Beim Geld hört die Freundschaft auf

Von Anatol Stefanowitsch

Wer sich nicht nur für Sprache, son­dern auch für Sprachen inter­essiert, der ist bei einem der Urgesteine der Sprach­blogs, Lan­guage­hat, bestens aufge­hoben. Betrieben wird es von einem nei­der­re­gend gut bele­se­nen Poly­glot mit einem Faible für Hüte, der täglich über die unter­schiedlich­sten sprach­lichen und kul­turellen Aspek­te von Roma­nen und deren Autoren, Kuriositäten rund um Sprachen und deren Sprech­er, die Herkun­ft und Entwick­lung von Wörtern und vieles mehr schreibt.

Gestern schrieb er über diese Geschichte auf BBC.co.uk, die von einem Stre­it darüber han­delt, wer entschei­den darf, wie das junge EU-Mit­glied Bul­gar­ien den Namen der gemein­samen Währung zu schreiben hat.

Die Europäis­che Zen­tral­bank ist der Mei­n­ung, dass Bul­gar­ien (und wohl auch andere zukün­ftige Mit­glieder, die das kyril­lis­che Alpha­bet ver­wen­den) die Schreib­weise ЕУРО/еуро ver­wen­den soll­ten. Das Prob­lem ist, dass diese Schreib­weise nicht der Aussprache des Wortes in den slavis­chen Sprachen entspricht, die eher evro lautet und ЕВРО/евро geschrieben wird. Diese Schreib­weise wird von Bul­gar­ien gefordert und man will keine Verträge unter­schreiben, in denen das Wort nicht so geschrieben ist.

Die Europäis­che Zen­tral­bank behar­rt auf ihrer Schreibweise:

The Euro­pean Cen­tral Bank insists that the name of the com­mon cur­ren­cy must be the same in all the offi­cial lan­guages of the EU although the exis­tence of dif­fer­ent alpha­bets should be tak­en into account.

Die Europäis­che Zen­tral­bank beste­ht darauf, dass der Name der gemein­samen Währung in allen Amtssprachen der EU gle­ich geschrieben wer­den muss, wobei der Exis­tenz unter­schiedlich­er Alpha­bete Rech­nung getra­gen wer­den muss.

Lan­guage­hat äußert hierüber nachvol­lziehbaren Unmut:

What does “tak­en into account” mean if not “let them use their own god­dam alpha­bet”? What the hell is wrong with bureau­crats? “Sor­ry, the Greeks get to write ‘evro’ in their alpha­bet but you don’t get to in yours, because, well, they’re Greeks and you’re Bulgarians.”

Was soll “Rech­nung tra­gen” bedeuten, wenn nicht “Lasst sie ihr eigenes gottver­dammtes Alpha­bet ver­wen­den”? Was zum Teufel ist mit den Bürokrat­en los? “Tut uns leid, aber die Griechen kön­nen ‘evro’ in ihrem Alpha­bet schreiben, aber ihr dürft das in eurem nicht tun, weil, naja, sie sind Griechen und ihr seid Bulgaren.”

Der Ärg­er ist ver­ständlich, aber das Prob­lem ist etwas kom­plex­er. Die Griechen ver­wen­den die Schreib­weise ΕΥΡΩ/ευρω, die ja sog­ar auf den Ban­knoten neben dem lateinis­chen Alpha­bet zu sehen ist. Das ist gle­ichzeit­ig eine direk­te Translit­er­a­tion (eine Über­tra­gung Buch­stabe für Buch­stabe) der lateinis­chen Form EURO/euro, und es entspricht in etwa der Aussprache des Wortes im Griechis­chen. Die Aussprache des Wortes in den slaw­is­chen Sprachen wäre aber, wie oben gesagt, bess­er duch die kyril­lis­che Schreib­weise ЕВРО/евро wiedergegeben, die eben mit der von der EZB geforderten buch­stabenge­treuen Translit­er­a­tion nicht übereinstimmt.

Ich frage mich allerd­ings, warum der Name der Währung in allen Sprachen der gle­iche sein muss. Warum kann die son­st mit fast religiösem Eifer viel­sprachige EU nicht jedes Land seine eigene Schreib­weise wählen lassen? Und diese Schreib­weisen kön­nten sich dann sog­ar alle auf den Ban­knoten wiederfind­en. Das wäre ein viel span­nen­deres Motiv als die imag­inären Bauw­erke, die derzeit darauf zu sehen sind, und es würde der sprach­lichen und kul­turellen Vielfalt der Europäis­chen Union auch viel bess­er gerecht werden.

Dieser Beitrag wurde unter Bremer Sprachblog abgelegt am von .

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

7 Gedanken zu „Beim Geld hört die Freundschaft auf

  1. corax

    Herr Ste­fanow­itsch,

    die Namensfind­ung war schon schwierig genug. Was soll man denn mit ein­er ein­heitlichen Währung wenn jed­er drauf­schreibt was er will? Da hätt man ja genau­sogut bei dem Sys­tem des ECU bleiben kön­nen. Der Euro soll Sta­bil­ität und Ver­trauen eben dadurch erlan­gen, dass er möglichst ein­heitlich aussieht.

    Deshalb war die Namenswahl doch so schwierig und umkämpft. Und let­z­tendlich ein (imo guter) Kompromiss.

    Ich hätte nie gedacht, dass ich mal die Sturheit der EU-Bürokrat­en verteidige. 😉

    Pax

    Antworten
  2. Anatol Stefanowitsch

    @buntklicker: Ist kor­rigiert, danke für den Hinweis!

