Über Hartmut Mehdorns Fähigkeiten als Großkapitän der Deutschen Bahn kann man sich sicher streiten. Allein für die Entscheidung, den Bahnhof Zoo vom ICE-Netz abzuhängen, verdient er den vorzeitigen Ruhestand (vom Versuch, der Bahn ein fluglinienartiges Preis- und Buchungssystem aufzustülpen, ganz zu schweigen). Auch die Verschlossene Auster, die er im letzten Jahr für Mängel in der Informationspolitik der Bahn verliehen bekommen hat, war sicher verdient.
Aber Sprachpanscher der Jahres? Ich bitte euch, liebe Freunde vom „Verein deutsche Sprache“, ist euch für eure fortgesetzte Hasskampagne nichts Besseres eingefallen als das:
Die weltweit über 30.000 Mitglieder des Vereins Deutsche Sprache e.V. haben Hartmut Mehdorn, den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, zum Sprachpanscher des Jahres 2007 gewählt. Nach Johannes Ludewig ist Mehdorn damit bereits der zweite Bahn-Chef, dem diese zweifelhafte Ehre zuteil geworden ist. „Leider hat die Deutsche Bahn aus diesem ersten Preis nicht viel gelernt“ kommentierte Vereinsvorsitzender Krämer das Ergebnis dieser Wahl. „Noch immer gibt es an deutschen Bahnhöfen counter statt Schalter, einen service-point statt einer Auskunft und zum Pinkeln muß man zu McClean“.
Von Fantasie und Abwechslung bei der Wahl eurer Beispiele für den Niedergang des Deutschen haltet ihr nicht viel, oder?
Also, ich erkläre es euch noch einmal gaanz laangsaam: Bahnhöfe sind Knotenpunkte für internationale Verkehrsverbindungen. Das sind Verbindungen zwischen A und B, bei denen A und/oder B nicht in Deutschland liegen. Deshalb laufen auf Bahnhöfen viele Menschen herum, die schlicht nicht wüssten, was das Wort Auskunft bedeutet. Wenn ihr mal ins Ausland fahren würdet, wüsstet ihr, wie man sich bei völliger sprachlicher Orientierungslosigkeit fühlt.
Einfache Höflichkeit gebietet, dass man hier international verständliche Begriffe verwendet.
Und dass die Bahnhofstoiletten „McClean“ heißen, dafür kann Hartmut Mehdorn nichts. Da müsst ihr euch bei der Firma beschweren, die diese Toiletten betreibt. Aber um das herauszufinden, hätte man natürlich ein wenig recherchieren müssen.
“Wenn ihr mal ins Ausland fahren würdet, wüsstet ihr, wie man sich bei völliger sprachlicher Orientierungslosigkeit fühlt.”
Was sollen die den dort ? Da kann doch keiner Deutsch.
International verständliche Begriffe (die selten wirklich global verständlich sind) fallen in meinen Augen aber noch hinter international verstandenen oder verstehbaren Symbolen zurück, die die Bahn parallel zum Text verwendet. Schließlich beherrscht auch nicht jeder Englisch oder kann überhaupt (die lateinische Schrift) lesen.
Manche Wortschöpfungen der Bahn dürften aber sowohl Deutschen als auch anderssprachigen Besuchern etwas seltsam vorkommen. Davon abgesehen nutzt die Bahn durchaus auch zweisprachige Beschilderungen, vor allem auf Fernbahnhöfen, wo es eben sinnvoll ist.
Wenn es mir eine echte Zeitersparnis bringen würde, nähme ich häufiger den ICE International, um minutenlang Ansagen in vier Sprachen zu hören (dt., engl., frz., ndl.). Ob die verordnete Zweisprachigkeit in den anderen Fernverkehrszügen wirklich positiv aufgenommen wird, weiß ich nicht, denn die englische Version enthält selten echte Informationen. Mich amüsiert sie meist eher – ja, es ist falsch, sich über anderer Leute Fremdsprachkompetenz lustig zu machen.
Mit Rücksicht auf ausländische Fahrgäste wäre es sicher besser, die Service Points schlicht mit “Information” zu bezeichnen … das Problem, so wie ich das sehe, sind ja nicht englische Ausdrücke an sich, sondern dieses deutsche Kunstenglisch, was weder Sprecher des Deutschen noch des Englischen verstehen!
Etwas off-topic (äh, abseits des Themas): Gerade die Bahnverwaltungen schaffen es immerhin, die Ziele internationaler Verbindungen in der jeweiligen Landessprache anzuzeigen. Die Straßenwegweisung kann sich da eine Riesenscheibe abschneiden.
Bernd, das bringt mich auf eine Idee, was der wahre Grund für die Sprachpuristen ist, auf einer „reinen“ deutschen Sprache zu bestehen — die können einfach nichts anderes…
Herr Päper, das mit den Symbolen ist grundsätzlich eine gute Idee, aber es ist oft gar nicht einfach, allgemeinverständliche Symbole zu finden. Das hier ist zum Beispiel das neue Gefahrensymbol für Radioaktivität:
Kann man verstehen, muss man aber nicht. Mir gefällt zum Beispiel die Interpretation „Piraten verlassen das Gebäude bitte durch den rechten Ausgang wenn der Deckenventilator läuft“ (hier).
Buntklicker, man wollte wohl ausdrücken, dass man nicht nur „Informationen“ sondern sogar „Service“ bietet. Besonders geglückt ist die Bezeichnung Service Point sicher nicht, aber Kunstenglisch ist es auch nicht unbedingt. Im Englischen gibt es diesen Begriff durchaus, wenn auch nicht mit exakt der gleichen Bedeutung.
Anscheinend hat der Verfasser dieser Krankenversicherungsseite den Grund des Bahnhofenglischen anders analysiert:
Info-Service — Allgemeines, FAQ, Test
FAQ. FAQ ist Englisch und bedeutet: „Frequently Asked Question“ – also eine „häufig gestellte Frage“. Hier finden Sie häufig gestellte Fragen sowie alle Antworten zum Thema Versicherung
(http://www.kostenfreier-versicherungsvergleich.de/private-krankenversicherung.php?versicherungs_id=1)
Ein wenig Recherche zu der Firma McClean bringt in der Tat Interessantes zu zutage. Allem Anschein nach handelt es sich nicht etwa um eine englische oder amerikanische Firma, wie man zunächst meinen könnte, sondern um eine schweizerische — jedenfalls der Internetadresse nach zu urteilen. Standorte gibt es auch nur in nicht-englischsprachigen Ländern (Schweiz, Deutschland, Luxemburg, Frankreich).
Natürlich ist es nicht die Verantwortung von Herrn Mehdorn, wenn sich diese Firma den albernen Namen “McClean” gibt. Aber wenn das “WC-Center” in Augsburg mit dem DB-Logo verziert ist, dann übernimmt Herr Mehdorn für diese Namensgebung schon eine Teilverantwortung. Daß “WC-Center” international besonders verständlich wäre, möchte ich auch bezweifeln. Jedenfalls ist mir in Nordamerika noch kein WC untergekommen. Gibt es so etwas vielleicht in England? Dann müßte es allerdings “WC-Centre” heißen.
Erwähnenswert ist noch der Standort in Köln, nämlich die “Colonaden Hauptbahnhof Köln”. Immerhin kann es sich bei “Colonaden” nicht um einen Anglizismus handeln. Dafür finden sich auf der Internetseite dieser Einrichtung Shops, Service, Jobs. Bei der Centerzeitung muß es sich wohl um einen Lapsus handeln. Gemeint ist doch bestimmt Center Newsletter, oder?