Birma/Myanmar

Von Anatol Stefanowitsch

Nur kurz ein Nach­trag zum The­ma Namen­sän­derun­gen, der in der Press­eschau wegen deren fehlen­der Ern­sthaftigkeit keinen Platz gehabt hätte.

Es ist wohl kaum jeman­dem ent­gan­gen, dass die Bevölkerung des südostasi­atis­chen Lan­des Birma/Myanmar, ange­führt von bud­dhis­tis­chen Mönchen, derzeit ver­sucht, die Mil­itärdik­tatur abzuschüt­teln, die das Land seit 1965 beherrscht. Dabei fällt in der Berichter­stat­tung auf, dass die deutsche Presse sich ins­ge­samt nicht sich­er zu sein scheint, wie das Land zu beze­ich­nen ist. Am häu­fig­sten ist der Name Bir­ma, der es in Google News auf 6.268 Tre­f­fer bringt. Die Vari­ante Bur­ma schafft immer­hin noch 2.394 Tre­f­fer, und Myan­mar lan­det mit nur 899 Tre­f­fern deut­lich abgeschla­gen auf dem drit­ten Platz. Einzelne Nachrichtenor­gane haben dabei schein­bar ihre eige­nen Präferen­zen. Die ARD hat sich beispiel­sweise klar für Bur­ma entsch­ieden, mit 6.642 Tre­f­fern gegenüber 164 für Myan­mar (ard.de und tagesschau.de, ohne Blogs und Foren). Das ZDF hinge­gen bevorzugt Myan­mar mit 963 Tre­f­fern gegenüber 400 Tre­f­fern für Bir­ma, meis­tens als Ergänzung an Myan­mar ange­hängt (zdf.de und heute.de).

Die Exis­tenz der ver­schiede­nen Namen hat poli­tis­che Brisanz. Tra­di­tioneller­weise wur­den bei­de Namen, in der Lan­dessprache etwa Bama und Myan­ma aus­ge­sprochen, ver­wen­det. Unter britsch­er Kolo­nial­herrschaft set­zte sich dann der Name Bur­ma (in deutsch­er Schreib­weise Bir­ma) durch, der auch nach der Unab­hängikeit des Lan­des 1948 und nach dem ersten Mil­itär­putsch 1965 beibehal­ten wurde. Die derzeit­ige Mil­itärdik­tatur änderte den offiziellen Namen des Lan­des nach einem zweit­en Putsch im Jahre 1989 in Myan­mar. Die Begrün­dun­gen dafür waren, soweit ich das her­aus­find­en kon­nte, erstens, dass dies der tra­di­tionelle Name sei und man sich damit auf die vorkolo­niale Zeit zurückbesin­nen wolle, und zweit­ens, dass nicht alle Ein­wohn­er des Lan­des eth­nisch Burme­sen seien und die Beze­ich­nung Myan­mar deshalb weniger diskri­m­inierend sei.

Wie gesagt, tra­di­tionell waren bei­de Namen im Gebrauch und ein Able­gen der kolo­nialen Iden­tität wäre ja eigentlich eine gute Sache. Nur ist die Namen­sän­derung von ein­er demokratisch nicht legit­imierten Mil­itär­regierung durchge­führt wor­den. Das hat dazu geführt, dass die demokratis­chen Oppo­si­tion­skräfte, vor allem die im Exil, diese Namen­sän­derung nicht anerkan­nt haben, und dieser Weigerung haben sich beispiel­sweise die USA und Großbri­tan­nien angeschlossen (eben­so, wie der Großteil der deutschen Presse). Die Vere­in­ten Natio­nen haben die Namen­sän­derung anerkan­nt, da man dort nach dem Prinzip ver­fährt, dass jedes Land selb­st über seinen Namen entschei­det. Auch die Bun­desregierung fol­gt der offiziellen Nomen­klatur (auf der Web­seite der Regierung, www.bundesregierung.de ste­ht es 51:1 für Myan­mar, auf der Web­seite des Bun­destages 831:142).

Die deutschen Parteien haben dage­gen wieder ihre eige­nen Präferen­zen. Die SPD und die FDP bevorzu­gen Myan­mar (mit 5:1 [spd.de] und 16:4 [fdp.de]). Die Grü­nen kön­nen sich nicht entschei­den (mit 3:4 [gruene.de]) die Linkspartei inter­essiert sich für das The­ma über­haupt nicht (mit 0:1 [die-linke.de]) und die CDU hat eine klare Präferenz für Bir­ma (mit 17 Tre­f­fern für Myan­mar und 129 Tre­f­fern für Birma).

Ich würde ja gerne glauben, dass die deutsche Presse und die CDU den Namen Bir­ma aus Sym­pa­thie mit den demokratis­chen Kräften im Land bevorzu­gen, aber es drängt sich der Ver­dacht auf, dass sie ein­fach das Nach­machen, was die USA vor­ma­chen. Aber da die in diesem Fall auf der richti­gen Seite ste­hen, ist das vielle­icht auch egal.

