Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Wir haben es ja vor ein paar Wochen hier ange­sprochen — Ein­sprachigkeit und Nervösität sind keine gute Mis­chung, vor allem in amerikanis­chen Flugzeu­gen. Das mussten auch die Mitar­beit­er ein­er irakischen Sicher­heits­fir­ma erfahren:

Angst vor Ter­ror­is­ten führt in den USA zu absur­den Sit­u­a­tio­nen: Erst mit etwa 24-stündi­ger Ver­spä­tung kon­nte Flug 590 der Amer­i­can Air­lines gestern von San Diego in Rich­tung Chica­go abheben. Der Grund: Nach­dem eine Gruppe von sechs irakischen Män­nern sich auf Ara­bisch unter­hal­ten hat­te, schlu­gen Mitreisende vor dem Abflug Alarm.

Die Män­ner waren wenig begeistert:

Ein­er der Män­ner beschw­erte sich über den Zwis­chen­fall an Bord, sie wür­den doch den Amerikan­ern im Krieg helfen.

Ja, was sollen da erst die Aus­tralier sagen?

Bill Pos­er ver­sucht im Lan­guage Log, dem Zwis­chen­fall etwas Pos­i­tives abzugewinnen:

From a lin­guis­tic point of view, I guess the sil­ver lin­ing is that the wor­ried pas­sen­gers were able to iden­ti­fy Arabic.

Aus sprach­wis­senschaftlich­er Sicht ist es wohl ein Sil­ber­streif am Hor­i­zont, dass die besorgten Flug­gäste tat­säch­lich in der Lage waren, Ara­bisch zu erkennen.

Ich ver­mute ja, das war eher ein Glückstreffer.

Qua­si-diplo­ma­tis­che Zwis­chen­fälle sprach­lich­er Art sollen in Peking während der Olymp­is­chen Spiele von vorne­here­in ver­mieden wer­den — eine Gruppe von Lin­guis­ten hat im Auf­trag der Regierung eine stan­dar­d­isierte Ter­mi­nolo­gie für Speisekarten entwick­elt:

Gerichte mit Beze­ich­nun­gen wie „Jungfräulich­es Huhn“ (für eine Speise mit jungem Huhn) oder „Ver­bran­nter Löwenkopf“ (für Schweine­fleis­chbällchen chi­ne­sis­che Art) sollen dann der Ver­gan­gen­heit ange­hören. Das­selbe gilt für „steamed crap“ (gedün­steter Mist) anstelle von „steamed carp“ (gedün­steter Karpfen). Die neuen Vorschläge stützen sich auf die Zutat­en eines Gerichts, die Zubere­itungsart, den Geschmack oder den Namen eines Orts oder ein­er Person.

Eine umgekehrte Strate­gie hat übri­gens der Vere­in Bairische Sprache und Mundarten Chiem­gau Anfang des Jahres ver­fol­gt: um der „Ver­nor­dung“ der Bairischen Sprache (und der Bay­erischen Esskul­tur) ent­ge­gen zuwirken, hat er in einem Brief (.pdf) an den Förderkreis Hotels & Gast­stät­ten in Traun­stein eine Liste mit uner­wün­scht­en kuli­nar­ischen Begrif­f­en aus dem Nord­deutschen samt der stattdessen zu ver­wen­den­den bairischen Entsprechun­gen geschickt. Ob allerd­ings „Zwoa Geschwol­lene mit Schwammerln und Ochse­nau­gen“ appeti­tlich­er klingt als „Ver­bran­nter Löwenkopf“, lasse ich dahingestellt. Schmeck­en tut sich­er beides.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

3 Gedanken zu „Presseschau

  1. Christoph Päper

    Hat zufäl­lig jemand die chi­ne­sis­che Liste im Netz gefunden?

    Die Liste der Bajuwaren ist etwas selt­sam. Ich kann Kraut statt Kohl, Knödel statt Kloß, Topfen statt Quark oder Rahm statt Sahne ja noch nachvol­lziehen, aber bei den Fugen­laut­en habe ich offen­bar eine ganz andere dialek­tale Tol­er­anzschwelle, eben­so bei der Wahl von Kom­posi­tum vs. Adjek­tiv (Röstkartof­feln vs. geröstete Kartof­feln, wobei Kartof­feln selt­samer­weise Erdäpfel genan­nt wer­den). Einige der „nicht­bairischen“ Begriffe habe ich als Nord­deutsch­er noch nie gese­hen oder halte den „bairischen“ für gesamt­deutsch üblich­er (z.B. Strudel).

    Die ganzen Wörter auf -erl kom­men mir sehr diminu­tiv und mundartlich, somit eher unpassend vor, aber ger­ade das sieht der Vere­in natür­lich anders.

    Sagen Bay­ern ern­sthaft Ochse­nau­gen zu Spiegeleiern? Wirkt auf mich wie eine scherzhafte Beze­ich­nung, ander­er­seits gibt es im Nor­den ja auch Grünkohl mit Pinkel.

