Zur Zeit läuft im Fernsehen wieder diese Werbekampagne der Europäischen Union, in der Menschen auf Partytröten tröten, damit die Zuschauer sich das Rauchen abgewöhnen (wer die Spots nicht kennt, kann sie hier finden — allerdings nur im Windows-Media-Format, wie es sich für eine Organisation gehört, die Microsoft mit hohen Geldstrafen zwingen will, offene Standards zu verwenden).
In einem der Spots tröten junge Menschen gemeinsam auf der Schultoilette und werfen dann schnell ihre Tröten weg, als ein Lehrer hereinkommt. Dann sagt eine Stimme aus dem Off:
Es mag dumm erscheinen, aber manchmal würde man egal was tun, um die anderen zu imitieren. Selbst anfangen, zu rauchen. Aber nicht vergessen: Es gibt immer eine Alternative. Help. Für ein rauchfreies Leben. [Link]
Die ganze Passage hört sich für meine Ohren etwas merkwürdig an, aber der Satz manchmal würde man egal was tun klingt schlicht falsch. Nach meinem Sprachempfinden könnte man eine der folgenden Sätze sagen:
(1) Manchmal würde man alles tun, …
(2) Manchmal würde man alles — egal was – tun, …
Aber egal was kann in diesem Zusammenhang nicht alleine stehen.
Es ist ja üblich, bei Merkwürdigkeiten in der deutschen Sprache reflexhaft einen Einfluss des Englischen zu vermuten, und wenigstens in einigen Varietäten des Englischen könnte man tatsächlich so etwas sagen, wie sometimes one would do no matter what. Aber die englische Version des Werbespots drückt sich hier vier unauffälliger aus:
This may look stupid, yet sometimes we would do anything to look like our peers. Even start smoking. But remember: there is always an alternative. Help. For a life without tobacco. [Link]
Das Englische kann hier also nicht zur Erklärung herhalten. Eine kurze Recherche ergab dann auch, dass das die Spots von einer französischen Werbeagentur, Ligaris für die Werbespots verantwortlich ist. Es bietet sich also die Hypothese an, dass die Spots zunächst in französischer Sprache produziert und dann in die Sprachen der anderen Mitgliedsstaaten übersetzt wurden.
Auch die französische Version steht zum Herunterladen zur Verfügung, und der Text dort lautet ungefähr so:1
C’est l’air stupide, comme ça. Pourtant parfois on ferait n’importe quoi pour ressembler les autres, même commencer à fumer. Mais il est toujours possible de resister. Help. Pour une vie sans tabac. [Link]
Wenn man die entscheidende Passage Wort für Wort übersetzt, klingt das ungefähr so:
(3) dennoch manchmal man täte nicht-wichtig was für ähneln den anderen
Das französische nicht-wichtig was (n’importe quoi) scheint also das sprachliche Vorbild für das deutsche egal was zu sein. Nun wäre es interessant, zu wissen, ob es sich bei dem Text des Werbespots um einen vereinzelten Übersetzungsfehler handelt, oder ob diese Konstruktion häufiger in der deutschen Sprache vorkommt. Eine erste Internetsuche ist dabei erfolglos: die Suchanfrage “egal was tun” ergibt keinen einzigen Treffer mit der gewünschten Struktur.
Allerdings wird in der Umgangssprache häufig das Verb machen verwendet, wo in der Schriftsprache tun steht. Suchen wir also noch einmal nach “egal was machen”.