Als Blog­ger kann man ver­mut­lich nicht allzu­viel zu den Frei­heits­be­stre­bun­gen der Birme­sen beitra­gen, aber wenn möglichst viele von ihnen zusam­menkom­men, hat das eventuell eine Wirkung auf die Öffentlichkeit. Mit einem Inter­na­tion­al Blogger’s Day for Bur­ma wollen sie das am 4. Okto­ber ver­suchen. Das Bre­mer Sprach­blog ist dabei, und hof­fentlich auch viele unser­er bloggen­den Leser/innen!

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

5 Gedanken zu „Birma/Myanmar

  1. Wolfgang Hömig-Groß

    Ich möchte zum vor­let­zten Absatz eine alter­na­tive Erk­lärungsmöglichkeit liefern: Die CDU als kon­ser­v­a­tive Volkspartei bleibt ein­fach bei dem guten, alten, bewährten Namen. Was so viele Jahre lang richtig war, kann jet­zt nicht falsch sein. Dass unsere Leitkul­tur (USA) es eben­so macht, bestärkt da nur.

    Und nicht zulet­zt kann die CDU hier (wie son­st nur bei der Fam­i­lie) echte kon­ser­v­a­tive Stärke beweisen — das The­ma ist ein­fach unwichtig genug. Bei allem was wichtig ist ist die CDU ja beim Verän­dern vorneweg, frei nach Lampe­dusa: Es muss sich vieles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist.

    Ach so: Bei den Jour­nal­is­ten reicht es m.E. aus, wenns ein­er vor­ma­cht, der Rest schreibt es bei ihm ab. Oder direkt in den USA …

  2. Bertilo

    Unter britsch­er Kolo­nial­herrschaft set­zte sich dann der Name Bur­ma (in deutsch­er Schreib­weise Bir­ma) durch, der auch nach der Unab­hängikeit des Lan­des 1948 und nach dem ersten Mil­itär­putsch 1965 beibehal­ten wurde. Die derzeit­ige Mil­itärdik­tatur änderte den offiziellen Namen des Lan­des nach einem zweit­en Putsch im Jahre 1989 in Myanmar.”

    Das ist nicht ganz richtig. Die Mil­itärdik­tatur hat 1989 nur den englis­chen Namen geän­dert (oder ver­sucht zu ändern…). Auf Burme­sisch (oder ist dass “Bir­man­isch”? oder vielle­icht “Myan­mare­sisch”?!) heißt das Land schon seit 1948 offiziell “Myan­ma” (ohne “r”).

  3. Anatol Stefanowitsch

    Berti­lo, danke für den inter­es­san­ten Hin­weis. Ich habe mich hier auf die inter­na­tionale Vari­ante des Namens bezo­gen, der mit der Unab­hängikeit von Crown Colony of Bur­ma zu Union of Bur­ma wurde. Ich habe auch angedeutet, dass im Bir­man­is­chen, bei­de Wörter existieren, wobei Myan­ma „hochsprach­lich“ und Bama „umgangssprach­lich“ ist. Es ist also plau­si­bel, dass das Land intern Myan­ma heißt, seit­dem die Lan­dessprache Bir­man­isch ist.

    Zur Sprache — die heißt inter­na­tion­al Burmese (engl.) und Bir­man­isch (dt.), wobei man im Deutschen gele­gentlich auch das Wort Burme­sisch find­et (auch bei Experten für diese Sprache). Wie sie in der Sprache selb­st heißt, weiß ich nicht, ich ver­mute aber, dass es auch hier wieder bei­de Vari­anten gibt. Die inter­na­tionale Beze­ich­nung wird sich wohl auch nicht ändern, da das Bir­man­is­che nicht nur in Birma/Myanmar gesprochen wird und seine Beze­ich­nung deshalb von der des Lan­des unab­hängig ist. Um die Sache weit­er zu verkom­plizieren, ist der dreis­tel­lige ISO-Code der Sprache aber mya (ISO 639–1), mit der „bib­li­ographis­chen“ Vari­ante bur (ISO 639–2/B). Über die ISO-Stan­dards für Sprachen kön­nte man einiges erzählen, das lasse ich hier aber erst einmal.

  4. viola

    in den wdr2-nachricht­en ver­wen­dete man in den let­zten tagen fast immer eine kon­struk­tion à la “myan­mar, früher­er bir­ma”. was dazu führte, daß man sich in den 5.30-uhr-nachrichten auch schon­mal ver­sprach und “bir­ma, frührer myan­mar” draus wurde … 🙂

  5. Eva Bachmann

    Ein Nach­trag zu Burma/Birma:

    Bur­ma, burme­sisch = englisch, schweizerisch

    Bir­ma, bir­man­isch = deutsch, österreichisch

    — Je nach Lan­deszuge­hörigkeit sprechen die erwäh­n­ten »Experten für diese Sprache« dann burme­sisch oder bir­man­isch, aber nie­mand, der sich ern­sthaft damit befasst, mis­cht Birma+burmesisch resp. Burma+birmanisch.

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