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  2. corax

    Moin moin,

    Ochse­nauge, eigentlich, das Auge eines Ochsen. Figür­lich. 1) In den Küchen einiger Gegen­den wer­den auf zer­lassene But­ter geschla­gene und geback­ene Eyer, so daß der Dot­ter ganz bleibt, Ochse­nau­gen, son­st auch Spiegeley­er, Spiegelkuchen genannt.

    2) In der Baukun­st sind die Ochse­nau­gen ovale Oeff­nun­gen, oder kleine Fen­ster, die bisweilen in großen Gebäu­den in den Fries, oder auch über große Haupt­fen­ster, zur Erleuch­tung der Zwis­chengeschosse, oder soge­nan­nten Entresols, oder auch im Dache ange­bracht wer­den. Wo der­gle­ichen Zwis­chengeschosse nicht sind, fall­en auch die Ochse­nau­gen weg. In Pal­lästen, wo die Entresols am nöthig­sten sind, ist man oft genöthigt, die Ochse­nau­gen über die Fen­ster eines Haupt­geschoss­es anzubrin­gen. Damit sie aber da keinen Uebel­stand machen, wer­den sie mit den Verzierun­gen der Fen­ster auf eine geschick­te Weise ver­bun­den. Am Fries ste­hen sie ganz natür­lich, weil sie da die Stellen der Metopen, die ihrem Ursprunge nach offen seyn soll­ten, vertreten.

    3) Im Forstwe­sen ver­ste­ht man unter Ochse­nau­gen die Wül­ste an Bäu­men, welche von abge­wor­fe­nen Aesten entste­hen, und hinein faulen, wo als­dann die Fäul­niß oft mit übergewach­sen­er Rinde bedeckt wird.

    4) Bey den Wundärzten ver­ste­ht man unter Ochse­nauge oder Ele­phante­nauge eine so starke Anschwellung des ganzen Augapfels, daß der­selbe nicht mehr von den Augen­liedern bedeckt wer­den kann, son­dern ent­blößt zwis­chen densel­ben her­vorste­ht. Diese Anschwellung beste­ht niemahls für sich, son­dern ist bloß Zufall von mancher­ley Krankheit­en des Augapfels, nach welchen auch die Behand­lung von dem Arzte ein­gerichtet wer­den muß. Beson­ders kommt sie vor bey hefti­gen und inner­lichen Auge­nentzün­dun­gen, wobey der ganze Augapfel auf­schwillt, und aus sein­er Höh­le gepreßt wird; zuweilen beym Eit­er­auge, bey der Augen­wasser­sucht etc. Auch kön­nen der­gle­ichen Anschwellun­gen von mehreren andern metas­ta­tisch auf das Auge gewor­fe­nen Krankheits­ma­te­rien, z. B. Milch­ver­set­zun­gen etc. entste­hen. Rührt sie von Anstren­gun­gen bey der Geburt her, so ver­liert sie sich gemeiniglich mit den Lochien.

    5) Die Schif­fer nen­nen die dun­klen Wolken in der Luft, nahe bey dem ungestü­men Vorge­birge der guten Hoff­nung, ingle­ichen in dem Meer bey Guinea so, die öfters Vor­both­en entset­zlich­er Stürme und Orkane sind.

    6) In eini­gen Gegen­den führt das große Gänsekraut, Chrysan­the­mum Leu­can­the­mum Linn den Nah­men des Ochse­nauges. S. im Art. Pfeil-Icon­Gold­blume, Th. 19, Pfeil-IconS. 482.

    7) Auch ist Ochse­nauge oder Ochsenäu­glein ein Nahme des Gold­häh­nchens, eines sehr kleinen Vogels, Motacil­la Reg­u­lus Lin. Man sehe Th. 19, Pfeil-IconS. 529.

    aus:

    http://www.kruenitz1.uni-trier.de/

    aus:

    http://images.google.de/images?q=ochsenaugen

    Heutzu­tage wohl eher, eine Blink­er­form, sel­tene brasil­ian­is­che Brief­marken, oder woher ich es kenne, eine Gebäckart.

    Aber Wiki ken­nt wohl auch: Œil de Bœuf

    http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegelei

    Unter gugel­suche:

    “Ochse­nauge und Spiegeleier”

    tauchen 361 Seit­en aus Öster­re­ich der Schweiz und auch (Süd)deutschland auf.

    Bei:

    http://wortschatz.uni-leipzig.de/abfrage/

    * Syn­onyme: Fen­ster­rose, Rosette, Rund­fen­ster, Spiegelei

    * ist Syn­onym von: Fen­ster­rose, Set­zei, Spiegelei

    * wird ref­eren­ziert von: Schmetter­ling, Tagfalter

    Pax

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  3. Anatol Stefanowitsch

    Corax, vie­len Dank, das lässt kaum Fra­gen offen. Nur über die Ergeb­nisse aus der Wortschatz-Suche der Uni Leipzig muss man sich ein wenig wun­dern: Das Wort wird dort den Kat­e­gorien „Einkom­men­steuer“ und „Hen­ze-Zyk­lus“ zugeordnet…

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