Für dieses Suchmuster finden sich gerade einmal acht Treffer:
- … der Motivation und der Bündelung der Kräfte: worauf kommt es an, was sollen wir tun; daher nicht kopflos egal was machen , sondern sich dem Geist öffnen … [Link]
- Er darf nicht egal was machen und muss sich an die Regeln halten. Manchmal macht die Krankheit leider Gottes einen Strich durch die Rechnung. … [Link]
- DANN aber bitte still leiden /genießen oder egal was machen, aber NICHT wieder “die gesellschaft” um Hilfe bitten. [Link]
- Wollte jetzt aber mal fragen ob sich einer auskennt wie man an dem Motor bzw. Auspuff aufbohren egal was machen kann um mehr leistung aus dem Ding zu holen. [Link]
- Es ist ebenso egal, wieviele Händler es gibt, die egal was machen. Es reicht doch, wenn man selbst weiss worauf zu achten ist und das entsprechend umsetzt. [Link]
- Zudem denke ich, ist es für jeden betroffenden zufriedenstellender, wenn dieser nicht nur egal was machen soll, sondern lieber etwas lernt das Sinn macht … [Link]
- Sie kann mit dem Geld Geschenke machen, einen Detektiv bezahlen, egal was, machen. So will es der Gesetzgeber. Für Dienstreisen im nächsten Jahr stehen ihr … [Link]
- Da kannst du egal was machen um es zu sichern. Die beste Variante ist, seine Software einfach zu verkaufen und zwar unter keiner Lizenz, die es erlaubt, … [Link]
Einge dieser Treffer könnten auf einen franzöischen Einfluss zurückzuführen sein: der erste Treffer ist von der Webseite einer deutschsprachigen Gemeinde im Süden von Belgien, wo seit Jahrhunderten Sprachkontakt zwischen dem Deutschen und dem Französischen besteht, und der zweite Treffer ist aus einem Bericht über ein französisches Atelier.
Es handelt sich bei der Redewendung egal was machen also vermutlich um ein Sprachmuster, dass ab und zu aus dem Französischen entlehnt wird und eventuell kurz davor steht, sich etwas allgemeiner in der Umgangssprache durchzusetzen. Dazu könnte die Werbekampagne der EU beitragen — vom Rauchen wird sie wohl niemanden abhalten.
1. Ich habe das so transkribiert, wie ich es höre (die Sprecherin ist für mich schwer zu verstehen). Ein offizieller Text findet sich nirgends auf der Webseite der Kampagne. Dort findet sich nur der zweite Satz, der dort als „on ferait n’importe quoi pour ressembler à ses potes“ („… um seinen Kumpels zu ähneln“) angegeben wird. Das ist aber nicht das, was ich höre — vielleicht kann jemand weiterhelfen, der besser Französisch spricht, aber für unser Argument hier ist es ohnehin egal.
Warum nicht einfach:
…aber manchmal würde man wer weiß was tun…
?
Ich glaube, was Lazerte vorschlug war gemeint, aber die Damen und Herren hatten gerade Wortfindungsschwierigkeiten. Kenn’ ich nur zu gut, vor allem den Zwang, dann statt dessen einfach irgend ein anderes, na, Dingsda, zu nehmen …
Meiner Meinung nach fehlt dahinter lediglich ein „auch immer“. Also als Phrase: egal was auch immer.
… manchmal würde man egal was auch immer tun, um die anderen zu imitieren.
So hört es sich für mich „richtig“ an und bringt auch über 100.000 Treffer.
In der Phrase lässt sich dann auch das Was durch ein anderes W‑Wort ersetzen, wie bei dem W‑Schema bei der Unfallmeldung.
Results 117,000 for “egal was auch immer”
Results 10,500 for “egal wo auch immer”
Results 9,640 for “egal wie auch immer”
Results 7,140 for “egal wer auch immer”
Results 1,290 for “egal warum auch immer”
Results 1,290 for “egal welche auch immer”.
Results 703 for “egal wann auch immer”.
Results 411 for “egal wen auch immer”
Results 3 for “egal wieviel auch immer”
Results 3 for “egal wieso auch immer”
Glück auf!
Böse Zungen behaupten sogar, das Rauchverbot in Kneipen würde die Raucher nicht vom blauen Dunst abhalten. Über die Sinnhaftigkeit dieser Werbung kann man sich natürlich streiten.
Aber manchmal tut die EU ja egal was, um Leute vom Rauchen abzuhalten… 🙂
Es würde sich vielleicht lohnen, nach parallelen Konstruktionen zu suchen: Ich hab’s (noch) nicht getestet, aber ich habe eher Probleme mit dem “egal” als mit der Struktur X + “was” in ähnlichen Bedeutungen, wobei X ein Adverb oder eine kurze Phrase sein kann. Zum Beispiel habe ich keine Schwierigkeiten mit
- Ich mach was weiß ich was, um … (= alles Mögliche)
- Ich mach weiß nicht was (= etwas Beliebiges)
- Ich mach weiß ich was (= etwas Beliebiges)
- Ich mach keine Ahnung was (= etwas Beliebiges)
- Ich mach Wunder was (= alles Mögliche, viel)
Nicht zuletzt folgt ja auch “irgendwas” demselben Muster. These: Französischer Einfluss mag sein, aber die Struktur entspricht auch einem weiter verbreiteten Muster, das in der deutschen Standardsprache in einem Fall schon grammatikalisiert ist und sich in der Umgangssprache in noch mehr Fällen zeigt.