    @corax: Ja und nein. Natür­lich soll die Wahl des Namens für die Währung nicht völ­lig beliebig sein. Aber der Name ist ja (nicht beson­ders orig­inell) ein­fach ein Kurz­wort auf der Grund­lage des Wortes Europa/Europe. Warum sollen also nicht alle Mit­gliedsstaat­en diesen Wort­bil­dung­sprozess in ihrer jew­eili­gen Amtssprache nachvol­lziehen dür­fen, denn sie wer­den ja alle ein Wort für „Europa“ haben? Darüber hin­aus gibt es ja das Sym­bol €, das im Zweifels­fall Klarheit schaf­fen kann.

    Antworten
  3. corax

    Herr Ste­fanow­itsch,

    ich habe jet­zt nochmal darüber nachgedacht, und mir einen Geldschein

    nochmals genauer ange­se­hen und komme zu dem Ergeb­nis: ja und nein.

    Auf den Geld­schein passt neben dem lateinis­chen und grichischem

    dur­chaus auch das kyril­lis­che EURO mit drauf. Es ste­ht dort ja auch

    neben EZB noch BCE, ECB, EKT, EKP mit drauf, sollte also

    kein Prob­lem sein. Ich ändere von daher also meine Meinung.

    Zu Ihrem Kurz­wort, da haben Sie in diesem Falle natürlich

    unbe­stre­it­bar recht, bloß was wäre wenn man ein Kunst­wort wie ATTA,

    OMO oder AXA gewählt hätte, das als eigen­ständi­ge Marke fungieren

    soll?

    Nach­dem ich meine Mei­n­ung nun geän­dert habe frage ich mich bezüglich

    der Sturheit Bul­gar­iens aber fol­gen­des, gewis­ser­maßen als Teufels

    Anwalt:

    Angenom­men Spanien, Frankre­ich, Vere­iniges Kön­i­gre­ich und Deutschland

    grün­den ein Kon­sor­tium zum Bau eines gemein­samen Flugzeuges und sind

    nach eini­gen Jahren weltweit wirtschaftlich sehr erfol­gre­ich und machen sogar

    den USA Konkur­renz. Dann kommt ein ehe­mals sozial­is­tis­ches Land das

    noch wenig indis­tru­al­isiert ist und möchte sich beteili­gen. Es würde

    gerne die Reifen pro­duzieren. Dies würde seine Wirtschaft einen großen

    Schritt voran­brin­gen. Das Kon­sor­tium berät sich und ist

    ein­ver­standen. Man benötigt den neuen kleinen Part­ner nicht unbedingt

    aber ein zusät­zlich­es Stand­bein kann auch nicht schaden. Bei den

    Ver­tragsver­hand­lun­gen beste­ht der Aspi­rant aber vehe­ment darauf, daß

    kün­ftig auf allen Pro­duk­ten und Pub­lika­tio­nen zusätzlich

    LUFTPERSONENTRANSPORTER ste­hen soll. Was glauben Sie würde passieren?

    Pax

    Antworten
  4. Anatol Stefanowitsch

    Corax, mit einem ein Kunst­wort hätte man sich­er viele Prob­leme ver­mei­den kön­nen — vor allem hätte man nicht den Namen eines ehrwürdi­gen Kon­ti­nents und Kul­tur­raums als Namen für eine Währung miss­brauchen müssen…

    Zu Ihrem Beispiel mit dem Flugzeug: Wenn das Wort für „Flugzeug“ in der Sprache des neuen Mit­glied­s­lan­des Luft­per­so­n­en­trans­porter wäre, würde ich doch sehr hof­fen, dass man es in den Pub­lika­tio­nen, die in dieser Sprache ver­fasst sind, auch ver­wen­den würde. Das ist in meinem Beitrag vielle­icht nicht deut­lich gewor­den: Bul­gar­ien ist ja nicht Teil der Euro­zone und ver­langt auch nicht, dass das bul­gar­ische Wort auf den Ban­knoten oder in allen Verträ­gen ver­wen­det wird. Man möchte dort nur, dass in Verträ­gen in bul­gar­isch­er Sprache auch das bul­gar­ische Wort ver­wen­det wird, und nicht ein Kunst­wort der EZB.

    Antworten
  5. corax

    Herr Ste­fanow­itsch,

    ich hat­te das tat­säch­lich missver­standen. Ich dachte die Bul­gar­en woll­ten Evro auf den Euroscheinen gedruckt haben. Jet­zt hab ich es begrif­f­en es geht um schriftliche Verträge. Das ist natür­lich völ­lig lächer­lich einem Ver­tragspart­ner vorzuschreiben wie er etwas in sein­er Sprache zu buch­sta­bieren hat ins­beson­dere wenn er ein anderes Alpha­bet hat.

    Mein Beispiel bezog sich auf den Namen Air­bus als Marken­name da schreibt ja auch keine deutsche Fir­ma “Luft­bus” oder “Luft­trans­porter” drauf. Aber wie andere das Ding in ihrer eige­nen Sprache nen­nen kann einem doch ziem­lich egal sein.

    Da hät­ten die Her­ren mal vorher drüber nach­denken sollen bevor man so einen Unsinn verzapft.

    http://www.euractiv.com/de/euro/bulgarien-evro-statt-euro/article-159598

    Pax

    Antworten
  6. Sabrina Meier

    Bin der sel­ben Mei­n­ung! Die Län­der müssen in ihrer sprach­lichen und kul­turellen Vielfalt bleiben, so kann man sie bess­er unter­schei­den und es gibt nichts Bös­es, wenn man etwas Neues erler­nen kann, zum Beispiel, wie man auf Bul­gar­isch “Euro” schreiben muss, es ist nicht so schwer!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.