Es gibt drei Typen von Sprachnörglern. Als ich heute zum letzten Mal vor Weihnachten an der Uni war, habe ich sie alle drei in ein angeregtes Gespräch verwickelt angetroffen — an einer Toilettenwand.
Auslöser für den sprachkritischen Fachdiskurs war folgende Unmutsäußerung eines anonymen Studenten (Name der Beschimpften und ihres Faches geändert):
Fuck for Erika Mustermann!!!
Weg mit der „Musterfach-Hexe“
Das rief den Sprachnörgler Typ I (Anglizismenjäger) auf den Plan. Der kommentiert:
Wieso “Fuck for”?
Was soll das heissen?
Total sinnloses, falsches Englisch.
Schülerspruch Anglezismus, aber quatsch.
Inhaltlich hat er ja Recht, aber seine Orthografie lässt zu wünschen übrig. Ein Sprachnörgler Typ II (Rechtschreibfanatiker) lässt deshalb nicht lange auf sich warten:
Wenn du da schon am Korrigieren bist…
Es heißt Anglizismus!
Auch der hat ja in diesem Fall ausnahmsweise mal Recht, aber er findet trotzdem keine Gnade vor Sprachnörgler Typ III (Grammatik-Apparatschik). Der streicht die Phrase am Korrigieren sein durch und ersetzt sie durch das einfache Verb korrigieren:
Wenn du da schon
am Korrigieren bistkorrigierst…Es heißt Anglizismus!
Das Ganze kommentiert er noch mit einem vermutlich kopfschüttelnden Pfff. Anders als den ersten beiden Diskutanten kann ich ihm nicht zustimmen: [am + Verb + sein] ist eine tadellose Art und Weise, progressiven Aspekt zu signalisieren. Die Konstruktion existiert nicht in allen Varietäten des Deutschen — sie ist (noch) auf eher informelle Kommunikationssituationen und vermutlich auch auf bestimmte Regionen beschränkt. Aber auf einer Toilettenwand in Norddeutschland ist sie nicht nur akzeptabel sondern der einfachen Verbform semantisch sogar vorzuziehen.
Trotzdem gesellt sich gleich noch ein zweiter Sprachnörgler Typ III hinzu und sucht die Erklärung für die Verwendung der vermeintlich falschen Konstruktion im deutschen Bildungssystem:
Tja: Uni-Niveau
Heute in der Schule (Turnhalle) gesehen:
waht’s up?
Kommentiert hab ich das dann aber nicht 😉
Erinnert mich an die famosen Wortschlachten an den Toilettenwänden während des Studiums (lang, lang ist’s her). Die Wände hätte man ins Museum oder zumindest — ganz gemäss der berüchtigten Blogdefinition — ins Internet stellen sollen.
Anscheinend sind die Herrentoiletten ungleich unterhaltsamer als die Damentoiletten. Bei uns sind es hauptsächlich philosophische Fragen (“Gibt es Wirklichkeit?”) oder wahlweise Fragen für das Dr. Sommer-Team (“Ich liebe zwei Männer, was soll ich tun?”), jeweils samt zugehörigen Debatten. Allerdings kommen auch bei uns die Liebhaberinnen der dt. Rechtschreibung zum Zug — manchmal sogar ganz stilecht mit Rotstift.
Sprachnörgler Typ IV, der Interpunktionspurist, fehlt noch — oder fällt das Dreifachausrufezeichen schon keinem mehr auf? 🙂
Hm? “Am Korrigieren sein” passt an eine norddeutsche Toilettenwand? Interessant, im Schweizerdeutschen ist das ebenfalls der Fall, daher nahm ich bisher an, die Konstruktion sei im Süden des deutschen Sprachraums angesiedelt.