Nachträge

Von Anatol Stefanowitsch

Hier nur schnell ein paar nachträgliche Gedan­gen zu drei Beiträ­gen der let­zten Wochen.

Block­buster

Eine inter­es­sante Bedeu­tungss­chat­tierung des Wortes Block­buster, das uns im Beitrag Aktion schein­totes Deutsch beschäftigt hat, dürfte uns Deutschen ent­ge­hen, da sie wed­er mit Spreng­bomben noch mit Kassen­schlagern zu tun hat:

Block­bust­ing” refers to the efforts of real-estate agents and real-estate spec­u­la­tors to trig­ger the turnover of white-owned prop­er­ty and homes to African Amer­i­cans. Often char­ac­ter­ized as “pan­ic ped­dling,” such prac­tices fre­quent­ly accom­pa­nied the expan­sion of black areas of res­i­dence and the entry of African Amer­i­cans into neigh­bor­hoods pre­vi­ous­ly denied to them. In evi­dence as ear­ly as 1900, block­bust­ing tech­niques includ­ed the repeated—often incessant—urging of white home­own­ers in areas adja­cent to or near black com­mu­ni­ties to sell before it became “too late” and their prop­er­ty val­ues dimin­ished. (Ency­clo­pe­dia of Chica­go)

Das ist das span­nende an Wörtern: in ihnen steckt immer viel mehr als man ver­mutet (ich empfehle, den ganzen Ein­trag in der Ency­clo­pe­dia of Chica­go zu lesen).

Brain up

Leser B. Hager­ty deutet in einem Kom­men­tar zum Beitrag Will the Ger­man press please brain up etwas an, auf das ich sel­ber hätte hin­weisen müssen: das phrasale Verb to brain up ist nur eine Man­i­fes­ta­tion eines pro­duk­tiv­en Wort­bil­dungsmusters. Hager­ty nen­nt to man up (so etwa „zu seinen Worten/Taten ste­hen“) als weit­eres Beispiel (und als mögliche Quelle). Spon­tan fällt mir noch ein: to mus­cle up (etwa „(sich) stärk­er machen“), weit­ere Beispiele sind willkom­men. Alle drei Ver­ben kön­nen intran­si­tiv oder tran­si­tiv ver­wen­det wer­den. Das zugrun­deliegende Muster ist also [XVerb up], wobei das Verb denom­i­nal (von einem Sub­stan­tiv abgeleit­et) ist. Die Bedeu­tung ist „mehr von X bekom­men“ (intr.), bzw. „jmd. zu mehr von X ver­helfen“ (trans.).

Rechtschreibre­form

Vielle­icht habe ich in der Press­eschau vom 4. August die selb­streini­gen­den Kräfte der Schrift­sprache über­schätzt: die englis­chsprachige Welt ken­nt keine geset­zlich ver­ankerte Rechtschrei­bung und müsste deshalb aus­re­ichend Zeit gehabt haben, ihre Selb­streini­gungskraft zu ent­fal­ten. Stattdessen hat dort jed­er Ver­lag seinen eige­nen house style entwick­elt und set­zt diesen, wie Helen DeWitt in ihrem immer lesenswerten Blog Paper­pools ein­drucksvoll beschreibt, gegen jede Ver­nun­ft (und gegen jede lit­er­arische Sen­si­bil­ität) durch.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

2 Gedanken zu „Nachträge

  1. maike

    Da fall­en mir zwei Dinge zum ‘brain up’ ein. Zunächst habe ich im ersten Moment an Slim Shady gedacht (will the real s.s. please stand up?) und habe nun Schwierigkeit­en den doch recht eingängi­gen Refrain wieder aus dem Kopf zu bekom­men, und zum Zweit­en erscheint mir, unter­stützt auch durch den Kom­men­tar von B. Hager­ty und deine weit­eren Erläuterun­gen, das Muster XVerb up sowas wie ein Snow­clone zu sein, wie kür­zlich mal wieder 

    hier besprochen. Kön­nte es sich um einen Snow­clone handeln?

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  2. Anatol Stefanowitsch

    Maike, „Will the real X please stand up?“ ist auf jeden Fall ein Snow­clone, sein Ursprung ist allerd­ings nicht der Eminem-Song son­dern die US-amerikanis­che Fernsehshow To Tell the Truth, die es seit den 1950er Jahren gibt. Das Muster [X VERB up] würde ich dage­gen nicht als Snow­clone beze­ich­nen, denn mit diesem Begriff beze­ich­nen die Kol­le­gen vom Lan­guage Log ja “a mul­ti-use, cus­tomiz­able, instant­ly rec­og­niz­able, time-worn, quot­ed or mis­quot­ed phrase or sen­tence that can be used in an entire­ly open array of dif­fer­ent jokey vari­ants” (eine vielfach ver­wend­bare, anpass­bare, sofort erkennbare, abgenutzte, zitierte oder falsch zitierte Phrase, die in ein­er unbe­gren­zten Rei­he ver­schieden­er spaßhafter Abwand­lun­gen ver­wen­det wer­den kann). [X VERB up] ist aber nicht erkennbar einem Zitat zuzuord­nen. Selb­st wenn es sich um Analo­giebil­dun­gen (z.B. zu man up) han­delt, fällt damit das entschei­dende Merk­mal für einen Snow­clone weg.

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