichtet: um 1995 forderte er: die Universität muss an die Börse. Bezeichnenderweise wurde er Vorsitzender des Medienbeirats der Dt. Telekom, musste also die gesamte kulturrevolutionäre Strategie von K. Zumwinkel kennen, des ehemaligen Deutschlandchefs von McKinsey, den Kohl zum Postvorstand machte (bis zur Trennung auch der Telekomsparte, auf die er im Aufsichtsrat Einfluss behielt). Zumwinkel hatte zu den anderen wichtigen DAX-Konzernen engste Beziehungen, sowohl z.T. durch frühere Beratungstätigkeit als auch durch häufige Treffen der sog. Similauner. Zugleich war er ein Mittelpunkt der Atlantikbrücke, eine sehr gut organisierte Seilschaft.
Übrigens wollte Merkel vor und in Heiligendamm die Finanzminister Britanniens und der USA zur mehr Kontrolle und Regeln für Fonds und “die Märkte” überreden. Die stimmten ihrer Analyse zu, lehnten aber Maßnahmen ab, weil die Märkte zu viel Widerstand leisteten.
Hoffentlich verstehen Sie, warum dieser politisch-wirtschaftliche Exkurs keine Abschweifung vom Thema ist, sondern sehr viel mit der “Sprachentwicklung” der letzten 20 Jahre zu tun hat.
Dr. Werner Voigt
Wozu dienen die Anführungszeichen im ersten Absatz?