@Steffen Höder: Ja, das “egal” alleine sorgt schon für umgangssprachlichen Charakter.
Korrektes Schriftdeutsch ist das jedenfalls nicht, eher Zielgruppenjargon. Anatol hat ja schon zwei hervorragende Alternativen vorgeschlagen.
Ich habe das so transkribiert, wie ich es höre
ich verstehe das auch so wie Du es notiert hast, nur “ressembler *aux* autres”, nicht “*les* autres”.
findet sich auch das mit den “à ses pôtes”.
falls jemand noch mit den windows-media-dateien hadert: ich nutze für fast alle video-formate den videolan-player; der kommt mit fast allem klar. 🙂
Für mich klingt’s nach ‘Babelfisch’ … vielleicht wollte die Agentur Geld sparen?
Hallo Indy (bei mir Nr. 4 der Beiträge): “Sinnhaftigkeit” habe ich nicht im Duden gefunden!? Allerdings ist es nur die PC-Version des Dudens; vielleicht steht es in der Papierversion?
Hmmm … Das verwendete Format scheint tatsächlich auf Marktmachtmißbrauch seitens Microsoft zurückzuführen sein:
“Hi
We have no licence due to encode in this format
And the players are avalable on the differnts platforms MSW, MacOS, Linux
We need to be the most widely compatible with all the OS’s without the
obligation to download any specific player
That’s the reason we didn’t use QuickTime or DivX for example
Best regards”
Wenn ich das richtig verstehe, ist der Encoder von MS lizenzgebührenfrei zu verwenden, andere gebräuchliche Formate hingegen nicht …
Jens, das mit der Lizenzkostenfreiheit mag ich nicht so recht glauben. Hier geht es wohl eher darum, dass man eine Windows-Media-Lizenz bereits eingekauft hat und außerdem der Masse der MS-Windows-Nutzer möglichst wenig Unannehmlichkeiten verursachen möchte. Von wegen, „we need to be the most widely compatible with all the OS’s without the
obligation to download any specific player“ — weder meine Macs, noch meine Linux-Rechner spielen das Windows-Media-Format ab, ohne, dass ich zusätzliche Codecs oder ganze Player installieren muss. Die Verantwortlichen wissen das vermutlich und verlassen sich einfach darauf, dass Mac- und *nix-Nutzer an das Nachinstallieren von Codecs gewöhnt sind und sich nicht beschweren werden. Die offensichtliche Lösung wäre, die Filmchen in wenigstens zwei Formaten anzubieten, von denen mindestens eins ein offener Standard sein müsste — vor allem, wenn die EU mit ihrer Anti-Microsoft-Strategie glaubwürdig sein möchte.
Ich werde mich nochmal an die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, die GD Wettbewerb, die GD Informationsgesellschaft und Medien und vielleicht noch irgendwelche Abgeordneten wenden …
Vielleicht ist “egal was” auch analog zu “sonst was” gebildet worden, was ja auch umgangssprachlich ist, aber weitaus gebräuchlicher. Weiß der Deibel, was die geritten hat…
Waren die Umlaute (in den Kommentaren) hier schon immer kaputt? Bemerke das gerade zum ersten Mal …
@Jens: Die sind alle in Ordnung. Evtl. mal im Browser mit der Zeichencodierung experimentieren (z.B. auf UTF‑8 oder ISO-8859–15 umstellen).
Jens, Hedemann, es gab gestern Serverprobleme, die unter anderem auch die Darstellung von Umlauten beeinträchtigt haben. Der Server wird in den nähchsten Tagen irgendwie PHP-mäßig umgestellt, so dass es sicher auch noch zu schwerwiegenderen Ausfällen kommen kann.