Würdelose Jugend

Von Anatol Stefanowitsch

Der Köl­ner Stadt-Anzeiger inter­viewt die „Ben­imm­trainer­in“ Petra Baake, und die gibt fol­gende Per­le der sprachkri­tis­chen Weisheit von sich:

Welche Manieren sind uns „ver­loren gegangen?“

BAAKE In der Umgangssprache ist viel Stil und Klasse ver­schüt­tet. Jede Jugend hat „ihre Sprache“, aber das Niveau heute ist erschreck­end niedrig und würde­los. Es wird nur noch per Inter­net oder E‑Mail kom­mu­niziert. Das Bloßstellen oder Her­ablassen in manchen Fernsehsendun­gen ist erschreck­end — und kommt fast dem Pranger im Mit­te­lal­ter gle­ich. Bei Ein­ladun­gen ein­fach nicht zu erscheinen? Früher undenkbar. Es gehörte zum guten Ton, sich abzumelden.

Ja, früher war eben alles bess­er. Sog­ar die Jugendsprache.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

2 Gedanken zu „Würdelose Jugend

  1. indy

    Früher gehörte es auch zum guten Ton seine Schüler zu ver­prügeln. Heute undenkbar!

    1. Auch ohne his­torische Doku­mente und Beweise würde ich ein­fach mal behaupten, dass es früher noch viel ekla­tan­tere Unter­schiede in sprach­lich-qual­i­ta­tiv­er Hin­sicht gegeben haben muss. Ich stelle mir da ein­fach mal die Klas­sen­ge­sellschaft eines Kaiser­re­ich­es vor, wo den Kindern von bess­er situ­ierten Fam­i­lien auch eine bessere Bil­dung zuteil wurde. Das diese Jugendlichen eine bessere Sprache hat­ten wie ein Arbeit­erkind, liegt doch auf der Hand. Unter­dessen kön­nte man noch weit­er zurück­ge­hen in der Zeit und man stelle sich nur vor, wie es so ganz ohne Schulpflicht aus­ge­se­hen haben mag! Das Niveau dürfte also heute eher noch bess­er sein, wie früher, wenn man von den Bil­dungsange­boten aus­ge­ht, oder?

    2. Was nun genau mit “niedrig” und “würde­los” gemeint ist, würde mich in der Tat inter­essieren. Sollte der Jugendliche also eher “frugte” statt “fragte” oder lieber doch “ich trug die Frage in mir” sagen? Das Baake hier davon aus­ge­ht, dass jugendliche Sprache solche ver­meintlichen Schwächen inne hat, dann man­i­festiert sie dies sicher­lich doch an den sozial diskred­i­tierten Jugendlichen, ver­gisst jedoch, dass es auch Teenag­er gibt, die solche Schwächen eben nicht aufzeigen.

    3. Wie würde das gesellschaftliche Leben denn ausse­hen, wenn jed­er nur per Inter­net und E‑Mail kom­mu­nizieren würde? Ja, rel­a­tiv lang­weilig würde ich sagen.

    4. Das es im Fernse­hen auch niveau­volle Sendun­gen gibt, die sowohl inhaltlich als auch sprach­lich ihrem Wun­schdenken entsprechen – davon kann man aus­ge­hen möchte ich wohl sagen. Aber dies kon­sta­tiere ich auch nur vorsichtig 🙂

    5. Ein­ladun­gen nicht absagen? Ich finde es auch befremdlich, wenn man das ein­fache Absagen schon zum guten Ton gehörend stilisiert.

    Eine selb­st ernan­nte Ben­imm­trainer­in, die Jugend und deren Sprache kri­tisiert. Kann man sich son­st noch irgend­wie bess­er selb­st dis­qual­i­fizieren? Ja, denn so ähn­lich tat­en es Fr. Baake vor einem Semes­ter ein paar Stu­dentin­nen gle­ich. Sie hiel­ten ein Refer­at über Killer­spiele und der erste Satz war: „Wir müssen dazu sagen, dass wir solche Spiele nie spie­len wür­den und auch nie gespielt haben.“ Dies nur als kleine Anekdote 🙂

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